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Welle staatlicher Gewalt auf Kuba im Jahr 2003 Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Begriff Schwarzer Frühling (spanisch: Primavera Negra) bezeichnet die Welle staatlicher Gewalt im März und April 2003 in Kuba, bei der rund 80 gewaltlose Regimekritiker, darunter 27 Journalisten, inhaftiert und zu hohen Haftstrafen verurteilt und parallel dazu drei Männer nach kurzem Prozess hingerichtet wurden, die hauptverantwortlich waren für die unblutig gescheiterte Entführung einer Personenfähre.
75 der Gefangenen wurden im April 2003 auf Grundlage von Artikel 91 des Strafgesetzbuches oder Gesetz Nr. 88 (Ley de Protección de la Independencia Nacional y la Economía de Cuba, deutsch: „Gesetz zum Schutz der nationalen Unabhängigkeit und der Wirtschaft Kubas“)[1] zu Haftstrafen zwischen sechs und 30 Jahren verurteilt.[2]
Die drei mutmaßlichen Anführer einer elfköpfigen Gruppe, die am 2. April eine in der Bucht von Havanna verkehrende Fähre mit mehreren Dutzend Passagieren in ihre Gewalt gebracht hatten, wurden bereits am 11. April hingerichtet. Bei der Entführung hatte es nach Regierungsangaben keine Verletzten gegeben. Die Entführer wurden in einem kurzen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt, obwohl die gesetzliche Höchststrafe für Verbrechen ohne Verletzungen bei 20 Jahren lag.[3] Vier der Mittäter wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, die übrigen vier zu Freiheitsstrafen zwischen 2 und 30 Jahren.[4]
Die Angehörigen der Inhaftierten gründeten zwei Wochen nach den Verhaftungen aus Protest die Organisation Damas de Blanco (Damen in Weiß).
Im Juni 2003 erkannte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die 75 als politische Häftlinge an und begann, sich für ihre Freilassung einzusetzen.[3] Seitdem wurden die Häftlinge als „Gruppe der 75“ bekannt, zu der jedoch auch vier weitere, erst später Verurteilte gezählt werden, die im Januar 2004 ebenfalls von Amnesty International als politische Gefangene anerkannt wurden.[5]
Zahlreiche Persönlichkeiten des internationalen öffentlichen Lebens wandten sich mit Offenen Briefen an Fidel Castro, um gegen die Repressionswelle zu protestieren. Zu den international prominentesten Intellektuellen, die eine im mexikanisch-spanischen Literaturmagazin Letras Libres veröffentlichte gemeinsame Erklärung unterzeichneten, gehörten José Saramago, Günter Grass, Mario Vargas Llosa, Fernando Savater, Pedro Almodóvar, Fernando Savater und Hans Magnus Enzensberger.[6] Literaturnobelpreisträger Saramago, der zuvor ein treuer Unterstützer Castros gewesen war, erklärte in El País, die kubanische Regierung habe mit den Verhaftungen und Erschießungen „sein Vertrauen verloren, seine Hoffnungen beschädigt und seine Erwartungen betrogen.“[7] Eine Gruppe der bekanntesten linksorientierten Intellektuellen der USA um Noam Chomsky, Samuel Farber, Edward Said, Immanuel Wallerstein und Howard Zinn verband ihren Protest mit einer Kritik an der US-amerikanischen Außenpolitik, die jedoch die gegen Demokratie und freie Meinungsäußerung gerichteten Maßnahmen der kubanischen Führung nicht rechtfertigten.[8]
Der Schwarze Frühling führte zu einer deutlichen Verschlechterung der Beziehungen Kubas zu den Staaten der Europäischen Union. Die EU-Regierungen einigten sich auf eine Reduzierung diplomatischer Kontakte mit Havanna und die kubanische Regierung zog ihren Antrag auf Beitritt zum für sie wirtschaftlich vorteilhaften Cotonou-Abkommen zurück.[9]
Einer der 79 Inhaftierten, Orlando Zapata, der zu insgesamt 25 Jahren Haft verurteilt war, starb im Februar 2010 nach einem 85-tägigen Hungerstreik.[10] Dies löste eine Welle heftiger Proteste im In- und Ausland aus und führte zu verstärkten Bemühungen um die Freilassung der damals noch Inhaftierten. Zu den international am meisten beachteten Aktionen gehörte ein als Reaktion auf Zapatas Tod gestarteter Hungerstreik des Regierungskritikers und ehemaligen politischen Häftlings Guillermo Fariñas, mit dem er die kubanische Regierung zur Freilassung von 26 erkrankten politischen Gefangenen bewegen wollte und den er erst nach 135 Tagen beendete.[11]
Im Sommer 2010 erklärte sich die kubanische Regierung nach Verhandlungen mit der katholischen Kirche und der Regierung Spaniens zur schrittweisen Entlassung der damals 55 verbliebenen politischen Gefangenen der Gruppe bereit. Als Ergebnis der Vereinbarung reisten die meisten der Haftentlassenen unmittelbar nach ihrer Entlassung gemeinsam mit ihren Familien ohne Rückkehrrecht nach Spanien aus.[12] Óscar Espinosa Chepe, der eine Exilierung immer abgelehnt hatte, verstarb im September 2013. Nur ein einziger Häftling saß seine komplette Strafe im Gefängnis ab (Reinaldo Labrada Peña, 2009 entlassen), alle übrigen wurden unter Vorbehalt (licencia extrapenal) vorzeitig aus der Haft entlassen. Als letzte Häftlinge der Gruppe der 75 wurden José Daniel Ferrer und Félix Navarro am 23. März 2011 auf freien Fuß gesetzt.[13] Lediglich 12 der 79 leben derzeit noch in ihrem Heimatland (Stand: Mai 2014), darunter die prominenten Oppositionellen Martha Beatriz Roque, José Daniel Ferrer, Héctor Maseda, Ángel Moya und Elías Biscet.[14]
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