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Symmetrieverletzung in der Teilchenphysik Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Eine CP-Verletzung (C für charge conjugation ‚Ladungskonjugation‘; P für parity ‚Parität‘) ist eine Abweichung von den physikalischen Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten in einem System bei erwarteter CP-Invarianz, der Erwartung, dass die Zusammenhänge und Gesetze gleich bleiben, wenn alle Teilchen durch ihre Antiteilchen ersetzt und gleichzeitig alle Raumkoordinaten gespiegelt werden.
Gemäß der normalen Alltagserfahrung sollte sich die Physik in einer Spiegelwelt nicht von ihrem Original unterscheiden. Das heißt, jeder Vorgang, der in einem Spiegel beobachtet wird, sollte sich durch geeignete experimentelle Anordnung auch in der normalen Welt realisieren lassen (P-Invarianz).
Schon 1956 postulierten Tsung-Dao Lee und Chen Ning Yang allerdings, dass die schwache Wechselwirkung, der der Beta-Zerfall unterliegt, die Punktsymmetrie verletzt. Noch im gleichen Jahr wurde diese Paritätsverletzung durch Chien-Shiung Wu im Wu-Experiment bestätigt. Die schwache Wechselwirkung bevorzugt dabei die Linkshändigkeit (also die Drehrichtung des Spins von Elementarteilchen bezüglich der Flugrichtung wie bei einer Linksschraube) gegenüber der Rechtshändigkeit. Nur linkshändige Teilchen und rechtshändige Antiteilchen nehmen an ihr teil. An der elektromagnetischen und der starken Wechselwirkung nehmen links- und rechtshändige Teilchen mit gleicher Stärke teil.
Die Paritätsverletzung lässt sich gut an Neutrinos illustrieren, die ausschließlich schwach wechselwirken und nur als linkshändige Neutrinos und rechtshändige Antineutrinos vorkommen können. Unter der Paritätstransformation („Punktspiegelung“) wird aber aus einem linkshändigen Neutrino ein rechtshändiges Neutrino.
Physikern ist schon seit den 1930er Jahren bekannt, dass es zu jedem Elementarteilchen ein Antiteilchen gibt. Ursprünglich sprachen die Theorie sowie Beobachtungen dafür, dass alle Wechselwirkungen und Zerfälle von Antiteilchen genau so ablaufen wie mit normalen Teilchen, dass sie also invariant unter Ladungskonjugation, kurz C-invariant, seien. Die elektromagnetische und die starke Wechselwirkung erhalten C. Beispielsweise ist das Coulombsche Gesetz invariant unter der Ladungskonjugation. Die schwache Wechselwirkung verletzt dagegen C, was sich ebenfalls an Neutrinos illustrieren lässt. Unter der Ladungskonjugation wird aus einem linkshändigen Neutrino ein linkshändiges Antineutrino, das experimentell nicht beobachtet wird.
Vertauscht man zusätzlich zur Spiegelung auch noch Teilchen mit Antiteilchen (C+P), so entsteht kein Widerspruch mehr zu der oben genannten Situation, denn es wird aus einem linkshändigen Neutrino unter der CP-Transformation ein rechtshändiges Antineutrino (Lew Landau 1957).
1964 entdeckten die amerikanischen Physiker James Christenson, James Cronin, Val Fitch und René Turlay (Nobelpreis für Physik für Cronin und Fitch 1980) eine winzige Unregelmäßigkeit beim Zerfall schwerer neutraler K-Mesonen (Kaonen), die auf eine Verletzung auch der kombinierten CP-Symmetrie schließen ließ. Bei der Untersuchung der Zerfälle von -Mesonen (das L steht für long-lived) in einem Experiment am Alternating Gradient Synchrotron des Brookhaven National Laboratory wurden mit einer Rate von etwa 2 ‰ die CP-verletzenden Zerfälle des -Mesons in zwei geladene -Mesonen (Pionen) beobachtet.
Durch die Mischung im System der neutralen Kaonen, d. h., ein () kann in sein Antiteilchen () übergehen, bilden sich Masseneigenzustände, die unterschiedliche Massen und Lebensdauern aufweisen. Der Massenunterschied ist äußerst gering, wohingegen der Lebensdauerunterschied sehr groß ist. Man unterscheidet zwischen dem kurzlebigen und dem langlebigen , deren Lebensdauern sich ungefähr um einen Faktor 600 unterscheiden.
() können in die gleichen Endzustände zerfallen, wobei Endzustände mit 2 Pionen und einem CP-Eigenwert von +1 und mit 3 Pionen und einem CP-Eigenwert von −1 von besonderer Bedeutung sind: und .
Aufgrund des größeren Phasenraums hat der Zerfall in 2 Pionen eine deutlich größere partielle Zerfallsbreite. Ist CP erhalten, dann müssen beide Masseneigenzustände im System der neutralen Kaonen ebenfalls CP-Eigenzustände sein. Der kurzlebige Zustand müsste demnach in den 2-Pion-Endzustand und der langlebige in den 3-Pion-Endzustand zerfallen. Zerfälle der Art oder können nur auftreten, wenn die CP-Symmetrie verletzt ist. Im Experiment werden zunächst neutrale Kaonen erzeugt, die eine Superposition aus und -Mesonen bilden. Aufgrund des großen Lebensdauerunterschiedes verschwindet nach einiger Zeit der -Anteil, und es verbleiben nur noch -Mesonen. Um dies zu erreichen, wurden die Kaonen in einigem Abstand vom Detektor erzeugt, sodass aufgrund der benötigten Flugzeit nur noch in den Detektor gelangen und dort zerfallen konnten. Die Beobachtung des Zerfalls stellte damit den erstmaligen Nachweis der CP-Verletzung dar.
Geladene Kaonen, die nicht mit ihren Antiteilchen mischen können, können ebenfalls in 2 und 3 Pionen zerfallen. Damit würde man naiv erwarten, dass die geladenen Kaonen und das ähnliche Lebensdauern aufweisen. Geladene Kaonen sind aber deutlich langlebiger . Ganz augenscheinlich ist die partielle Zerfallsbreite für um ein Vielfaches größer als für . Da die 2-Pion Wellenfunktion symmetrisch gegenüber der Vertauschung der beiden Pionen sein muss, kann der 2-Pion-Endzustand für Zerfälle der geladenen Kaonen nur den Isospin haben, wohingegen beim -Zerfall die Endzustände mit Isospin und möglich sind. Da die schwache Wechselwirkung in Kaon-Zerfällen den Endzustand mit Isospin deutlich bevorzugt, ist der 2-Pion-Zerfall bei den neutralen Kaonen so dominant. Die Tatsache aber, dass in -Zerfällen auch Endzustände mit einem Isospin erreicht werden können, ist von Bedeutung in Hinblick auf direkte CP-Verletzung, d. h. CP-Verletzung im Zerfall.
Die von Christenson, Cronin, Fitch und Turlay beobachtete CP-Verletzung hat ihren Ursprung im Wesentlichen in einer CP-Verletzung in der Mischung. Wenn ein nicht mit gleicher Stärke in ein wie ein in ein übergeht, d. h. , dann bestehen die Masseneigenzustände nicht mehr zu gleichen Teilen aus und , wodurch sie nicht mehr CP-Eigenzustände sein können. Direkte CP-Verletzung kann aber auch dazu führen, dass in 2 Pionen zerfallen, wenn und mit unterschiedlicher Stärke in 2 Pionen zerfallen. Offensichtlich lässt sich nur durch eine Messung der Zerfallsrate keine Aussage über den Beitrag der direkten CP-Verletzung treffen. Damit erforderte die Beobachtung der direkten CP-Verletzung in diesem System ein komplexes und langwieriges Messprogramm, bei dem die partiellen Zerfallsbreiten für die Zerfälle
mit Präzision vermessen wurden.
Im Gegensatz zur („zweifach-kombinierten“) CP-Verletzung ist nach einem grundlegenden Theorem von Wolfgang Pauli und Gerhart Lüders bei allen Ereignissen der Quantenfeldtheorie die („dreifach-kombinierte“) CPT-Symmetrie unter allen Umständen invariant (T = Zeitumkehr, d. h. Umkehr der Bewegungsrichtung, der Bahn- und Spin-Drehimpulse und Übergang zum konjugiert Komplexen, ). Diese CPT-Invarianz zusammen mit CP-Verletzung bedeutet eine Verletzung der Zeitsymmetrie (T-Verletzung). Dies konnte experimentell bestätigt werden.[1]
Im Standardmodell der Teilchenphysik ist die Ursache der CP-Verletzung auf dem Quark-Sektor mit der Erzeugung der Quark-Massen verknüpft. Quarks erhalten ihre Masse durch Kopplung an das Higgs-Feld, wobei zwingend eine Massen-Mischungsmatrix auftritt, die nach den Physikern Nicola Cabibbo, Makoto Kobayashi und Toshihide Masukawa benannt ist (CKM-Matrix). 1972 zeigten Kobayashi und Maskawa, dass diese Matrix komplex ist, wenn in der Natur drei oder mehr Quark-Familien vorliegen. Bei drei Familien liegt der Theorie zufolge genau eine komplexe Phase in der unitären CKM-Matrix vor. Diese Phase ist im Standardmodell verantwortlich für die CP-Verletzung, da sie unter der CP-Operation ihr Vorzeichen wechselt. Da eine partielle Zerfallsbreite oder ein Wirkungsquerschnitt nur das Quadrat des Betrages der zugrundeliegenden Amplitude enthält, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit in Teilchen-Reaktionen CP-Verletzung auftreten kann. So muss es mindestens zwei konkurrierende Prozesse geben, die vom selben Anfangszustand zum selben Endzustand führen, sodass es zu einer Interferenz kommt. Drei Typen der CP-Verletzung sind bekannt:
Die CP-Verletzung bleibt ein äußerst aktives Forschungsgebiet, da in zahlreichen anderen Kanälen Tests des Standardmodells mit einer großen Empfindlichkeit auf das Vorhandensein von neuer Physik möglich sind. So bietet auch die Erforschung der CP-Verletzung im System der neutralen -Mesonen derartige Perspektiven. Präzisionsmessungen zur CP-Verletzung im System der B- und Bs-Mesonen sind ein Schwerpunkt des Physikprogramms des LHCb-Experiments am Large Hadron Collider des CERN. In Bau befindlich ist in Japan der Beschleuniger Super-KEKB am KEK, an dem der Nachfolger des Belle-Experiments, Belle II, voraussichtlich 2019 die Datennahme aufnehmen wird.[10]
Im Prinzip sollte auch in der starken Wechselwirkung CP-Verletzung möglich sein, die z. B. zu einem relativ großen elektrischen Dipolmoment des Neutrons führen würde. Experimentelle Hinweise auf eine derartige CP-Verletzung gibt es aber nicht. Diese Diskrepanz wird auch als „strong CP problem“ bezeichnet.
Aufgrund der Beobachtung von Neutrinooszillationen und der damit verbundenen Erkenntnis, dass Neutrinos nicht masselos sind, muss es auch eine Mischungsmatrix, die PMNS-Matrix (manchmal auch nur MNS-Matrix) geben, die nach Bruno Pontecorvo, Ziro Maki, Masami Nakagawa und Shoichi Sakata benannt ist. Wie bei der CKM-Matrix könnte auch hier eine Quelle für CP-Verletzung liegen, die aber noch nicht sicher beobachtet wurde. Im T2K-Experiment fanden sich aber bei Myon-Neutrinos deutliche Hinweise auf eine solche Verletzung (2017).[11]
Andrei Sacharow merkte in den 1960er Jahren an, dass die CP-Verletzung eine der Voraussetzungen dafür ist, dass es im Universum die beobachtete große Dominanz der Materie gegenüber der Antimaterie geben kann (Baryonenasymmetrie). Unser heutiges Verständnis vom Urknall geht davon aus, dass er Teilchen und Antiteilchen in gleicher Menge hervorbrachte. In der Baryogenese entstand dann das jetzt beobachtete Ungleichgewicht. Das Zustandekommen dieser Asymmetrie ist gegenwärtig noch ungeklärt.
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