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(596) Scheila

Asteroid des Hauptgürtels Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

(596) Scheila
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(596) Scheila ist ein Asteroid des äußeren Hauptgürtels, der am 21. Februar 1906 vom deutschen Astronomen August Kopff an der Großherzoglichen Bergsternwarte in Heidelberg bei einer Helligkeit von 12,0 mag entdeckt wurde.

Schnelle Fakten Asteroid ...

Der Asteroid ist benannt zu Ehren einer Bekannten des Entdeckers, einer englischen Studentin in Heidelberg.

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Wissenschaftliche Auswertung

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Mit Daten radiometrischer Beobachtungen im Infraroten am Kitt-Peak-Nationalobservatorium in Arizona vom März 1976 wurden für (596) Scheila erstmals Werte für den Durchmesser und die Albedo von 134 km und 0,02 bestimmt.[1][2] Aus Ergebnissen der IRAS Minor Planet Survey (IMPS) wurden 1992 Angaben zu Durchmesser und Albedo für zahlreiche Asteroiden abgeleitet, darunter auch (596) Scheila, für die damals Werte von 113,3 km bzw. 0,04 erhalten wurden.[3] Eine Auswertung von Beobachtungen durch das Projekt NEOWISE im nahen Infrarot führte 2011 zu vorläufigen Werten für den Durchmesser und die Albedo im sichtbaren Bereich von 114,1 km bzw. 0,04.[4] Nachdem die Werte nach neuen Messungen mit NEOWISE 2012 auf 159,7 km bzw. 0,02 geändert worden waren,[5] wurden sie 2014 auf 110,4 km bzw. 0,04 korrigiert.[6] Nach der Reaktivierung von NEOWISE im Jahr 2013 und Registrierung neuer Daten wurden die Werte 2015 zunächst mit 132,0 km bzw. 0,04 angegeben[7] und dann 2016 korrigiert zu 138,9 oder 142,0 km bzw. 0,03, diese Angaben beinhalten aber alle hohe Unsicherheiten.[8]

Photometrische Messungen des Asteroiden fanden erstmals statt vom 10. bis 24. Januar 2006 am Palmer Divide Observatory in Colorado. Nach der während sechs Nächten aufgezeichneten Lichtkurve mit geringer Amplitude wurde eine wahrscheinliche Rotationsperiode von 15,848 h angenommen.[9] Eine Revision der Daten in Verbindung mit einer weiteren Beobachtung vom 16. Dezember 2005 führte 2011 zur Bestimmung einer verbesserten Periode von 15,877 h.[10] Aus photometrischen Messungen vom 8. März bis 2. Juni 2012 während 14 Nächten an der Außenstelle Tschuhujiw des Charkiw-Observatoriums in der Ukraine und am Krim-Observatorium in Simejis wurde eine Rotationsperiode von 15,8594 h abgeleitet.[11]

Die Auswertung von archivierten Lichtkurven des United States Naval Observatory (USNO) in Arizona und der Catalina Sky Survey in Verbindung mit der Beobachtung aus 2005/06 führte in einer Untersuchung von 2016 erstmals zur Erstellung eines dreidimensionalen Gestaltmodells des Asteroiden für zwei alternative Rotationsachsen mit retrograder Rotation und einer Periode von 15,8666 h.[12]

Neue photometrische Beobachtungen von (596) Scheila erfolgten dann wieder vom 1. bis 13. Juni 2017 an der Palmer Divide Station des Center for Solar System Studies (CS3) in Colorado, bei denen für die Rotationsperiode ein Wert von 15,793 h abgeleitet wurde,[13] sowie am 2. und 3. Juni 2017 und vom 9. bis 20. November 2019 mit den ferngesteuerten Teleskopen TRAPPIST-North am Oukaïmeden-Observatorium in Marokko und TRAPPIST-South am La-Silla-Observatorium in Chile. Aus den Lichtkurven wurden dabei Rotationsperioden von 15,81 bzw. 15,8569 h bestimmt.[14]

Aus astrometrischen und photometrischen Beobachtungen des Asteroiden vom 16. Juni bis 1. August 2017 am Sanglokh International Astronomical Observatory des Instituts für Astrophysik der Nationalen Akademie der Wissenschaften von Tadschikistan war in einer Untersuchung von 2018 ein mittlerer Durchmesser von 119 ± 2 km und eine Rotationsperiode von 16,1 ± 0,2 h abgeschätzt worden.[15]

Mit dem Weltraumteleskop Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) konnten während dessen Durchmusterung des Südhimmels 2018 bis 2019 auch Objekte des Sonnensystems beobachtet werden. Dabei wurden auch die Lichtkurven von fast 10.000 Asteroiden aufgezeichnet. Für (596) Scheila wurde aus Messungen etwa vom 20. September bis 10. Oktober 2018 eine Rotationsperiode von 15,8551 h erhalten.[16] Im Jahr 2021 wurde aus archivierten Daten und photometrischen Messungen von Gaia DR2 erneut ein dreidimensionales Gestaltmodell des Asteroiden für eine Rotationsachse mit retrograder Rotation und einer Periode von 15,86631 h berechnet.[17]

Zwischen 2012 und 2018 wurden mit der All-Sky Automated Survey for Supernovae (ASAS-SN) auch photometrische Daten von 20.000 Asteroiden aufgezeichnet. Auf mehr als 5000 davon konnte erfolgreich die Methode der konvexen Inversion angewendet werden, darunter auch (596) Scheila, für die in einer Untersuchung von 2021 ein verbessertes dreidimensionales Gestaltmodell für zwei alternative Rotationsachsen mit retrograder Rotation und einer Periode von 15,8605 h berechnet wurde.[18] Aus archivierten Daten des Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System (ATLAS) aus dem Zeitraum 2015 bis 2018 konnte in einer Untersuchung von 2022 mit der Methode der konvexen Inversion eine Rotationsperiode von 15,861 h bestimmt werden.[19]

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Impaktereignis vom Dezember 2010

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Aufnahmen, die am 11. Dezember 2010 durch die Catalina Sky Survey von (596) Scheila gemacht wurden, zeigten den Asteroiden in einem scheinbaren Staubausbruch mit kometenähnlicher Erscheinung. Viele andere Beobachter konnten diese Erscheinung bestätigen und bemerkten sogar eine spiralförmige Struktur, die von dem Asteroiden ausging, und an die Ausbrüche des Kometen 29P/Schwassmann-Wachmann 1 erinnerte. Bei einem Vergleich mit zuvor aufgenommenen Catalina-Bildern konnte festgestellt werden, dass das Objekt bis Mitte November noch punktförmig erschien und keine Auffälligkeiten zeigte, dass es jedoch bereits am 3. Dezember eine gewisse Diffusität und erhöhte Helligkeit aufwies.[20]

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Aufnahme von (596) Scheila vom 12. Dezember 2010, der Asteroid erscheint kometenähnlich

Erste Auswertungen von photometrischen Messungen des Asteroiden vom 12. Dezember 2010 mit dem UH-2,2-m-Teleskop am Mauna-Kea-Observatorium auf Hawaiʻi sowie spektroskopischen Beobachtungen am 17. Dezember mit dem Teleskop I des Keck-Observatoriums, ebenfalls auf Hawaiʻi, führten in Verbindung mit dynamischen Analysen zur Schlussfolgerung, dass es sich bei (596) Scheila nicht um einen bisher unerkannten Hauptgürtelkometen (MBC) handelt, wie z. B. (7968) Elst-Pizarro, sondern am wahrscheinlichsten um einen aufgesprengten Asteroiden.[21] Weitere Beobachtungen vom 13. Dezember 2010 bis 25. Januar 2011 am Centro Astronomico Hispano-Alemán (CAHA) und am Observatorio de Sierra Nevada, beide in Spanien, am Observatorio del Teide auf Teneriffa, mit dem William-Herschel-Teleskop (WHT) am Roque-de-los-Muchachos-Observatorium auf La Palma sowie am New Mexico Skies Observatory (NMSO) führten zu Modellrechnungen, aus denen das Datum des Impakts auf den 27. November ± 3 Tage abgeschätzt wurde, die Größe des Impaktors auf einen Durchmesser von 60–180 m und die ausgehobene Masse auf 20 Mio. t (wovon aber nur ein kleiner Teil in den Weltraum entwich und der Rest auf den Asteroiden zurückfiel).[22]

Kurz nach den ersten Meldungen über das Ereignis erfolgten auch Aufnahmen mit der Wide Field Camera 3 (WFC3) des Hubble-Weltraumteleskops (HST) am 27. Dezember 2010 (siehe Bild in der Infobox) und am 4. Januar 2011. Der Kern des Asteroiden erschien dabei punktförmig und gleich hell wie vor dem Ausbruch ohne sekundäre Fragmente mit einem Durchmesser von ≥100 m. Die Masse an mikrometer-großen Partikel der Staubkoma wurde auf etwa 40.000 t geschätzt, sie entfernten sich in Sonnenrichtung bis auf 20.000 km vom Asteroiden, bevor sie durch den Strahlungsdruck der Sonne in einen Schweif abgelenkt und aus der Umgebung des Kerns herausgefegt wurden. Die Koma verblasste dadurch zwischen den beiden Beobachtungen um etwa 30 %. Der Staubausbruch ließ sich weder auf eine Rotationsinstabilität des Kerns noch auf die elektrostatische Abstoßung von durch Sonnenlicht aufgeladenem Regolith zurückführen. Der Staubausstoß könnte zwar auch durch die plötzliche, aber unerklärliche Freilegung und darauf folgende Sublimation von zuvor vergrabenem Eis verursacht worden sein, als naheliegendste Erklärung wurde jedoch der Einschlag eines Körpers mit einem Durchmesser von etwa 35 m und einer Relativgeschwindigkeit von etwa 5 km/s angenommen. Auf (596) Scheila wäre es dadurch weder zu katastrophalen Veränderungen der Oberfläche noch zu einer erheblichen Fragmentierung gekommen, aber ein etwa 400 m großer Krater entstanden.[23]

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Aufnahme von (596) Scheila und der umgebenden Staubwolke vom 15. Dezember 2010 durch Swift

Zu ähnlichen Ergebnissen führten auch Beobachtungen am 14. und 15. Dezember 2010 mit dem Ultraviolet/optical Telescope (UVOT) an Bord des Satelliten Swift im sichtbaren und ultravioletten Bereich. Auch hier deuteten die Messungen darauf hin, dass der Ausbruch die Helligkeit des Asteroiden nicht dauerhaft erhöht hat. Es konnte keines der hypervolatilen Gase nachgewiesen werden, die typischerweise bei Kometenausbrüchen beobachtet werden (CO+, CO2+), oder sonstige mit dem Staub ausgestoßene flüchtige Stoffe (OH, NH, CN, C2, C3). Die Auswurfmenge von mikrometer-großen Staubpartikeln wurde sogar auf 600.000 t geschätzt. Aus den Beobachtungen wurde geschlussfolgert, dass (596) Scheila höchstwahrscheinlich von einem anderen Asteroiden des Hauptgürtels von 10–100 m Durchmesser getroffen wurde. Statistisch könnte dies einmal in 1000 Jahren geschehen.[24]

Auch mit erdgebundenen Teleskopen wurden mehrfach Beobachtungen von (596) Scheila vom 12. Dezember 2010 bis 2. März 2011 durchgeführt, wie dem Ishigakijima Astronomical Observatory (IAO) in Japan, dem UH-2,2-m-Teleskop sowie dem Subaru-Teleskop am Mauna-Kea-Observatorium auf Hawaiʻi. Außerdem wurde eine Lichtkurve des Asteroiden vom 12. Dezember 2010 bis 28. Januar 2011 während neun Nächten am Hamanowa Astronomical Observatory in Japan aufgezeichnet. Ab Februar 2011 konnte dabei ein schwacher linearer Schweif entdeckt werden, der einen Hinweis auf das Datum der Staubausstoßung lieferte. Es zeigte sich, dass Staubpartikel zwischen (0,1–1) μm und 100 μm Größe am Dezember 3,5 ± 1,0 impulsartig in den interplanetaren Raum geschleudert wurden. Die Auswurfmasse wurde auf 150.000–490.000 t geschätzt, was darauf hindeutete, dass die äquivalente Masse eines Kraters mit 500–800 m Durchmesser durch das Ereignis ausgehoben wurde. Auch die Form der Lichtkurve mit einer abgeleiteten Periode von 15,8480 h änderte sich nach dem Einschlagsereignis, wahrscheinlich weil frisches Material um die Einschlagsstelle herum freigelegt und deponiert wurde.[25] Aus einem Vergleich der ungewöhnlich gestalteten dreischweifigen Staubwolke um (596) Scheila vom 12. Dezember 2010 mit realen Laborexperimenten mit Hochgeschwindigkeits-Einschlägen konnte ein Modell konstruiert werden, das die besondere Form der Staubwolke durch eine aufprallbedingte Auswurffahne, bestehend aus einem Einschlagkegel und einer nach unten gerichteten Fahne reproduziert. Unter der Annahme eines Aufprallwinkels von 45° ließ das Modell darauf schließen, dass ein dekametergroßer Asteroid am 3. Dezember 2010 aus einer wohldefinierten Richtung mit (596) Scheila kollidierte. Die maximale Auswurfgeschwindigkeit der Staubpartikel überstieg 100 m/s. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die Oberfläche des Asteroiden aus Materialien mit geringer Zugfestigkeit besteht.[26]

Eine Untersuchung von 2016 wertete photometrische Beobachtungen vom 15. Dezember 2010 bis 22. Mai 2011 während 18 Nächten am Observatorium Skalnaté Pleso in der Slowakei aus. Sie zeigten prinzipiell ähnliche Lichtkurven im Vergleich mit den Daten aus 2006 (siehe oben) und keine signifikante Änderung der Rotationsperiode. Für den Durchmesser des Asteroiden wurden mit zwei verschiedenen Methoden Werte von 101,2 oder 102,4 km mit einer Unsicherheit von ±6 km abgeleitet. Aus der morphologischen Entwicklung der Staubwolke (von der nach dem 9. Januar 2011 nichts mehr festzustellen war) und Annahmen zu den Eigenschaften von deren Partikeln wurde auf eine Masse des ausgestoßenem Materials von 25–34.000 t geschlossen. Es wurden auch Überlegungen zur möglichen Herkunft des Impaktors angestellt.[27] Ein weiterer Vergleich photometrischer Daten zeigte, dass etwa ein Drittel der Lichtkurve von (596) Scheila durch den Einschlag deutlich verändert wurde. Angesichts des Größenunterschieds zwischen Impaktor und getroffenem Objekt kann dies nur als Veränderung der Oberflächeneigenschaften interpretiert werden. In Verbindung mit plausiblen Albedo-Erhöhungen deutet der Unterschied zwischen der Lichtkurve vor und nach dem Einschlag darauf hin, dass ein großes Gebiet mit einem Radius von 3,5–10 km vom Einschlag betroffen war. Diese große Fläche wäre mit einer dünnen Staubschicht von 2 mm bis 2 cm Dicke bedeckt worden. Diese Schicht könnte mit hellem Impaktmaterial vermischt sein und würde ausreichen, um die beobachtete Helligkeitsänderung zu erklären.[28]

Bei einem Einschlag wie auf (596) Scheila stammt das durch den kollidierenden Körper ausgestoßene Material wahrscheinlich hauptsächlich aus dem frischen, unverwitterten Untergrund. Daher ist anzunehmen, dass die Oberfläche des Asteroiden durch den Einschlag teilweise oder vollständig erneuert wurde. In einer Untersuchung von 2022 zeigte ein Vergleich von archivierten spektroskopischen Daten vor dem Einschlag mit neueren Beobachtungen, dass das Einschlagsereignis von 2010 zu einer signifikanten Änderung des Spektrums im nahen Infrarot führte und zu einer Änderung des taxonomischen Typs von mäßig rot (Typ T) vor dem Einschlag zu rot (Typ D) nach dem Einschlag. Dies lieferte den Beweis, dass rote kohlenstoffhaltige Asteroiden aufgrund von Weltraumverwitterung mit der Zeit weniger rot werden.[29]

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Siehe auch

Commons: (596) Scheila – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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