Herwig Wolfram studierte von 1952 bis 1957 an der Universität Wien die Fächer Geschichte und Latein und wurde 1957 promoviert. Von 1959 bis 1961 war Wolfram Universitätsassistent am Historischen Institut der Universität Wien und 1962 bis 1969 am Institut für Österreichische Geschichtsforschung. 1966 erfolgte seine Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Er war im Studienjahr 1968/69 Gastprofessor in University of California, Los Angeles, und kehrte danach viele Male als solcher in die USA zurück. Wolfram lehrte vom Wintersemester 1969/70 bis zu seiner Emeritierung zum 1. Oktober 2002 als ordentlicher Professor Mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien. Von 1983 bis 2002 war er Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.
Forschungsschwerpunkte Wolframs sind:
(Früh- und Hoch-)Mittelalter und historische Hilfswissenschaften
Ethnogenesen; sein Werk über die Goten, das teilweise den Anregungen von Reinhard Wenskus folgt, ist zu einem Standardwerk geworden, das von 1979 bis 2009 fünf Auflagen und Übersetzungen ins Amerikanische, Italienische, Französische, Polnische und Russische erlebte.[1]
Frühgeschichte der germanischen Völker, die Umgestaltung der römischen Welt in der Spätantike und die Entstehung der europäischen Völker
Frühmittelalterliche Geschichte des Ostalpen- und Donauraums
Fragen der antiken Kontinuität
Wolfram gab zwischen 1994 und 2006/13 eine 15-bändige Österreichische Geschichte heraus und ist Herausgeber der Buchreihe Frühe Völker im Verlag C. H. Beck. Zu seinen akademischen Schülern zählen Walter Pohl, Helmut Reimitz und Roland Steinacher.
Splendor Imperii. Die Epiphanie von Tugend und Heil in Herrschaft und Reich. Böhlau, Wien 1963.
Intitulation. Band 1: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts. Böhlau, Graz/Wien/Köln 1967, Band 2: Lateinische Herrscher- und Fürstentitel im 9. und 10. Jahrhundert. Böhlau, Graz/Wien/Köln 1972.
mit Christiane Thomas (Hrsg.): Die Korrespondenz Ferdinands I. mit seinen Geschwistern Karl V. und Maria von Ungarn in den Jahren 1531/32 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs. Band3, Teile 1bis3), Böhlau, Wien 1973, 1977, 1984.
Geschichte der Goten. Entwurf einer historischen Ethnographie. C.H. Beck, München 1979, 2. Auflage 1980, unter dem Titel: Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. und 4. und 5. Auflage (1990/2001/2009), Italienische, amerikanische, französische und russische Übersetzungen. Überarbeitet und gekürzt als Beck’sche Sonderausgabe (München 1983).
Die Geburt Mitteleuropas. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung 378–907. Siedler, Berlin 1987, ISBN 3-88680-263-9.
Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter. Siedler, Berlin 1990, 2. Auflage 1992 (= Siedler Deutsche Geschichte). Englische Übersetzung 1997.
Österreichische Geschichte 378–907. Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung. Ueberreuter, Wien 1995, ISBN 3-8000-3524-3.
Salzburg, Bayern, Österreich. Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und die Quellen ihrer Zeit. Oldenbourg, Wien 1995.
Die Germanen (= C.H. Beck Wissen), C. H. Beck, München 1995, 9. überarbeitete Auflage 2009, ISBN 978-3-406-59004-7, polnische (2009) und italienische Übersetzung (2005).
Konrad II. Kaiser dreier Reiche. C. H. Beck, München 2000. Englische Übersetzung, Penn State Press 2006.
Die Goten und ihre Geschichte (= Beck’sche Reihe Wissen), C. H. Beck, München 2001 3. Auflage 2010. Spanische und bulgarische Übersetzungen.
Gotische Studien. Volk und Herrschaft im Frühen Mittelalter. C. H. Beck, München 2005.
Die 101 wichtigsten Fragen. Germanen. C. H. Beck, München 2008.
Origo. Ricerca dell’origine e dell’identità nell’Alto Medioevo (= Labirinti. Band 112), Trento 2008.
mit Georg Kugler: 99 Fragen an die Geschichte Österreichs. Ueberreuter, Wien 2009.
Conversio Bagoariorum et Carantanorum. Das Weißbuch der Salzburger Kirche über die erfolgreiche Mission in Karantanien und Pannonien. Herausgegeben, übersetzt, kommentiert und um die Epistola Theotmari wie um Gesammelte Schriften zum Thema ergänzt. 3. Auflage, Slovenska Akademia Znanosti in Umetnosti, Ljubljana 2013, ISBN 978-3-7086-0793-1.
Das Römerreich und seine Germanen. Eine Erzählung von Herkunft und Ankunft. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2018, ISBN 978-3-412-50767-1.
Tassilo III. Höchster Fürst und niedrigster Mönch. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2016, ISBN 978-3-7917-2792-9.
Arnulf von Kärnten. Eine biographische Skizze (= Relectio. Band 7). Thorbecke, Ostfildern 2024, ISBN 978-3-7995-2807-8.
Fritz Fellner, Doris A. Corradini (Hrsg.): Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs. Band 99). Böhlau, Wien u. a. 2006, ISBN 978-3-205-77476-1, S. 462.
Uwe Walter: Das sind die Goten! Das sind die Goten? Das sind die Goten! Aus der Quellenkritik der Ethnogenese folgt eine neue Erzählung: Der Historiker Herwig Wolfram wird neunzig. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Februar 2024, Nr. 37, S. 12.
Ernst Zehetbauer: Geschichtsforschung und Archivwissenschaft. Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung und die wissenschaftliche Ausbildung der Archivare in Österreich. tredition, Hamburg 2014, ISBN 978-3-8495-7660-8.
Teilweise andere Positionen vertrat etwa Peter J. Heather (Goths and Romans, Oxford 1991), bezog sich aber dabei auf die englische Übersetzung, die auf den beiden ersten Auflagen von 1979/80 beruhte, und nicht auf die ab 1990 folgenden, um rund 100 Seiten erweiterten Auflagen. Wolfram selbst hat den Ausdruck Ethnogenese in späteren Arbeiten vermieden.