Clara Winnicki

erste diplomierte Apothekerin in der Schweiz Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Clara Winnicki

Clara Emma Winnicki, auch Clara Emma Winnitzki, Winnizki, Winnicky (* 10. November 1880 in Bern; † 6. Mai 1941[2] in Göttingen[3][4][5]) war die erste diplomierte Apothekerin in der Schweiz mit eigenem Geschäft.[6]

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Porträt von Dr. Clara Winnicki (1880–1941)[1]

Leben

Zusammenfassung
Kontext
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Rundbogenfenster[7] aus dem Jahr 1867 mit Ortsbürgerfamilien der Gemeinde Rothrist (unten links: Winitzky)[8]

Clara Emma Winnicki, Tochter des Ingenieurs[9] Leopold Winnicki[10][11], Sohn des in Oftringen[12][13] lebenden naturalisierten polnischen Flüchtlings[10][14] Constantin Winicki[15][16][17] aus Bromberg, verheiratet mit Anna Meyer[18][19][9], und der Sekundarlehrerin Carolina Emma Elisabeth geb. Sulser[20][21]. In Bern geboren, von Rothrist[22], immatrikulierte sie sich am 18. April 1900[23] an der Universität Bern, um hier als erste Frau der Schweiz Pharmazie zu studieren. Als erste Frau in der Schweiz bestand sie 1905 das eidgenössische Staatsexamen für Apotheker und war damit berechtigt, ein Pharmaziegeschäft zu betreiben. Als zweite Frau in der Schweiz erwarb 1906 die Zürcherin Hedwig Delpy dieses Diplom. In Deutschland war Magdalena Neff 1906 die erste Apothekerin.

Eigene Apotheken

Nur mit Mühe fand Winnicki als Frau eine Praktikanten-[24] und eine Assistentenstelle. 1906 verwaltete sie eine Apotheke in Langenthal.[25][26] Im gleichen Jahr verkündete das bernische Zivilstandsamt eine beabsichtigte Eheschliessung mit dem Apotheker Ernst Heinrich Rackwitz[27][28], der jedoch 1907 die Lehrerin Agnes Keller aus Halle ehelichte.[29][30] 1907 promovierte sie bei Alexander Tschirch[31][32] über Arzneipflanzen, ihre Dissertation trug den Titel Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Blüten einiger offizineller Pflanzen. Schliesslich erwarb sie in Biel[33][34], später in Bern[35][36] je eine Apotheke und praktizierte als erste diplomierte und selbstständige Apothekerin. Sie engagierte sich in Standes- und vornehmlich auch in Frauenfragen.[37][38][39] Dazu schrieb sie Beiträge in der Fachpresse. Zudem stellte sie Pillen gegen Kopfweh, Blutarmut und Husten her.[40][41] 1912 wurde sie auch als Vizepräsidentin des Damenchors Cäcilia in Biel genannt.[42][43] Zudem wird sie als Vorstandsmitglied des Vereins für Kinder- und Frauenschutz in Biel erwähnt.[44]

Heirat und Zusammenbruch

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Apotheke an der Nidaugasse in Biel, die Emil Bonjour an Clara Winnicki verkauft hatte.[33][34]

Doch Winnicki fehlte die kaufmännische Fortüne,[45] sie musste ihre Apotheken wieder schliessen. Schliesslich fand sie Arbeit als Verwalterin einer Apotheke in Adelboden.[46] Der Apotheker August Herbrand[47] (1869–1948)[48][49] aus Blumenthal[50] durfte als Deutscher ohne die eidgenössische Apothekerprüfung keine schweizerische Apotheke führen. Die beiden heirateten 1925.[51] Doch die private wie geschäftliche[52][53] Verbindung war unglücklich. Winnicki arbeitete danach in Zürich.[54] Dort erkrankte sie schwer.[6] Im Frühjahr machte sich das erste Mal ein «Nervenleiden» bemerkbar. Sie verbrachte daher vier Wochen im Sanatorium für Nervenleidende in Küsnacht.[55][56] Vom 26. Januar bis 18. Mai 1933 hielt sie sich in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (Burghölzli)[57] auf, vom 18. Mai bis 24. Juli 1933 vorübergehend in der Klinik Schlössli in Oetwil am See[58], und dann vom 25. Juli bis am 30. August 1933 wiederum im Burghölzli.[59] Da sie einen Deutschen geheiratet hatte, galt sie als mittellose Ausländerin und wurde zusammen mit ihrem Ehemann durch den Zürcher Regierungsrat ausgewiesen[60]. Am 30. August 1933[61] wurde sie vom Burghölzli[62][63] in Zürich nach Friedrichshafen[61][64] überführt, wo sie sich vom 30. August bis 4. September 1933 im Karl-Olga-Krankenhaus[65] mit der Diagnose Paranoia aufhielt.[66][67] Am 4. September 1933 erfolgte ihre Aufnahme in die Heilanstalt Weissenau bis zu ihrem Austritt am 5. März 1934.[68] Clara Winnicki wurde am 7. März 1934 in das niedersächsische Landeskrankenhaus Göttingen[69][70] mit der Diagnose Schizophrenie eingeliefert. Sie ist am 6. Mai 1941 an Lungentuberkulose verstorben.[5][71][72][73] Sie wurde am 9. Mai 1941 auf dem Stadtfriedhof Göttingen beerdigt.[74][75]

Ehrung

Ein Gebäude auf dem Areal des Berner Inselspitals erhielt 2022 den Namen «Clara-Winnicki-Haus».[76] Das Gebäude ist das neue Service- und Logistikzentrum des Inselspitals und damit der logistische Dreh- und Angelpunkt des gesamten Areals.[77]

Publikationen

  • Das pharmazeutische Hilfspersonal. In: Schweizerische Wochenschrift für Chemie und Pharmazie, 42 Jg., 18. Juni 1904, Nr. 25, S. 337–339.[78]
  • Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Blüten einiger offizineller Pflanzen. Dissertation. Bern, 1907.
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    Inserat aus dem Jahr 1892 für Migrainite, das bereits von ihrem Vorgänger Emil Bonjour hergestellt wurde.[41][79]
    Die Frau im Apothekerberuf. In: Schweizerische Apotheker-Zeitung, 56. Jg., 17. Januar 1918 und 24. Januar 1918, Nr. 3, S. 30–32[80], Nr. 4, S. 43–46[81].
  • Zur Assistentenfrage. In: Schweizerische Apotheker-Zeitung, 56. Jg. 11. April 1918, Nr. 15, S. 193–195.[82]
  • Assistentenfrage. In: Schweizerische Apotheker-Zeitung, 56. Jg., 23. Mai 1918, S. 273, Nr. 21.[83]
  • Adelboden. In: Der Bund, Band 75, Nummer 354, 21. August 1924.[84]
  • Zur Frage des Doktortitels. In: Der Bund, 25. Juli 1926.[85]
  • Vom Stimmrecht der Frauen – Sollen die Frauen entscheiden? In: Der Bund. 1928.[86]
  • Die Frauenbewegung und die Pharmacie. In: Schweizerische Apotheker-Zeitung, 10. September 1932, S. 472–473.[87]
  • Alexander Tschirch: Die Harze und die Harzbehälter mit Einschluss der Milchsäfte. Historisch-kritische und experimentelle in Gemeinschaft mit zahlreichen Mitarbeiten ausgeführte Untersuchungen. Leipzig 1906.[88]
  • Otto Tunman: Winnicki, Cl., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Blüten einiger offizineller Pflanzen. In: Botanisches Zentralblatt; referierendes Organ für das Gesamtgebiet der Botanik. Band 113, 1910, Nr. 6, S. 159–160.[89]
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Die Pharmacie Internationale in Adelboden, geführt von Clara Winnicki von 1922 bis 1932

Literatur

  • Iris Ritzmann, Eberhard Wolff: Erste Apothekerin der Schweiz. In: Schweizerische Ärztezeitung. Band 104, Nr. 23, 7. Juni 2023, S. 78–79, doi:10.4414/saez.2023.21760.
  • François Ledermann: Winnicki Clara. In: Christoph Friedrich, Peter Hartwig Graepel, Johannes Müller, Ariane Retzar: Deutsche Apotheker-Biographie. Ergänzungsband 3, Teil 2. M–Z (= Veröffentlichungen zur Pharmaziegeschichte der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie 18). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-8047-4238-3, S. 638–639, (Online in: BORIS, abgerufen am 19. Oktober 2023).[90]
  • Silke Redolfi: Die verlorenen Töchter: Der Verlust des Schweizer Bürgerrechts bei der Heirat eines Ausländers. Zürich, 2019.[91]
  • Manfred Koller: Die Geschichte der Psychiatrie in Göttingen – Schwerpunkt LKH. In: Dirk Wedekind, Carsten Spitzer, Jens Wiltfang:150 Jahre Universitätspsychiatrie in Göttingen. Göttingen, 2019, S. 9–36.[71]
  • Petra Fuchs: «Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst». Lebensgeschichten von Opfern der nationalsozialistischen «Euthanasie». Göttingen 2007.[92]
  • Manfred Koller: Erinnerung an die Opfer der NS-Psychiatrie in Göttingen. In: Hermann Elgeti: Psychiatrie in Niedersachsen – Jahrbuch 2010. S. 42–47.[93]
  • Franziska Rogger: Der Doktorhut im Besenschrank. Das abenteuerliche Leben der ersten Studentinnen – am Beispiel der Universität Bern. eFeF-Verlag, Bern 1999/2002 (2., ergänzte Auflage), ISBN 978-3-905561-32-6, S. 63–71.
  • Brigitte Zurbriggen: «…Und speziell Damen wandten sich scharenweise dem pharmazeutischen Studium zu…» – Zur Geschichte der Apothekerinnen in der Schweiz. Diss. med., Bern 2000, S. 206–219.[94]
  • Marthe Gosteli (Hrsg.): Vergessene Geschichte – Histoire oubliée: Illustrierte Chronik der Frauenbewegung 1914–1963. 2 Bände. Bern 2000, Band. 1, S. 154.[95]
  • Werner Juker: Hundert Jahre Apothekerverein des Kantons Bern 1861–1961. Bern 1961, S. 181.
  • Schlussbericht der SAFFA – 1. Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit Bern. Bern, 1928.[96]
  • Fräulein Dr. Clara Winnicki. In: Die Berner Woche in Wort und Bild. 20. Juni 1914, S. 302.[1]

Archive

Einzelnachweise

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