Loading AI tools
Sonnenuhren aus hellenistischer Zeit Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Sonnenuhren aus Ai Khanoum sind zwei hellenistische Instrumente zur Zeitbestimmung, die sich im Nationalmuseum Kabul befinden. Sie wurden 1975 bei Ausgrabungen unter Leitung von Paul Bernard im Gymnasion der griechisch-baktrischen Stadt Ai Khanoum im Norden des heutigen Afghanistan gefunden. Den griechischen Siedlern von Ai Khanoum gab das Gymnasion die Möglichkeit, ihr gewohntes sportlich-militärisches Training wie auch ihre geistige Bildung fortzusetzen und die Hellenisierung der Region zu unterstützen.[1]
Die punktschattenwerfende Anzeigevorrichtung (in der Regel eine Gnomon-Spitze) an beiden Sonnenuhren war verlorengegangen.
Nationalmuseum Kabul: Inv. Nr. 5-33-8
Bei der Skaphe handelt es sich um einen auch sonst mehrfach bezeugten Typ der antiken Sonnenuhr. Sie besteht wie die meisten antiken Exemplare aus einem Stein (hier feinkörniger Kalkstein), aus dem ein Stück einer Hohlkugel herausgemeißelt ist. Ihre Maße sind: 37,3 cm hoch, 52 cm breit, 45,8 cm tief. Die Seitenwände sind als geschwungene Löwenbeine ausgeführt; das Objekt ähnelt einem Thronsitz. In der Hohlkugel befindet sich die Stunden- (11 Linien) und die Tagesskala (sieben Linien).[2] Der Gnomon, dessen Spitze als Schattenwerfer diente und sich im Kugelmittelpunkt befand, war wohl wie üblich horizontal eingebaut.
Diese Sonnenuhr war in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Gebrauch, also in der letzten Siedlungsphase von Ai Khanoum, kann aber älter sein.
Nationalmuseum Kabul: Inv. Nr. 4-33-81
Die zweite Sonnenuhr ist ein Unikat. Es gibt keine zweite bekannte Ausführung ihrer Art.[Anm 1] Sie stammt aus dem 2. bis 4. Jahrhundert v. Chr. und ist ein aus einer 15 cm dicken Kalksteinplatte gefertigter Quader mit 45 cm Höhe und 35 cm Breite. Im oberen Teil befindet sich eine Bohrung mit 22 cm Durchmesser. Deren hohlzylindrische Fläche dient als Zifferblatt einer zylindrischen Äquatorialsonnenuhr. Es handelt sich um eine Doppeluhr mit je einer Gruppe aus 13 kurzen, von den Bohrungsenden ausgehenden Stundenlinien. Diese Gruppen gelten je für das halbe Jahr zwischen zwei Tagundnachtgleichen. Nur die beiden mittleren (siebten) Linien fluchten miteinander, bilden eine von Seite zu Seite durchgehende Linie.[3]
Bei einer am Ort mit der geographischen Breite φ aufgestellten Zylindrischen Sonnenuhr weicht die Achse ihres Zylinders um φ von der Waagerechten ab. Bei der vorliegenden Sonnenuhr wurde ihr quaderförmiger Grundkörper an der Unterseite entsprechend abgeschrägt. Der Kantenwinkel beträgt dort 53° bzw. 127°, was der geographischen Breite 37° von Ai Khanoum in etwa entspricht (90°-53° = 37° bzw. 127°-90° = 37°).
Die Linien beidseits der mittleren (zur Zylinderachse parallelen) Linie haben jeweils am Anfang 15° Abstand voneinander. Untereinander sind sie nicht parallel, sondern der gegenseitige Abstand der vorderen Linien (Sommerhalbjahr) wird gegen innen kleiner, der der hinteren (Winterhalbjahr) größer.[4] Diese 13 und auf einer Zylindersonnenuhr derart gestalteten Stundenlinien sind für die Anzeige der damals gebrauchten 12 Temporalstunden des lichten Tages erforderlich. Auf ihnen zeigt der Sonnenschatten je eines punktförmigen Schattenwerfers (Nodus) die übers Jahr verschieden langen Temporalstunden an. Die Nodi wären die mit der Vorder- und der Rückseite des Steinblocks fluchtenden beiden Spitzen eines in der Achse der Bohrung positionierten Stabes gewesen.[5][Anm 2] Die jeweils ersten und letzten Linien der beiden Liniengruppen müssen zum Horizont parallel sein, weil der Ort des Sonnenauf- und -untergangs der Horizont ist. Die vom Nodusschatten erzeugte Stundenlinie ist ein (180° verdrehtes) Bild des Horizontes. In der vorliegenden Sonnenuhr sind diese Linien aber nach hinten etwa 13,5° fallend. Deshalb muss angenommen werden, dass die Uhr nicht für Ai Khanoum angefertigt, sondern später dorthin gebracht, wobei nur die Fußfläche nachbearbeitet worden war.[6] Der dabei entstandene Anzeigefehler wurde möglicherweise nicht bemerkt. Als ursprünglich vorgesehener Aufstellort wird das Mündungsgebiet des Indus mit dem antiken Ort Pattala (φ = 23,5°) angenommen. Die griechische Besiedlung begann hier und blieb stärker als in der Umgebung.
Diese Sonnenuhr wurde als eines der herausragenden Objekte des Museums Kabul auf der Wanderausstellung „Afghanistan – Gerettete Schätze“ in verschiedenen Museen Europas und der USA gezeigt, im Sommer und im Herbst 2010 in der Bundeskunsthalle in Bonn. Dabei war ein Modell dieser Äquatorial-Sonnenuhr auf dem Dach der Bundeskunsthalle zu besichtigen.[7]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.