Aktionsprogramm Ruhr
strukturpolitisches Maßnahmenprogramm Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Das Aktionsprogramm Ruhr war ein strukturpolitisches Maßnahmenprogramm der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen (Kabinett Rau I) für das Ruhrgebiet.
Akute Strukturprobleme des Ruhrgebiets veranlassten die von Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) und Wirtschaftsminister Horst Ludwig Riemer (FDP) geführte Landesregierung, nach einer „Ruhrkonferenz“ am 8. und 9. Mai 1979 in Castrop-Rauxel im September 1979 das Aktionsprogramm Ruhr als begrenzte Sonderhilfe für das Ruhrgebiet aus Finanzmitteln des Landes und des Bundes den an der „Ruhrkonferenz“ Beteiligten und dem Landtag Nordrhein-Westfalen vorzulegen.
Während die Abhängigkeit des Ruhrgebiets von der Montanindustrie andauerte – noch 37 Prozent der Erwerbstätigen des Reviers waren Ende der 1970er Jahre in diesem stark subventionierten Sektor beschäftigt – war es 1973/1974 zur Ölpreiskrise gekommen, die ab 1975 als Stahlflaute besonders stark auf die Stahlbranche des Ruhrgebiets durchschlug. In der Folge schwächte sich das Wirtschaftswachstum im Ruhrgebiet ab, so dass dort die Arbeitslosigkeit in bedrückendem Maße auf ein Niveau oberhalb des Landes- und Bundesdurchschnitts anstieg. Zur im Revier besonders hohen Zahl der Arbeitssuchenden aus „schwer vermittelbaren Problemgruppen“ kam die hohe Zahl der Arbeitssuchenden aus der Gruppe der in das Erwerbsleben Eintretenden, insbesondere aus den „geburtenstarken Jahrgängen“. Deutlich war den Initiatoren des Programms auch, dass das Ruhrgebiet als altindustriell geprägter Raum nicht die Wohn- und Lebensqualität anderer Wirtschaftszentren der Bundesrepublik erreichte.
Wie auch frühere strukturpolitische Interventionen Nordrhein-Westfalens, das Entwicklungsprogramm Ruhr (1968) und das Nordrhein-Westfalen-Programm (1970), hatte das Aktionsprogramm Ruhr den Charakter eines umfassenden, von der Landesregierung entwickelten und implementierten Modernisierungsprogramms. Neue Ansätze nordrhein-westfälischer Strukturpolitik stellten demgegenüber die spätere Einführung der „regionalisierten Strukturpolitik“, die Internationale Bauausstellung Emscher Park, die sogenannte „Gründungsoffensive“ und die Versuche zur Stärkung regionaler Produktionsverbünde („Cluster“) im Rahmen von „Brancheninitiativen“ dar.[1] Im historischen Kontext der verschiedenen Phasen nordrhein-westfälischer Strukturpolitik wird das Aktionsprogramm Ruhr als eine „Phase der Neo-Industrialisierung“ beschrieben, in der die Landesregierung die Zukunft des Ruhrgebiets nicht in einer Überwindung der montanindustriellen Monostruktur durch Diversifizierung sah, sondern in deren Fortsetzung durch den Versuch einer Modernisierung.[2]
Als erster Versuch einer regionalen Integration unterschiedlicher Politikfelder war das Aktionsprogramm Ruhr die bis dahin bundesweit avancierteste regionalpolitische Initiative und das größte regionale Förderprogramm der alten Bundesrepublik. Wissenschaftliche Auswertungen zeigten bis 1993 auf, dass das Programm „verhältnismäßig ineffektiv“ geblieben war:[3]
„Insgesamt stellte das Aktionsprogramm zwar ein zukunftsweisendes Politikkonzept dar, aber die begrenzte Realisierbarkeit des integrierten regionalpolitischen Ansatzes wurde im Zuge der Evaluierung deutlich herausgearbeitet (…). Ausschlaggebend dafür waren einerseits Veränderungsbarrieren innerhalb des Ruhrgebiets, wie etwa die zersplitterten Planungskompetenzen, die einseitige Unternehmensstruktur, fehlende Gewerbeflächen und die kommunale Konkurrenz. Ein zweites konzeptionelles Grundproblem, der Widerspruch zwischen dem breiten Ansatz der Maßnahmen und gleichzeitig notwendiger Mittelkonzentration, erschwerte die Umsetzung des Programms (…). Zudem wurde es in seinen Effekten durch die einsetzende, weltweite Konjunkturkrise überlagert, und konnte so nicht die erhofften Wirkungen entfalten. Deutlich traten schließlich in der Umsetzung auch die finanziellen Grenzen des integrierten Ansatzes zu Tage. Die hohen Kosten des Programms signalisierten angesichts enger werdender finanzieller Spielräume des Landes eine absolute Eingriffsgrenze. Eine Neuorientierung des Wirtschaftsgefüges gelang durch das Programm insgesamt nicht. Ebensowenig konnte ein Durchbruch im Arbeitsmarktbereich erzielt werden; die regional konzentrierten Arbeitsmarktprobleme blieben in unverminderter Härte bestehen.“
Bei den Beratungen des 8. Landtags Nordrhein-Westfalen zum Haushaltsplan 1980 im Oktober 1979 war das Aktionsprogramm Ruhr wegen der erforderlichen Kreditaufnahmen ein Thema. Der Haushaltsplan sah – nicht zuletzt wegen der infolge des Aktionsprogramms Ruhr aufzunehmenden Kredite – eine Netto-Neuverschuldung von 7,6 Milliarden DM und einen Anstieg des Haushaltsvolumens um 5,4 Prozent vor. Der Abgeordnete Theodor Schwefer (CDU) kritisierte in den Haushaltsberatungen die Struktur- und Wirtschaftspolitik der sozialliberalen Landesregierung: Die Fördersumme für Kraftwerkssanierungen im Aktionsprogramm Ruhr beruhe nicht auf ausgereiften Planungen, die in diesem Programm auftauchende Idee des Grundstücksfonds sei vom Aktionsprogramm Ruhr der CDU-Fraktion „ganz einfach abgeschrieben“ worden und die Konferenz in Castrop-Rauxel habe sich „bei näherem Hinsehen als ein Komödchen entpuppt.“ Zur Wirtschafts- und Sozialstruktur des Landes meinte er: „Die Praxis zeigt mit aller Deutlichkeit, daß die Schwerindustrie und die großen Unternehmen [im Ruhrgebiet] offenbar einen weniger günstigen Einfluß auf den Arbeitsmarkt haben als die ausgeprägt mittelständisch orientierte Industrie in anderen Teilen des Landes.“ Damit die großen Unternehmen zulasten des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges nicht immer größer und mächtiger würden, forderte er eine Verbesserung der staatlichen Hilfen für die mittelständische Wirtschaft.[4]
Als Oberziele bzw. Maßnahmenfelder formulierte die Landesregierung Nordrhein-Westfalen in dem Aktionsprogramm Ruhr folgende Themen:
Zur Konkretisierung benannte die Landesregierung folgende Handlungsfelder:
Das Aktionsprogramm Ruhr war für den Zeitraum 1980 bis 1984 geplant. Erste Maßnahmen waren allerdings schon 1979 angelaufen. Das Gesamtvolumen belief sich auf Sonderhilfen des Landes und des Bundes in Höhe rund 6,9 Milliarden DM. 77,4 Prozent dieses Volumens sollte das Land Nordrhein-Westfalen aus Steuermitteln und aus Kreditaufnahmen finanzieren.
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