Archaeoglobus

Gattung der Familie Archaeoglobaceae Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Archaeoglobus

Archaeoglobus ist eine Gattung im Archaeen-Phylum Euryarchaeota.[3] Archaeen dieser Gattung können in Ölfeldern bei hoher Temperatur vorkommen, wo sie zur Säuerung des Ölfeldes beitragen können.

Schnelle Fakten Systematik, Wissenschaftlicher Name ...
Archaeoglobus

REM-Aufnahmen von A. fulgidus Stamm 7324.
Balken 1 μm (oben) bzw. 0,1 μm (unten)[1]

Systematik
Domäne: Archaeen (Archaea)
Abteilung: Euryarchaeota
Klasse: Archaeoglobi
Ordnung: Archaeoglobales
Familie: Archaeoglobaceae
Gattung: Archaeoglobus
Wissenschaftlicher Name
Archaeoglobus
Stetter 1988
Schließen
Die TEM-Aufnahmen von A. neptunius SE56T zeigen die allgemeine Zellmorphologie. Balken 0,5 μm.[2]

Morphologie

Die Archaeoglobus-Vertreter sind schwefelabbauende anaerobe Organismen, deren Zellen eine unregelmäßige Kügelchen mit einer Glykoproteinhülle und monopolaren (nur an einem Ende befindlichen) Geißeln sind.[4]

Metabolismus

Zusammenfassung
Kontext
Thumb
Die PIWI-Domäne eines Argonauten­pro­teins aus A. fulgidus, das an ein kurzes dsRNA-Fragment ge­bun­den ist. Durch Basenpaarung und aromatische Sta­pelung wird die Bindungs­konformation sta­bili­siert.

Die Archaeen von Archaeoglobus wachsen anaerob bei extrem hohen Temperaturen, nämlich zwischen 60 und 95 °C (mit einem Wachstumsoptimum 83 °C bei A. fulgidus VC-16).[5] Sie sind Sulfat-reduzierende Archaeen und können die Reduktion von Sulfat zu Sulfid mit der Oxidation einer ganzen Reihe verschiedener organischer Kohlenstoffquellen, einschließlich komplexer Polymere, verbinden.

Im Schwefeloxid-Reduktionsweg wird zunächst Sulfat zu Adenylylsulfat (Adenosinphosphosulfat) aktiviert und dann zu Sulfit und schließlich zu Sulfid reduziert; das wichtigste Enzym ist dabei die Adenylylsulfat-Reduktase.[4]

Die Archaeen der Spezies A. lithotrophicus leben chemolithoautotroph von Wasserstoff, Sulfat und Kohlendioxid (CO2). Auch A. profundus wächst lithotroph, aber nachdem diese Art Acetat und CO2 für die Biosynthese benötigt, wird sie als heterotroph angesehen.[6]

Die vollständige Genomsequenz von A. fulgidus zeigte einen nahezu vollständigen Satz von Genen für die Methanogenese. Die tatsächliche Funktion dieser Gene in der Spezies ist noch unbekannt, denn das Fehlen des Enzyms Methyl-CoM-Reduktase lässt es nicht zu, dass die Methanogenese über einen ähnlichen Mechanismus wie bei anderen Methanogenen erfolgt.[4]

Beschreibung und Signifikanz

Die Archaeoglobus-Mitglieder sind hyperthermophile Organismen, die in hydrothermalen Schloten, Ölvorkommen und heißen Quellen vorkommen. Sie können Biofilme bilden, wenn sie Umweltbelastungen wie extremen pH-Werten oder Temperaturen, hohen Metall­kon­zentrationen oder Antibiotika, Xenobiotika oder Sauerstoff ausgesetzt sind. Man weiß von diesen Archaeen auch, dass sie durch die Bildung von Eisensulfiden die Korrosion von Eisen und Stahl in Öl- und Gasverarbeitungssystemen verursachen.[4][7] Andererseits können ihre Biofilme in der Industrie oder in der Forschung eingesetzt werden, um metallkontaminierte Proben zu entgiften oder umgekehrt Metalle in wirtschaftlich verwertbarer Form anzureichern und zu konzentrieren.[4]

Genom

Zusammenfassung
Kontext
Thumb
Genomkarte von A. neptunius SE56T.[2]
Thumb
Genomkarte von A. fulgidus 7324 alias DSM:8774[1]
Thumb
Der Vergleich der Genome von A. fulgidus VC-16T (alias DSM:4304T, oben) und 7324 (DSM:8774, unten) zeigt die beiden großen Insertionen InsI und InsII. Die Position der rRNA- und dsr-Gene[A. 1] ist durch Pfeile gekennzeichnet.[1]
Thumb
A. fulgidus 7324 (DSM:8774), Struktur der Insertionen InsI (a) und InsII (b) im Detail.[1]
Thumb
Die Venn-Diagramme zeigen die Verteilung der orthologen und art- bzw. stamm­spezifischen Gene für verschiedene Archaeo­globus-Mitglieder[1]
Thumb
Sekundärstruktur der SRP-rRNA von A. fulgidus, wie sie ähnlich auch beim Menschen vorkommt.
Thumb
Die hydrophobe Grube von RbcL2 RuBisCO bei A. fulgidus[8]
Thumb
Die DNA-Polymerase D von A. fulgidus ist ein zinkbindendes Protein, das durch Hypoxanthin und Uracil gehemmt wird.[9]

Das Genom von A. fulgidus ist ein ringförmig geschlossenes (zirkuläres) Chromosom (ähnlich einem Bakterienchromosom), das mit 2.178.400 Basenpaaren etwa halb so groß ist wie das Kolibakteriums E. coli. Ein Viertel des Genoms kodiert für konservierte Proteine, deren Funktionen zwar noch nicht geklärt sind, die aber auch in anderen Archaeen wie Methanococcus jannaschii vorkommen. Ein weiteres Viertel kodiert für Proteine, die nur in Archaeen vorkommen.[4][10]

A. fulgidus ist der erste schwefelverwertende Organismus, dessen Genomsequenz bestimmt wurde. Der durchschnittliche G+C-Gehalt liegt bei 48,5 %. Dabei gibt es zwei Regionen mit hohem G+C-Gehalt (53 % und mehr) mit Genen für rRNAs, mehrere Transporter etc.; dazu kommen drei Regionen mit niedrigem G+C-Gehalt (weniger als 39 %). Es gibt vorhergesagt insgesamt 2.436 kodierende Sequenzen.[10]

Eine Analyse des Genoms zeigte, dass es viele Genduplikationen gibt und die duplizierten Proteine nicht (mehr völlig) identisch sind. Dies deutet auf eine Differenzierung des Stoffwechsels hin, insbesondere im Hinblick auf den Abbau und das Recycling von Kohlenstoff durch Abspalten von Fettsäuren.[4][10] Durch die verdoppelten Gene ist das Genom auch größer als das von Methanococcus jannaschii. Anders als diese Archaeenspezies haben Archaeoglobus-Vertreter keine Inteine in kodierenden Regionen (18 bei M. jannaschii).[4]

Ökologie

Archaeoglobus-Arten nutzen ihre Umwelt, indem sie viele potenziellen Kohlenstoffquellen verwerten und so auch (als „Scavenger“) totes biologisches Material abbauen. Sie können Kohlenstoff aus Aldehyden, Fettsäuren, Aminosäuren und anderen organischen Säuren, möglicherweise auch aus Kohlenmonoxid (CO) gewinnen. Höhere Temperaturen (ca. 83 °C) sind ideale Wachstumstemperaturen für Archaeoglobus. Eine Biofilmumgebung bietet darüber noch gewisse Umweltelastizität; der Biofilm besteht aus Polysacchariden, Proteinen und Metallen.[4]

Medizin

Zellen, die durch einen Biofilm geschützt sind, lassen sich mit herkömmlichen antimikrobiellen Therapien nur schwer zerstören, weshalb ihnen in der Medizin eine besonders große Gefahr ausgehen kann.[4]

Etymologie

Der Gattungsname Ar­chae­o­glo­bus kommt von altgriechisch ἀρχαῖος archaîos, deutsch alt, lateinisch archaeos, ‚archaisch‘ und lateinisch globus Sphäre, ‚Kugel‘. Die Bezeichnung bedeutet daher „alte Sphäre“.[11]

Systematik

Zusammenfassung
Kontext

Die gegenwärtig akzeptierte Taxonomie basiert auf der List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN).[12]

Artenliste

Die hier angegebene Taxonomie basiert auf folgenden Quellen:

Die unter Einbeziehung von Metagenomik-Daten erstellte GTDB teilt im Vergleich zur herkömmlichen Systematik die Gattung und zum Teil auch ihre Spezies auf.

Referenzstämme sind durch ein hochgestelltes T (englisch type) gekennzeichnet, die Typ-Taxa sind fett wiedergegeben. Stand: Ende August 2024.

Gattung Archaeoglobus Stetter 1988(G,L,N)

  • Spezies Archaeoglobus infectus Mori et al. 2008(L,N) [Archaeoglobus sp. Arc51(N)]
    mit Arc5T alias DSM:18877T(L,N)
    – Fundort: Nordwestpazifik, Izu-Bonin-Bogen, Suiyo-Seamount, Tiefsee-Hydrothermalfeld[25]
  • Spezies Archaeoglobus lithotrophicus Stetter et al. 1993(L,N)
    mit TF2T(L,N)
    – Fundort: Nordsee, Thistle-Ölfeld[26]
  • Spezies Archaeoglobus neptunius Slobodkina et al. 2021(L,N) [Archaeoglobus sp016757965,(G) Archaeoglobus sp. SE56(N)]
    mit SE56T(L,G,N) alias DSM:110954T(L,N)
    – Fundort: Mittelatlantischer Rücken, TAG-Hydrothermalfeld[27](N)[2]

Gattung Archaeoglobus_A(G)

  • Spezies Archaeoglobus_A sulfaticallidus(G) [Archaeoglobus sulfaticallidus Steinsbu et al. 2010(L,N)]
    mit PM70-1T(L,G,N) alias DSM:19444T(L,N)
    – Fundort: Pazifik, Ostflanke des Juan-de-Fuca-Rückens[28]
  • Spezies Archaeoglobus_A sp002010195(G) [Archaeoglobus sp. JdFR-32(N)]
    mit JdFR-32
    – Fundort: Pazifik, Bodenfluide des Juan-de-Fuca-Rückens[29]
  • Spezies Archaeoglobus_A sp002011215(G) [Archaeoglobus sp. JdFR-24(N)]
    mit JdFR-24
    – Fundort: Pazifik, Juan-de-Fuca-Rücken, basaltische Fluide im Boden der Kammflanke(N)

Gattung Archaeoglobus_B(G)

  • Spezies Archaeoglobus_B sp027036775(G)
    mit Archaeoglobaceae archaeon isolate T11_maxbin2_scaf2bin.312T(G,N)
    – Fundort: Pazifik, Lau Basin[31] (bei Tonga), Ablagerungen bei Tiefsee-Hydrothermalschloten(N)

Gattung Archaeoglobus_C(G)

  • Spezies Archaeoglobus_C veneficus(G) [Archaeoglobus veneficus Huber et al. 1998(L,N)]
    mit SNP6T(L,G,N) alias DSM:11195T(L,N)
    – Fundort: Mittelatlantischer Rücken, Snake Pit Hydrothermalfeld[32]
  • Spezies Archaeoglobus_C sp029984855(G)
    mit Archaeoglobales archaeon isolate INS_M23_B45T(G,N)
    – Fundort: Atlantik, Hydrothermalschlotfeld nahe der Insel Jan Mayen(N)

Da Archaeoglobus infectus und Archaeoglobus lithotrophicus in der GTDB nicht repräsentiert sind, bleibt die genaue Zuordnung dieser Arten zu einer Gattung nach dem dort vorgenommenen Split unsicher.

Kladogramme

Weitere Informationen 16S rRNA based LTP_06_2022, 53 marker proteins based GTDB 08-RS214 (Mai 2023) ...
16S rRNA based LTP_06_2022[34] 53 marker proteins based GTDB 08-RS214 (Mai 2023)[35]
  
  

Archaeoglobus infectus


   

Archaeoglobus[_A] sulfaticallidus



  

Geoglobus Kashefi et al. 2002


 Archaeoglobus 
  

Archaeoglobus fulgidus (Typus)


   

Archaeoglobus neptunius



  

Archaeoglobus[_C] veneficus


  

Ferroglobus Hafenbradl et al. 1997


   

Archaeoglobus[_B] profundus







Vorlage:Klade/Wartung/Style
  
  

Ferroglobus


   

Geoglobus



 Archaeoglobus 

Archaeoglobus[_B] profundus


  
  

Archaeoglobus fulgidus (Typus)


   

Archaeoglobus neptunius



  

Archaeoglobus[_C] veneficus


   

Archaeoglobus[_A] sulfaticallidus






Vorlage:Klade/Wartung/Style
Schließen

Anmerkung:

※ – „Archaeoglobus species-group 2“

Verwandtschaft mit den Thermococci

Vergleichende Genomstudien an Archaeen-Genomen belegen, dass die Mitglieder der Gattung Archaeoglobus die engsten Verwandten der methanogenen Archaeen (Methanobacteria, ebenfalls Euryarchaeota) sind. Dies wird durch 10 in ihnen vorkommende konservierte Signaturproteine unterstützt, die nur bei allen diesen Methanogenen und Archaeoglobus vorkommen. Darüber hinaus wurden 18 Proteine identifiziert, die nur bei diesen Methanogenen, den Thermococci und Archaeoglobus vorkommen; dies deutet darauf hin, dass diese drei Archaeengruppen einen gemeinsamen Vorfahren haben, der mit anderen Archaeen nur weitläufiger verwandt ist. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Vorhandensein dieser charakteristischen Proteine in diesen Linien auf einen lateralen Gentransfer (LGT) zurückgehen könnte.[36][8]

Archaeoglobus profundus

Thumb
REM-Aufnahme von A. profundus AV18T (DSM:5631T).[37]

Archaeoglobus profundus (GTDB: Archaeoglobus_B profundus) ist ein sulfatreduzierendes Archaeon.[38] A. profundus kann in Ölfeldern mit hoher Temperatur gefunden werden, wo es zur Säuerung des Ölfelds beitragen kann. A. profundus wächst lithotroph, und während es Acetat und CO2 für die Biosynthese benötigt, ist es heterotroph.[6]

Anmerkungen

  1. dsr = Gen für die dissimilatorische Sulfitreduktase

Literatur

  • Michael T. Madigan, John M. Martinko: Brock Biology of Microorganisms, 11th Ed. Pearson Prentice Hall, 2005 (englisch).
  • Harald Huber, Karl O. Stetter: Bergey's Manual of Systematic Bacteriology Volume 1: The Archaea and the deeply branching and phototrophic Bacteria. Hrsg.: D. R. Boone, R. W. Castenholz. 2nd Auflage. Springer Verlag, New York 2001, ISBN 978-0-387-98771-2, Family I. Archaeoglobaceae fam. nov. Stetter 1989, S. 2216 (englisch, archive.org).
  • Karl O. Stetter: Bergey's Manual of Systematic Bacteriology, Volume 3. Hrsg.: J. T. Staley, M P. Bryant, N. Pfennig, J. G. Holt. 1st Auflage. The Williams & Wilkins Co., Baltimore 1989, Group II. Archaeobacterial sulfate reducers. Order Archaeoglobales (englisch).
  • Mathias von Jan, Alla Lapidus, Tijana Glavina Del Rio, Alex Copeland, Hope Tice, Jan-fang Cheng, Susan Lucus, Feng Chen, Nolan Matt, Lynne Goodwin: Complete genome sequence of Archaeoglobus profundus type strain (AV18T). In: Standards in Genomic Sciences, Band 2, Nr. 3, 30. Juni 2010, S. 327–346; doi:10.4056/sigs.942153, PMID 21304717, PMC 3035285 (freier Volltext) (englisch).

Einzelnachweise

Loading related searches...

Wikiwand - on

Seamless Wikipedia browsing. On steroids.