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gesellschaftliches Großereignis des 18. Jahrhunderts Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Brautfahrt der Marie-Antoinette (ursprünglich Maria Antonia) von Österreich führte die zwei Tage zuvor per Stellvertreter verheiratete erst 14-jährige Tochter Kaiserin Maria Theresias ab dem 21. April 1770 von ihrem Geburtsort Wien nach Versailles, wo sie die Ehefrau des späteren französischen Königs Ludwig XVI. wurde. Der Zug bis Straßburg bestand aus 235 Personen, insgesamt 57 Wagen, die meist sechsspännig fuhren und 350 Zug- und Reitpferden. Inklusive mehrerer Ruhetage innerhalb der 17 Tagesstrecken dauerte die Reise von rund 1500 Kilometern 24 Tage,[1] von denen 17 auf das Gebiet des Heiligen Römischen Reiches und sieben auf das französische Königreich entfielen.[2]
Die Reise der Dauphine war ein gesellschaftliches Großereignis der Zeit und die letzte große Brautfahrt des 18. Jahrhunderts. Die Heirat (Tu felix Austria nube) zwischen der Erzherzogin Maria Antonia und dem Dauphin Ludwig Augustus krönte die seit Jahren betriebene Annäherung (Renversement des alliances) zwischen Österreich und Frankreich. Deshalb planten beide Fürstenhäuser die Brautfahrt zwischen Wien und Paris als eine öffentlichkeitswirksame, mehrwöchige Reise.[3]
Sowohl in Österreich als auch in Frankreich wurde entlang der Reisestrecke ein enormer Aufwand getrieben. Das absolutistische Vermählungszeremoniell schloss die Bevölkerung außerhalb der Herrscherhöfe weitgehend aus; die lange Brautreise der Marie-Antoinette ermöglichte der Land- und Stadtbevölkerung eine Teilhabe an der bevorstehenden Vermählung. Entsprechend engagiert waren Stadt- und Landadel, Klerus, städtische Magistrate und Bürgerschaft der zu passierenden Territorien, dem Anlass angemessene Vorbereitungen zu treffen.[4]
Im Vorfeld waren von den zu passierenden Städten, Gemeinden, Klöstern und Residenzen desolate Wege und Straßen erneuert, Lebensmittel in ausreichender Menge herbeigeschafft und Übernachtungsquartiere hergerichtet worden. Frische Zug- und Reitpferde mussten zur Verfügung gestellt werden, Hauswände wurden gestrichen und Ehrenpforten errichtet. Für den Aufwand mussten sich etliche Körperschaften verschulden.
Ähnlich aufwändig war die Hochzeitsfahrt der Großnichte Marie-Antoinettes Marie-Louise von Österreich als zweiter Gemahlin Napoleon Bonapartes. Sie wurde 1810 auch in Wien zunächst per Stellvertreter verheiratet und reiste anschließend ebenfalls nach Paris, wo in der Kapelle des Palais du Louvre die Trauung mit Napoleon stattfand.[5]
Die Verantwortung für Organisation und Durchführung der Fahrt war Fürst Georg Adam von Starhemberg,[6] dem österreichischen Gesandten am französischen Hof, übertragen worden. Maria Antonia wurden von ihren Hofdamen Gräfin von Trauttmannsdorff, Gräfin Kolowrat, Gräfin von Windisch-Graetz und Gräfin von Paar begleitet.[7] Der zukünftigen französischen Königin waren von dem nach Wien gereisten Sondergesandten des französischen Königs, Marquis de Durfort, zwei prächtige, vom Kutschenmacher Francien in Paris nach Plänen des Duc de Choiseul gefertigte Reisekarossen mitgebracht worden.[8] Die Wagen hatten vergrößerte Fenster, waren mit goldbesticktem Samt ausgeschlagen, prächtig verziert und aufwendig gefedert.
Während der Fahrt wurden Maria Antonia Feierlichkeiten (Empfänge, Theatervorführungen, Musikdarbietungen, Feuerwerke und Umzüge) in mehreren besuchten Städten zuteil. Sie erhielt und gab wertvolle Geschenke.
Die Reise begann am Samstag, dem 21. April 1770, um 10 Uhr an der Wiener Hofburg. In Wien führte der Weg des Zuges laut Bericht im Wienerischen Diarium über Michaelerplatz, Kohlmarkt, Graben, Stock im Eisen und Kärntnerstraße, durch das Kärntnertor neben dem Glacis und weiter durch Laimgrube und Mariahilf. Die Straßen waren gesäumt von der Bürgerschaft sowie der Wiener Garnison.[9]
Im Stift Melk, der ersten Übernachtungsstation, traf Maria Antonia ihren Bruder, den Kaiser Joseph II., der bereits vor ihrer Abreise aus Wien nach dort aufgebrochen war.[9] Es wurde das Singspiel Rebecka, die Braut Isaaks von Klosterbewohner und Haydn-Schüler Robert Kimmerling aufgeführt, der noch Jahre später von Joseph II. dafür gelobt worden sein soll.[10] Joseph kehrte am nächsten Tag nach Wien zurück,[11] während sich der Brautzug über Kemmelbach auf den Weg nach Enns begab. Maria Antonia schlief in Schloss Ennsegg; die meisten Mitglieder der Reisegesellschaft in Ennser Bürgerhäusern.[12] Für Maria Antonia wurde ein Festspiel mit Ballett veranstaltet.[11]
Von Enns ging es am 23. April über Kleinmünchen und Wels nach Lambach. Um die bisherige Distanz von 4½ Pferdewechselstationen (Posten) zwischen Enns und Lambach zu verkürzen und den Zwickel zwischen Wiener und Salzburger Poststraße zu überbrücken, war im Vorfeld der Reise eine direkte Verbindungsstraße zwischen den Orten Ebelsberg und Wegscheid gebaut worden,[13] die heute beide zu Linz gehören. Nachdem die Straße fälschlicherweise ab 1929 als Dauphinstraße bezeichnet worden war, wurde ihr Name 1954 in Dauphinestraße korrigiert.[14]
Im Lambacher Stiftstheater, das Abt Amandus Schickmayr im Jahr 1770 durch Johann Wenzel Turetschek hatte renovieren lassen,[15] wurde für Maria das Stück Der kurzweilige Hochzeitsvertrag aufgeführt. Maurus Lindemayr hatte es für diesen Anlass geschrieben. Auf geschmückten Traun-Schiffen wurde zudem ein Wasserfest mit Fackeltanz gefeiert.[13]
Nach einem Pferdewechsel an Josef Ignaz von Poths Thurn und Taxis'scher Reichspost-Station Altheim,[16] führte die Reise am nächsten Tag nach Braunau am Inn. Über die dortigen Festivitäten am 24. April gibt es spätestens seit dem Stadtbrand von 1874 jedoch keine detaillierten Aufzeichnungen mehr.
Nach einer weiteren Übernachtung in Altötting begann die, mit sechs Posten und zehn Stunden Fahrzeit, längste Etappe der Fahrt.[17]
Diese Etappe führte nach München, wo auf Wunsch von Kurfürst Maximilian III. Joseph, ihrem Cousin mütterlicherseits, ein Rasttag eingeplant worden war.[18] Die beiden Nächte verbrachte Maria Antonia in der ihr als Unterkunft zugedachten Amalienburg.[19] Anlässlich des Besuchs wurde die Oper Léroe cinese von Pietro Pompeo Sales aufgeführt.[20]
Auf der Fahrt nach Augsburg am Sonntag, den 28. April, hellte sich das Wetter auf, nachdem bis dahin die gesamte Reise von Schlechtwetter begleitet war. Beim Einzug in die Stadt schien die Sonne.[21] Nachdem sie vom Rat der Stadt ein goldenes Reise-Service erhalten und Abgesandte des Schwäbischen Reichskreises Maria Antonia ihre Aufwartung gemacht hatten, aß sie mit Fürstbischof Clemens Wenzeslaus in dessen Bischöflichem Palais, wo sie später auch nächtigen sollte. Anschließend besuchte sie die Kayserlich Franciscische Akademie der freien Künste und Wissenschaften, wo ihr die Ehrenmitgliedschaft verliehen wurde, sowie das Silbermagazin von Wilhelm Michael von Rauner (1665–1735) – das Rauner'sche Silbergewölbe. Sie sah eine Aufführung von Charles-Simon Favarts Die drei Sultaninnen im Jesuitentheater. Auf Einladung des Bankiers Benedikt Adam Liebert fand anlässlich der Einweihung von dessen kurz zuvor fertiggestelltem Schaezlerpalais ein Ball für Maria Antonia statt.[21][22][23][24] An der Wertachbrücke wurde der weiterreisende Tross vom Burgauischen Jägercorps begrüßt und dann begleitet.[25]
In der zweiten Auflage des Buches Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon von Schwaben, erschienen im Jahre 1800 in Ulm, wird die um 1770 von Ulm nach Freiburg angelegte Chaussée als Dauphine-Straße bezeichnet.[26] Das Teilstück von Kehl nach Lahr ist in der Chronik über Straßenbau und Straßenverkehr in dem Großherzogthum Baden beschrieben.[27]
Die Straße durch das Höllental (heute: Teil des Bundesstraße 31) soll nach mehreren Quellen eigens für die Durchfahrt des Wagenzuges ausgebaut worden sein.[2] Jedoch handelte es sich bei diesem Ausbau lediglich um Verbesserungen an der Felsschlucht beim Hirschsprung sowie um einige Schönheitsreparaturen, die zwischen 1769 und 1770 stattfanden. Der Teil zwischen der Gemarkungsgrenze von Hinterzarten und Hüfingen war beispielsweise bereits ab 1751 modernisiert worden.[41]
Freiburg im Breisgau, das in der Vergangenheit besonders unter den Auseinandersetzungen zwischen Österreich und Frankreich gelitten hatte, feierte die Verbindung der beiden Herrscherhäuser ausgiebig. Hier wurde während des Aufenthaltes der Braut sogar die Spitze des Freiburger Münsters mit einem „chimischem Feuer“ illuminiert.[48] Dazu waren auf dem Turm Tausende von Tonschälchen, in die eine Brennpaste gefüllt war, aufgestellt worden.[49] Zudem wurden die Osterferien der Freiburger Universität verlängert und das Patronatsfest der Theologen verlegt.[50]
Am 7. Mai übergab Starhemberg die Braut auf einer unbewohnten Rheininsel vor Straßburg in einem extra errichteten Pavillon mit mehreren Räumen. Diese waren prächtig ausgestattet und mit Wandteppichen geschmückt. Eine dieser Tapisserien zeigte die Vermählung des mythischen Paares Jason und Medea. Als der junge Johann Wolfgang von Goethe den Ort besichtigte, zürnte er: „Ist es erlaubt, einer jungen Königin das Beispiel der grässlichsten Hochzeit, die vielleicht jemals vollzogen worden, bei dem ersten Schritt in ihr Land so unbesonnen vors Auge zu bringen?“[56]
In Straßburg verfolgte Johann Wolfgang Goethe den Brautzug:
„Eine merkwürdige Staatsbegebenheit setzte alles in Bewegung und verschaffte uns eine ziemliche Reihe Feiertage. Marie Antoinette, Erzherzogin von Österreich, Königin von Frankreich, sollte auf ihrem Weg nach Paris über Straßburg gehen... Der schönen und vornehmen, so heitren als imposanten Miene dieser jungen Dame erinnere ich mich noch recht wohl. Sie schien, in ihrem Glaswagen uns allen vollkommen sichtbar, mit ihren Begleiterinnen in vertraulicher Unterhaltung über die Menge, die ihrem Zug entgegenströmte, zu scherzen. Abends zogen wir durch die Straßen, um die verschiedenen illuminierten Gebäude, besonders aber den brennenden Gipfel des Münsters zu sehen, an dem wir sowohl in der Nähe als in der Ferne unsere Augen nicht genugsam weiden konnten.“
Marie-Antoinette verabschiedete ihr Wiener Gefolge und legte ihre Kleider im österreichischen Ostteil des Pavillons ab, bevor ihre neue Hofdame Anne-Claude-Louise d’Arpajon, Gräfin von Noailles, sie nackt in den französischen Westteil geleitete und dort neu einkleidete. So wurde aus der Erzherzogin Maria Antonia auch äußerlich die Dauphine Marie-Antoinette.[57] Dem Niemandsland zwischen den zwei Reichen kam als Ort des symbolischen Grenzübertritts und dem damit verbundenen Übergang der Braut von einer Familie in die andere im damaligen Verständnis eine große Bedeutung zu.[58] Nach der Einkleidung wurden Marie-Antoinette ihr Ehrenkavalier, der Comte de Saulx-Tavannes, und weitere Mitglieder des angereisten französischen Hofstaates vorgestellt. Die komplette Trennung von ihren bisherigen Bediensteten diente ebenso wie die Neueinkleidung dem radikalen Bruch mit der früheren Heimat, so dass von der Dauphine in Folge so gut wie kein kultureller Einfluss auf die neue Umgebung ausgehen konnte.[59]
Die Weiterfahrt verantwortete Philippe de Noailles, duc de Mouchy, der Bevollmächtigte des französischen Königs und Ehemann der neuen Hofdame. Am 14. Mai 1770 erreichte der Brautzug Compiègne, wo Ludwig XV., drei seiner Töchter und der Dauphin die anreisende Marie-Antoinette an einer Brücke in der Nähe des Schlosses erwarteten; Braut und Bräutigam trafen sich hier zum ersten Mal. Die Braut fiel vor dem König auf die Knie, der Bräutigam küsste sie auf die Wange und notierte später knapp in sein Tagebuch: „Treffen mit Madame la Dauphine.“ Im Schloss Compiègne wurde am Abend Marie-Antoinette die königliche Verwandtschaft vorgestellt.[60] Nach weiteren, gemeinsamen Stationen wurde Versailles am 16. Mai erreicht.
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