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künstlerisches Thema/Motiv Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Mit Waldeinsamkeit, einem Aspekt des Motivs der Einsamkeit, wird ein religiöses asketisches Ideal umschrieben, das Bestandteil im asiatischen Mönchtum ist und ebenso bis ins mittelalterliche Mönchtum des Abendlands verbreitet war. Der Begriff erfuhr in der Romantik eine eigene Akzentuierung als literarisches Motiv.
In der asketischen Tradition des Hinduismus spielt die durch den Vānaprastha („Waldmönch“) freiwillig aufgesuchte Waldeinsamkeit eine maßgebliche Rolle, ebenso wie im Buddhismus[1][2] bis in dessen Gegenwart heute etwa in Thailand als Tudong in der buddhistischen Waldtradition oder auch im Westen[3].
Im europäischen christlichen Mönchtum suchten bis ins späte Mittelalter Einsiedler und Eremiten ihre Zuflucht in die Abgeschiedenheit im Wald einerseits vor dem Treiben in der Stadt (siehe Lebensformen des Mönchtums), andererseits vor verweltlichenden Tendenzen im Kloster (wie die Vallombrosaner), wo sie durch das Volk vielfach hohe Wertschätzung erfuhren.[4] Beispiele für Eremiten, deren ehemalige Waldklausen bis heute beliebte Wallfahrtsorte sind:
In Wolfram von Eschenbachs Versepos Parzival verkörpert die Figur des Trevrizent das Ideal des in der Waldeinsamkeit lebenden Asketen. Das Bild vom Einsiedel im Wald wird 1668 in Grimmelshausens Der abenteuerliche Simplicissimus[5] aufgegriffen und in der Barockdichtung zum literarischen Sujet.
In der deutschen Romantik wird die Waldeinsamkeit zu einem Schlüsselbegriff. Der Wald wird als idyllisches und ewiges Ideal mit der Einsamkeit des introvertierten romantischen Dichtertypus verknüpft.[6] In der romantischen Bewegung tauchte der Begriff erstmals 1796 im Kunstmärchen Der blonde Eckbert von Ludwig Tieck auf, der den Begriff als Symbol für die heile Welt im inneren und äußeren Erleben der Protagonistin Bertha verwendet. In Form des Gedichts wird der Ausdruck von einem Vogel eingeführt, wobei sich der Inhalt des Gedichts mit der Verstrickung Berthas in Untaten verändert.
Joseph von Eichendorff verwendet den Begriff zur Verklärung des Waldes als zeitlose Idylle, die dem vergänglichen Menschsein gegenübersteht. Im gesamten literarischen Werk dieses Dichters nimmt das Motiv eine entscheidende Stellung ein. Neben einem Gedicht mit dem Titel Waldeinsamkeit im Zyklus Der Umkehrende tritt das Motiv in vielen berühmten Gedichten wie Abschied vom Walde, In der Fremde oder Komm, Trost der Welt auf. Nicht minder bedeutend ist es in seinen Prosawerken, wie etwa in der Erzählung Das Schloß Dürande.
Ebenso existieren Gedichte von Heinrich Heine, Adolf von Tschabuschnig und Heinrich Leuthold mit diesem Titel. Ein Spätwerk Joseph Viktor von Scheffels aus dem Jahre 1884 ist der zwölfteilige Gedichtzyklus Waldeinsamkeit. Bei Emanuel Geibel wird der Begriff im Gedicht Im Walde verwendet, bei Justinus Kerner im von Todessehnsucht geprägten Gedicht Letzte Bitte.
Das Motiv tritt, ohne namentlich genannt zu werden, in zahlreichen Werken der Romantik auf, da der Wald und der einsame Dichter als Schlüsselmotive der Epoche betrachtet werden können. Beispiele wären der Roman Heinrich von Ofterdingen von Novalis, das Kunstmärchen Der Runenberg von Ludwig Tieck, die Erzählung Waldgesicht von Ernst von Wildenbruch oder die Gedichte August von Platens, Ludwig Uhlands oder Nikolaus Lenaus.
Auch in vielen Volksmärchen, die von Romantikern wie den Gebrüdern Grimm oder Ludwig Bechstein gesammelt wurden, ist das Motiv zentral, wobei hier der Wald seltener als Rückzugsort, öfter jedoch als Ort der natürlichen oder übernatürlichen Gefahren gilt, welche die Protoganisten zu überwinden haben. Bekannte Beispiele wären Rotkäppchen, Schneewittchen und die sieben Zwerge, Jorinde und Joringel, Hänsel und Gretel oder Schneeweisschen und Rosenrot. Der Drehbuchautor und Literaturtheoretiker John Yorke, der in Anlehnung an Joseph Campbell die Heldenreise als zentrales Element fast jeder Geschichte betrachtet, gab seiner Studie zu diesem Thema sinnigerweise den Titel Into the Woods.
Der Begriff fand als unübersetzter Germanismus Eingang in die amerikanische Literatur wie in Ralph Waldo Emersons (1803–1882) Poem Waldeinsamkeit (1858). Sein Freund Henry David Thoreau, wie er ein Transzendentalist schrieb 1854 das Buch Walden. Life in the Woods, in dem er von seinem Experiment berichtet, zurückgezogen in einer selbst erbauten Blockhütte im Wald zu leben.
Rudyard Kiplings Erzählungen im Jungle Book von 1894/95 handeln vom Waisenkind Mowgli, das allein im indischen Regenwald lebt, aufgezogen von Wölfen.
In der Fantasy-Literatur findet sich das Motiv etwa bei J. R. R. Tolkien in einigen typischen Figuren: Das einsam im Alten Wald lebende Paar Tom Bombadil und Goldbeere, der am Rand des Grünwaldes lebende Gestaltwandler Beorn, der ebenfalls im Grünwald beheimatete Zauberer Radagast der Braune, oder im weiteren Sinne auch die vereinsamten baumgestaltigen Waldhirten der Ents zeigen verschiedene Varietäten des Waldeinsamkeits-Motivs.
In Marlen Haushofers Roman Die Wand von 1963, wird die Protagonistin durch eine unsichtbare Wand in einem Waldgebiet eingesperrt und muss lernen, sich alleine im Wald durchzuschlagen.
Sehr früh lässt sich das Motiv der Waldeinsamkeit beim Renaissance-Maler Gillis van Coninxloo ausmachen. In der Malerei vor der Romantik (etwa im Barock, im Rokoko und im Klassizismus) dominierten aber Landschaftsgemälde mit größeren Figurengruppen als Staffage, die meist eher als Reisende oder Ausflügler zu erkennen sind.
Auch in der Malerei wurde in der Romantik der Wald als Raum der gewünschten oder erzwungenen Einsamkeit verstanden. Das Motiv der Waldeinsamkeit kommt vor allem bei Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Ernst Ferdinand Oehme, Ludwig Richter, Carl Friedrich Lessing oder auch bei Moritz von Schwind zur Geltung. Ludwig Richters Gemälde Genoveva in der Waldeinsamkeit beruht auf der unter anderem von Ludwig Tieck und Gustav Schwab bearbeiteten Sage der Genoveva von Brabant und zeigt den Wald als Sehnsuchts- und Rückzugslandschaft mit einem für die Romantik typischen religiösen Anstrich.[7]
Im Naturalismus wurde die Staffage, wie teilweise bereits in der Romantik, ganz weggelassen. Der Betrachter wird direkt in die unberührte Natur der Waldeinsamkeit hineinversetzt. Die drei Schweizer Alexandre Calame, François Diday und Robert Zünd sind Beispiele für diesen neuen Stil. Als Spezialisten für Bilder der Waldeinsamkeit galten Eduard Leonhardi und Fritz Ebel. Julius Mařáks Wald-Darstellungen boten die Grundlage für Scheffels Gedichtzyklus Waldeinsamkeit. Das Motiv stellte später der Maler und Hans Thoma dar.
In der Musik spielt das Motiv etwa in Richard Wagners Opern Siegfried und Parsifal eine Rolle. In letzterer spielen mehrere Szenen in der Waldeinsamkeit, unter anderem vor der Klause des Gurnemantz. Auch die Engelbert Humperdincks Märchenopern Hänsel und Gretel und Die Königskinder spielen zu wesentlichen Teilen in der Waldeinsamkeit.
Einige der Gedichte zu diesem Motiv wurden vertont, so etwa Leutholds Waldeinsamkeit durch Robert Cantieni.
Auch das Album Waldeinsamkeit der finnischen Blackmetal-Band Kalmankantaja behandelt das Thema. Der Isländer Svavar Knutur benannte ein 2015 veröffentlichtes Album nach von der Romantik geprägten Germanismen im englischen Sprachraum: Songs Of Weltschmerz, Waldeinsamkeit und Wanderlust.
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