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Tötungsdelikte an Obdachlosen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Im Juli und August 2023 ereigneten sich in Wien mindestens drei Messerattacken auf Obdachlose, bei denen mindestens zwei Personen ihren Verletzungen erlagen. Des Weiteren wurde das Skelett eines geköpften Obdachlosen in seinem Schlafsack aufgefunden. Die Mordserie fand in den deutschsprachigen Massenmedien ein breites Echo. Am 11. Dezember 2023 stellte sich ein zu diesem Zeitpunkt 17-Jähriger Jugendlicher der Polizei und gestand zwei Morde an Obdachlosen und außerdem noch eine weitere Messerattacke.[1] Er befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.[2] Ein Strafprozess gegen ihn wegen eines anderen Gewaltdeliktes läuft bereits, der Strafprozess wegen der zwei Obdachlosenmorde und der Messerattacke auf eine Unterstandslose steht noch aus.
Am 12. Juli 2023 gegen 7:40 Uhr entdeckte eine Fußgängerin am vielbefahrenen Handelskai auf der Höhe Treppelufer auf einer Parkbank den Leichnam eines Obdachlosen. Der Fundort lag in der Nähe der Floridsdorfer Brücke über die Donau im 20. Wiener Gemeindebezirk Brigittenau, der Tatort beim donauseitigen Treppelweg war etwa 350 Meter entfernt. Der 56-Jährige aus Ungarn wollte noch Hilfe holen, bekam sie aber nicht und verstarb dann an den zahlreichen Messerstichen, die ihm in der Nacht zugefügt worden waren.
Nur elf Tage später, am 23. Juli 2023, erwachte gegen 3:40 Uhr eine Obdachlose auf einer Bank in der Venediger Au, einer Parkanlage im 2. Bezirk Leopoldstadt. Sie hatte starke Schmerzen und stellte fest, dass ihr mehrmals mit einem Messer in den Oberkörper gestochen worden war. Sie lag zum Glück in der Nähe eines Abgangs zur U-Bahn-Station Praterstern. Dadurch schaffte sie es noch, Hilfe am Praterstern zu verständigen, und wurde ins Krankenhaus gebracht. Nur so überlebte sie den Übergriff.
Die dritte Tat ereignete sich am 9. August 2023, als gegen 2:00 Uhr in der Früh auf der Höhe des Hernalser Gürtels 22 am Alsergrund im 17. Bezirk Hernals ein 55-jähriger Mann ebenfalls durch Messerstiche schwer verletzt wurde. Eine Polizeistreife wurde auf den Unterstandslosen aufmerksam, weil Gaffer auffällig langsam an ihm vorbeifuhren. Auch er wurde ins Krankenhaus eingeliefert, wo er jedoch trotz zweier Operationen nach vier Tagen seinen Verletzungen erlag.
Am 26. August 2023 verständigte der Bekannte eines Obdachlosen die Polizei, weil er den Sandler in seinem gewohnten Verschlag am Wienerberg in seinem Schlafsack als Skelett aufgefunden hatte. Den abgetrennten Kopf fanden die Ermittler einige Meter entfernt vom Körper mit einem münzgroßen Loch darin.[3]
Der 2006 geborene Jugendliche stammt als jüngster von mehreren Brüdern aus zerrütteten Familienverhältnissen, welche durch die Scheidung seiner Eltern verursacht wurden. Seine Eltern hatten sich schon im für ihn sehr frühen Kindesalter scheiden lassen und leben getrennt: seine Mutter in Wien-Ottakring, sein Vater in Mistelbach an der Zaya im Weinviertel in Niederösterreich. Er versteht sich weder mit seiner Mutter noch mit seinem Vater. 2019 reichte es ihm in Wien, weil ihm die Trennung seiner Eltern sehr zu schaffen machte, und er zog zu seinem Vater. Aber bereits nach 14 Tagen kehrte er zu seiner Mutter nach Wien zurück. Bei seinem Vater funktionierte es überhaupt nicht. Ab spätestens 2022 konsumierte der Jugendliche Drogen – zuerst die üblichen Party-Drogen, spätestens ab Februar 2023 aber auch die harten Suchtgifte.[4] Am Samstag, den 6. August 2022 wurde er bei einem großen Polizeieinsatz am Praterstern festgenommen, als er unter Drogen mit seinem Kampfmesser drohte. Nähere Details gab die Landespolizeidirektion (LPD) Wien auch auf Medien-Anfrage damals nicht preis.[5] Der Praterstern samt Venediger Au musste schon am 1. Februar 2019 zur Waffenverbotszone erklärt und die Verordnung seither immer wieder erneuert werden.[6]
Das Scheidungskind aus guten, aber schwierigen Verhältnissen unterbrach im Februar 2023 seine Schulkarriere am GRG 16 Maroltingergasse (AHS). An dieser Schule zeigte der damals 16-Jährige ein eher pubertäres Verhalten. Ebenfalls im Februar 2023 verschlimmerte sich seine Drogensucht. Er konsumierte jetzt auch harte Drogen wie Cocain und Heroin, die mittels algerischer Streetrunner ("Straßenläufer") in Wien flächendeckend zur Verfügung stehen. Nach dem Schulabbruch suchte er ein Ventil für seine Aggressionen sowie für seine Wut, innere Unruhe und Traurigkeit über die zerrütteten Familienverhältnisse. In dieser Situation verstand er sich gar nicht mehr mit seiner Mutter, die auf sein Fortkommen bedacht war, und lebte wieder zeitweise bei seinem Vater in Mistelbach an der Zaya etwa 25 bis 30 km von der tschechischen und der slowakischen Grenze entfernt. Von dort aus fuhr er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf nächtliche, blutige Streifzüge nach Wien, um alleinlebende Unterstandslose mit einem 23 cm langen Kampfmesser mit stehender Klinge zu attackieren, das er im Internet gekauft und im Sofa seines Vaters (nach der ersten Pressekonferenz in seinem Kinderzimmer dort) versteckt hatte. Dabei vermummte er sich teilweise und achtete darauf, möglichst nicht von einer Videoüberwachung erfasst zu werden. Seine Opfer mussten drei Kriterien erfüllen:
Diese drei gleichzeitigen Kriterien treffen nur auf schutzlose Obdachlose zu, die allein und abgeschieden von der Gesellschaft nächtigen. Die Schutzbehauptung der Polizei in ihrer Pressekonferenz vom 12. Dezember 2023, dem mutmaßliche Obdachlosenmörder wäre es nicht auf die Obdachlosigkeit angekommen, entbehrt demzufolge jeglicher Grundlage.
Im September 2023 begann der Jugendliche eine Lehre im Gastgewerbe. Außerdem fand er eine Freundin, bei der er sich "geborgen und geliebt" gefühlt hatte. Damit hatten sich seine Lebensverhältnisse zu ordnen begonnen. So konnte er auch seine "Wut und innere Unruhe" vergessen und mit den Messerattacken auf einsame Unterstandslose aufhören.[7][8]
Im September 2023 trat der Jugendliche wegen seiner Drogensucht polizeilich in Erscheinung.[9] Daraufhin kam es am 18. September 2023 in dem kleinen Haus seiner Mutter wegen eines Streites, der eskaliert war, zu einem Gewaltexzess, so dass die Mutter in ein Spital gebracht werden musste. Er fügte seiner Mutter mehrere Rippenbrüche, eine schwere Schädelprellung und Hämatome und Abschürfungen am ganzen Körper zu, indem er ihr einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und anschließend auf Kopf und Körper der zu Boden gestürzten Frau eintrat.[10][11]
Der Jugendliche war völlig außer sich und stand nach Beobachtungen von Zeugen offenbar unter dem Einfluss von Drogen. Der vorläufig festgenommene mutmaßliche Obdachlosenmörder wurde danach in einem Krisenzentrum in Wien-Währing untergebracht.[12] Damit ließ ihn die Polizei nach den Messerdrohungen am 6. August 2022 am Praterstern und den drei überwiegend tödlichen Messerattacken am Handelskai, beim Praterstern und am Hernalser Gürtel vom Juli und August 2023 ein zweites Mal laufen.[13]
Die Mutter schwieg bei dem Prozess, um ihren eigenen Sohn nicht zu belasten, und blieb sogar im Nebenraum sitzen – sie wollte ihrem Sohn offenbar keinesfalls gegenübertreten.[14]
Nachbarn der Mutter in Wien zeichneten das Bild eines ruhigen und freundlichen Einzelgängers. Auch mit der Mutter habe es ein gutes Auskommen gegeben:
Der Jugendliche wurde nicht oft gesehen – auch nicht draußen, wenn er daheim war – und es waren nie Freunde auf Besuch gewesen, so sehr zurückgezogen lebte er. Nach außen hatte die Familie freundlich gewirkt, viel wusste man aber nicht über sie. Nach Angaben seines Anwaltes Manfred Arbacher-Stöger konsumierte der Jugendliche regelmäßig Ecstasy, Kokain und Ketamin.[15]
Am 11. Dezember 2023 stellte sich der Täter der Polizei und gestand zwei Morde und den Mordversuch mittels Messerattacken. Die Aufgabe des mutmaßlichen Serientäters hing wahrscheinlich damit zusammen, dass er am Mittwoch, den 13. Dezember 2023 einen Strafprozesstermin wegen dem Gewaltexzess gegen seine Mutter hatte.[16][17][18][19][20][21][22][23][24][25][26][27]
Der unter Verdacht stehende 17-Jährige, der seit dem 11. Dezember 2023 in Wien in U-Haft sitzt, war laut einem am 5. Mai 2024 bekannt gewordenen ersten Gutachten einer Kinder- und Jugendpsychiaterin zurechnungsunfähig und damit nicht schuldfähig. Die vorliegende Expertise betrifft jedoch nicht die beiden Morde und den Mordversuch, sondern einen Angriff auf die Mutter, der im September 2023 stattgefunden haben soll. Im Falle einer Schuldunfähigkeit wäre mit einer Unterbringung im Maßnahmenvollzug zu rechnen.[28]
Der nächste Verhandlungstag wegen der Attacke auf seine Mutter fand am 18. Juni 2024 statt. Der entsprechende Prozess begann bereits am 13. Dezember 2023.[29][30][31][32]
Ein von der Staatsanwaltschaft Wien eingeholtes Gutachten einer Kinder- und Jugendpsychiaterin, das sich auf den Zeitpunkt der letalen Messerattacken bezieht, kam allerdings zu einem gegenteiligen Schluss. Demnach war der mutmaßliche Obdachlosenmörder zum Zeitpunkt der Tötungsdelikte zurechnungsfähig. Dem Jugendlichen droht damit eine Anklage wegen zweifachen Mordes und Mordversuchs. Womöglich wird die Anklagebehörde zusätzlich die Unterbringung des Jugendlichen in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Absatz 2 StGB beantragen. Die Sachverständige geht sinngemäß davon aus, dass der 17-Jährige einerseits im vergangenen Sommer schuldfähig war und zugleich aufgrund seiner Persönlichkeitsmerkmale derart gefährlich ist, dass im Fall einer Verurteilung haftbegleitende therapeutische Maßnahmen erforderlich sind, weil ansonsten nach seiner Haftentlassung weitere Straftaten mit schweren Folgen zu befürchten wären. Da die Sachverständige allerdings keine Spezialistin für die Erstellung so genannter Gefährlichkeitsprognosen ist, hat die Anklagebehörde einen dafür ausgewiesenen Experten mit der Erstellung eines Gutachtens zur Gefährlichkeit beauftragt. Dieses Gutachten ist jetzt abzuwarten. Mit einer Anklageerhebung dürfte zeitnah zu rechnen sein.[33][34][35][36][37] .
Nach dem zweiten sehr ähnlichen Messerangriff auf Unterstandslose war eine Hundertschaft an Polizisten in der Bundeshauptstadt Wien fast fünf Monate durchgehend auf der Jagd nach dem Obdachlosen-Phantom, das immer in der Nacht zuschlug.[38] Diese überdurchschnittliche Aktivität endete erst, als sich der mutmaßliche Täter am 11. Dezember 2023 selbst stellte.[39]
Schon nach der zweiten Messerattacke auf einsame Unterstandslose sah sich die Polizei durch den erheblichen Druck der Vierten Gewalt genötigt, im Rahmen der Bürgerbeteiligungsinitiative „GEMEINSAM.SICHER mit unserer Polizei“ am Dienstag, den 25. Juli 2023 die Aktion „Coffee with Cops“ auch in Österreich zu installieren.[40] „Coffee with Cops“ wurde in Österreich als ein adaptierter US-amerikanischer Community-Policing-Ansatz eingeführt.[41]
An diesem Dienstag lud die Polizei in Zusammenarbeit mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) von 15 bis 18 Uhr zur Aktion „Coffee with Cops“ an den Bahnhof Praterstern und an weiteren 26 Bahnhöfen in Österreich besorgte Bürger zum Kaffee ein.[42][43]
Obwohl dieser eintägige Aktionismus schnell wieder verpuffte und eher kontraproduktiv wirkte, weil er die "Sicherheitskrise in Wien"[44] offenbarte, legten die Stadtpolizeikommandos mit einer Aktionswoche vom 2. bis zum 6. Oktober 2023 mit 32 Aktionen in ganz Wien nach, ohne jedoch Erfolge vorlegen zu können.[45][46][47]
Dabei war der mutmaßliche Obdachlosenmörder bereits am 6. August 2022[48] und am 18. September 2023[49][50] im Zusammenhang mit anderen Delikten in Gewahrsam genommen, aber wieder freigelassen worden:
Der Streifendienst in den Rayons der Wiener Polizei, in denen sich Unterstandslose vor allem in der Nacht aufhalten, wurde sensibilisiert. Bei den Kontrollen sollte verstärkte Aufmerksamkeit auf bekannte stark frequentierte Schlafplätze der Sandler gelenkt werden.[52]
Als weitere Konsequenz aus den Taten wurde der Einsatz von Streetworkern in Wien intensiviert, die aufklärten und Trillerpfeifen und Handalarme verteilten.[53][54][55][56]
Auch nach der dritten Messerattacke gegen einsame Unterstandslose am 9. August sträubte sich die Stadt Wien, welche die Kosten für die Obdachlosen scheute, zunächst etwas für deren Schutz zu tun.[57] Erst die erneute massive Berichterstattung nötigte die Stadt Wien dann am 12. August 2023, die Obdachlosentagesstätte Obdach Josi auch nachts zu öffnen.[58][59]
Als nach dem Tod des zweiten Messeropfers am 14. August 2023 auch noch die internationale Berichterstattung einsetzte[60][61], sah sich die Stadt Wien genötigt, in Salamitaktik nachzulegen. Gemeinsam mit den Trägern Caritas der Erzdiözese Wien und dem Wiener Roten Kreuz eröffnete der Fond Soziales Wien (FSW) vier Winternotquartieren mit zunächst 40 zusätzlichen Aufenthaltsplätzen.[62]
Da die 90 Schutzplätze bei den tausenden Wiener Unterstandslosen lange nicht ausreichten, öffnete das Rote Kreuz am 20. August 2023 auch noch ihr Winternotquartier Haus Baumgarten (ums Eck bei der Bezirksvorstehung am Areal der Pflege Baumgarten).[63][64]
Da der Anteil an Frauen in den Notunterkünften angesichts der Bedrohungslage auf den Wiener Straßen und Plätzen stetig anstieg, öffnete der Fonds Soziales Wien (FSW) am 23. August 2023 auch noch sein Winternotquartier für obdachlose Frauen im Gebäudekomplex Obdach Favorita mit zunächst 20 Schutzplätzen, deren Zahl aber flexibel angepasst werden konnte.[65][66]
Alle zusätzlichen Notquartiere wegen der Messerattacken auf Unterstandslose gingen nahtlos in das Winterpaket über und wurden so weitergeführt.[67]
In der Nacht von Dienstag, den 11. Juli 2023 auf Mittwoch, den 12. Juli 2023 wurde ein Obdachloser an seinem Schlafplatz in der Nähe des donauseitigen Treppelweges in Wien-Brigittenau im 20. Bezirk mit einem Messer angegriffen. Er konnte sich des Täters zunächst erwehren und schleppte sich noch etwa 350 Meter in Richtung Donau (Floridsdorfer Brücke) bis an den vielbefahrenen Handelskai in Höhe Treppelweg, um Hilfe zu finden, verblutete aber dort.[68]
Während es 2022 bei einem verirrten Schwan auf dem Handelskai zu einer großräumigen Absperrung und einem Großeinsatz von Polizei und Wasserpolizei bis hin zur Donauinsel kam[69], störte sich an dem verblutenden Obdachlosen kein Autofahrer. Der Mann lag laut Angaben der Polizei mit dem Rücken auf einer Parkbank, den Kopf auf einem Kleidungsstück abgelegt.[70] Erst gegen 7.40 Uhr entdeckte eine Passantin das Opfer und verständigte über Notruf die Einsatzkräfte der Polizei. Zu diesem Zeitpunkt war das Opfer aber bereits nicht mehr am Leben gewesen. Vor Ort stellten die Polizisten fest, dass der Körper des Mannes mehrere Stichwunden aufwies. Erst daraufhin kam es zu einem Großeinsatz und der Bereich wurde wegen des Tötungsdeliktes weiträumig abgesperrt. Das Landeskriminalamt Wien übernahm die Ermittlungen wegen Mordes und ordnete eine Obduktion der Leiche an.[71] Laut Polizei war von Fremdverschulden auszugehen. Die Identität des nach ersten Informationen 40 bis 60 Jahre alten Opfers war ebenso noch unbekannt wie der oder die Täter. Das Opfer hatte keine Identitätsdokumente bei sich. Ein Polizeihund hatte die Blutspur des Obdachlosen bis zum Tatort zurückverfolgen. Die Attacke fand rund 350 Meter entfernt statt. Ermittler konnten dort eine Blutlache sicherstellen.[72] Die Tatwaffe wurde noch vermisst. Der Großeinsatz erfolgte unter anderem mit Kräften der Bereitschaftseinheit, der Diensthundeeinheit sowie der Wasserpolizei.[73]
Es handelte sich dabei um die zweite Leiche im Obdachlosenmilieu von Wien innerhalb von nicht einmal zwei Tagen. Erst am Montag, den 10. Juli 2023 gegen 19.15 Uhr war in einer betreuten Wohneinrichtung für Obdachlose in Wien-Simmering die Leiche einer 28-jährigen Österreicherin tot in einem Zimmer ihrer Wohngemeinschaft aufgefunden worden.[74] Die Kronenzeitung schrieb in ihrer Überschrift: Leiche einer Frau (28) in Wiener Wohnung entdeckt – präzisierte im Fließtext aber bereits: in einer Obdachloseneinrichtung – dafür erfuhr die Öffentlichkeit, dass es sich bei dem Verdächtigen, der stundenlang neben der Leiche gelegen hatte, um einen 26-jährigen syrischen Staatsbürger handelte.[75] Hingegen schrieb die österreichische Zeitung Heute noch fünf Stunden nach dem Kronenzeitung-Artikel: Der 26-jährige Lebensgefährte der Frau (Staatsbürgerschaft: ungeklärt) wurde vorläufig festgenommen.[76] Die Zeitung Heute verknüpfte tags darauf die beiden gefundenen Leichen: Es ist der zweite Mordverdacht in der Bundeshauptstadt in dieser Woche.[77] Auch die Kronenzeitung schrieb: Es ist der zweite Leichenfund in dieser Woche, der im Zusammenhang mit einem Mord stehen könnte.[78]
Da die angeordnete gerichtsmedizinische Obduktion der Frauenleiche keinen Verdacht auf Fremdverschulden ergab, wurde der verdächtigte Mann nach zwei Tagen wieder enthaftet.[79] Die Lebenserwartung von Obdachlosen liegt Jahrzehnte unter der durchschnittlichen Lebenserwartung, weswegen sich die Öffentlichkeit und das Obdachlosenmilieu zunächst wieder beruhigten.[80]
In der Nacht von Freitag, den 22. Juli auf Samstag, den 23. Juli 2023 kam es auf einer Grünfläche im Venediger-Au-Park (Wien-Leopoldstadt) in der Nähe eines Abgangs zur U-Bahn-Station Praterstern gegen 3.40 Uhr zu einer Messerattacke auf eine schlafende Obdachlose. Die 51-Jährige erwachte allerdings wegen der starken stechenden Schmerzen, bemerkte die Stich- und Schnittverletzungen und schlug sofort Alarm. Der Verdächtige verschwand daraufhin. Nur deshalb konnte sie die Messerattacke knapp überleben.[81]
Die schwer verletzte Frau schleppte sich dann in Richtung Praterstern. Dort wurde sie von einem Notarzt-Team der Berufsrettung Wien notfallmedizinisch versorgt, das mehrere Stichverletzungen im Bauch- und Beckenbereich feststellte. Anschließend wurde sie in ein Krankenhaus gebracht und stationär behandelt. Die Obdachlose befand sich nicht in Lebensgefahr. Bei einer Befragung im Spital konnte die 51-Jährige aber keine näheren Angaben machen. Sie sagte lediglich aus, dass es sich um einen männlichen Täter handelte. Eine Person, die aufgrund eines vorerst anderen Polizeieinsatzes in der unmittelbaren Nähe angehalten wurde, stand laut Polizei nicht in Zusammenhang mit der Tat. Der Täter blieb unbekannt. Die weiteren Ermittlungen übernahm das Landeskriminalamt Wien, Außenstelle Zentrum-Ost.[82]
Nach dem Auffinden der durch Messerstiche schwer verletzten 51-jährigen Obdachlosen in der Leopoldstadt prüfte die Polizei einen Zusammenhang mit dem Fall in der Brigittenau, wo der ebenfalls obdachlose Mann an den Messerstichen starb. Mittlerweile hatte die Mordkommission Totem ermittelt, dass es sich bei dem Mordopfer um einen Unterstandslosen handelte, der 56 Jahre alt geworden war. Gleichzeitig gab die Polizei aber Entwarnung. Um entsprechende Schlüsse zu ziehen, sei es zum „jetzigen Ermittlungszeitpunkt aber bei Weitem noch zu früh“, sagte ein Polizeisprecher.[83] Eine Festnahme oder einen möglichen Tatverdächtigen gab es im Mordfall Totem noch nicht. Die Ermittlungen dauerten an.
Die Presse ging sogleich einen Schritt weiter. Die Zeitung Heute schrieb: Bei dem Messerstecher könnte es sich um einen mutmaßlichen Serientäter handeln.[84] Die Kronenzeitung bemerkte zu der Aussage der Polizei unter dem Abschnitt Zwei Fälle – ein Täter?: Dennoch sind die Parallelen, die es bei beiden Fällen gibt, nicht zu leugnen.[85]
Nach dem zweiten sehr ähnlichen Messerangriff auf Unterstandslose war eine Hundertschaft an Polizisten in der Bundeshauptstadt durchgehend auf der Jagd nach dem Obdachlosen-Phantom, das immer in der Nacht zuschlug.[86]
Aufgrund der sich überschlagenden Medien-Berichterstattung startete im Rahmen der Bürgerbeteiligungsinitiative „GEMEINSAM.SICHER mit unserer Polizei“ am Dienstag, den 25. Juli 2023 die Aktion „Coffee with Cops“.[87]
An diesem Dienstag luden Bedienstete von „GEMEINSAM.SICHER“ und den ÖBB von 15 Uhr bis 18 Uhr direkt vor Ort Menschen auf einen Kaffee ein – am Bahnhof Praterstern und an weiteren 26 Bahnhöfen in Österreich. Das Projekt ist eine zeitgemäße Variante eines Community-Policing-Ansatzes nach internationalem Vorbild. Neben den Bürgerinnen und Bürgern waren auch alle interessierten Medien eingeladen, bei den Kaffee-Ständen am Bahnhof vorbeizuschauen, um die Aktion „Coffee with Cops“ persönlich kennen zu lernen.[88]
Bei einem Kaffee mit einem Polizisten aus der Region sollte nach der medienwirksamen Messerattacke auf die 51-jährige Unterstandslose am frühen Morgen des 23. Juli in der Nähe des Pratersterns der direkte Kontakt mit der Bevölkerung hergestellt werden. Das Ziel von „Coffee with Cops“ war:
Der Praterstern ist allerdings einer der Kriminal-Hot-Sports in Wien mit Drogen, Gewalt, Missbrauch, Vergewaltigung und „Migranten-Banden“[91]. Die Aktion von „Coffee with Cops“ wurde deswegen als blanker Aktionismus angesichts einer akuten Bedrohungslage empfunden. Aus diesem Grunde zweifelte der Exxpress an der Wirksamkeit.
In der Nacht von Dienstag, den 8. August 2023 auf Mittwoch, den 9. August 2023 wurde gegen 2 Uhr ein Obdachloser am Straßenrand auf dem Hernalser Gürtel am Alsergrund sitzend und schwer verletzt aufgefunden. Entdeckt wurde das Opfer von Insassen eines Fahrzeuges, das am Gürtel entlang fuhr. Wie bereits am 12. Juli unternahm allerdings kein Autofahrer irgendetwas, um einem Unterstandslosen zu helfen. Nur weil das Auto beim Gaffen so langsam fuhr, fiel das wiederum einer Polizeistreife auf. Diese entdeckten die Wunden. Da war allerdings schon lebensentscheidende Zeit vergangen.[93] Umgehend wurde durch die Polizisten die Berufsrettung Wien alarmiert und sofort mit der Erstversorgung des Mannes begonnen. Die angeforderten Einsatzkräfte waren rasch vor Ort und übernahmen die notfallmedizinische Versorgung. Daraufhin brachten sie den Verletzten in ein Spital, wo mehrere Stich- und Schnittverletzungen an dessen Körper festgestellt wurden. Nach einer notwendigen Notoperation befand sich der Mann nicht mehr in Lebensgefahr. Auch in diesem Fall ging die Polizei aufgrund der Verletzungen von Fremdverschulden aus. Die Identität des Unterstandslosen konnte zunächst nicht geklärt werden. Er hatte zwar ein Dokument bei sich, doch dies musste erst noch überprüft werden. Der Mann war noch bei Bewusstsein, konnte aber keine Angaben mehr machen. So konnten auch die Hintergründe der Tat zunächst nicht geklärt werden.
Nach der dritten Messerattacke auf einsame Unterstandslose in nur vier Wochen warnten jetzt sogar die Ermittler: Aufgrund gewisser Übereinstimmungen kann das Landeskriminalamt Wien einen Zusammenhang dieser drei Fälle nicht ausschließen. Entsprechende Betreuungseinrichtungen wurden seitens der Polizei sensibilisiert.[94]
Ein Polizeisprecher erklärte:
Eine Polizeisprecherin ergänzte:
Die Polizei prüfte aufgrund dieser Übereinstimmungen nun einen Zusammenhang mit ähnlichen Straftaten im Obdachlosenmilieu. Die Beamten des Bereiches „Leib/Leben“ im Wiener Landeskriminalamt ermittelten jetzt auf Hochtouren und suchten fieberhaft nach dem brandgefährlichen unbekannten Serientäter.
Ein Zusammenhang zwischen den drei Messerattacken schien immer eindeutiger zu werden. Die Kronenzeitung schrieb über die mysteriöse Serie an Messerattacken unter dem Titel Angst vor Serientäter: Auf schlafende Obdachlose eingestochen … Unbekannter Täter stach erneut zu. … In Wien hat es ein bisher unbekannter Täter wohl auf Obdachlose abgesehen, immerhin folgte nun die dritte Messerattacke binnen vier Wochen.[97]
Am Donnerstag, den 10. August 2023 veröffentlichte die Kronenzeitung einen Wiener Stadtplan mit dem Titel: Wiener Stadtplan: „Blutspur des Messer-Phantoms“.[98] Dennoch plante die Stadt Wien trotz der besonderen Situation keine zusätzlichen Schutzunterkünfte für die fast 12.000 bekannten Unterstandslosen[99] der Stadt:
Im Sommer gibt es in der Stadt Wien durch das Auslaufen des Winterpakets in Einrichtungen für Wohnungslose rund 1.000 Schlafplätze weniger als im Winter. Die verbliebenen Plätze sind deswegen jede Nacht voll. Durch die akute Bedrohungslage mussten massenhaft Schutzsuchende abgewiesen werden. Trotz der erheblichen Dunkelziffer im Bereich Unterstandslose gab es seitens der Stadt Wien keinen weiteren Schutz.
Die Caritas der Erzdiözese Wien rief zu mehr Solidarität auf. Im Caritas-Betreuungszentrum Die Gruft[101] direkt unter der Mariahilfer Kirche herrschte getrübte Stimmung. Susanne Peter, die Leiterin des Streetwork-Teams bei der Wiener Caritas, empfahl dort den Unterstandslosen deswegen Gruppenbildungen:
Sie erklärte, dass es jetzt auch auf die Gesellschaft ankomme:
Ein großes Problem bei den Unterstandslosen ist deren Erreichbarkeit. Zwar wissen die Streetworker über die Aufenthaltsorte vieler Bescheid, aber bei weitem nicht von allen. Hinzu kommt, dass auch die Streetworker nur zu einem kleinen Ausschnitt des Obdachlosenmilieus Zugang haben. Selbst aus offiziellen Statistiken ergeben sich erhebliche Diskrepanzen. In Wien wird von rund 12.000 bekannten Unterstandslosen ausgegangen. Ganzjährige stationäre Plätze gibt es knapp 7.000, im Winter werden knapp 8.000 bezahlt. Dennoch schrieb der ORF:
Dabei müsste wegen der erheblichen Dunkelziffer die Zahl erheblich über 4.000 Unterstandslosen liegen, im Sommer sogar deutlich über 5.000 Unterstandslosen.
Zudem haben die meisten auch keinen Zugang zu Medien und wussten demnach vielleicht gar nichts von den Attacken. Die Caritas bat daher die Bevölkerung, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen und Obdachlose bei der Gruft der Caritas zu melden, damit Streetworker Kontakt aufnehmen können. Hier offenbarte sich angesichts der Bedrohungslage ein strukturelles Defizit der Obdachlosenfürsorge.[106]
Da es keine konkreten Hinweise zu den Bluttaten gab, setzte das Landeskriminalamt auf ein dichteres Netz an Polizeikontrollen und Sensibilisierung.
Im Fokus der Exekutive standen jetzt vorerst die Prävention in Obdachlosenheimen mit Aufklärungs- und Sensibilisierungsgesprächen. Betreuungseinrichtungen für Obdachlose wurden von der Polizei ebenfalls sensibilisiert und gebeten, ihre Klientinnen und Klienten auf die mögliche Gefahr aufmerksam zu machen.
Der Streifendienst in den Rayons der Wiener Polizei, in denen sich Unterstandslose vor allem in der Nacht aufhalten, wurde sensibilisiert. Bei den Kontrollen sollte verstärkte Aufmerksamkeit auf bekannte stark frequentierte Schlafplätze der Sandler gelenkt werden, aber vor allem auf die Örtlichkeiten – soweit bekannt – wo einzelne Unterstandslose unter freiem Himmel nächtigen.[107]
Das Opfer der dritten Attacke wurde mittlerweile identifiziert. Es handelte sich um einen 55-Jährigen polizeilich bisher nicht in Erscheinung getretenen Unterstandslosen. Der Gesundheitszustand des Schwerverletzten hatte sich am Donnerstag wieder verschlechtert. Deshalb konnte er bis Donnerstagabend noch nicht von den Ermittlern einvernommen werden. Sobald es sein Gesundheitszustand zulassen sollte, sollte der Unterstandslose befragt werden. Laut dem Polizeisprecher behandelte die Kriminalpolizei nun die drei Fälle als Einheit, selbst wenn es sich um unterschiedliche Täter handeln sollte. Unklar blieb vorerst noch, ob bei allen Vorfällen die gleiche Art Waffe eingesetzt wurde. Details bezüglich Klingenlänge oder deren Schärfe wurden vorerst nicht beantwortet.[108]
Obwohl auf der Straße Aufregung und teilweise sogar Angst und Schrecken herrschten, kam es kaum zu den von der Caritas empfohlenen Notgemeinschaften. Den Unterstandslosen blieb nur, weiter zu überleben wie bis dahin auch. Lediglich der Exxpress berichtete:
Hier wurde von dem Boulevard-Onlinemedium allerdings von Einzelerscheinungen auf die Gemeinschaft der Unterstandslosen geschlossen – eine Gemeinschaft, die es nicht gibt.
Nur wenige Unterstandslose äußerten sich zu der Bedrohungslage, meist in dem Tenor, dass sie im Fall eines Überfalls lediglich von der Last ihres menschenunwürdigen Daseins in Armut und Not befreit würden. Andere wiederum setzten statt auf Schlafsäcken auf Decken, um sich im Fall der Fälle auch schneller gegen etwaige Angreifer zu wehren, oder einen Angriff generell zu vereiteln. Niemand fühlte sich mehr sicher, aber das war zuvor auch nicht viel anders.[110]
Die Obdachlosen sind ständig eine massiv angefeindete Gruppe. Unterstandslose, die im Freien schlafen müssen, bangen ohnehin Nacht für Nacht um ihr Leben. Furcht darf unter solchen Umständen keinen Platz in ihrem Leben haben. Eine ehemalige Unterstandslose erzählte in einem Video der Kronenzeitung von Attacken mitten in der Nacht, die schon vor Jahren normal waren. Besonders Frauen waren und sind gefährdet.[111] Auch diesmal war eins der drei Opfer eine Frau.
Wiens Caritas-Direktor Klaus Schwertner äußerte:
Einige von denen, die die Nachricht erreicht hatte, suchten erstmals in ihrem Leben Zuflucht in einer Notschlafstelle, obwohl sie bisher nie solche Einrichtungen aufsuchten. Sie waren in Sorge, dass sie die Nächsten sind. So hatten sich innerhalb weniger Tage auch die zusätzlichen nächtlichen Schutzplätze gefüllt, die der Fonds Soziales Wien nach den Messerattacken auf Obdachlose bereitgestellt hat.[113]
Susanne Peter, die Teamleiterin Streetwork der Caritas, erklärte:
Einige Unterstandslose begaben sich wie oft üblich in den Untergrund oder in die Wiener Kanalisation. Andere Unterstandslose suchten sich vermehrt Schlafplätze in den Wäldern, aber das war nichts Neues und offenbar nicht signifikant höher. Auch in den Wäldern verstärkte sich die Tendenz zu unterirdischen Zelten wie (selbstgegrabene) Höhlen. Viele bekamen die Bedrohung gar nicht mit, weil sie teilweise keine herkömmlichen Medien lesen, weil sie teilweise psychisch krank oder angeschlagen sind und deshalb auch gar nicht erfassen können, was da passiert ist, und andererseits, weil es teilweise auch Sprachbarrieren gibt.[115]
Am Freitag, den 11. August 2023 schrieb der Exxpress im Artikel Sicherheitskrise in Wien: Was uns alle große Sorgen bereitet[116]:
Der Exxpress setzte die Situation ins Verhältnis zu dem ebenfalls damals noch nicht aufgeklärten Machetenmord an dem 31-jährigen Algerier Djafaar H. vom 20. April 2023. Auch dort hieß es: „Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren“.
Der in Österreich nicht gemeldete „ranghohe Drogenboss“[118] lebte illegal in einer Wohnung in der Wallensteinstraße im Wiener Stadtteil Brigittenau. Zunächst musste erst einmal die Identität des Ermordeten aufgeklärt werden. Bei der Durchsuchung der illegalen Wohnung zwei Wochen nach dem Mord konnten zwei Personen angetroffen werden. Einer der beiden, ein 30-jähriger algerischer Staatsbürger, soll bei der Tat anwesend gewesen sein. Er soll mit dem Opfer vor der Attacke unterwegs, allerdings nicht an der Tathandlung beteiligt gewesen sein. Für den ranghohen Drogenboss arbeiteten mindestens vier weitere Algerier im Suchtmittelgeschäft als „Streetrunner“ (Straßenläufer), die ihn wegen Abrechnungsstreitigkeiten in der Nähe der U-Bahn-Station Jägerstraße in einen Hinterhalt lockten und regelrecht hinrichteten. Alle fünf stammen bzw. stammten aus Constantine, der drittgrößten Stadt Algeriens. Einer der Verdächtigen konnte bei der Flucht von der Polizei aus dem Donaukanal gefischt werden, den drei anderen gelang die Flucht nach Frankreich, wo sie sich sicher wähnten. Allerdings gelang es aufgrund der akribischen Arbeit der österreichischen Ermittler und der internationalen Zusammenarbeit, ihre Identität trotz Spitznamen ausfindig zu machen, so dass eine Auslieferung von Frankreich an Österreich erfolgte.[119]
Der ORF schrieb am 19. März 2024:
Für den tatsächlich unbescholtenen Bürger ergibt sich nun das Problem, dass mindestens fünf Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, die von Algerien aus Drogen verkauft hatte, dies offenbar ungestört tun konnten – und das Versagen der Polizei und Justiz auch noch euphemistisch als „Unbescholtenheit“ der Täter hingestellt wird. Augenzeugen sprachen sogar von bis zu zehn Angreifern bei dieser Hinrichtung mitten in Wien. Offenbar aber wollen Polizei und Justiz die vier Verurteilten der Öffentlichkeit als die Gesamttäter verkaufen.
Unter diesen Umstanden muss davon ausgegangen werden, dass der organisierte Drogenhandel mir „ranghohen Drogenbossen“ und „Streetrunnern“ (Straßenläufern) nach wie vor unbehelligt von der Polizei und Justiz weiterläuft. Lediglich die Hinrichtung – auch noch in der Öffentlichkeit – brachte ein einziges Schlaglicht in das Dunkel des organisierten Handel mit Suchtgiften in Wien und anderswo (einer der Täter saß bereits wegen Drogendelikten in Frankreich im Gefängnis). Dieses strukturelle Versagen von Polizei und Justiz ist Ausdruck einer umfassenden Sicherheitskrise nicht nur in Wien, sondern auch in ganz Europa.
Selbst am Tatort des Machetenmordes wurde gleich wieder weitergedealt. Die organisierte Kriminalität konnte sich keine Ausfälle leisten. Schon am 16. Juni berichtete der Exxpress:
Für den tatsächlich unbescholtenen Bürger ergibt sich auch das Problem, dass die Täter ihre Tradition der Blutrache nach Europa bringen konnten. Die Staatsanwältin Helms führte im Prozess aus: Die Angeklagten seien „wie Brüder“ und hätten sich daher gemeinsam dazu entschlossen, den 31-jährigen Djafaar H. zu töten.
Da jeder Bürger – ob in Wien oder anderswo in Europa – von dieser archaischen Blutrache betroffen sein kann, hat nicht nur die Stadt Wien, sondern ganz Europa ein Sicherheitsproblem.
Der Exxpress erwähnte auch die zunehmenden „Krimi-Hotspots – vom Praterstern bis zum Keplerplatz“ und die zunehmende Jugendkriminalität als Zeichen der Sicherheitskrise:
Nach Angaben der Polizei am 12. August 2023 war das dritte obdachlose Messer-Opfer nach wie vor nicht vernehmungsfähig. Der Druck, zusätzlichen Schutzraum für obdachlose Menschen für die Abend- und Nachtstunden zu organisieren, wuchs stark an. Damit die unsicher gewordene Parkbank nicht unbedingt als Schlafplatz dienen musste, eröffnete in dieser unklaren Situation das Tageszentrum Obdach Josi[124] unterhalb der Wiener U6-Station Josefstädter Straße ab der Nacht von Samstag, den 12. August 2023 auf Sonntag, den 13. August 2023 einen Nachtbetrieb und bot einen Schutzraum mit einer Kapazität für bis zu 50 Personen. Das Obdach Josi hat gewöhnlich nur untertags von 9.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.[125]
In einer Aussendung hieß es: bis auf weiteres wird der Betrieb auch abends und nachts stattfinden.[126]
Es war möglich gewesen, alle Nachtdienste zu besetzen. Die FSW-Obdach-Leiterin Barbara Trsek äußerte sich hierzu:
Der Schutzraum bot in den Stunden von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr sicheren Aufenthalt sowie Verpflegung. Schon in der ersten Nacht war die Kapazität von 50 Schutzplätzen voll ausgeschöpft. Zwei Freiwillige aus anderen Bereichen von FSW Obdach und zwei Mitarbeiter aus dem Team des Obdach Josi stellten die Betreuung sicher. Es zeigte sich, dass der Bedarf angesichts offiziell 1.500 Unterstandsloser (und geschätzt erheblich über 5.000 Unterstandsloser im Sommer) bedeutend höher war. So schrieb der Exxpress:
Das Tageszentrum empfahl:
Eines der Opfer lebte bereits viele Jahre auf der Straße und war bei vielen Mitarbeitern der Caritas bekannt:
Am 14. August teilte die Polizei am Morgen mit, dass der Unterstandslose, der am 9. August 2 Uhr in der Josefstadt auf dem Straßenrand sitzend entdeckt wurde, am Sonntagnachmittag, den 13. August 2023 im Tiefschlaf verstorben war.[131] Auch ein zweiter Eingriff konnte dem Opfer nicht mehr helfen. Dem Unterstandslosen war zu spät Hilfe zuteil geworden. Alle Autofahrer waren an dem am Straßenrand sitzenden Schwerverletzten vorbeigefahren, nachdem sie bemerkt hatten, dass es sich nur um einen Sandler handelte. Die Polizei wurde zu spät auf die Stelle aufmerksam, nachdem sie beobachtete, wie ein Fahrzeug verdächtig langsam fuhr – ohne dass die Insassen etwas für den Obdachlosen taten. Das Opfer konnte vor seinem Tod nicht mehr polizeilich befragt werden.[132]
Nach dem zweiten toten Unterstandslosen innerhalb von vier Wochen durch Messerstiche und einer weiteren Messerattacke in diesem Zeitraum wurde aus den bedauerlichen Einzelfällen nun eine Mordserie.
Die Kronenzeitung schrieb von einer mysteriöse[n] Serie an Messerattacken:
Die Zeitung Heute schrieb:
Noch am gleichen Abend legte die Kronenzeitung nach:
Die Mordserie an Unterstandslosen in Wien erregte am 14. August 2023 nun auch internationale Aufmerksamkeit.
Noch gleichen Tages war in der Bild-Zeitung zu lesen: Drei Opfer in vier Wochen: Wiener Polizei jagt Serienmörder.[136] Das Landeskriminalamt Wien hatte gegenüber dieser auflagenstärksten Tageszeitung in Deutschland bestätigt:
Über die Tatwaffe war bekannt, dass es sich um ein Messer oder einen ähnlichen Gegenstand handelte. Alle Opfer wiesen ähnliche Stich- und Schnittverletzungen auf. Dabei seien Oberkörper und weitere Körperteile gleichermaßen betroffen gewesen.[138]
Auch der Tagesspiegel griff noch gleichen Tages das Thema auf: Zwei tote Obdachlose, eine Verletzte: Wiener Polizei sucht nach einem Serientäter:[139]
Durch die internationale Aufmerksamkeit erheblich unter Druck geraten, besserte die Stadt Wien nun das Angebot an geschützten Plätzen für die Unterstandslosen weiter nach, da auch in der zweiten Nacht die 50 Plätze im Obdachlosentageszentrum Obdach Josi belegt waren.[141]
Die im niederschwelligen Bereich ganzjährigen 6800 Plätze in Chancenhäusern sowie weitere 160 Plätze in zwei Notquartieren für besonders vulnerable Personen sind dauerbelegt, weswegen trotz des Sommers infolge der brisanten Situation zusätzliche Schutzplätze für die Unterstandslosen geschaffen werden mussten.[143]
Die 50 Notschlafplätze, die bereits am Wochenende in der Tageseinrichtung Obdach Josi geöffnet wurden, waren stark nachgefragt.[146]
Wiens Caritas-Direktor Klaus Schwertner äußerte sich am 15. August 2023 zu den Attacken auf Obdachlose:
Der Caritas-Direktor wies auf die 30 zusätzlichen Schlafplätze bei Caritas-Einrichtungen hin:
Streetworker waren nun drei Mal pro Woche unterwegs, klärten unter anderem über das Passierte auf, sensibilisierten und versuchen zumindest einen Teil der Angst zu nehmen. Sie wiesen die Unterstandslosen darauf hin, achtsam zu sein, nachts nicht alleine unterwegs zu sein oder zu schlafen und den Schlafsack offen zu lassen, um im Notfall schneller reagieren zu können.
Die Streetworker wurden nun auch mit Trillerpfeifen und Taschenalarmen ausgestattet, die – wenn gewünscht – an Obdachlose verteilt wurden und im Ernstfall als Abschreckung dienen sollten.[149]
Allerdings vermisste die Caritas eine weitreichende Solidarität in Form von Spenden, Hitzepaketen und Co. Schwertner appellierte:
Er erachtete es für wichtig, dass zusätzliche Streetwork-Teams auf die Straße geschickt würden, um die Menschen zu informieren und um gegebenenfalls helfen zu können. Außerdem bat er darum, wenn obdachlose Menschen wahrgenommen würden, bei der Caritas anzurufen, damit sie helfen könne.[152]
Ebenfalls am 15. August 2023 überschlug sich die Presse. Die Tageszeitung Heute brachte nicht nur das Interview mit dem Wiener Caritas-Direktor Klaus Schwertner, sondern gleich noch zwei weitere Artikel zum gleichen Thema. In einem davon bezeichnet sie nun ebenfalls wie die Kronenzeitung den Gesuchten als Messer-Phantom: Keine Spur zu Phantom – Killer zog Blutspur durch Wien.[153]
Auch das ORF sendete erneut zum Thema unter dem Titel: Nach Attacken: Plätze und Pfeifen für Obdachlose.[155]
Trotz akribischer Ermittlungsarbeit konnten keine konkreten Hinweise zum Täter gewonnen werden. Aufgrund der ähnlichen Verletzungsmuster und der Tatsache, dass die Taten alle in den Nachtstunden und an wohnungslose Personen begangen worden sind, ging das Landeskriminalamt Wien mittlerweile von einem Zusammenhang zwischen den Attacken und von der gleichen Täterschaft aus.[156] Aber die Ermittlungen brachten nicht den erhofften Erfolg, obwohl der Serientäter eine regelrechte Blutspur durch Wien zog. Von dem Messer-Phantom fehlte jede Spur.[157]
Die Polizei stand durch die intensive Berichterstattung stark unter Druck. So wurde in der Zeitung Heute aus dem Messer-Phantom der Obdachlosen-Killer.[158] In dieser Situation stellte nach Angaben der Landespolizeidirektion Wien der Verein der Freunde der Wiener Polizei 10.000 Euro Belohnung für sachdienliche Hinweise zur Verfügung.[159] Damit wurde die Bevölkerung aufgefordert mitzuhelfen. Die Polizei machte bei der Jagd auf den Obdachlosen-Killer jetzt ernst und hoffte so, dem Täter schnell auf die Spur zu kommen.
Außerdem wies die Polizei auf die angeblich erheblich strafmildernde Wirkung eines Geständnisses hin, um den Serientäter zur Aufgabe zu bewegen.[160]
Zudem wurde auf die Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten in Österreich verwiesen, die bei 90 Prozent liege, da Mord nie verjährt und die Ermittlungen daher niemals eingestellt werden. Die verschiedenen Ermittlungsbereiche des Landeskriminalamt (LKA) Wien arbeiteten bereichsübergreifend zusammen, um so rasch als möglich neue Erkenntnisse gewinnen zu können. Sie bearbeiteten die bereits eingegangenen Hinweise und werteten das Videomaterial aus öffentlichen Kameras aus. Außerdem befragten sie intensiv Personen. Mit diesen Verlautbarungen sollte der Druck auf die bis dahin erfolglose Polizei an den Serientäter weitergereicht werden, in der Hoffnung, dass er sich stellt.[161]
Die Polizei erwartete Hinweise auf zwei Fragestellungen:
Die Austria Presse Agentur berichtete, dass bereits einen Tag später mehr als zwei Dutzend Hinweise bei der Polizei eingegangen waren. Die Ermittler gingen nun jedem Hinweis nach, was aber einige Zeit in Anspruch nehmen würde.[163]
Auch die über zwei Dutzend Meldungen, die zumeist direkt nach dem Ausloben der 10.000 Euro eingelangt waren, brachten die Kriminalisten nicht weiter.
Das Rote Kreuz reagierte auf diese Erfolglosigkeit der Polizei und weitete das Angebote für Wohnungslose in der Bundeshauptstadt aus, indem es das Winternotquartier Haus Baumgarten öffnete (ums Eck bei der Bezirksvorstehung am Areal der Pflege Baumgarten).[164] Im finanziellen Rahmen des Winterpakets der Wiener Wohnungslosenhilfe des Fonds Soziales Wien bot das Notquartier für obdachlose Männer ab dem 28. Oktober 2020 auch die Möglichkeit zum Tagesaufenthalt an, wodurch die Unterstandslosen rund um die Uhr betreut werden konnten. Diese Förderung lief jedoch im April 2021 aus. Das Gleiche galt für den April 2022 und den April 2023. Das Winternotquartier wurde geschaffen, um Personen ohne entsprechende Ansprüche auf Unterkunft als Überbrückungsmöglichkeit über den Winter zu bringen.[165] In den warmen Monaten hatten diese Personen normalerweise gar keinen Anspruch auf Unterbringung. Durch die Öffnung des Winternotquartiers Baumgarten bekamen diese infolge der besonderen Umstände nun zumindest eine Chance auf eine sichere Nächtigung.
Der Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer gab sich am Sonntag, den 20. August 2023 in einer Presseaussendung betroffen:
Er appellierte zugleich an die Bevölkerung, sich mit Menschen ohne Obdach solidarisch zu zeigen:
Wohnungslose Menschen erhalten in der Bundeshauptstadt Wien durch das Rote Kreuz im Tageszentrum Das Stern beim Praterstern tagsüber eine Aufenthaltsmöglichkeit, Beratung und Betreuung. Das Tageszentrum ist an 365 Tagen im Jahr geöffnet.[168]
Der überdachte Vorplatz des Bahnhofs Praterstern wurde immer mehr zum beliebten Tages-Aufenthaltsort für Wohnungslose. Das Stern bietet nun dort ein Angebot, wo es gebraucht wird, nämlich unweit vom Praterstern (in der Nordbahnstraße 48, Ecke Mühlfeldgasse).[169] Das zweite Opfer des „Obdachlosen-Killers“, eine 51-jährige unterstandslose Frau, war in der Nacht vom 22. Juli 2023 auf den 23. Juli 2023 in der Nähe des Pratersterns überfallen worden. Dieser beliebte Aufenthaltsort für Obdachlose hatte den Täter angezogen. Der Praterstern gilt als sozialer Brennpunkt. Seit dem 27. April 2018 gibt es dort deswegen ein Alkoholverbot.[170]
Am 22. August 2023 sendete der ORF: Obdachlosenmorde: Polizei tappt im Dunkeln. Obwohl zusätzliche Ermittler des Ermittlungsdienstes des LKA die amtshandlungsführende Mordermittlungsgruppe bei der Überprüfung der Hinweise half, gab es keine neuen Erkenntnisse und noch keinen konkreten Verdacht. Auch das Motiv für die Taten war weiterhin unklar. Es kam lediglich die Mitteilung der Polizei:
Einen Zusammenhang zwischen kolportierten Überfällen von Jugendlichen mit Messern und den Taten schloss die Polizei damals allerdings aus.[172]
Die Kronenzeitung drückte sich dezenter aus: KEINE KONKRETE SPUR. „Etliche Hinweise“ zu Obdachlosen-Phantom in Wien:
Am 23. August 2023 öffnete der Fonds Soziales Wien (FSW) sein Nachtquartier für obdachlose Frauen im Gebäudekomplex Obdach Favorita als gezieltes Angebot für obdachlose Frauen, die in der Nacht Schutz suchen.[174] Damit sollen in den Stunden von 18 bis 8 Uhr bis zu 20 Klientinnen sicher durch die Nacht kommen. Dafür wurden die aktuell leer stehenden Räumlichkeiten des Winterpakets der Wiener Wohnungslosenhilfe umfunktioniert. Der Vorteil war, dass gegebenenfalls noch Plätze aufgestockt werden könnten. Die Auslastung des Quartiers würde im Hinblick auf mögliche Aufstockungsmöglichkeiten evaluiert.[175]
Eine Kundgebung In Solidarität mit allen Menschen, die von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen sind fand am Donnerstag, den 24. August 2023 um 17.00 Uhr auf der Mariahilfer Straße Ecke Neubaugasse in Wien statt. Kai Nemiete, Sprecherin der Gruppe Zwangsräumungen verhindern, die gemeinsam mit anderen Initiativen die Kundgebung organisierte, sagte dazu im Vorfeld: .
Am Samstag, den 26. August 2023 kurz nach Mittag fand Franz A., der alte Bekannte eines Obdachlosen, den etwa zwischen 40 und 45 Jahre alten "Stadtstreicher"[177] in dessen gewohnten Verschlag im dichtesten Gebüsch am Rande des Naherholungsgebiets Wienerberg skelettiert in dessen Schlafsack, der in einer 50 Zentimeter tiefen Kuhle lag. Er hatte nach ihm gesucht, weil er ihn längere Zeit nicht mehr gesehen hatte. Der Kopf lag einige Meter entfernt vom Körper und wies ein münzgroßes Loch auf. Der Bekannte wählte sofort den Notruf. Die Einsatzkräfte trafen trotz des unwegsamen Geländes recht rasch am möglichen Tatort ein.[178]
Daraufhin kam es zu umfangreichen Ermittlungen im Bereich Friedrich-Adler-Weg des Wienerberggeländes in Wien-Favoriten. Der Verschlag war gut im Wald versteckt und nur notdürftig ausgestattet. Ein Amtsarzt bestätigte laut erster Begutachtung, dass es sich dabei um menschliche Knochen handeln dürfte.[179] Daraufhin wurde eine gerichtsmedizinische Untersuchung angeordnet und das Landeskriminalamt Wien nahm die weiteren Ermittlungen zur Klärung der Umstände auf. Die Zeitung Heute schrieb von einem "Grusel-Fund".[180] Ein Beamter des Landeskriminalamtes erklärte:
Ab Montag, dem 28. August 2023 veröffentlichen österreichische wie auch deutsche Medien verstärkt Artikel über den "Serienkiller".[182] Drei getötete Obdachlose in eineinhalb Monaten sowie der Mordversuch an einer Unterstandslosen mittels Messerattacke in der gleichen Zeit ließen aufmerksam werden.
Die Kronenzeitung fragte: "WAR ES DAS PHANTOM? Wienerberg: Obdachloser lag enthauptet in Gebüsch"[183], die Tageszeitung Heute schrieb, "die Polizei geht jedenfalls von einem Serientäter aus und jagt nun ein Phantom, das immer in der Nacht zuschlägt."[184]
Noch am gleichen Tag legte die Tageszeitung Heute unter "Leiche ohne Kopf! Serien-Killer versetzt Wien in Angst" nach:
Die Obduktion des Leichnams sollte in den kommenden Tagen durchgeführt werden, da die Identität des Sandlers noch nicht geklärt werden konnte. DNA sollte die Leiche eindeutig identifizieren.
Auch die bis dahin knapp 50 Hinweise nach Auslobung der 10.000 Euro Belohnung durch die Polizei hatten noch keine Spur auf den Serientäter erbracht.
Vorarlberg Online kommentierte:
Die Bild-Zeitung schrieb unter dem Titel "Obdachloser lag enthauptet im Gebüsch" von einer "Mysteriöse[n] Mordserie"[187], der Tagesspiegel unter dem Titel "Geköpfte Leiche entdeckt: Mysteriöse Mordserie in Wiener Obdachlosenmilieu":
Im September 2023 wurde der mutmaßliche Obdachlosenmörder infolge seiner Drogensucht polizeiauffällig.[189]
Am Montag, den 18. September 2023 attackierte er in Wien-Ottakring nach einem Streit seine Mutter in deren kleinem Haus und verletzte sie durch Schläge und als sie am Boden lag durch Tritte ins Gesicht schwer. Nachbarn und Passanten, welche aus dem Haus Hilfeschreie hörten, eilten herbei und alarmierten gegen 14.45 Uhr die Polizei.[190] Im Prozess sagten die Zeugen aus, dass der Jugendlich völlig außer sich war und offenbar unter dem Einfluss von Drogen stand.[191]
Die 56-Jährige musste nach dem Gewaltexzess von Einsatzkräften der Berufsrettung Wien notfallmedizinisch versorgt und in ein Spital gebracht werden. Der 17-jährige mutmaßliche Obdachlosenmörder wurde vorläufig festgenommen, aber gleich wieder enthaftet und einem Krisenzentrum in Wien-Währing übergeben:[193]
Ab Montag, dem 2. Oktober 2023 begannen die Stadtpolizeikommandos in Wien mit der Durchführung der ersten Aktionswoche "Coffee with Cops". Gestartet hatte die Aktion an einem Tag im Juli auf 28 Bahnhöfen in ganz Österreich. Während der Aktionswoche in Wien wollte die Polizei nun an Orte gehen, wo die Bevölkerung im Grätzl oft zusammen kommt, so auf dem Neuen Mark, Am Graben, am Riesenradplatz am Wurstelprater, am Grätzlzentrum Einsiedlerplatz, auf dem Gertrudplatz, auf dem Hannovermarkt, auf dem Liesinger Markt, im Pötzleinsdorfer Schlosspark, auf dem Rennbahnweg, auf der Kundratstraße, auf der Favoritenstraße, an der U-Bahn-Station Gasometer, an der Verkehrsstation Wien Simmering und natürlich wieder am Praterstern. Vor allem wurde versucht, durch diese flächendeckende Präsenz das Sicherheitsgefühl zu verbessern. Auch hoffte man auf neue Hinweise auf das "Obdachlosen-Phantom". Dabei war der Gesuchte bereits am 6. August 2022[195] und am 18. September 2023[196][197] im Zusammenhang mit anderen Delikten in Gewahrsam genommen, aber wieder freigelassen worden. Bis zum Freitag, den 6. Oktober 2023 gab es an 32 Orten täglich zwischen vier und acht Aktionen.[198][199][200]
Da die Wiener Polizei trotz der seit Juli 10.000 ausgelobten Euro und der großangelegten Aktionswoche Anfang Oktober noch immer keine brauchbaren Hinweise auf das "Obdachlosen-Phantom" hatte, veröffentlichte sie am Mittwoch, den 18. Oktober notgedrungen Material aus den Überwachungskameras, obwohl sie mit einem solchen Schritt sonst vergleichsweise sehr zurückhaltend ist. Die Person wurde am 9. August in der Zeit zwischen 1.19 und 1.40 Uhr wahrgenommen. Aufgrund der räumlichen und zeitlichen Nähe zu dem dritten Tatort war diese Person von "besonderem polizeilichen Interesse".[201] Die Kronenzeitung veröffentlichte das Fahndungsvideo in einer Länge von 1 min 3 sec und schrieb dazu:
Noch am gleichen Tag legte die Zeitung nach und veröffentlichte unter dem Titel "TÄTER AUF KAMERA? Obdachlosen-Morde: Polizei hat erste heiße Spur" ein Video bei krone.tv mit einer Länge von 1 min 39 sec.[203]
Im Ergebnis dieser neuerlichen Medienjagd nach dem Serientäter gingen zahlreiche Hinweise dazu ein:
Mit solchen Aktionen und Aussagen wollte die Polizei ihren erheblich gewordenen Ermittlungsdruck an den Serientäter weiterleiten. Eine konkrete Spur zu ihm gab es noch nicht.
Obwohl die Polizei von Anfang an bei ihren Ermittlungen einen immer wieder kolportierten jugendlichen Täter ausgeschlossen hatte[205], meldete sich am Montag, den 11. Dezember 2023 gegen 15 Uhr 30 ein 17-jähriger Jugendlicher zusammen mit seinem Anwalt bei der Polizeiinspektion Leyserstraße im 14. Bezirk (Penzing) und stellte sich als der gesuchte Obdachlosenmörder. Zum Zeitpunkt der Taten war er sogar erst 16 Jahre alt. Die ersteinschreitenden Polizeibeamten überstellten ihn sofort an das Landeskriminalamt Wien im Polizeigebäude Rossauer Lände im 9. Wiener Gemeindebezirk Alsergrund. Die Polizei führte die Aufgabe des mutmaßlichen Täters natürlich in erster Linie auf den öffentlichen Fahndungsdruck zurück. Des Weiteren gab der Jugendliche an, mit der Last nicht mehr leben zu wollen. Die Aufgabe des mutmaßlichen Serientäters hing wahrscheinlich aber eher damit zusammen, dass er schon zwei Tage später, am Mittwoch, den 13. Dezember 2023 einen Strafprozesstermin wegen dem Gewaltexzess gegen seine Mutter hatte. Die Vernehmungen ergaben ein umfangreiches Geständnis des mutmaßlichen Obdachlosenmörders. Ein Aufmerksamkeit erheischender Jugendlicher konnte infolge der Detailkenntnisse ausgeschlossen werden. Bereits kurz vor 17 Uhr ordnete die Staatsanwaltschaft Wien die Festnahme und zwei Hausdurchsuchungen an: in dem Kinderzimmer des tatverdächtigen Jugendlichen bei seinem Vater sowie im Krisenzentrum im 18. Bezirk in Währing, wo der Jugendliche seit September 2023 untergebracht war.[206][207][208][209][210][211][212][213][214][215][216]
Für den 13. Dezember 2023 war bereits seit längerer Zeit ein Termin wegen dem Gewaltexzess des mutmaßlichen Serientäter gegen seine Mutter angesetzt. Nach der Pressekonferenz der Polizei Wien tags zu zuvor erregte dieser ansonsten unscheinbare Termin nun eine gesteigerte auch internationale mediale Aufmerksamkeit.[217][218][219]
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