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italienisches Theaterstück aus dem 16. Jahrhundert Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
La Calandria ist eine Komödie in fünf Akten von Bernardo Dovizi da Bibbiena, die am 6. Februar 1513 am Hof von Urbino uraufgeführt wurde. Sie zählt zu den bedeutendsten Komödien des 16. Jahrhunderts.
Ähnlich Ludovico Ariostos La Cassaria (1508) werden zunächst Stilfragen geklärt, um eventueller Kritik zuvorzukommen. Die Zuschauer werden darauf hingewiesen, dass es sich bei La Calandria um eine moderne Komödie handle, d. h. um eine Komödie, die weder in Versen (sondern in Prosa) noch auf Latein (sondern in volgare) verfasst ist. Die sprachliche Innovation wird damit begründet, dass
Die unglaubliche Dummheit des Protagonisten Calandro wird im Prolog gegen den eventuellen Vorwurf der mangelnden Glaubwürdigkeit verteidigt. Zur Rechtfertigung wird auf einen gewissen als äußerst dumm geltenden Martino da Amelia verwiesen. Schließlich wird La Calandria gegen eventuelle Plagiatsvorwürfe verteidigt. Die Intention des Autors sei es, sich mit Plautus zu messen, nicht jedoch ihn „abzukupfern“. Dies sei der Grund, warum es in La Calandria an nichts von dem fehle, was in Plautus’ Komödien bereits angelegt sei.
In diesem Abschnitt wird die Vorgeschichte der Komödie vorgetragen. Demetrio aus Methoni ist Vater von Zwillingen, den Knaben Lidio und das Mädchen Santilla, beide sind sich zum Verwechseln ähnlich. Der Vater stirbt als die Kinder sechs Jahre alt sind. Als die Türken Methoni (ca. 1500) erobern und brandschatzen, wird Santilla von ihrer Amme und von ihrem Diener Fannio in Sicherheit gebracht. Da flüchtige, auf sich selbst gestellte Frauen völlig entrechtet sind und man Santillas Zwillingsbruder für tot hält, verkleiden die Amme und Fannio sie als Mann und nennen sie Lidio. Auf der Flucht werden die drei gefangen genommen und nach Konstantinopel gebracht. Perillo, ein wohlhabender florentinischer Kaufmann, kauft die drei frei und bringt sie zu sich nach Hause nach Rom. Eines Tages jedoch entschließt sich Perillo den vermeintlichen Lidio mit seiner Tochter zu verheiraten. Der echte Lidio ist indessen mit seinem Diener Fessenio von Methoni nach Florenz geflohen. Im Alter von 17 Jahren reist auch er nach Rom. Dort verlieben er und Fulvia sich ineinander. Um Fulvia besuchen zu können, muss sich Lidio als Frau verkleiden. Nach zahlreichen Verwechslungen erkennen sich Lidio und Santilla wieder. Die Zuschauer werden ermahnt, Lidio und Santilla nicht zu verwechseln, da beide von derselben Statur seien, dieselbe Kleidung trügen und auf dieselbe Art und Weise redeten und gestikulierten. Zum Schluss noch ein Seitenhieb auf Rom: Die Zuschauer sollten sich nicht wundern, dass all die auftretenden Römer so plötzlich auf der heimischen Bühne zu sehen seien. Dies sei nicht irgendwelcher Magie oder Hexerei geschuldet, sondern der Tatsache, dass die Bühne und der Hintergrund Rom seien. Das einst so große Rom passe heute leicht in jede Stadt.
Als Lidio erfährt, dass seine Schwester Santilla die Flucht vor den Türken überlebt hat, lässt er nach ihr suchen. Schließlich bringt er in Erfahrung, dass sie in Italien lebt und sucht sie nun schon seit vier Monaten in Rom. Auf der Suche nach seiner Schwester hat er Fulvia, die Frau des äußerst wohlhabenden aber ebenso einfältigen Calandro kennen und lieben gelernt, wobei gewiss auch pekuniäre Interessen eine Rolle spielen. Mittags besucht er sie daraufhin als Santilla verkleidet, um sich mit ihr ungescholten vergnügen zu können. Damit die Liebesaffäre nicht auffliegt, gibt Lidio vor, abreisen zu wollen, wohl, ohne dies mit Fulvia abgesprochen zu haben, denn sie verzehrt sich bei dieser Nachricht vor Liebe zu ihm. Da sie glaubt, Lidio von seinem vermeintlichen Vorhaben abbringen zu müssen, trägt sie dem als Magier geltenden Scharlatan Ruffo auf, diesen zu verhexen und ihr auf diese Weise gefügig zu machen. Sollte Ruffo dies gelingen, würde sie ihn großzügig belohnen. Da Ruffo mit der sich als Lidio ausgebenden Santilla bekannt ist, ohne jedoch ihre wahre Identität zu kennen, hält er die Erfüllung ihres Anliegens für ein Kinderspiel. Indessen hat sich Calandro im Laufe der zahlreichen Besuche des als Santilla verkleideten Lidio unsterblich in dessen Alter Ego verliebt. Fessenio, der nun auch als Diener Calandros arbeitet, verspricht seinem Herrn, ihn mit „Santilla“ (eigtl. Lidio) zusammenzubringen.
Die sich als Lidio ausgebende Santilla befindet sich in einer heiklen Situation. Einerseits hat die männliche Identität ihr Leben gerettet, andererseits hat Perillo, ihr Herr, in ihr einen so guten und treuherzigen Menschen gefunden, dass er nun beabsichtigt, sie mit seiner Tochter Verginia zu verheiraten und sie auf diese Weise zu seinem Erben zu machen. Die Hochzeit soll am nächsten Tag bzw. in zwei Tagen stattfinden. Fulvia sieht „Lidio“, d. h. die als Lidio verkleidete Santilla auf der Straße und schickt ihre Dienerin Samia zu ihr. Da Santilla weder Fulvia noch Samia kennt, verhält sie sich gegenüber Samia äußerst schroff. Nachdem Samia abgegangen ist, begegnet Santilla Ruffo, der versucht, sie bzw. „ihn“ für sein Vorhaben zu gewinnen. Santilla ist interessiert, da der evtl. nach ihr suchende Perillo sie unmöglich im Hause Fulvias vermuten wird und sie sich mit dem Schweigegeld, dass Fulvia ihr für den Ehebruch zahlen wird, von Perillo freikaufen kann. Indessen unterbreitet Fessenio Calandro seine Pläne. Um nicht entdeckt zu werden, solle Calandro in einen Tresor steigen. Er würde in dem Tresor zu „Santilla“, d. h. dem als Santilla verkleideten Lidio gebracht werden. Fessenio erzählt wiederum Lidio, er solle sich als Frau herausgeputzt in seinem Haus auf Calandro warten. Wenn es zum Geschlechtsverkehr komme, solle Lidio die Fenster schließen und das Zimmer verdunkeln. Eine Prostituierte würde sich dann zu Calandro legen. Calandro begibt sich indessen zu einem gewissen Menicuccio, bei dem sich der Tresor befindet.
Während Calandro im Tresor liegt, trifft sich Fessenio mit der Prostituierten und dem Träger. Dem Träger hatte Fessenio erzählt, in dem Tresor befinde sich kostbare Ware. Als der Tresor zu Lidios Haus gebracht wird, werden die vier von Zöllnern aufgehalten. Um seinen Plan dennoch durchführen zu können, erzählt Fessenio den Zöllnern, im Tresor befinde sich die Leiche eines Pestkranken, die in einen nahe gelegenen Fluss geworfen werden soll. Da Calandro ob dieser Behauptung beginnt, sich zu regen und zu beklagen, ergreifen alle bis auf Fessenio und Calandro entsetzt die Flucht. Nun lässt Fessenio Calandro zur Tarnung den Tresor zu Lidio tragen. Da sich Calandro nicht im Tresor befindet, wird er Lidio bzw. Santilla bei Tageslicht sehen. Lidio bzw. „Santilla“ wird sich deshalb von Calandro einige Küsse gefallen lassen müssen, was aber laut Fessenio nicht weiter schlimm sei, da Lidio hinterher die Küsse Fulvias umso besser gefallen würden. Für den Fall, dass es schließlich zum Geschlechtsverkehr zwischen Calandro und Santilla kommen sollte, würde die Prostituierte Lidios Haus über den Hintereingang betreten. Samia erzählt ihrer Herrin indes von ihrer Begegnung mit „Lidio“ (eigtl. Santilla). „Lidios“ Verhalten wird als Verachtung gegenüber Fulvia gedeutet. Ruffos Zauber, so folgert Fulvia, habe keine Wirkung gezeigt. In ihrer Verzweiflung entschließt sie sich als Mann verkleidet Lidio aufzusuchen, um durch ihre Klagen sein Herz zu erweichen. Fulvia erwischt jedoch ihren Mann beim Geschlechtsverkehr mit der Prostituierten. Ihre Verkleidung als Mann begründet sie mit ihrer Keuschheit. Sie wollte die Blicke der Männer nicht auf sich ziehen. Fessenio, der den Streich mit Calandro u. a. ausgeheckt hatte, um ihn des Ehebruchs zu überführen, ist von der Entschlossenheit, mit der Fulvia Lidio liebt, gerührt, und verspricht ihr, Lidio werde sich in Kürze zu ihr begeben. Fulvia scheint jedoch kein Risiko eingehen zu wollen und schickt Samia zu Ruffo. Dieser schickt sie wiederum zu „Lidio“ (eigtl. Santilla), der sich aufgrund der Ermahnungen Ruffos und Fannios (Fannio kennt Samia bereits – woher, wird in der Komödie nicht verraten) ihr gegenüber freundlicher verhält. Von Samia erfährt „Lidio“, dass „er“ sich als Frau verkleidet zu Fulvia begeben soll, was „dieser“ auch tut. Damit Santillas Identität unerkannt bleibt, behauptet Fannio gegenüber Ruffo, „Lidio“ sei ein Zwitter. Der als Frau verkleidete Lidio und Santilla erreichen fast zeitgleich Fulvias und Calandros Haus. Calandro erblickt Lidio und verfolgt diesen. Während Lidio nachhause flüchtet, um sich in neuen Gewändern erneut zu seiner Geliebten zu begeben, kann Santilla unbeobachtet das Haus Fulvias betreten.
Inzwischen hatte Fulvia mit „Lidio“ Geschlechtsverkehr und dabei festgestellt, dass dieser weiblichen Geschlechts ist. Ruffo beruhigt sie, er könne Lidio bzw. dessen Geist in einen Mann verwandeln. Lidio bzw. dessen Geist sei als Frau erschienen, da Fulvia dies so von ihm verlangt habe. Ruffo wiederum schickt „Lidio“ erneut zu Fulvia. Diesmal solle er, da er angeblich ein Zwitter sei, sein männliches Geschlecht verwenden. Als Fannio und Santilla allein sind, legt Fannio seiner Herrin seinen Plan dar. Beide würden, wenn sie zu Fulvia gingen dieselbe (männliche) Kleidung tragen. Zuvor lässt Ruffo Samia ihrer Herrin einen Brief überbringen, in dem er ihr verspricht, dass Lidio bzw. dessen Geist diesmal mit männlichem Glied bei ihr auftauchen werde. Samia begegnet auf dem Heimweg Fessenio und liest ihm aus dem Brief vor. Fessenio glaubt an ein Wunder, da Fulvia dem Brief nach zu urteilen eigenhändig festgestellt haben will, dass Lidio weiblichen Geschlechts ist.
Als Samia nach der Übergabe von Ruffos Brief Lidio das Geld aushändigen soll, trifft sie zugleich auf den als Frau verkleideten Lidio und auf Santilla. Da sich Samia nicht entscheiden kann, wer von beiden der echte Lidio ist, entschließt sie sich, zu ihrer Herrin zurückzukehren. Während Lidio sich auf den Weg zu Fulvia macht, wartet Santilla auf Fannio. Fessenio, der sich in ihrer Nähe befindet, vernimmt ihre Klagen angesichts des zu Scheitern drohenden Plans. Indem Santilla ihre Vergangenheit verflucht und ihren Geburtsort nennt, glaubt Fessenio in ihr den durch Ruffo in eine Frau verwandelten Lidio zu sehen. Als Fessenio auf Santilla zugeht, diese als ihren Herrn anspricht und, da Santilla ihn nicht als seinen Diener erkennt, weitere Details über seine Identität und seines Herrn preisgibt, begreift Santilla allmählich, dass es sich bei Fessenio um den Diener ihres tot geglaubten Bruders handelt. Lidio, der unterwegs zu Fulvia Fessenio erblickt hat, ruft diesen zu sich. Anhand bestimmter Merkmale erkennt Fessenio, dass es sich bei ihm um seinen echten Herrn handelt und wünscht diesem Glück bei seinem Vorhaben. Während Lidio seinen Weg zu Fulvia fortsetzt kehrt Fessenio zu Santilla und Fannio zurück. Santilla und der inzwischen hinzugekommene Fannio geben diesem gegenüber ihre wahre Identität preis. Nach dieser Wiedererkennungsszene eilt Samia herbei und berichtet, die Brüder Calandros hätten Fulvia zusammen mit Lidio gesehen und suchten wiederum nach Calandro und Fulvias Brüdern um Fulvia bloßzustellen. Fulvia habe nicht die Flucht ergriffen, da sie glaube mit Hilfe von Ruffos Zauber Lidio rechtzeitig in eine Frau verwandeln zu können. Da die Brüder Calandros jederzeit mit Calandro und den Brüdern Fulvias eintreffen könnten, ersinnt Fessenio folgenden Plan: Santilla bzw. „Lidio“ solle sich in den Gewändern Fannios kleiden und Fannio wiederum in den Gewändern „Lidios“. Der Fortgang des Plans wird durch die Handlung deutlich: Während Fannio auf den Ausgang der Ereignisse wartet, führt Fessenio Santilla bzw. „Lidio“ zu Fulvias Haus und schmuggelt diesen über ein Fenster in das Zimmer, in dem sich Fulvia und der als Frau verkleidete Lidio befinden. Santilla tauscht mit Lidio Fannios Gewand. Sie selbst zieht Lidios Frauengewänder an. Nach dem Tausch verlässt Lidio das Zimmer über das Fenster. Daraufhin treffen Calandro und seine Verwandten und Verschwägerten ein. Die Enthüllung der Brüder Calandros löst sich in Wohlgefallen auf. Santilla wird nach Feststellung ihrer Geschlechterzugehörigkeit freundlich verabschiedet. Nachdem sie Fulvias Haus verlassen hat, erkundigt sie sich nach ihrem Bruder. Santilla gibt sich Lidio zu erkennen und stellt ihm Fannio vor, an den sich Lidio im Nu erinnert. Fessenio wiederum verrät Fulvia die wahre Identität „Lidios“, d. h. Santillas. Die Ähnlichkeit kommt Fulvia gelegen, da sie zum einen ihren Sohn Flaminio mit Santilla verheiraten kann und zum andern Lidio sie auf diese Weise unentdeckt besuchen und sich mit ihr vergnügen kann. Fannio empfiehlt Lidio wiederum Verginia, die Tochter von Santillas Herrn, Perillo, zu heiraten. Auf diese Weise können Lidio und Santilla zu Reichtum gelangen. Am Ende wendet sich Fessenio an die Zuschauer: Die Hochzeit von Lidio und Verginia finde erst am nächsten Tag statt. Wer diese noch sehen wolle, bleibe sitzen, der Rest solle das Theater verlassen, da in der nächsten Zeit auf der Bühne nichts weiter geschehen werde.
Neben Plautus’ Menaechmi ist Boccaccios Decamerone (~1349–1353) die Hauptinspirationquelle für Bibbienas La Calandria.
Jack D’Amico: Drama and the Court in La "Calandria". In: Theatre Journal 43 (1991), S. 93–106.
Giulio Ferroni: I due gemelli greci a Roma. Il doppio e la scena nella "Calandria" del Bibbiena. In: Studi Romani 28.1 (Ja.-Mar 1980), S. 23–33.
Angela Guidotti: Il doppio gioco della "Calandria". In: MLN 104, 1, Italian Issue (1989), S. 98–116.
Eberhard Leube: Zum Strukturproblem der "Calandria". In: Italien und die Romania in Humanismus und Renaissance. Festschrift für Erich Loos zum 70. Geburtstag. Hg. v. Klaus W. Hempfer / Enrico Straub. Wiesbaden 1983, S. 122–133.
Ronald L. Martinez: Etruria Triumphant in Rome: Fables of Medici Rule and Bibbiena’s "Calandra". In: Renaissance Drama, Vol. 36/37, Italy in the Drama of Europe (2010), S. 69–98.
Pamela D. Stewart: A Play on Doubles: The "Calandria". In: Modern Language Studies 14, 1 (1984), S. 22–32.
Jörn Steigerwald: Liebes- und Verwandlungszauber: Bibbienas "La Calandria". In: Kunst der Täuschung – Art of Deception. Über Status und Bedeutung von ästhetischer und dämonischer Illusion in der Frühen Neuzeit (1400–1700) in Italien und Frankreich. Von Kirsten Dickhaut (Hrsg.). Wiesbaden 2016, S. 349–372.
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