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deutsches Bundesgesetz zur Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – ist ein deutsches Bundesgesetz, das „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen soll“ (§ 1). Zur Verwirklichung dieses Ziels erhalten die durch das Gesetz geschützten Personen Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, wenn diese ihnen gegenüber gegen die gesetzlichen Diskriminierungsverbote verstoßen. Mit seinem Inkrafttreten 2006 wurde das Beschäftigtenschutzgesetz abgelöst.
Basisdaten | |
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Titel: | Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz |
Abkürzung: | AGG |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Rechtsmaterie: | Privatrecht, Arbeitsrecht |
Fundstellennachweis: | 402-40 |
Erlassen am: | 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897, 1910) |
Inkrafttreten am: | 18. August 2006 |
Letzte Änderung durch: | Art. 4 G vom 19. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2510, 2511) |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
24. Dezember 2022 (Art. 5 G vom 19. Dezember 2022) |
GESTA: | I008 |
Weblink: | Text des AGG |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Erst nachdem die Europäische Kommission mehrere Vertragsverletzungsverfahren wegen des Versäumnisses, vier europäische Antidiskriminierungsrichtlinien umzusetzen, gegen Deutschland eingeleitet hatte, wurde das AGG im Jahr 2006 verabschiedet.[1]
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt in seinem arbeitsrechtlichen Teil (§§ 6–18) für Arbeitnehmer und Auszubildende unabhängig von der Rechtsform des Arbeitgebers, also primär in der Privatwirtschaft. Es schließt auch Stellenbewerber ein. Für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse, also für Beamte und Richter insbesondere des Bundes und der Länder findet es entsprechende Anwendung (§ 24). Für Religionsgemeinschaften und ihnen zugeordneten Einrichtungen gilt es nur eingeschränkt (§ 9). Darüber hinaus gilt es auch für bestimmte Bereiche des privaten Vertragsrechts (§§ 19–21).
Schon bisher galt der in Art. 3 Grundgesetz (GG) normierte Grundsatz der Gleichbehandlung, allerdings nur für das Handeln des Staates. Im Verhältnis der Bürger untereinander ist Art. 3 GG, wie alle Normen des öffentlichen Rechts, grundsätzlich nicht anwendbar. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung schon bisher die Grundrechtsnormen im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer unmittelbar angewandt.
Die konkreten Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG sind nicht völlig deckungsgleich mit denen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes: So verbietet Art. 3 Abs. 3 GG eine Diskriminierung aufgrund der räumlichen Herkunft eines Menschen, nicht aber das AGG. Umgekehrt verbietet Art. 3 Abs. 3 GG keine Diskriminierungen auf der Grundlage der sexuellen Identität eines Menschen, wohl aber das AGG.
Die Besonderheit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im zivilrechtlichen Teil liegt nun darin, dass es als Schutzgesetz in den Privatrechtsverkehr eingreift und damit die Privatautonomie einschränkt. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist dies, da der Grundrechtsschutz vorrangig staatliches Handeln erfasst, notwendig, um den objektiv-rechtlichen Gleichbehandlungsauftrag des Grundgesetzes auch für das Verhalten der Bürger untereinander umzusetzen.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet nicht in allen gesellschaftlichen und rechtlichen Bereichen Anwendung und verbietet auch nicht jede Form der Ungleichbehandlung. Vielmehr verbietet es Diskriminierungen nur dann, wenn diese auf bestimmten, im Gesetz genannten Merkmalen beruhen. Zweitens sind Ungleichbehandlungen nur in bestimmten gesetzlich genannten Situationen verboten.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Benachteiligungen nur, soweit sie an eines der folgenden personenbezogenen Merkmale anknüpfen:
Gegenüber der EU-Richtlinie, in der „sexuelle Ausrichtung“ definiert ist, wird hier „sexuelle Identität“ mit einem Verweis auf den schon bestehenden § 75 BetrVG verwendet. Auf jeden Fall sind die sexuelle Selbstdefinition sowie die sexuelle Ausrichtung auf andere Menschen (sexuelle Orientierung) erfasst. Daneben ist auch der Transvestitismus einbezogen. Nach der Gesetzesbegründung sollen Intergeschlechtlichkeit und Transgeschlechtlichkeit[3] auch hierdurch geschützt sein, nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch als Geschlecht.[4]
Nicht geregelt ist hingegen die Benachteiligung aufgrund weiterer Merkmale aus der EU-Charta, wie beispielsweise die Diskriminierung aufgrund des Vermögens und der sozialen Herkunft. Insbesondere bei so genannten „Tendenzbetrieben“ nach 118 BetrVerfG (neben den Parteien auch die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände sowie Medienunternehmen mit definierter Tendenz) sind hier zu nennen.
Sachlich bezieht sich das Gesetz nach § 2 Abs. 1 AGG auf
Bei Bewerbungsverfahren untersagen § 11 und §§ 1, 7 i. V. m. 6 Abs. 1 S. 2 AGG die Ausschreibung von Stellen unter Verstoß gegen die oben genannten personenbezogenen Merkmale. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht dabei weder für privatwirtschaftliche noch für öffentliche Arbeitgeber eine Ausschreibungspflicht vor. Arbeitgeber, die dennoch eine offene Stelle ausschreiben, unterliegen somit einem Klagerisiko.[5]
Folgende Formen der Ungleichbehandlung sind zu unterscheiden:
Für die Frage, was mit der in § 3 Abs. 2 AGG gegebenen Definition der mittelbaren Diskriminierung genau gemeint ist, kann die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts Hilfe geben. Die beiden Gerichte haben zur Klärung des Tatbestands der mittelbaren Diskriminierung weitgehende Vorarbeit geleistet. Das Verbot der mittelbaren Diskriminierung ist ursprünglich an den Gesetzgeber gerichtet und an andere Parteien, soweit sie kollektive Maßnahmen durchführen, d. h. Arbeits- und Lebensbedingungen regeln, bzw. die Durchführung von Schuldverhältnissen durch Maßnahmen mit kollektiver Wirkung konkretisieren. Der Sache nach geht es darum, Verfahren als Diskriminierung zu ahnden, die bestimmte Gruppen von Personen benachteiligen, d. h. weniger günstig behandeln,[6] und dabei zwar eine ausdrückliche Benennung der verbotenen Diskriminierungsmerkmale vermeiden, aber durch die Wahl der scheinbar neutralen Kriterien darauf angelegt sind, gerade solche Personen zu benachteiligen, die eines oder mehrere der vom AGG genannten Merkmale aufweisen.
Die mittelbare Diskriminierung verläuft im Ausgangspunkt trotz der komplexen Definition des Gesetzes nach einem einheitlichen Muster:
Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich das indessen nicht entnehmen.
Im Arbeitsverhältnis sind Vereinbarungen, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen, unwirksam (§ 7 Abs. 2 AGG).
Der Arbeitgeber kann jedoch einwenden, dass die Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist (§§ 5 und 8 bis 10 AGG). So kann eine unterschiedliche Behandlung als „positive Maßnahme“ (englisch: „Affirmative Action“) gerechtfertigt sein, wenn dadurch auf angemessene Weise eine bestehende Diskriminierung beseitigt wird (§ 5 AGG). Ein absoluter Vorrang der geschützten Gruppe ist dabei jedoch ausgeschlossen.
Eine unterschiedliche Behandlung, z. B. wegen des Geschlechts, ist nur zulässig, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist, z. B. Einstellung einer Balletttänzerin (§ 8 Abs. 1 AGG). Für diesen Einwand trägt der Arbeitgeber im Prozess die Darlegungs- und Beweislast (§ 22 AGG). Er wird also den Prozess verlieren, wenn er unzureichend vorträgt oder der Beweis misslingt. Ergänzend gilt für die Ungleichbehandlung beim Arbeitsentgelt wegen des Geschlechts das Entgelttransparenzgesetz.
Für Beschäftigte von Religionsgemeinschaften sind unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion oder Weltanschauung ebenfalls zulässig (§ 9 AGG). So wird es z. B. keine verbotene Diskriminierung darstellen, wenn ein Muslim nicht als Reinigungskraft eines katholischen Kindergartens eingestellt wird. Dies entspricht der bereits bestehenden Rechtslage im Arbeitsrecht, die Religionsgemeinschaften, im Gegensatz zu Tendenzbetrieben, vollständig vom Betriebsverfassungsgesetz ausnimmt. In Privatbetrieben hingegen ist dem Unternehmer nicht gestattet, bei der Auswahl von Stellenbewerbern eine Auswahl aufgrund der eigenen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen vorzunehmen. Ein Muslim muss also auch Juden einstellen und umgekehrt. Mit dem Urteil (2 AZR 579/12) vom 25. April 2013 bestätigte das Bundesarbeitsgericht auch die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers einer kirchlichen Einrichtung, wenn er mit seinem Kirchenaustritt gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten (Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR)) verstoße. Der Arbeitnehmer werde dadurch nicht nach dem AGG diskriminiert.[7]
Altersbedingte Ungleichbehandlungen können gerechtfertigt sein, wenn sie objektiv angemessen sind und ein legitimes Ziel verfolgen, z. B. Mindest- oder Höchstalter für eine Einstellung, Mindestalter für die Inanspruchnahme von Ansprüchen aus betrieblichen Alterssicherungssystemen (§ 10 AGG).
Ungleichbehandlungen sind generell dann erlaubt, wenn ein geächtetes Kriterium nicht das Hauptmotiv für die Ungleichbehandlung bildet. So stellte das Arbeitsgericht Berlin fest, dass es zulässig sei, Bewerber wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht einzustellen, obwohl von solchen Praktiken vorwiegend Menschen fremder ethnischer Herkunft betroffen seien.[8]
Auch die tarifvertraglich vorgesehene automatische Beendigung des Arbeitsvertrags aus Altersgründen, wie sie im Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vorgesehen ist, ist mit der dem AGG zugrunde liegenden Richtlinie 2000/78 vereinbar.[9][10]
Liegen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vor, hat der Mitarbeiter ein Beschwerderecht (§ 13 AGG).
Der Arbeitgeber muss dann gegen die Beschäftigten, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen, z. B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung (§ 12 Abs. 3 AGG), bzw. bei einer Benachteiligung durch Dritte Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter (§ 12 Abs. 4 AGG).
Bei Belästigungen kann darüber hinaus ein Leistungsverweigerungsrecht bestehen: Ergreift der Arbeitgeber keine oder ungeeignete Maßnahmen, um eine Belästigung zu beenden, so kann der Arbeitnehmer die Leistung verweigern, wenn und soweit dies zu seinem Schutz erforderlich ist (§ 14 AGG). Der Anspruch auf das Arbeitsentgelt bleibt in diesem Fall bestehen.
Daneben hat der Mitarbeiter einen Schadensersatzanspruch (§ 15 Abs. 1 AGG), der sich auf Ersatz von Vermögensschäden richtet, es sei denn, dass kein dem Arbeitgeber zuzurechnendes Verschulden vorlag. Umstritten ist, ob dieser Anspruch auch den Verdienst umfasst, der dem abgelehnten Bewerber entgeht.
Der Mitarbeiter hat auch einen vom Verschulden des Arbeitgebers unabhängigen Entschädigungsanspruch (§ 15 Abs. 2 AGG), der bei Nichtvermögensschäden einen angemessenen Ausgleich in Geld für die erlittene Ungleichbehandlung vorsieht. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs richtet sich u. a. nach der Art und Schwere der Interessensschädigung, dem Anlass und den Beweggründen des Arbeitgebers, der Dauer, dem Grad des Verschuldens des Arbeitgebers sowie danach, ob es sich um einen Wiederholungsfall handelt. Das Bundesarbeitsgericht spricht bei vergleichbaren Fällen einer Ungleichbehandlung (nach dem früheren § 611a BGB) einen Entschädigungsanspruch von mindestens einem Monatsgehalt zu. Das AGG sieht für den Fall einer diskriminierenden Nichteinstellung einen Höchstbetrag von drei Monatsgehältern vor. Diese Begrenzung entfällt aber, wenn der Bewerber ohne die Diskriminierung auf jeden Fall eingestellt worden wäre.
Für die Geltendmachung des Schadensersatz- und des Entschädigungsanspruchs gilt eine Frist von zwei Monaten (§ 15 Abs. 4 AGG). Zuständig sind die Arbeitsgerichte (§ 61b ArbGG).
Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (§ 7 AGG) besteht kein Anspruch auf Einstellung, Berufsausbildung oder beruflichen Aufstieg (§ 15 Abs. 6 AGG).
Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen einer Inanspruchnahme von Rechten nach dem AGG benachteiligen (§ 16 AGG).
Soweit ein Betriebsrat besteht bzw. eine Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist, haben diese bei groben Verstößen des Arbeitgebers ein eigenes Klagerecht, und zwar auch ohne Zustimmung des Betroffenen (§ 17 Abs. 2 AGG). Dies gilt nicht für den Personalrat im öffentlichen Dienst.
Arbeitgeber und Personalverantwortliche müssen sich seit Inkrafttreten des AGG mit folgenden Fragen befassen:
Insbesondere müssen Pflichten, Haftungsrisiken und Entschädigungsansprüche beachtet werden, die das AGG Arbeitgebern neu zuweist: Diese Änderungen betreffen die Schutz-, Organisations- und Maßnahmenpflichten des Arbeitgebers, die Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers, die Entschädigungsansprüche, auch einstweilige Verfügungsverfahren und nicht zuletzt das Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmer.
Arbeitgeber müssen die neuen Rechte des Betriebsrates (nicht allerdings des Personalrates), die notwendigen Neuregelungen für Stellenausschreibungen, Einstellungs- und Auswahlverfahren, Absagen, neue Maßstäbe auch für Arbeitsverträge, Kündigungen, Sozialauswahl, Arbeitszeugnisse beachten. Die Neuregelungen betreffen Organisation, Zusammenarbeit, Mitarbeiterführung, Gehaltsfragen ebenso wie die Mitbestimmungsmodalitäten von Arbeitnehmer respektive die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat.
In Bewerbungsverfahren ist die Praxis üblich geworden, keinerlei Gründe mehr für die Nicht-Einstellung eines Kandidaten anzuführen. Stattdessen enthalten Anschreiben bei Rücksendungen von Bewerbungsunterlagen oft nur noch Mustertexte wie: „Leider konnte ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werden.“[11] Bei dem Entschluss, so zu verfahren, spielt die Hoffnung von Arbeitgebern eine zentrale Rolle, keine Angriffspunkte für den Verdacht zu bieten, es liege ein Fall unzulässiger Diskriminierung des jeweiligen Bewerbers vor.
Die Versicherungsbranche reagiert inzwischen durch das Angebot spezieller Versicherungspolicen (so genannter englisch Liability Employment Practices). In Anlehnung an US-amerikanische Vorbilder sollen sich Arbeitgeber gegen das Risiko einer Inanspruchnahme durch Mitarbeiter und Bewerber wegen Verletzung des AGG – insbesondere bei Ansprüchen nach § 15 AGG – versichern können.
Auch im allgemeinen Zivilrechtsverkehr, d. h. bei der Begründung, Durchführung und Aufhebung von Verträgen, sind Diskriminierungen aus einem der im Gesetz genannten Merkmale grundsätzlich unzulässig (§§ 19 bis 21 AGG). Das betrifft jedoch im Wesentlichen nur
Darüber hinaus ist eine „Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft“ auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 AGG (§ 19 Abs. 2 AGG) unzulässig, wenn sie nicht die nach § 19 Abs. 3 AGG benannten Ausnahmen der ausgewogenen Siedlungsstrukturen oder ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Strukturen betreffen.[12]
Keine Anwendung finden Diskriminierungsverbote auf
Liegt objektiv eine Benachteiligung vor, kann diese im Einzelfall gerechtfertigt, d. h. erlaubt und sanktionslos, sein. Gerechtfertigt sind Ungleichbehandlungen aus sachlichen Gründen, z. B. zur Abwehr von Gefahren (§ 20 AGG).
Bei privatrechtlichen Versicherungsverträgen ist eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts zulässig, wenn das Geschlecht ein bestimmender Faktor bei der versicherungsmathematischen Risikobewertung ist. Das entsprechende Datenmaterial und die Berechnung müssen offengelegt werden. Kosten von Schwangerschaft und Entbindung dürfen nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen, sie müssen vielmehr zwingend geschlechtsneutral verteilt werden (§ 20 Absatz 2 AGG).
Bei einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung hat der Benachteiligte Beseitigungs-, Unterlassungs- und materiellen/immateriellen Schadensersatzansprüche, die jeweils innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden müssen (§ 21 AGG).
Steuerrechtlich werden Entschädigungen, welche auf Grund des AGG gezahlt werden, als steuerfreie Schmerzensgeldzahlungen gewertet.
Der Kläger muss zunächst 1. eine weniger günstige Behandlung gegenüber einer anderen Person 2. in einer vergleichbaren Situation 3. unmittelbar oder mittelbar wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes darlegen und beweisen. Gem. § 22 AGG hat der Kläger hinsichtlich der dritten Voraussetzung lediglich Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen mit der Folge, dass der Beklagte die Beweislast dafür trägt, dass keine nach dem AGG verbotene Benachteiligung vorliegt. Den Beklagten trifft dann die volle Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen einer verbotenen Benachteiligung.[13]
Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen müssen aus objektiver Sicht nach allgemeiner Lebenserfahrung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung aufgrund eines in § 1 AGG genannten Merkmals erfolgt ist.[14] Dann genügt es, dass ein nach § 1 AGG unzulässiges Kriterium auch nur neben anderen Kriterien eine Rolle für eine ungünstigere Behandlung gespielt hat (sog. Motivbündel). Für eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ genügt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber eine Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert, allgemeine Statistiken etwa über die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen haben hingegen keine ausreichende Indizfunktion.[15]
Im Rahmen der richterlichen Würdigung des Sachverhalts kann u. a. das sog. Testing-Verfahren[16] einen tatsächlichen Anhaltspunkt darstellen. Dabei wird dem Vermieter bzw. Arbeitgeber eine weitere qualitativ vergleichbare Bewerbung einer weiteren (fiktiven) Person um die Wohnung bzw. Arbeitsstelle vorgelegt, auf die das Diskriminierungsmerkmal nicht zutrifft. Für den Rückschluss auf Diskriminierung müssen jedoch andere, nicht diskriminierende Erklärungen für eine Benachteiligung möglichst ausgeschlossen werden können, indem sich die betroffene und die Testperson mit Ausnahme des vermuteten Diskriminierungskriteriums weitestgehend gleichen.[17] Das gilt im Arbeitsrecht insbesondere für die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle.[18]
Im Erfolgsfall ist der Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG begrenzt; Schadensersatz erhält er nicht.[19][20]
Wenn die Tarifvertragsparteien nichts anderes vereinbart haben, muss ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch binnen zwei Monaten nach Ablehnung der Bewerbung bzw. nach Kenntnis von der Benachteiligungshandlung schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht werden, § 15 Abs. 4 AGG. Für eine Klage zum Arbeitsgericht ist eine weitere Frist von drei Monaten ab schriftlicher Geltendmachung zu beachten, § 61b Abs. 1 ArbGG.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dient der Umsetzung von vier Europäischen Richtlinien aus den Jahren 2000 bis 2004, nämlich um die
Einige Rechtsexperten vertreten die Auffassung, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz die Vorgaben der vier EG-Richtlinien nur ungenügend umsetze und daher in einigen Punkten europarechtswidrig sei.[21]
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht im Kern auf den Entwurf des so genannten Antidiskriminierungsgesetzes (ADG) zurück, der bereits in der 15. Legislaturperiode erarbeitet und beraten,[22] aber infolge der Diskontinuität des Gesetzgebungsprozesses nie verabschiedet wurde.
Nach den vorgezogenen Bundestagsneuwahlen brachte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Dezember den ADG-Entwurf erneut in den Bundestag ein. Dieser Entwurf wurde im Bundestag beraten, fand aber keine parlamentarische Mehrheit.
Anfang Mai 2006 einigten sich SPD, CDU und CSU auf einen neuen Gesetzesentwurf. Dieser Regierungsentwurf erhielt die Bezeichnung Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, war aber inhaltlich in großen Teilen mit dem Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes von 2005 identisch.
Wichtige inhaltliche Änderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes sind folgende:
Besonders umstritten ist die Ausklammerung des arbeitsgerichtlichen Kündigungsrechts in § 2 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dies dürfte der Umsetzung der EG-Richtlinie zuwiderlaufen und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/78/EG darstellen. Danach gelten die Diskriminierungsverbote (u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung) auch für „die Entlassungsbedingungen“. Unter den Begriff „Entlassungsbedingungen“ fallen auch Kündigungen.[23]
In einem Grundsatzurteil im November 2008 entscheidet das Bundesarbeitsgericht, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht nur bei Einstellungen und während der Berufsausübung gilt, sondern ebenso bei der Kündigung zu berücksichtigen ist.[24]
Das Gesetz wurde mit den Stimmen der CDU, SPD und der Grünen beschlossen, abgelehnt wurde es von der FDP und der Linkspartei mit jeweils gegensätzlicher Begründung.
Das Gesetzesvorhaben war und ist scharfer rechtspolitischer Kritik seitens der Wirtschaftsverbände sowie seitens der FDP[25] ausgesetzt, insbesondere zu folgenden Punkten:
Weiterhin befürchten einige Kritiker, dass die Situation von Angehörigen einer Minderheit durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verschlechtert werden könnte. So könnten beispielsweise zukünftig Arbeitgeber davon absehen, Angehörige von Minderheiten zu Vorstellungsgesprächen einzuladen, um falschen oder irrtümlichen Diskriminierungsvorwürfen aus dem Weg zu gehen.
Seit Einführung des Gesetzes berichten Gegner des Gesetzes über Personen, die sich nur zum Zwecke der Erlangung von Schadensersatzansprüchen nach dem AGG bei Unternehmen und Firmen auf Stellenausschreibungen bewerben, die diskriminierende Inhalte haben. Nach Berichten[26] sollen vermeintliche Bewerber Formulierungen wie „junges Team“ (Altersdiskriminierung) oder „Bewerbung mit Lichtbild“ (Diskriminierung wegen der Rasse oder Herkunft) als Zeichen einer möglichen Diskriminierung deuten. Die Bewerber hätten kein Interesse an einer Anstellung, sondern würden nach einer Absage Rechte aus dem AGG geltend machen. Diese Praxis nennen die Kritiker AGG-Hopping nach dem „611a-Hopping“. § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) a.F. regelte die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Stellenausschreibungen, und dasselbe Phänomen sei bereits bei Einführung des § 611a BGB im Jahr 1980 zu beobachten gewesen. Erst 25 Jahre später prägte das Arbeitsgericht Potsdam den Begriff in einem Urteil.[27] Die Sorge vor derartigen Klagen führe in der Praxis nun dazu, dass bei der Ablehnung einer Bewerbung möglichst wenige Informationen herausgegeben werden würden, um erst gar keinen Anfangsverdacht entstehen zu lassen. Hierdurch würde Bewerbern auch weniger konstruktive Kritik gegeben, die bei zukünftigen Bewerbungen helfen könnte.
Andererseits wird zu bedenken gegeben, dass – im Vergleich etwa zum Grundgesetz und zur EU-Grundrechtecharta – wesentliche Bereiche der Diskriminierung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht behandelt werden; so vor allem Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft oder wegen Kinderreichtums. Dies führe zu einer Antidiskriminierungshierarchie, und es bestehe die Gefahr, dass Benachteiligung aufgrund sozialer Herkunft per Definition nicht als Diskriminierung wahrgenommen wird. Eine Einbeziehung der sozialen Herkunft in den Antidiskriminierungsrichtlinien war vorgeschlagen, blieb aber bei der Einigung zu den Amsterdamer Verträgen außer Betracht.
Allerdings baut das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz keinen bestehenden Schutz ab. Ein Gesetzentwurf zur Abschaffung der sozialen Diskriminierung liegt in Deutschland nicht vor, wird aber auf europäischer Ebene diskutiert.
Laut einer im März 2005 veröffentlichten Allensbachumfrage lehnte die Mehrheit der Bevölkerung das damals diskutierte Antidiskriminierungsgesetz am Beispiel einer Klage gegen einen Wohnungsvermieter ab.
Juristen bemängeln auch technische Schwächen des Gesetzes. Neben unnötig komplizierten Satzkonstruktionen fällt etwa auf, dass das Gesetz zwar für den Bereich von Kündigungen keine Anwendung finden soll, andererseits aber ausdrückliche Regelungen gerade für diesen Bereich enthält.
Befürworter kommen vornehmlich aus dem Bereich der Behinderten- und Frauenverbände, dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), dem DGB, der Partei Die Linke, der Grünen und der Sozialdemokratie.
Sie weisen darauf hin, dass die Beweislasterleichterung – für den Bereich der geschlechtsbezogenen Diskriminierung – bereits seit 25 Jahren im BGB bestehe. Des Weiteren sei es unsinnig, wenn Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verboten werde, nicht aber aufgrund der Behinderung, sexueller Identität oder anderer vom Gesetzgeber in das AGG aufgenommenen Kriterien. Sie fordern stattdessen gleichen Schutz für alle.
Sie verweisen darauf, dass es um eine Einbeziehung aller Kriterien von Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages geht. Diese Kriterien sind für das Arbeitsrecht auch verbindlich von der EU vorgeschrieben.
Insbesondere wird mit dem moralischen Anspruch argumentiert, der als Grundgedanke hinter dem Gesetzesvorhaben steht. Dieser Anspruch beruft sich auf den Grundgedanken der christlichen Nächstenliebe, der zu den Fundamenten der deutschen Gesellschaft gehöre.
Zu einer Klageflut, vor der Gegner des Gesetzes gewarnt hatten, ist es nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht gekommen.[28] Zwar berichtete das Fernsehmagazin plusminus im Februar 2007 von einem Mann, der bislang mehr als 30 Unternehmen wegen angeblicher Geschlechtsdiskriminierung verklagt hat.[29] Die unberechtigte Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts war jedoch bereits vor Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gesetzlich verboten.
Ein erster großer Prozess wurde von einer Versicherungsangestellten angestrengt, die, unterstützt von Anwälten der Deutschen Gesellschaft für Antidiskriminierungsrecht, von ihrem Arbeitgeber R+V Versicherung einen Schadensersatz von 500.000 Euro wegen eindeutiger Geschlechtsdiskriminierung und möglicher ethnischer Diskriminierung fordert.[30][31] In 1. Instanz sprach das Gericht für die erfolgte Versetzung der Angestellten ihr einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 10.818 Euro zu und erklärte die Versetzung für unwirksam.[32]
Das Landesarbeitsgericht Hamm verurteilte im Jahr 2008 ein Frachtflugunternehmen zu Schadensersatz in Höhe von 6.450 Euro. Das Unternehmen hatte eine Stelle als „Flugkapitän“ ausgeschrieben und die Bewerbung einer Pilotin nicht berücksichtigt. In der Gerichtsverhandlung konnte das Unternehmen den Anschein der Diskriminierung nicht widerlegen.[33]
Die arbeitgebernahe Lobby-Organisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) beauftragte 2007 die Studie „Gesetzesfolgekosten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)“[34][35], die zu dem Schluss kam, dass im ersten Jahr nach der Einführung 1,73 Mrd. € Kosten durch das AGG für die deutschen Unternehmen entstanden seien. Diese Studie wurde von der Antidiskriminierungsstelle durch eine einberufene Kommission überprüft. Dabei kommen die Kommissionsmitglieder Birger Priddat und Heinrich Wilms in ihrem Gutachten „Nutzen und Kosten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)“[36] zu dem Ergebnis, dass die befürchtete Prozesswelle ausgeblieben ist und die angebliche Kostenschwemme auf einer Fiktion beruhe.[37][38]
Die Europäische Kommission hat 2007 Vertragsverletzungsverfahren wegen der unkorrekten Umsetzung zweier EU-Antidiskriminierungs-Rechtsakte (Richtlinie 2000/78/EG sowie Richtlinie 2000/43/EG) eingeleitet. Die Rügen betreffen unter anderem § 2 Abs. 4, § 8 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1, § 10 S. 2 Nr. 4 und § 15 Abs. 1, 3 und 4 sowie § 23 Abs. 1 S. 2 AGG. Nach partiellen Änderungen des AGG wurden 2010 die Vertragsverletzungsverfahren eingestellt.[39][40]
Auf europäischer Ebene steht die Ausweitung der Antidiskriminierungsgesetze vom Bereich des Arbeitsplatzes zusätzlich auf den Zugang zu Waren und Dienstleistungen (wie zum Beispiel Wohnraumvermietung) in der Diskussion.
Einem Konsens der 27 Länder stehen bislang nur die Länder Deutschland und Tschechien entgegen. Die Argumentation gegen diesen Konsens beruft sich darauf, dass auf nationaler Ebene einer Diskriminierung viel besser entgegengetreten werden könne und dass die geplante Ausweitung zu einer „Überregulierung“ führe.[41]
Ebenso wie das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beruhen ähnliche Gesetze in den anderen EU-Staaten ebenfalls auf den EG-Antidiskriminierungsrichtlinien, sind also ähnlich gestaltet, wenn auch zum Teil weitergehend.
In den USA gibt es ein ähnliches Gesetz seit 1964, den Civil Rights Act. Dieser verbot von Anfang an die Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder Herkunft, später kamen noch Alter und Behinderung hinzu. Der Arbeitgeber hat in den USA darauf zu achten, dass keine feindliche Umgebung („hostile work environments“) besteht, in der ein Arbeitnehmer Anfeindungen, Beleidigungen, Erniedrigungen etc. seitens seiner Vorgesetzten oder anderer Mitarbeiter ausgesetzt ist. Der Arbeitgeber ist sogar gehalten, im Rahmen beruflicher Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinzuweisen. Dem Diskriminierten wird eine Klage vor Gericht dadurch erleichtert, dass er nur die Tatsachen glaubhaft machen muss, aus denen sich eine Diskriminierung ergibt. Der Beklagte muss dann beweisen, dass sachliche und nicht diskriminierende Gründe für die unterschiedliche Behandlung vorliegen.[42]
Die UN hat auf internationaler Ebene Erklärungen und Resolutionen der Vereinten Nationen über die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität verkündet.
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