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iranischer Präsident Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Abolhassan Banisadr (persisch ابوالحسن بنی صدر, DMG Abū l-Ḥasan Banī Ṣadr; auch Abol Hassan Bani Sadr geschrieben; * 22. März 1933 in Baghtsche, Provinz Hamadan; † 9. Oktober 2021 in Paris) war ein iranischer Ökonom und Politiker. Er gehörte zu den Vordenkern der Islamischen Revolution und war vom 25. Januar 1980 bis zum 21. Juni 1981 der erste gewählte Präsident der Islamischen Republik Iran.
Banisadr gehörte in seiner Jugendzeit zum muslimischen Flügel der iranischen Volksbewegung, die von Mohammad Mossadegh angeführt wurde, war ein Gegner der Herrschaft des Schah und nahm an den Protesten im Juni 1963 teil. Anschließend setzte er seine Studien in Frankreich fort, wo er zu einem führenden Intellektuellen der iranischen Exilopposition wurde. Dort bereitete er mit Ajatollah Chomeini die Islamische Revolution vor, nach deren Erfolg im Jahr 1979 er Regierungsmitglied und schließlich Präsident wurde. Während seiner Präsidentschaft ging die faktische Macht allerdings an die Parlamentsmehrheit der Islamisch-Republikanischen Partei (IRP) und ihre Führer über, die Mohammad Ali Radschai zum Premierminister ernannten und Banisadr kein Mitspracherecht bei der Ernennung des Kabinetts gewährten. Nach seiner Absetzung durch das Parlament und den Obersten Führer Chomeini im Juni 1981 floh Banisadr erneut nach Frankreich. Dort gründete er zusammen mit den Volksmudschahedin und Massoud Rajavi in Paris den Nationalen Widerstandsrat des Iran, dessen Präsident er bis 1983 war.
Abolhassan Banisadr wurde am 22. März 1933 in dem kleinen Dorf Baghtsche bei Hamadan in Zentral-Iran geboren.[1] Er war der Sohn von Nasrollah Banisadr, eines prominenten Ajatollahs aus Hamadan.[2] Sein Vater war als Gegner von Reza Schah bekannt. Die Familie von Banisadr hatte enge Verbindungen zur Familie von Ruhollah Chomeini und zur Familie von Musa as-Sadr. Chomeini kam öfter in den Sommermonaten nach Hamadan, und so lernte Abolhassan ihn bereits im Kindesalter kennen. Abolhassan und Chomeinis Söhne Ahmad und Mostafa wurden Spielkameraden.[3]
Banisadr besuchte moderne säkulare Schulen in Teheran und Hamadan.[1] Als 17-jähriger Schüler wurde er Anhänger der Nationalen Front von Mohammad Mossadegh,[4] der sich als Premierminister 1951–1953 für die wirtschaftliche Unabhängigkeit Irans sowie die Verstaatlichung der Erdölförderung einsetzte. In den späten 1950er und frühen 1960er Jahren besuchte er die Koran-Kollegs von Ajatollah Mahmud Taleghani, dem Vertreter eines „islamischen Sozialismus“, der sein Denken stark beeinflusste. Ungefähr in derselben Zeit hörte er Vorlesungen an der Fakultät für Theologie und dem Institut für Sozialforschung der Universität Teheran. Später wechselte er an die juristische Fakultät, wo er einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften anstrebte.[1] Von 1960 bis 1963 war er aktives Mitglied der Freiheitsbewegung muslimischer Mossadeghisten unter der Führung von Mehdi Bāzargān.[5] Er beteiligte sich an Demonstrationen gegen den Schah Mohammad Reza Pahlavi, ging in den Untergrund und wurde mehrfach verhaftet.[6] 1963 nahm er aktiv an der Ayatollah Chomeinis angeführten Juni-Protesten gegen das Reformprogramm der weißen Revolution teil[7] und wurde während einer Protestaktion verwundet.[8]
Banisadr ging ins Exil nach Frankreich, setzte an der Sorbonne sein Studium in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften fort.[9] Stark beeinflusst durch die Studentenbewegung von 1968, wurde er zu einem Anführer der iranischen Studenten im Ausland, die sich dem Schah-Regime widersetzten.[10] Ab 1969 beschäftigte er sich intensiv mit der Bedeutuntg des Erdöls für die wirtschaftliche Entwicklung Irans. Ein Ergebnis dieser Studien war sein Buch Naft wa sulṭa yā naqš-i naft dar tausiʿa-i sarmāya-dārī dar pahna-i ǧahān wa zamān („Erdöl und Macht oder die Rolle des Erdöls bei der Expansion des Kapitalismus in Welt und Zeit“), das er erst 1977 veröffentlichte. Banisadrs Ziel bei der Abfassung dieses Buches war es, zu zeigen, wie sich eine völlige Abhängigkeit vom Öl nachteilig auf die iranische Wirtschaft auswirkt, den westlichen Industrieländern jedoch zugutekommt.[11] Am 23. März 1973 war Banisadr maßgeblich an der Ausarbeitung eines Manifests in Paris beteiligt, in dem die iranische Regierung wegen ihres Vertrags mit einem Konsortium von Erdölunternehmen verurteilt wurde.[12] Ein weiteres Buch, was sich mit diesem Thema beschäftigte, war Pétrole et violence: terreur blanche et résistance en Iran („Erdöl und Gewalt: Weißer Terror und Widerstand in Iran“), eine Sammlung von französischen Essays und Dokumenten, die er im März 1974 zusammen mit dem Philosophen Paul Vieille unter dem Schirmherrschaft der Nationalen Front veröffentlichte. Ziel der Autoren war es, das „repressive Polizeiregime“ im Iran zu entlarven, das mit „nacktester Gewalt, begleitet von der strengsten Informationskontrolle“ den „Mythos“ der Weißen Revolution geschaffen hatte.[13]
Weitere Werke, die Banisadr in dieser Zeit veröffentlichte, waren:
Mit Iqtiṣād-i tauḥīdī („Die monotheistische Wirtschaft“), veröffentlicht 1978 in Aachen, machte Banisadr einen Versuch, eine politische Theorie zu konstruieren, die vom koranischen Grundsatz „Es gibt keinen Gott außer Gott“ beherrscht wird. Banisadr leitete aus diesem Grundsatz ab, dass es keine wirtschaftliche Beherrschung des Menschen durch den Menschen geben dürfe. Nur Gott habe das absolute Recht auf Eigentum, ein Recht, das der Prophet und die Imame an diejenigen in der Gemeinschaft übertragen haben, die es dank ihrer Arbeit verdienen.[20] Als Hauptreferenz verwendete Banisadr in diesem Buch das Werk Iqtiṣādunā („Unsere Wirtschaft“) des schiitischen Ayatollah Muhammad Baqir as-Sadr.[5] In Iqtiṣād-i tauḥīdī forderte Banisadr nichts weniger als einen revolutionären Durchbruch.[21] In Auseinandersetzung mit dem Marxismus und seiner Illusion einer Klassenlosen Gesellschaft postulierte er die Existenz einer islamischen Theorie der Permanenten Revolution, die er „permanente Auferstehung“ nannte.[22]
Nach Nikki Keddie beherrschten zwei Tendenzen Banisadrs Schriften aus dieser Zeit: Einerseits eine gewisse anarchistische Tendenz, die ihn dazu brachte, jede Beherrschung des Menschen durch den Menschen unter jeglichem Vorwand abzulehnen und die Einführung dessen anzustreben, was er „organisierte Spontaneität“ nennt; andererseits eine Tendenz, alle Analysen, auch im sozialen oder wirtschaftlichen Bereich, in die traditionellen theologischen Kategorien des Schiitentums einzuordnen, wobei sich diese Tendenz stärker in seinen persischen als in seinen französischen Schriften zeigt. Diese beiden Merkmale machten Banisadrs Denken widersprüchlich, gleichzeitig aber auch attraktiv für zahlreiche Anhänger, die den Wunsch nach Freiheit mit den Härten des islamischen Rechts in Einklang zu bringen versuchten.[23]
Nachdem Banisadr 1977 Chomeini in Nadschaf getroffen hatte, wurde er einer seiner engen Berater, als Chomeini 1978 nach Paris zog.[9] Bani-Sadr soll der erste gewesen sein, der Chomeini als Imam bezeichnet hat. Das war insofern von Bedeutung, weil in seiner politischen Theorie der Imam die Instanz ist, die entscheidet, was kollektives und was privates Eigentum sein soll,[24] und er dem Imam die Rolle zuerkannte, die Gesellschaften durch den Prozess der „permanenten Auferstehung“ zu führen, in dem sie in aufeinanderfolgenden Phasen wirtschaftlich-politische Bewegungen zu bilden, bis sie das Ziel der „monotheistischen Wirtschaft“ erreicht haben.[22] Banisadr überzeugte Chomeini, ein breites Bündnis von Gegnern des Schahs zu bilden, das eine Revolution im Iran herbeiführen sollte.[25]
Als Chomeini schließlich im Februar 1979 als Revolutionsführer in den Iran zurückkehrte, begleitete ihn Banisadr. Nach Ankunft in Iran betätigte sich Banisadr zunächst als Publizist. So begann er mit der Herausgabe der Tageszeitung Enqelāb („Revolution“).[9] Am 10. Farwardin 1358 hš (= Am 30. März 1979) veröffentlichte Banisadr sein „Manifest der Islamischen Republik“ (Bayānīya-i Ǧumhūrī-yi Islāmī),[26] in dem er an frühere Schriften anknüpfte. In seinem Vorwort erklärte er, dass grundsätzlich auf vier Problemfeldern ein Konflikt zwischen Religion (maḏhab) und politischer Macht bestehe: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Die politische Macht tendiere dabei immer zu einem dominanzorientierten „positiven Gleichgewicht“, die Religion lehne die Dominanz ab und tendiere zu einem „negativen Gleichgewicht“.[27] Um diese Probleme zu lösen, müsse der Kampf „unter der Führung Chomeinis“ (ba-zaʿāmat-i Ḫumainī) geführt werden.[28] Der erste Teil, der die vier Problemfelder einzeln durchging, war eine Kritik am Pahlavi-Regime, das den Iran unter die politische, militärische und wirtschaftliche Vorherrschaft des Westens gestellt habe, wodurch die Iraner ihre Identität und Kreativität verloren hätten und zu Konsumenten geworden sein. Der zweite Teil enthielt die Lösungen: In der Außenpolitik müsse die Unabhängigkeit des Iran sichergestellt und Mossadeghs „Prinzip des negativen Gleichgewichts“ bekräftigt werden; in der Innenpolitik müsse es eine echte islamische Regierung geben, die die wahren Machtstrukturen, zum Beispiel Moscheen, wiederbelebt, schädliche Konflikte zwischen Staat und Religion unterdrückt und einen Staat ohne Beschränkungen aufbaue; auf wirtschaftlichem Feld wollte Banisadr Produktion und Konsum in Iran wieder ins Gleichgewicht bringen.[20] Allgemein formulierte Banisadr die Ansicht, dass der Iran verloren sei und die „Wiederherstellung seines Lebens“ von der Wiederherstellung des Islam abhänge.[29]
Im Laufe des revolutionären Prozesses übernahm Banisadr auch politische Ämter. Am 3. August 1979 wurde Banisadr als Vertreter der Provinz Teheran in die Expertenversammlung gewählt, die die Verfassung der Islamischen Republik Iran ausarbeitete. Der parteilose Banisadr stand der Freiheitsbewegung des von Chomeini ernannten Premierministers Mehdi Bāzargān nahe, die in der Expertenversammlung in der Minderheit war. Die Islamisch-Republikanische Partei (IRP) unter Ajatollah Mohammad Beheschti hatte die Mehrheit und setzte das Prinzip der Welāyat-e Faqih („Statthalterschaft des Rechtsgelehrten“) in der Verfassung durch. Nach der Besetzung der amerikanischen Botschaft durch islamistische Studenten trat Premierminister Bāzargān am 6. November 1979 zurück. Im anschließend gebildeten „Kabinett ohne Premierminister“ war Banisadr zunächst Außenminister (nur für zwei Wochen bis zu seiner Ablösung durch Sadegh Ghotbzadeh) sowie Wirtschafts- und Finanzminister (bis zu seiner Amtseinführung als Präsident). Die Geiselnahme der amerikanischen Botschaftsangehörigen belastete aber weiter das Verhältnis zwischen Bani-Sadr und der IRP geführt. Während die IRP die Krise in die Länge ziehen wollte, plädierte Bani-Sadr für eine schnelle Lösung mit der Begründung, die Angelegenheit isoliere den Iran von der Dritten Welt und lenke die Aufmerksamkeit von der jüngsten sowjetischen Invasion in Afghanistan ab.[30]
Im nachfolgenden Präsidentschaftswahlkampf hatte Banisadr verschiedene Vorteile. So konnte er sich einer „Vater-Sohn-Beziehung zum Imam“ rühmen und profitierte davon, dass Chomeini – wahrscheinlich um Vorwürfe des Achundismus abzuwehren – die Parole ausgab, dass „die ʿUlamā' nicht die Präsidentschaft anstreben sollten.“ Darüber hinaus sicherte er sich die Unterstützung einer Reihe prominenter Geistlicher, die sich zuvor aktiv gegen den Schah gestellt hatten, der IRP nun jedoch misstrauisch gegenüberstanden. Hierzu gehörte auch der erbarmungslose Richter Sadegh Chalchali. Mit einer Wahlkampagne, die um das Thema kreiste, dass der Islam für soziale Gerechtigkeit und politischen Pluralismus steht,[31] gewann Banisadr die Präsidentschaftswahl am 25. Januar 1980 mit 75,7 % der Stimmen.[32][33]
Eine iranische Zeitung beschrieb Banisadr als „Stalin plus Abraham Lincoln plus Don Quichotte“.[34] Am 4. Februar 1980 ernannte ihn Chomeini zum ersten Präsidenten der Islamischen Republik Iran.[35] Chomeini behielt jedoch das Amt des Obersten Führers, der nach der Verfassung Vorrang vor dem Präsidenten hat und diesen unter bestimmten Umständen entlassen kann.
Bei seinem Amtsantritt gelobte Banisadr, im Namen aller politischen Parteien gegen Sittenrichter, „Prügler“ (čomāqdārān) und „Machtmonopolisten“ zu kämpfen.[31] Die schon bestehenden Differenzen mit der IRP verschärften sich, als Banisadr sah, dass die Streitkräfte dringend Ersatzteile aus Amerika benötigten und die Wirtschaft ebenso dringend die iranischen Vermögenswerte im Wert von insgesamt 13 Milliarden Dollar benötigte, die von den USA beschlagnahmt worden waren. Außerdem kritisierte er die Geiselnehmer für die Schaffung eines „Staates im Staate“. Im Gegenzug versuchten die Geistlichen von der IRP, Banisadr auf eine rein zeremonielle Rolle zu beschränken.[36] Den von Chomeini im April 1980 in Gang gesetzten Angriff auf die Universitäten trug Banisadr jedoch mit, um sich nicht von den Geistlichen ausbooten zu lassen, und erklärte, er sei kein „Liu Shaoqi, der von einer Kulturrevolution hinweggefegt werden würde“.[37]
Bei den ersten Runden der Parlamentswahl im März und Mai 1980 gewann die IRP. Als das Madschles Ende Mai zusammentrat, teilten sich die 216 Abgeordneten in drei große Blöcke auf: die IRP mit rund 120 Stimmen, die Anhänger Banisadrs mit 33 und die Freiheitsbewegung mit 20 Stimmen.[38] Präsident des Madschles wurde Banisadrs Gegenspieler Rafsandschani.[8] Als das Madschles begann, Minister zu wählen, die den Revolutionsrat ersetzen sollten, begann ein zähes Ringen. Banisadr lehnte die vom Parlament vorgeschlagenen Kandidaten ab und behauptete, die Verfassung gebe dem Präsidenten das Recht, ungeeignete Entscheidungen zu blockieren. Doch die IRP blieb hartnäckig und argumentierte, dass die Parlamentsmehrheit das Recht habe, das gesamte Kabinett zu wählen.[38] Obwohl Chomeinis Ansichten und Äußerungen denen der Geistlichen näher standen, unterstützte er weder Beheschti noch Banisadr konsequent und versuchte mit mäßigem Erfolg, ihren eskalierenden Streit zu dämpfen. Im Juni 1980 drängte er die Konservativen zu einem Kompromiss mit den Gemäßigten Banisadrs, um den Zerfall Irans umzukehren, doch später tadelte er Banisadr für seine Untätigkeit.[39]
Im August 1980 musste schließlich Banisadr akzeptieren, dass Mohammad Ali Radschai, den er verachtete und als „Ja-Sager der Mullahs“ verspottete, Premierminister wurde. Doch ging der Kampf weiter, weil Banisadr mehrere der von Radschai ausgesuchten Minister für inkompetent hielt. Nachdem das Madschles gedroht hatte, den Premier zu ermächtigen, amtierende Minister ohne die Zustimmung des Präsidenten zu ernennen, gab Banisadr schließlich nach und akzeptierte einige Minister. Allerdings warnte er öffentlich, diese „dummen“ Minister seien für den Iran gefährlicher als die irakischen Invasoren.[40]
Ein weiteres Konfliktfeld ergab sich nach dem Ausbruch des Iran-Irak-Kriegs im September 1980. Banisadr verlangte als Chef der Exekutive, dass der Krieg den regulären Streitkräften anvertraut werde sollte, entlassene Offiziere wieder eingesetzt werden sollten und das Land wichtige Ersatzteile aus dem Westen kaufen solle, was natürlich eine sofortige Freilassung der amerikanischen Geiseln zur Folge gehabt hätte. Die IRP hielt jedoch ideologische Reinheit für wichtiger als fachliche Kompetenz und forderte, dass die Landesverteidigung vorrangig der Islamischen Revolutionsgarde und nicht der regulären Armee übertragen werden sollte.[41] Banisadr verbrachte einen Großteil seiner Zeit an der Front mit den regulären Truppen und erzählte seinen Freunden, dass er irakische Granaten den „hinterhältigen Klerikern“ in Teheran vorziehe. Die Geistlichen ihrerseits verdächtigten Banisadr, bonapartistische Bestrebungen zu hegen.[42]
Auf wirtschaftlichem Feld bestand mit den Geistlichen der IRP ein Konflikt darüber, ob hohe Positionen an die Absolventen religiöser Maktab-Schulen oder die Experten gehen sollten. Die Geistlichen forderten, dass die Maktabis, besonders in den Komitees und den islamischen Vereinigungen am Arbeitsplatz, alle Manager, Planer und Regierungsbeamten streng beaufsichtigen sollten. Banisadr hielt dem entgegen, dass die Wirtschaft gerade deshalb in einer schlimmen Lage sei, weil unwissende Eiferer die Experten sabotierten. Um seine Argumentation zu unterstreichen, verwies Banisadr auf die schlechten Wirtschaftszahlen (hohe Arbeitslosigkeit, hohe Inflation, Rückgang der Ölproduktion, Schrumpfung der Devisenreserven, Anwachsen des Haushaltsdefizits, Stagnation der landwirtschaftlichen Produktion). Er beharrte darauf, dass sich die Wirtschaft erst dann erholen werde, wenn die Fanatiker aufhörten, die Experten zu terrorisieren, und einige der im Exil lebenden Manager in ihre Heimat zurückkehrten.[42]
Der brisanteste aller Konflikte mit der IRP war die Frage der islamisch-sozialistischen Volksmudschahedin. Bis zu den Parlamentswahlen hatte Banisadr zu ihnen Distanz gewahrt. Nach den Wahlen näherte er sich ihnen jedoch an, weil er sich nicht nur vom Madschles und dem Kabinett, sondern auch vom Wächterrat, dem Obersten Justizrat und dem neu geschaffenen Komitee für die Kulturrevolution in die Enge getrieben sah und zudem feststellen musste, dass ihm der Zugang zu öffentlichen Versammlungen und den Massenmedien verwehrt wurde. Umgekehrt wuchs die Organisation der Volksmudschahedin 1980 so schnell, dass ihre Anti-IRP-Demonstrationen Anfang 1981 bis zu 150.000 Menschen anzogen. Chomeini reagierte darauf, indem er die Mudschahedin als große Bedrohung für den Islam darstellte und Banisadr riet, sich öffentlich von ihnen Unruhestiftern zu distanzieren. Banisadr lehnte dies jedoch ab.[43] Auf diese Weise verlor er schließlich auch den Rückhalt Chomeinis.[8]
Im Frühjahr 1981 eskalierte der Konflikt mit der IRP. Am 5. März, dem Jahrestag von Mossadeghs Tod, sprach Banisadr vor rund 100.000 Zuhörern an der Universität Teheran zum Thema „Islam bedeutet Freiheit“. Als die erwarteten „Prügler“ (čomāqdārān) angriffen, vier Menschen töteten und ca. 150 verletzten, befahl er den Demonstrationsführern, bei denen es sich größtenteils um Mitglieder der Mudschahedin handelte, die Täter festzunehmen und ihre Taschen nach Ausweisen zu durchsuchen. Am folgenden Tag organisierte die IRP einen Streik in dem Teheraner Basar, um die „öffentliche Abscheu“ gegenüber Banisadr zu zeigen. Außerdem nahm der Generalstaatsanwalt eine Untersuchung des Vorfalls auf, um festzustellen, ob Banisadr individuelle Rechte verletzt hatte, als er die Inhaftierung und Durchsuchung „einfacher Bürger“ anordnete.[44] Im Parlament wurden Drohungen erhoben, Bani Sadr abzusetzen und ihn vor Gericht zu stellen.[45] Im April warf Banisadr in Leitartikeln für seine Zeitung, in Interviews mit ausländischen Korrespondenten und Offenen Briefen den „Monopolisten“ vor, Gefangene zu foltern, die Medien zu zensieren, rechtmäßige Versammlungen zu stören, ein Attentat auf ihn zu planen und den Boden für ein totalitäres Einparteienregime zu bereiten.[46]
Der Generalstaatsanwalt ließ daraufhin seine Zeitung Enqelāb-e Islami schließen, mit dem Argument, dass sie „aufrührerische Lügen“ veröffentlicht habe, und der Madschles kürzte die Haushaltsmittel für das Präsidentenamt drastisch. Beheschti verkündete als Vorsitzender des Obersten Justizrates, Banisadr habe nicht sein gesamtes Vermögen offengelegt und damit gegen die Verfassung verstoßen. Ahmad Chomeini und Sadegh Chalchali, die beide Banisadr ursprünglich unterstützt hatten, warfen ihm nun vor, er „verleumde die Geistlichkeit“ und ziehe „gefährliche Persönlichkeiten“ an. Eine vom Obersten Führer Chomeini eingesetzte dreiköpfige Kommission, die der Versöhnung zwischen Banisadr und seinen Gegnern dienen sollte, entschied in mehreren Punkten gegen ihn, wobei der von ihm selbst ernannte Geistliche gemeinsam mit den Vertretern Khomeinis und des Madschles stimmte.[47] Umgekehrt erhielt Banisadr immer mehr Unterstützung von den Mudschahedin. Am 27. April organisierten diese einen Massenmarsch im Zentrum Teherans, um unter anderem gegen die Schließung von seiner Zeitung zu protestieren.[48]
Im Juni 1981 erreichte die Krise ihren Höhepunkt. Banisadr forderte am 1. Juni ein Referendum mit der Begründung, dass die Differenzen zwischen ihm und den Abgeordneten unüberbrückbar seien und das Volk das Recht habe, zwischen beiden zu wählen; während er bei den Präsidentschaftswahlen über 10 Millionen Stimmen erhalten habe, habe die IRP bei den Parlamentswahlen weniger als 4 Millionen Stimmen erhalten. Am 6. Juni schloss der Innenminister das Büro des Präsidenten, am 10. Juni entließ Chomeini Banisadr aus dem Obersten Verteidigungsrat und sicherte sich die persönliche Loyalität der drei Stabschefs. Einen Tag später gab es in Teheran, Täbris, Schiras und Isfahan große Demonstrationen für und gegen Bani-Sadr. Am 12. Juni tauchte Banisadr bei den Führern der Volksmudschahedin unter und richtete einen offenen Brief an die Nation, in dem er argumentierte, dass er als wahrer Muslim keine andere Wahl habe, als dem Beispiel von Imam Husain zu folgen und Widerstand gegen die Unterdrückung zu leisten. Am 19. Juni forderte Banisadr mit der vollen Unterstützung der Mudschahidin die „Frauen und Männer Irans“ auf, auf die Straße zu gehen, wie sie es 1978/79 getan hatten, und die „verabscheute“ Regierung zu stürzen, die in jeder Hinsicht schlimmer sei als das vorherige Regime.[49]
Das Parlament erklärte den Präsidenten daraufhin am 21. Juni 1981 mit überwältigender Mehrheit für „politisch inkompetent“ und leitete seine Amtsenthebung ein. Nur die Freiheitsbewegung enthielt sich der Stimme und argumentierte, Banisadr sei von seinen unterdrückerischen Gegnern zu diesem verzweifelten Handeln gezwungen worden, und die Schaffung eines Einparteienstaates würde eine schreckliche Bedrohung für den Iran darstellen.[50] Am Tag darauf setzte der Oberste Führer Banisadr ab, warf ihm Verschwörung und Hochverrat vor und ordnete seine Verhaftung an.[8] Banisadr tauchte unter und floh am 29. Juli 1981 zusammen mit dem Führer der Volksmudschahedin Massoud Rajavi an Bord einer Boeing 707 der Iranischen Luftwaffe, die von Piloten der Mudschahidin requiriert worden war, nach Frankreich.[51]
In Paris versuchten die beiden, ihre Niederlage herunterzuspielen, indem sie behaupteten, die wahre Absicht des 20. Juni sei nicht so sehr der Sturz des gesamten Regimes gewesen, sondern vielmehr der Öffentlichkeit zu zeigen, dass Chomeini ebenso blutrünstig wie der Schah sei und die Opposition einen weiteren Versuch unbewaffneter Proteste unternommen habe, bevor sie zu bewaffnetem Widerstand übergehen würde.[52] Nachdem sie politisches Asyl erhalten hatten, verkündeten sie der Welt, dass sie bald in ihre Heimat zurückkehren würden, um die Islamische Republik durch eine Demokratische Islamische Republik zu ersetzen. In den nächsten Wochen veröffentlichten Banisadr und Rajavi ein Manifest, das sie als Pakt (mīs̱āq) bezeichneten, und gründeten einen Nationalen Widerstandsrat (Šūrā-ye Mellī-ye Moqāvamat). Der Pakt trug die Unterschriften von Banisadr als Präsidentem der Republik und von Rajavi als Vorsitzendem des Nationalrats und der provisorischen Regierung der Republik.[51]
Rajavi festigte seine Bindungen zu Banisadr, indem er im Oktober 1982 dessen Tochter heiratete. Allerdings zogen sich Banisadr und seine Anhänger 1984 aus dem Widerstandsrat zurück, Rajavi und Bani-Sadrs Tochter ließen sich bald darauf scheiden.[53] 1989 veröffentlichte Banisadr mit dem Buch Le complot des Ayatollahs („Der Komplott der Ayatollahs“) seine eigene Sicht von den Ereignissen rund um die Islamische Revolution und den Iran-Irak-Krieg.[54] Das Buch wurde 1991 unter dem Titel My turn to speak: Iran, the revolution & secret deals with the U.S. ins Englische übersetzt.
In Deutschland hatte Abolhassan Banisadr 1996 einen vielbeachteten öffentlichen Auftritt als Zeuge im Mykonos-Prozess.[55] Er starb am 9. Oktober 2021 im Alter von 88 Jahren nach einer langen Krankheit im Pariser Krankenhaus Pitié-Salpêtrière Hospital.[56] Er wurde auf dem Cimetière des Gonards in Versailles beigesetzt.
Nach Banisadrs Schriften aus den 1970er Jahren ist Gott der alleinige Schöpfer, Eigentümer und Schiedsrichter von allem auf der Erde und im Himmel. Er ist daher der Monopolist allen Eigentums auf Erden vom Sündenfall bis zum Tag des Jüngsten Gerichts. Diese „ewige Wahrheit“ hat seiner Auffassung nach einen „negativen“ (salbī) und einen „positiven“ (īǧābī) Aspekt. Der „negative“ Aspekt ist explizit, nämlich, dass alles Gott gehört und niemand anderem. Der „positive“ Aspekt sei indessen implizit und bedeute, dass „alle Menschen bei der Nutzung dessen, was Gott gehört, gleich sind und es unter ihnen keine Diskriminierung geben kann.“[57] Privateigentum, so meinte Banisadr, wird im Islam nur in begrenztem Maße anerkannt.[58] Es könne immer nur „relativ“ sei, weil Gott bis zum Tag des Jüngsten Gerichts der eigentliche Eigentümer aller Sachen und Güter sei.[59] Er delegiere das Eigentum auf der Grundlage der gemeinnützigen Tugenden seiner Geschöpfe.[60] Der Mensch könne nur insoweit Anspruch auf privates oder öffentliches Eigentum erheben, als dies als Ausweitung der Gnade und Güte Gottes betrachtet werde. Jede andere Form des Eigentums, die nicht als von Gott „geliehen“ betrachtet werde, basiere zwangsläufig auf Gewalt und führe als solche zur Entfremdung.[24]
Wie Muhammad Baqir as-Sadr meinte Banisadr, dass im Islam als einzige Grundlage des Reichtums Arbeit vorgesehen sei[59] und das gesamte Arbeitserzeugnis dem Arbeiter gehört.[61] Die Beziehung des Menschen zu den von ihm geschaffenen Objekten solle nicht durch die Anhäufung von Kapital, sondern durch die Arbeit bestimmt werden.[60] Im Unterschied zu Muhammad Baqir as-Sadr meinte Banisadr, dass physisches Kapital nicht als angesammelte Arbeit betrachtet werden könne.[62]
Die Wirtschaftswissenschaft ist nach Banisadr die Wissenschaft vom Kampf gegen die Knappheit. Die Knappheit, gegen die die Menschen kämpfen, sei jedoch nicht naturgegeben, da Gott von allem genug geschaffen habe. Somit sei Ökonomie die Wissenschaft des Kampfes gegen Systeme, die auf physische Gewalt gestützt seien und die Knappheit erst hervorbrächten.[21] Da der Islam physische Gewalt als ultimative Quelle des Eigentums ablehne, sei er die einzige Rettung. Nur durch das von ihm vorgeschriebene „negative Gleichgewicht“ könne man eine völlige Negierung der Idee der Vorherrschaft und damit auch das Ende wirtschaftlicher Unterdrückung erreichen.[60]
Der Islam verhindert nach Banisadr die Entstehung und das Wachstum unabhängiger Zentren angehäufter Macht, so durch religiös vorgeschriebene Systeme der Besteuerung wie Zakāt und Chums.[58] Die islamischen Regeln zur Verteilung von Erbschaften dienen ihm zufolge im Wesentlichen dazu, die Früchte der erlaubten Arbeit einer Person zu verteilen und die Entstehung eines Vermögenskomplexes durch Vererbung zu vermeiden.[63] Banisadr betont das Verbot von Ribā und geht wie viele andere islamische Autoren davon aus, dass es sich dabei um das Gleiche handelt wie um moderne Zinsen, die auf Gelddarlehen erhoben werden.[64]
Im endzeitlichen Reich des Zwölften Imams sind nach Banisadr Erzielung von Gewinn, selbst durch Handel, verboten (harām).[64] Doch bevor diese höchste utopische Gesellschaft des „Imams des Zeitalters“ erreicht wird, soll es einen anderen Imam geben, der die Menschen in der Revolution führt. Dieser Imam spielt eine zentrale und andauernde Rolle bei der Verteilung des Eigentums und führt die Gesellschaft auf den „rechten Pfad“. Er soll fast absolute Macht über die Produktionsmittel haben und den Erlös seines Vermögens zum Wohle der Allgemeinheit ausgeben.[22]
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