Holznot
aus Wikipedia, der freien encyclopedia
Als Holznot wird eine bestehende oder unmittelbar bevorstehende Versorgungskrise beim Rohstoff Holz (Brennholz oder Bauholz) bezeichnet. Insbesondere wird der Begriff für Mitteleuropa angewandt, wo eine starke Verknappung seit dem 16. Jahrhundert bis in das frühe 19. Jahrhundert in zahlreichen Quellen behandelt wird. So wurden in fast allen deutschen Regionen eine Holzverknappung sowie daraus resultierende Holzsparmaßnahmen zu einem wichtigen Thema.[1] Während in der Forst- und Geschichtswissenschaft deshalb eine Holznot als solche lange Zeit nicht bestritten wurde, begann 1986, ausgelöst durch den Umwelthistoriker Joachim Radkau,[2] eine jahrelange Forschungskontroverse („Holznotdebatte“[3]) über Existenz, Ausmaß sowie räumliche und soziale Auswirkungen der vermeintlich oder tatsächlich existierenden Holznot sowie der zugehörigen ideologischen wie wirtschaftlichen Hintergründe.[4][5] Als Opponent Radkaus trat dabei zunächst vor allem Rolf Peter Sieferle hervor; später erschienen zahlreiche Schriften, die Radkaus Kernaussage erweiterten, relativierten oder die Entwicklung in bestimmten Regionen untersuchten.
In der Forstgeschichte des 20. Jahrhunderts war es herrschende Lehre, die Holznot sei ein Problem aller sozialen Schichten in ganz Europa gewesen,[6] eine These, die mittlerweile als widerlegt gilt. Unstrittig ist, dass Holz spürbar knapp war und dass es zahlreiche Innovationen zum Einsparen von Holz gab.[7] Jüngere Studien betonen, dass der Holzmangel Arme stärker traf als Wohlhabende;[8] Reiche waren kaum betroffen. Auch in Städten traten gelegentlich Versorgungskrisen auf, etwa in harten Wintern. Die Holzversorgung in Städten war ein bedeutendes Konfliktfeld der Armenfürsorge.[9]
Geäußerte Befürchtungen über einen künftig drohenden allgemeinen Holzmangel kamen v. a. aus akademischen Kreisen und dienten der Obrigkeit zur Einführung neuer Nutzungsabläufe, erneuerter Gesetzgebung wie auch zur Diskreditierung verschiedener althergebrachter Waldgewerbe und der bäuerlichen Nebennutzung der Wälder. Ebenso hat die öffentliche Debatte um die Holznot wesentlich zur Entwicklung einer modernen Forstwirtschaft beigetragen. In der Folge wurden der deutschsprachige Raum zu einem Vorreiter der Aufforstung und Japan zu einem Pionier der nachhaltigen Forstwirtschaft in Asien.[10]
Ängste vor einer Holznot markieren zeitgleich mit dem „Naturkult“ der Waldromantik zu Zeiten der Aufklärung den Beginn der modernen Umweltbewegung. Die Holznot im 18. Jahrhundert ist ebenso im Umfeld volksaufklärerischer und moralisierender Bemühungen zu sehen. Dabei wurden zum Beispiel Ideenwettbewerbe veranstaltet, bei denen Akademien und gelehrte Gesellschaften die Holznot auch im Themenspektrum Philosophie, Theologie und Ästhetik bis hin zu ökonomischen und staatstheoretischen Fragen besprachen.[11]