Nixdorf Computer
ehemaliges deutsches IT-Unternehmen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
ehemaliges deutsches IT-Unternehmen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Nixdorf Computer AG war ein Computerhersteller aus der ostwestfälischen Stadt Paderborn und gehörte im 20. Jahrhundert zu den bedeutenden und innovativen deutschen Computerherstellern in Europa. Es wurde 1968 als Nachfolger des Labors für Impulstechnik (LFI) in Essen von Heinz Nixdorf gegründet.
Nixdorf Computer AG | |
---|---|
Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1. Oktober 1968 |
Auflösung | 30. September 1990 |
Sitz | Paderborn |
Mitarbeiterzahl | 31.037 weltweit (1988) |
Umsatz | 5,347 Mrd. DM (1988) |
Als Werkstudent beim amerikanischen Büromaschinenhersteller Remington Rand Corp. tätig, arbeitete Nixdorf an der Entwicklung einfacher Zählgeräte, sogenannten Multiplikations- und Saldierwerken, mit. Die Weiterentwicklung des Rechnerprojektes wurde jedoch nach einigen Monaten von der Unternehmensleitung gestoppt – der Marktwert der Rechenmaschinen wurde nicht erkannt – woraufhin Nixdorf, der das Marktpotential erkannte, sein Konzept eines Elektronenrechners auf Rundfunkröhrenbasis mehreren Großunternehmen vorstellte. Bei den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken (RWE) stieß Nixdorf auf Interesse und Vertrauen, sodass er mit einem Entwicklungsauftrag in Höhe von 30.000 DM ausgestattet wurde und am 1. Juli 1952 das Labor für Impulstechnik gründete. Noch 1952 konnte der erste Elektronenrechner auf Rundfunkröhrenbasis für die Buchhaltung der RWE ausgeliefert und im folgenden Jahr die Weiterentwicklung betrieben werden. Die Innovations- und Expansionsphase des jungen Unternehmens verlief in großen Schritten, sodass das LFI sich vom Produzenten von Rechenmaschinen für die RWE AG in den 1950er Jahren schnell zum Zulieferer elektronischer Rechenwerke für bedeutende Büromaschinenhersteller wie die Exacta Büromaschinen GmbH – ab 1963 Wanderer-Werke – in Köln und die Compagnie des Machines Bull in Paris entwickelte. So war das Unternehmen 1954 gezwungen, aus den zu Anfang von der RWE zur Verfügung gestellten Arbeitsräumen aufgrund von Platzmangel auszuziehen und neue Räumlichkeiten anzumieten. Stetig wurden neue Elektronenrechner entwickelt, wie der elektronisch multiplizierende Buchungsautomat Multitronic 6000 oder der 1963 vorgestellte Wanderer Conti, welcher einst der weltweit erste Tischrechner mit eingebautem Drucker war. 1965 folgte die von Wanderer vertriebene Logatronic, den das LFI 1967 zum Nixdorf-Universalcomputer 820 weiterentwickelte. Die rasche Expansion des Unternehmens brachte es mit sich, dass bereits 1957 erste Räume in Nixdorfs Geburtsstadt Paderborn angemietet wurden. Ein Jahr später zog Nixdorf mit dem gesamten Unternehmen von Essen nach Paderborn um und das erste Werksgebäude wurde 1961 an der Pontanusstraße errichtet, in dem heute das Technische Rathaus der Stadt Paderborn untergebracht ist. 1967 sah Nixdorf die Möglichkeit, nicht mehr nur als Zulieferer zu fungieren, sondern den Vertrieb der Produkte selbst in die Hand zu nehmen. So wurden erste Geschäftsstellen gegründet und das LFI zeigte durch die Errichtung eines zweiten Betriebswerkes in Berlin Präsenz. Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geriet das Unternehmen 1968 mit dem Kauf und der Übernahme des größten Kunden, den Wanderer-Werken in Köln.
Mit dem Erwerb der Wanderer-Aktien und somit den Wanderer-Werken – der Kaufpreis betrug 17,2 Millionen DM, was 2024 kaufkraftbereinigt etwa 38,2 Millionen Euro entspräche – besaß Nixdorf nicht mehr nur leistungsfähige Entwicklungs- und Produktionsabteilungen, sondern er verfügte zugleich auch über eine eigene Vertriebsstruktur. Mit der Aktienübernahme bei Wanderer durch Nixdorf im April 1968 erfolgte zum 1. Oktober desselben Jahres der Zusammenschluss zwischen den ehemaligen Wanderer-Werken und dem Labor für Impulstechnik zur Nixdorf Computer AG (NCAG) mit Sitz in Paderborn. Der sich schnell einstellende Erfolg der NCAG basierte auf der Erschließung eines neuen Computermarktes: der Mittleren Datentechnik beziehungsweise der dezentralen elektronischen Datenverarbeitung. Massenhersteller wie IBM setzten weiterhin auf Großrechner und zentralisierte Datenverarbeitung, wobei Großrechner für kleine und mittlere Unternehmen zu teuer waren und die Großhersteller diesen Markt nicht bedienen konnten. Nixdorf stieß in diese Marktnische mit dem modular aufgebauten Nixdorf 820 vor, brachte dadurch den Computer direkt an den Arbeitsplatz und ermöglichte kleineren und mittleren Betrieben die Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung zu einem erschwinglichen Preis.
In der Folgezeit konnten auch Großunternehmen als Kunden gewonnen werden, die das Nixdorf-System aus Kostengründen in ihren Auslandsdependancen verwandten. Die Hard- und Softwarepakete wurden individuell auf den Kunden zugeschnitten, wobei Schulungen die Kunden im Umgang mit der dezentralen EDV vertraut machten. Wesentliche Mitbewerber im Bereich der Mittleren Datentechnik waren Kienzle Apparate, Triumph-Adler, Olivetti, Philips, NCR und Dietz Computer. Noch 1968 fanden mit einem 100-Millionen-Mark-Auftrag (2024 circa 222 Millionen Euro) des amerikanischen Büromaschinenherstellers Victor Comptometer, der 1972 übernommen wurde, Computer aus Paderborn den Weg nach Übersee. Neben dem steten innerdeutschen Ausbau des Vertriebsnetzes fasste die NCAG später auch Fuß in den USA und Japan.
In den 1970er Jahren stieg die NCAG zum Marktführer in der Mittleren Datentechnik in Deutschland auf und entwickelte sich zum viertgrößten Computerhersteller in Europa mit Fertigungsstätten in Deutschland, Irland, Spanien, USA und Singapur. 1972 war der westfälische Computerhersteller in 22 Ländern weltweit vertreten. Die weltweite Expansion führte am Unternehmenssitz zu regen Bautätigkeiten: In den Paderauen – heute Heinz-Nixdorf-Aue – wurde 1971 die neue Hauptverwaltung an der Fürstenallee bezogen. Heute beherbergt das Gebäude das Heinz Nixdorf MuseumsForum und das Heinz-Nixdorf-Institut der Universität Paderborn. Am ehemals Unteren Frankfurter Weg – heute Heinz-Nixdorf-Ring – entstanden neue Fertigungsstätten, die mit dem Deutschen Architekturpreis für Industriebauten ausgezeichnet wurden.
Ab 1975 brachte die NCAG eine dringend erforderliche neue Generation der Datenerfassungs- und Datenverarbeitungssysteme heraus: die 88xx-Reihe. Das alte 820-System hatte sich endgültig überlebt. Neben dem Datenverarbeitungssektor hatte die NCAG seit 1971 kontinuierlich weitere Marktsegmente erschlossen. Das eine Segment betraf elektronische Kassensysteme und Bankenterminals. In Schweden konnte das zu der Zeit größte Datenverarbeitungsnetz mit Bankenterminals aus dem Hause Nixdorf realisiert werden. Das andere Segment war der Bereich der Datenerfassungssysteme, wobei eine Datenspeicherung auf elektromagnetischen Bändern erfolgte und nicht mehr wie zuvor auf Lochkarten. Die Anlage bescherte Mitte der 1970er Jahre die nötigen Erfolge, als sich das Unternehmen in einer durchaus wirtschaftlich kritischen Lage befand. Ein adäquates Nachfolgemodell der Nixdorf 820 fehlte zunächst, denn in Zeiten der stetigen Expansion und des wirtschaftlichen Erfolgs wurde die Produktentwicklung schlichtweg vernachlässigt.
Mit der Einführung des 88xx-Systems fand die Erfolgsgeschichte der NCAG eine Fortsetzung und ein Jahr nach dem 25-jährigen Betriebsjubiläum – im Jahr 1978 – überstieg der Gesamtumsatz erstmals die Milliarden-Mark-Grenze, was 2024 etwa 1,4 Milliarden Euro entspräche. Weltweit beschäftigte die NCAG zu dem Zeitpunkt über 10.000 Mitarbeiter.
Um die Lehrlinge der NCAG adäquat am Computer auszubilden, richtete Nixdorf 1969 eine werkseigene Berufsschule ein, aus deren Trägerverein 1972 das Bildungszentrum für informationsverarbeitende Berufe (b.i.b.) hervorging. Des Weiteren war nach einer Direktive von Nixdorf Sportunterricht für die Auszubildenden Pflicht. Als Ansprechpartner im Bereich Sport stand Kurt Bendlin, Gewinner der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Mexiko-Stadt 1968, zur Verfügung. Um der Belegschaft Möglichkeiten zum Sporttreiben zu geben, errichtete Nixdorf 1984 den Ahorn-Sportpark auf dem Betriebsgelände der NCAG. Der Sportpark stand auch der Paderborner Bürgerschaft zur Verfügung und kann bis heute kostenlos genutzt werden.
Um Angestellte aller Hierarchie-Ebenen an das wachsende Unternehmen anzupassen, wurde ab Ende der 1970er-Jahre das einwöchige Nixdorf-Auftakt-Programm (NAP) durchgeführt. Diese vierteljährlich stattfindenden Auftaktveranstaltungen an wechselnden Tagungsorten – meist jedoch im Tagungshotel Sauerland Stern Hotel in Willingen – bestand eingangs aus einer Besichtigung der Verwaltung und der Fabrikation in Paderborn und wurde dann am Tagungsort mit Fachreferaten aus einzelnen Unternehmensbereichen fortgesetzt. In Arbeitsgruppen mussten die neuen Angestellten in den anschließenden Tagen an verschiedenen Problemlösungen arbeiten. Primäre Ziele des NAP waren die Netzwerkbildung der Mitarbeiter untereinander, die Identifikation und Integration neuer Mitarbeiter sowie die Wissensvermittlung in einer lebendigen und praxisnahen Form, um so eine bestmögliche und auch langfristige Wertschöpfung für das Unternehmen zu erzielen.
Das rasante Wachstum erforderte die Akquirierung neuer Geldmittel. 1978 lehnte Nixdorf ein Angebot der Volkswagen AG ab, die sich mehrheitlich an der NCAG beteiligen wollte. Die Zusage erhielt dagegen die Deutsche Bank, die für eine Beteiligung in Höhe von 25 Prozent 200 Millionen DM zahlte. Dies entspräche 2024 circa 282 Millionen Euro. Weiteres Kapital, rund 300 Millionen DM oder heute 326 Millionen Euro, konnte 1984 mit dem Gang an die Düsseldorfer Börse gewonnen werden und ein Jahr später erbrachte die Emission von Bezugsrechten weitere 700 Millionen DM entsprechend 746 Millionen Euro. Im In- und im Ausland wurden Mitte der 1980er Jahre die Produktionskapazitäten ständig erweitert.
1984 schloss sich Nixdorf mit anderen europäischen Firmen zur BISON-Gruppe (Bull, ICL, Siemens, Olivetti, Nixdorf) zusammen und wollte einen einheitlichen europäischen Standard unter dem Label X/Open entwickeln, scheiterte jedoch an der Kompatibilität. Auch der Versuch, mit dem System Targon auf offene Unix-Systeme umzusteigen, misslang.[1]
1985 stieg der Umsatz auf fast vier Milliarden DM, der Gewinn belief sich auf 172 Millionen DM. Dies entspräche 2024 rund 4,3 Milliarden beziehungsweise 183 Millionen Euro. Beschäftigt waren zu diesem Zeitpunkt 23.300 Mitarbeiter in 44 Ländern. Das Folgejahr wurde durch den Tod des Unternehmensgründers überschattet. Am 17. März 1986 erlag Nixdorf den Folgen eines Herzinfarktes auf der Computermesse CeBIT in Hannover.
Die Nachfolge von Nixdorf trat im April 1986 Klaus Luft an, der im ersten Jahr nach dem Tod von Nixdorf nochmals Rekorde vermelden konnte. Der Umsatz stieg auf über 5 Milliarden DM, und das Unternehmen beschäftigte weltweit über 30.000 Mitarbeiter. Bei der Gründung des DAX im Jahr 1988 gehörte die Nixdorf Computer AG zu den dort gelisteten Unternehmen. Jedoch konnte sie dem grundlegenden Wandel in der Computer- und Elektronikbranche nicht folgen. Wichtige Markttrends wie der Siegeszug der Personal Computer wurden verpasst, und ein rascher Preisverfall kennzeichnete den mittlerweile hart umkämpften Massenmarkt der Mittleren Datentechnik. Darüber hinaus geriet das Unternehmen durch den plötzlichen Tod Nixdorfs in eine Nachfolgekrise. Seitens des Managements wurde massiv investiert, obwohl auf der Einnahmeseite keine entsprechenden Mittel vorhanden waren. Ende des Jahres 1989 musste der Vorstandsvorsitzende Klaus Luft nach dreieinhalb Jahren seine Position auf Druck des Aufsichtsrats mit sofortiger Wirkung räumen und wurde durch Horst Nasko ersetzt. Die Eigentümer sahen sich aufgrund der riesigen Verluste im operativen Geschäft gezwungen, das Unternehmen zu veräußern.
Am 1. Oktober 1990 übernahm Siemens die Mehrheit der Nixdorf-Stammaktien und führte zunächst die Nixdorf Computer AG mit dem Bereich der Daten- und Informationstechnik der Siemens AG zur Siemens Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) zusammen. 1992 erreichte Siemens einen Anteilsbesitz von 100 % an der SNI nach Squeeze-out und gliederte diese in die Siemens AG ein. Nach einer schmerzhaften Gesundschrumpfung mit dem Verlust mehrerer Tausend Arbeitsplätze in Paderborn in den frühen 1990er Jahren konnte sich SNI etwa ab Mitte des Jahrzehnts als größter europäischer Computerkonzern etablieren. 1995 wurde das Dienstleistungs- und Lösungsgeschäft in den Bereichen Informationstechnologie und Telekommunikation aus dem Unternehmen SNI herausgelöst und zusammen mit Teilen der Siemens AG in die Siemens Business Services GmbH und Co OHG (SBS), damals mit Sitz in Paderborn und München überführt. Am 1. Oktober 1998 wurde die SNI als Aktiengesellschaft aufgelöst und vollständig in die Siemens AG integriert, wobei weitere Teile zur SBS wanderten. Der Name Siemens Nixdorf lebte noch ein Jahr in Form der Siemens Nixdorf Banking and Retail Systems GmbH weiter.
Am 1. Oktober 1999 wurden die handels- und bankenspezifischen Aktivitäten der SNI aus dem Siemens-Konzern aufgrund einer Portfoliobereinigung herausgelöst und von den Kapitalbeteiligungsgesellschaften Kohlberg Kravis Roberts und Goldman Sachs Capital Partners übernommen. Dabei wurde der Name in Wincor Nixdorf International GmbH geändert. Seit Mitte 2004 (bis 2019) war das Unternehmen an der Frankfurter Börse notiert und trug bis 2016 den Namen Wincor Nixdorf (seither Diebold Nixdorf Holding Germany). Die Geschäftsfelder umfassen Geldautomaten, Kassensysteme und Leergutautomaten.
Aus der Computersparte der SNI und dem Tochterunternehmen Fujitsu Computers Europe des japanischen Technologiekonzerns Fujitsu wurde 1999 das Joint Venture Fujitsu Siemens Holding gegründet. Unter dem Markennamen Fujitsu Siemens Computers wurden Computersysteme vertrieben. Siemens verkaufte zum 1. April 2009 seine Unternehmensanteile an Fujitsu. Der an Fujitsu verkaufte Unternehmensteil heißt heute Fujitsu Technology Solutions GmbH und hat seinen Sitz weiterhin in Deutschland (München).
Bereits in den 1990er Jahren entstand durch gezieltes Outsourcing aus SNI und durch Eigeninitiative von früheren Nixdorf- und SNI-Mitarbeitern ein wachsendes Umfeld an spezialisierten IT-Zulieferern und -Anbietern, die den vor allem durch das Internet entstandenen neuen Marktverhältnissen gut entsprachen. Wichtige Beispiele sind die Orga Kartensysteme GmbH, heute Sagem Orga und die Paragon.
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.