Maßnahmen nach dem Putschversuch in der Türkei 2016
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Die türkische Regierung unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und Ministerpräsident Binali Yıldırım leitete nach dem Putschversuch am 16. Juli 2016 weitreichende Maßnahmen in allen Sektoren des Landes ein, darunter massenhafte Entlassungen und Verhaftungen sowie Eingriffe in die Presse- und Medienlandschaft.
Die Regierung beschuldigt die „FETÖ“, Drahtzieherin des Putschversuches zu sein. Innerhalb von wenigen Tagen wurden rund 44.500 Staatsbedienstete suspendiert. Mehr als 13.000 Menschen – vorwiegend Soldaten, Polizisten, Richter und Staatsanwälte, die mit den Putschisten zu tun haben sollen – wurden festgenommen. Am 21. Juli 2016 rief die Regierung einen dreimonatigen Notstand (olağanüstü hal) für die gesamte Türkei aufgrund einer politischen Krise nach Art. 120 der Verfassung und Art. 3 Abs. 1 lit. b des Notstandsgesetzes aus. In den Fällen des Notstands erlaubt Art. 15 der Verfassung, den Gebrauch der Grundrechte und -freiheiten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes teilweise oder vollständig auszusetzen. Der Notstand steht eine Stufe unter der von den Putschisten kurzzeitig ausgerufenen Ausnahmezustandsverwaltung (sıkıyönetim). Per Rechtsverordnung mit Gesetzeskraft wurden eine Woche nach dem gescheiterten Putschversuch 2.341 Institutionen wie Privatschulen, gemeinnützige Einrichtungen, Gewerkschaften, Universitäten und medizinische Einrichtungen aufgelöst.[1] Stand Anfang November 2016 wurden nach dem Putschversuch insgesamt 110.000 Beamte, Soldaten, Polizisten und Richter suspendiert oder inhaftiert.[2] Nach türkischen Regierungsangaben vom März 2019 wurden seit dem Putschversuch ca. 500.000 Menschen inhaftiert, von denen ca. 30.000 zum Zeitpunkt der Angaben in Haft saßen.[3] Erdogan berichtete im April 2019 von 31.000 Mitarbeitern der Polizei, sowie 15.000 Angehörigen des Militärs, die seit dem Putsch ihres Amtes enthoben worden.[3] In der ersten Juliwoche 2019 waren Anadolu zufolge 282 Menschen türkeiweit festgenommen worden, die angeblich in Verbindung mit der Gülen-Bewegung stehen, die von der türkischen Regierung der FETÖ zugehörig betrachtet und als Feindbild propagiert wird.[3] Die Woche zuvor, Ende Juni, gab es 200 Festnahmen aus denselben Gründen.[3]
Am 15. Juli 2019, dem dritten Jahrestag des Putschversuchs, hieß es, dass 2000 Angeklagte zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden.[4] Am 26. November 2020 wurden weitere 337 Angeklagte zu lebenslangen Freiheitsstrafen und 60 zu zeitigen Freiheitsstrafen verurteilt.[5]
Stand März 2021 waren nach offiziellen Angaben 20.500 Mitarbeiter der türkischen Streitkräfte im Zuge der Maßnahmen nach dem Putschversuch vom Dienst enthoben worden.[6]