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Vermutung in der Mathematik Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Collatz-Problem, auch als (3n+1)-Vermutung bezeichnet, ist ein ungelöstes mathematisches Problem, das 1937 von Lothar Collatz gestellt wurde. Es hat Verbindungen zur Zahlentheorie, zur Theorie dynamischer Systeme und Ergodentheorie und zur Berechenbarkeitstheorie in der Informatik.
Das Problem ist zwar einfach zu formulieren, aber notorisch schwierig. Jeffrey Lagarias, der als Experte für das Problem gilt, zitiert eine mündliche Mitteilung von Paul Erdős, der es als „absolut hoffnungslos“ bezeichnete.[1]
Bei dem Problem geht es um Zahlenfolgen, die nach einem einfachen Bildungsgesetz konstruiert werden:
Zum Beispiel ergibt sich mit der Startzahl die Folge
Die Folge tritt somit in einen Zyklus ein, in dem die Zahlen 4, 2, 1 ständig wiederholt werden.
Die Collatz-Vermutung lautet nun:
Diese Vermutung wurde bislang weder bewiesen noch widerlegt.
Bezeichne mit
Sei und die Collatz-Funktion
Definiere den Collatz-Orbit
Dann lautet die Vermutung:
Für den Orbit gilt somit , usw.
Um die Vermutung zu beweisen, muss man für jedes zeigen, dass ein solches existiert. Um die Vermutung zu widerlegen, muss man ein finden, für das ein solches nicht existiert.
Eine gleichwertige Aussage der Vermutung ist, dass das kleinste Element jedes Collatz-Orbits die Zahl ist.
Wegen der simplen Formulierung der Problemstellung werden im Internet immer wieder angebliche Beweise veröffentlicht. Ein häufiger logischer Fehlschluss der gemacht wird, besteht darin, das Problem lediglich neu zu formulieren, anstatt es tatsächlich zu beweisen.
Trotz zahlreicher Anstrengungen gehört diese Vermutung noch immer zu den ungelösten Problemen der Mathematik. Mehrfach wurden Preise für eine Lösung ausgelobt:
Der Mathematiker Richard Guy warnte 1983 vor diesem und drei anderen auch heute noch ungelösten Problemen:[9][10]
Der Ursprung der Collatz-Vermutung liegt insofern etwas im Nebel, als aus der mutmaßlichen Entstehungszeit bisher keine schriftlichen Dokumente mit einer Beschreibung des Problems öffentlich zugänglich sind. Es wird berichtet, dass Collatz das Problem beim Internationalen Mathematikerkongress 1950 in Cambridge (Massachusetts) mündlich verbreitete.[11] Stanisław Ulam und Shizuo Kakutani, die auf diesem Kongress zu Vorträgen eingeladen waren, stellten das Problem immer wieder in Gesprächen dar und werden deshalb in diesem Zusammenhang häufig genannt. Als Lothar Collatz 1952 seine Professur in Hamburg antrat, erzählte er seinem Hamburger Kollegen Helmut Hasse von der Vermutung. Dieser verbreitete das Problem während eines Forschungsaufenthalts an der Syracuse University, deshalb erhielt das Collatz-Problem auch den Namen Syracuse-Vermutung. Publikationen zur Entstehung und Verbreitung:
Nach Terras’ Publikation 1976 begann nach und nach eine rege wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Collatz-Problem, die mittlerweile weit mehr als hundert Publikationen mit neuen Forschungsergebnissen umfasst. Im populärwissenschaftlichen Bereich entstanden neue Bezeichnungen:
Collatz’ Beschreibung seiner Motivation der (3n+1)-Vermutung ist sehr plausibel:[25] Er assoziiert zunächst ganz allgemein zu einer beliebigen Funktion auf den natürlichen Zahlen mit Werten in den natürlichen Zahlen einen gerichteten Graphen, der von Lagarias im oben erwähnten Überblicksartikel Collatz-Graph genannt wird. Der Collatz-Graph einer zahlentheoretischen Funktion
ist ein gerichteter Graph, bestehend aus der Menge der natürlichen Zahlen als Knotenmenge und zu jeder natürlichen Zahl einer gerichteten Kante von nach .
Die einfachste solche Funktion ist die Nachfolgerabbildung
deren Collatz-Graph aus einem unendlich langen Weg besteht:
Um mehr Beispiele zu haben, suchte er zunächst nach einer möglichst „einfachen“ zahlentheoretischen Funktion, deren Collatz-Graph einen Kreis enthält. Eine solche Funktion muss auf gewissen natürlichen Zahlen „aufsteigen“, also die Relation erfüllen, und auf anderen natürlichen Zahlen „absteigen“, also die Relation erfüllen. So stieß er zunächst auf die Funktion, die definiert ist durch
Den Collatz-Graphen dieser Funktion kann man wie folgt beschreiben: Die Knoten sind, nach Definition, die positiven ganzen Zahlen. Ist der Knoten gerade, besitzt die beiden Vorgängerknoten und , sonst nur . Außerdem gilt
Daraus folgt
und das hat zur Folge, dass der Collatz-Graph von nur den Kreis besitzt und dass die -Trajektorie zu jeder beliebigen Startzahl in diesen Kreis mündet.
Weil diese Argumentation ziemlich einfach ist, suchte Collatz weiter: Der Collatz-Graph der Funktion
enthält keinen Kreis, da jede ungerade Zahl auf eine größere ungerade Zahl abgebildet wird, und die -Trajektorien daher alle gegen unendlich divergieren.
Der nächste Versuch ist die Collatz-Funktion
Zu dieser Funktion fand Collatz nur den „trivialen Kreis“ – er schrieb, er habe seine Ideen deshalb nicht veröffentlicht, weil er nicht beweisen konnte, dass der „triviale Kreis“ der einzige sei. Die Collatz-Vermutung ist in graphentheoretischer Formulierung die Vermutung, dass der Collatz-Graph von zusammenhängend ist.
Für eine -Trajektorie als Zahlenfolge kann man drei einander ausschließende Möglichkeiten unterscheiden:
Die Collatz-Vermutung besagt, dass nur die erste Möglichkeit für alle Folgen zutrifft. Eine Realisierung der zweiten und dritten Möglichkeit für eine bestimmte Folge konnte bisher nicht ausgeschlossen werden. Es konnte bisher auch nicht bewiesen werden, dass es nur endlich viele Zyklen geben kann.[26]
Da für ungerade stets gerade ist und somit die folgende Iteration immer die Division durch 2, wird statt der Collatz-Funktion meistens die etwas einfacher zu handhabende Funktion
verwendet, die also für ungerade zwei -Iterationen auf einmal macht und den der Vermutung zufolge stets erreichten Zyklus von (1,4,2) auf (1,2) reduziert. Die -fache Abbildung bildet auf und auf ab, insbesondere gibt es für jeden beliebig großen Faktor Startwerte, die die wiederholte Abbildung mit oder um mindestens diesen Faktor vergrößert. Die Collatz-Vermutung ist äquivalent zu der Vermutung, dass für alle ganzen Zahlen eine ganze Zahl mit existiert. Terras zeigte 1976, dass die asymptotische Dichte der ganzen Zahlen , für die das zutrifft, existiert und gleich 1 ist.[15]
Berechnungen mit Computern ergaben:[27]
Terence Tao zeigte 2019, dass die Collatz-Vermutung für „fast alle“ natürlichen Zahlen „fast“ zutrifft (das heißt, man endet mit der Collatzfolge „nahe“ 1, wobei die Schranke für die Nähe vom Startwert N abhängt).[23][24] Beispielsweise folgt aus Taos Satz, dass mindestens 99 Prozent der natürlichen Zahlen bis , mit denen man die Collatzfolge startet, einen Endwert erreichen, der unter 200 liegt. Tao benutzte dabei Methoden, die er zuvor in der Theorie partieller Differentialgleichungen angewandt hatte, indem er statistisch eine Auswahl von Anfangswerten sampelte und dann das „Langzeitverhalten“ des Ensembles unter der Collatztransformation untersuchte.
Betrachtet man bei der Anwendung der Collatz-Funktion nur ungerade Zahlen, kann man mit elementaren Rechnungen einige grundlegende Eigenschaften dieser Abbildung zeigen.
Ungerade natürliche Zahlen haben bei einer Division durch 4 entweder den Rest 1 oder den Rest 3. Die ungeraden natürlichen Zahlen lassen sich so in zwei disjunkte Teilmengen aufteilen. Die eine Teilmenge der ungeraden Zahlen sind die Zahlen der Reihe 4n+1 mit . Die andere Teilmenge sind die Zahlen der Reihe 4n+3 mit . Wendet man nun auf die Zahlen der ersten Reihe die Collatz-Funktion an, erhält man die Zahlen der Reihe 12n+4. Da es sich bei diesen Zahlen immer um gerade Zahlen handelt, kann die Collatz-Funktion erneut angewendet werden. Die Zahlen der Reihe 12n+4 werden also auf die Zahlen der Reihe 6n+2 abgebildet und diese dann auf die Zahlen der Reihe 3n+1. Durch weitere Rechnungen in dieser Art lassen sich die folgenden allgemeinen Eigenschaften der Orbits zeigen:
Die genannten Regeln können dazu benutzt werden, um bei einer Überprüfung der Collatz-Vermutung für alle natürlichen Zahlen unterhalb einer gegebenen Schranke mit Hilfe von Computerprogrammen Rechenzeit einzusparen.
In ähnlicher Weise lässt sich auch die etwas allgemeinere Formel herleiten:
Es gilt . Die Konstante ist gleich der Anzahl aller ungeraden Zahlen, die sich bei den -Iterationen von a ergeben. Diese Anzahl hängt damit ebenfalls nur von den zwei Konstanten und ab. Für ergeben sich die folgenden Werte für die beiden Konstanten
Für ergeben sich die folgenden Werte:
Beispiele zu obiger Formel sind:
Die letzten drei Beispiele zeigen, dass es weder für den Maximalwert noch für die Länge der Collatz-Folgen eine obere Schranke gibt.
Mit Hilfe der Konstanten und kann leicht gezeigt werden, dass für die Startwerte aus der Folge 4n+3 nach jeweils fünf -Iterationen und beliebiges n nur für die Folgenwerte größer sind als die Startwerte. Für alle anderen Startwerte aus der Folge 4n+3 wird nach fünf -Iterationen auf einen kleineren Wert abgebildet. Die letztgenannten Startwerte dürfen deshalb bei einer numerischen Überprüfung der Collatz-Vermutung weggelassen werden.
Die folgende Gleichung zeigt, dass es mindestens eine unendlich große Teilmenge an Collatz-Folgen gibt, bei der jedes Element die Collatz-Vermutung erfüllt. Mit
und gilt
Die Ganzzahligkeit der Division lässt sich mit Hilfe der Partialsumme der geometrischen Reihe und vollständiger Induktion beweisen.[32] Für gehören die Startwerte zur Folge A002450 in OEIS.
Die Collatz-Vermutung entspricht auch der Aussage, dass es bei jeder Collatz-Folge nach endlich vielen Iterationsschritten ein Folgenelement gibt, das als Zweierpotenz mit endlichem Exponenten darstellbar ist.
Die Syracuse-Funktion (benannt nach der Syracuse University in New York) ist eine mit der Collatz-Funktion verwandte Funktion. Sei , falls eine ungerade Zahl ist, dann ist gerade und besitzt eine Primfaktorzerlegung der Form
wobei und die größte ungerade Zahl ist, welche ohne Rest teilt. Sei die Menge der ungeraden Zahlen, dann ist die Syracuse-Funktion die Funktion
Beispielsweise gilt , und .
Für eine Primzahl und sei die -Bewertung, das heißt die größte Zahl , so dass , mit der Konvention . Dann lässt sich auch wie folgt ausdrücken
Analog zur Collatz-Funktion lässt sich nun auch der Syracuse-Orbit und sein Minimal-Element definieren.
Die Syracuse-Funktion spielt eine zentrale Rolle in Taos Beweis.
2019 bewies Tao den folgenden Satz:[24]
Er benutzte die folgende Notation für die natürlichen Zahlen:
Die Bezeichnung fast alle bezeichnet eine Eigenschaft bezüglich der logarithmischen Dichte. Es ist eine schwächere Form als die asymptotische Dichte.
Logarithmische Dichte:
Sei eine nicht leere endliche Teilmenge. Wir definieren die Zufallsvariable , welche Werte in annimmt und der logarithmischen Gleichverteilung folgt, das heißt, für alle gilt
Die logarithmische Dichte von ist dann definiert als der Grenzwert
sofern dieser existiert.
Die logarithmische Dichte von ist somit die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Grenzwert der Zufallsvariable in der Menge befindet.
Beispiele:
Fast alle:
Eine Eigenschaft gilt für fast alle , falls
In Worten ausgedrückt gilt in einer Teilmenge mit logarithmischer Dichte .
Der Satz wird für bewiesen und der Fall für folgt daraus, denn es gilt[24]
Wir definieren:
Daraus folgt und .
Weiter definieren wir die geometrische Zufallsvariable mit Erwartungswert , so dass für alle gilt
Für ein zufälliges kann die Anzahl, wie oft durch geteilt werden kann, als geometrische Zufallsvariable mit Erwartungswert interpretiert werden:
Es lässt sich folgende Heuristik herleiten: Falls eine spezielle große, ungerade Zahl ist und (bedeutet ist viel kleiner als ), dann verhält sich wie die Zufallsvariable . Genauer: Definiere die diskrete totale Variation zweier Zufallsvariablen auf einer diskreten Menge als
Nun lässt sich eine obere Schranke für die totale Variation von und finden:
wobei eine Konstante bezeichnet. Da man nun sehr viel über die Verteilung von weiß, lassen sich endliche Stoppzeiten für herleiten.
Im Dualsystem kann besonders einfach zwischen einer geraden und einer ungeraden natürlichen Zahl unterschieden werden, weil gerade Zahlen in diesem System ganz rechts immer mit einer Null und ungerade Zahlen ganz rechts immer mit einer 1 enden. Auch die Multiplikation einer natürlichen Zahl mit der Zahl 2 ist im Dualsystem sehr einfach durchzuführen. Es muss nur rechts eine Null an die Binärzahl hinzugefügt werden. Bei einer Division durch 2 muss entsprechend rechts eine Null entfernt werden.
Die Collatz-Funktion kann im Dualsystem als eine abstrakte Maschine verstanden werden, die eine Zeichenkette von Bits auf eine neue Zeichenkette von Bits abbildet. Diese Maschine entfernt zuerst alle Nullen am Ende der Zeichenkette. Dies entspricht den benötigten Divisionen durch die Zahl 2 bis eine ungerade Zahl vorliegt. Die Verarbeitung einer beliebigen ungeraden Zahl geschieht dann über die folgenden drei Regeln:
Über die genannten Regeln kann somit ein gesamter Orbit im Dualsystem dargestellt werden.
Obwohl die schrittweise Verarbeitung der Zahlen im Dualsystem durch sehr einfache Regeln realisiert wird, wurde bisher auch in dieser Darstellung kein Beweis der Collatz-Vermutung gefunden.
Man startet mit der dezimalen 7 (binär 111). Der resultierende Collatz-Orbit lautet dann:
111 1111 1011010111 100010100011 11010011011 1010001011 10000
Für das auf alle ganzen Zahlen als Startwerte ausgeweitete Collatz-Problem gibt es außer dem (1,4,2)-Zyklus noch mindestens vier weitere Zyklen:
Die drei letzten Zyklen mit positiven statt negativen Vorzeichen entstehen auch mit der Definition statt für ungerade . Alle Startwerte mit enden in einem der bekannten Zyklen.[33]
Marc Chamberland definierte eine stetige Funktion, welche die diskrete Collatz-Folge auf den Bereich der reellen Zahlen erweitert.[34] Simon Letherman, Dierk Schleicher und Reg Wood betrachteten Funktionen im Bereich der komplexen Zahlen als Erweiterung.[35] Allgemeine Vermutung: für ungerade endet immer in und besitzt nur diesen einen Zyklus.
Betrachtet man das analoge (5n+1)-Problem, so liefern stochastische Modelle ein ganz anderes Verhalten: Fast alle Iterierten sollten divergieren, was durch Computersimulation bestätigt wird. Es ist aber ein offenes Problem zu beweisen, dass auch nur ein Orbit des (5n+1)-Problems tatsächlich divergiert.[36]
John Conway betrachtete 1972[14] verallgemeinerte (3n+1)-Folgen und zeigte, dass sie universale Turingmaschinen simulieren können (von ihm in der Programmiersprache FRACTRAN verallgemeinert). Außerdem zeigte er, dass ein bestimmtes Entscheidungsproblem unlösbar ist, das danach fragt, ob ein Eingangswert für die Iteration, der eine Potenz von 2 ist, zu einem iterierten Wert führt, der ebenfalls eine Potenz von 2 ist (das Collatz-Problem lässt sich auch so formulieren, dass für beliebige natürliche Zahlen als Input die Iterierte schließlich auf eine Potenz von 2 führt).
In ihrer 2020 veröffentlichten Arbeit analysierten Sultanow, Koch und Cox das Collatz-Problem aus graphentheoretischer Sicht.[37] Sie betrachteten Zyklen für und die verallgemeinerte Form , wobei . Das Dokument beinhaltet eine Liste bekannter Zyklen und leitet daraus Bedingungen für deren Auftreten in Collatz-Sequenzen ab.
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