Loading AI tools
bauliche Einrichtungen zur Regelung und Kontrolle des Personen- und Güterverkehrs in die und aus der Stadt Leipzig, die anfangs auch Verteidigungsfunktionen hatten Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Leipziger Stadttore waren vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert bestehende bauliche Einrichtungen zur Regelung und Kontrolle des Personen- und Güterverkehrs in die und aus der Stadt Leipzig, die anfangs auch Verteidigungsfunktionen hatten. Zu den vier Haupttoren und den fünf bekannten Pforten durch die Stadtmauer kamen später noch etliche sogenannte äußere Tore, die als Nebentore die Zufahrtsstraßen der Stadt kontrollierten. Von allen Toren ist an ihren Standplätzen nichts mehr erhalten.
Die Stadt war seit dem Mittelalter von zwei unterschiedlich hohen Mauern umgeben, wobei die höhere innen war. Zwischen den Mauern lag der rings um die Stadt begehbare Zwinger und vor der Außenmauer der wassergefüllte Stadtgraben. An vier Stellen gab es Tore mit Zugbrücken. An den Toren war die Stadtmauer zur besseren Verteidigung mit hufeisenförmigen Ausbauten versehen. Außerdem existierten einige kleine Pforten.
Nach der Belagerung Leipzigs im Schmalkaldischen Krieg wurde die Stadtbefestigung Mitte des 16. Jahrhunderts insbesondere durch vorgelagerte Bastionen – hier Basteien genannt – erweitert. Ein hauptsächlich unterirdisch erhaltener Rest einer solchen Anlage existiert bis heute in Gestalt der Moritzbastei in der Südostecke der Altstadt am Innenstadtring, der größtenteils den äußeren Verlauf der ehemaligen Stadtmauer markiert. Die Verstärkung der Stadtbefestigung erforderte auch die Umgestaltung der Tore. Diese wurden zum Teil neu errichtet und enthielten nun auch Turmbauten. Nach dem Dreißigjährigen Kriege kam es zu weiteren Ergänzungen der Stadtbefestigung und zu Erneuerungen der Tore. Nachdem 1763 Kurfürst Friedrich August II. aus den Erfahrungen des Siebenjährigen Krieges wegen des Verlusts ihrer militärstrategischen Bedeutung den Abbruch der Stadtbefestigung verfügt hatte, begann man in den 1770er-Jahren mit deren Beseitigung. Die Stadttore blieben aber zunächst erhalten. Wegen der Ausbreitung der Stadt wurden sie durch äußere Stadttore an den wichtigsten Zufahrtsstraßen in die Stadt ergänzt. Diese Nebentore verloren in den Gründerjahren schließlich auch ihre Bedeutung. Die historischen Haupttore wurden Anfang des 19. Jahrhunderts zum Verkehrshindernis und zwischen 1822 und 1831 bis auf das Peterstor abgetragen, das aber 1860 folgte. Manche Nebentore blieben noch eine Zeitlang erhalten, sofern sie kein Hindernis für den Verkehr darstellten und der Umgestaltung der Vorstädte ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht im Wege standen. So wurden das Hintertor an der Schützenstraße 1843 und das Zeitzer Tor erst 1856 abgerissen.[1][2]
Das Tor-Reglement hatte sich im Verlaufe von Jahrhunderten ausgebildet und ist ein Spiegelbild der Bedeutung der vier Haupttore an der Via Regia und der Via Imperii für Leipzig als Handels- und Messestadt.
Zunächst galt im Mittelalter mit dem Passieren der Tore in die eine oder andere Richtung verschiedenes Recht. Das Stadtrecht endete im Prinzip für Personen, Verkehr, Handwerk und Handel an den Stadttoren. Außerhalb der Stadttore und auf den Straßen und Wegen galt das Landrecht des Landesherrn oder des jeweiligen Grundherrn. Aufgrund seiner günstigen Lage am Schnittpunkt zweier mitteleuropäischen Altstraßen war Leipzig mit besonderen Privilegien bedacht. Von diesen Privilegien und dem bis fast in die Neuzeit herrschenden Straßenzwang hatte die Stadt enorme Vorteile. Für den Warenumschlag ausschlaggebend waren insbesondere das Stapelrecht der Stadt und das kaiserliche Messeprivileg von Maximilian I. aus dem Jahr 1497, 1507 erneuert und erweitert, welches im Umkreis von 15 deutschen Meilen (ca. 115 km) die Konkurrenz anderer Städte – vor allem von Erfurt und Halle (Saale) – in Schach hielt. Der Handel und Personenverkehr war somit auf Leipzig gelenkt.
An den Stadttoren als Ausgangs- und Endpunkte der Handelsstraßen und Landwege wurden die Warentransporte in die Stadt und aus der Stadt kontrolliert und hier eigentlich nur registriert, wofür städtische Torschreiber und Messassistenten zuständig waren. Diese stellten Zettel aus, was ein Fuhrwerk, Karren oder Lasttier geladen hatte. Die fälligen Zölle wurden erst am Markt erhoben, nachdem die Waren in der Alten Waage gewogen und die Abgabe oder Akzise berechnet war. Außerdem gab es für das Feilbieten der Ware am Markt das sogenannte „Budengeld“, das die Markthändler zu entrichten hatten. Bei der Ausreise wurde anhand der ausgestellten Quittungen der Marktaufseher oder der Stadtkasse durch die Torwächter wiederum kontrolliert, ob ein Händler alle Zölle und Abgaben ordnungsgemäß abgeführt hatte. Solche Tor-Quittungen sind heute wichtige historische Quellen, um die Warenströme und den Personenverkehr in die und aus der Stadt über Jahrhunderte rekonstruieren zu können.
An den Toren wurden aber auch Personen kontrolliert. So wurden die Namen der ankommenden Reisenden bei der Abfertigung an den Toren täglich in einem Verzeichnis, dem „Torzettel“, veröffentlicht. An allen Stadttoren wurde außerdem eine Gebühr fällig, die sich „Torgroschen“ nannte und eine Art Eintrittsgeld in die Stadt darstellte. Das war eine alte Einrichtung ähnlich dem Brückenzoll. Von den Einnahmen sollte sich ursprünglich der Unterhalt der Tore und der Stadtbefestigung finanzieren. Davon wurden ferner die Torschreiber, die Torwächter und die sogenannten „Schlagzieher“ an den äußeren Toren für das Betätigen der Schlagbäume oder Öffnen der Tore entlohnt. Vergleichbar ist diese Abgabe auch mit Wegezöllen, deren Erhebung mit dem Unterhalt der später zu Chausseen ausgebauten Altstraßen begründet wurde.
Die Freizügigkeit im Personen- und Warenverkehr war bis 1824 buchstäblich nicht schrankenlos und stieß letztlich an den vier inneren Stadttoren auf erhebliche Hürden. Obwohl die Stadtmauer Ende des 18. Jahrhunderts fast gänzlich beseitigt war, bestand an vielen Stellen noch immer der davor gelegene Stadtgraben. Über diesen führten Brücken zu den Haupttoren, die damit auch in dieser Situation den Zugang zur Altstadt kontrollierten. Aus Sicherheitsgründen wurden die Stadttore nachts geschlossen. Das geschah im Sommer nach 21 Uhr und im Winter um 16.30 Uhr. Wer während der Schließzeit die Stadt betreten oder verlassen wollte, musste ab dem 17. Jahrhundert den besagten Torgroschen entrichten. Diese allgemein verhasste Abgabe wurde 1824 im Zuge des Wegfalls der Binnenzölle überall im Königreich Sachsen abgeschafft. Anlässlich dessen kam es in der Bevölkerung und besonders unter den Leipziger Studenten zu spontanen Freudenfesten. Als Nachtschwärmer in die Lokale der Vorstädte und Dörfer im Umland (v. a. Eutritzsch, Gohlis, Reudnitz) hatten sie den Torgroschen immer abgelehnt. Die Aufhebung des Torgroschens, die Schleifung der Stadttore und nicht zuletzt die allmähliche Verfüllung des Stadtgrabens markierten den Beginn des Zusammenwachsens der Leipziger Altstadt mit ihren Vorstädten.
Als innere Tore werden jene bezeichnet, die im Zuge der Stadtmauer lagen und die historischen Zugänge zur alten Stadt bildeten. Da sich in Leipzig die alten Handelsstraßen Via Regia und Via Imperii kreuzten, waren diesen vier Haupttore zugeordnet, die auch etwa mit den Himmelsrichtungen übereinstimmten. Von diesen Toren aus begannen mit Pflaster befestigte Straßen, sogenannte Steinwege, die ihren Namen nach dem Tor hatten und welche bis auf den Hallischen auch jetzt noch als Straßennamen dienen. Nach den Toren wurden auch die vier Stadtviertel der Innenstadt und die Vorstädte vor den Toren benannt. Diese Vorstädte waren alte städtische Siedlungen außerhalb der Altstadt, die sich unmittelbar vor der Stadtmauer ausbreiteten.
Außer den Toren hatte die Stadtmauer noch einige Durchbrüche für den Personenverkehr. Sie dienten wegen der großen Abstände der Stadttore vor allem dem Erreichen der westlichen, zur Pleiße gelegenen Promenaden.
Die äußeren Stadttore wurden zunächst notwendig, als sich die Stadt über ihre Mauern hinaus ausbreitete, und verloren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Sinn, als auch diese vom Stadtwachstum überrollt wurden. Sie waren baulich nicht so aufwendig gestaltet wie die inneren Stadttore und bestanden meist nur aus Wachhäuschen und Toren mit einfachen Flügeln oder Schlagbäumen.
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.