Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB; englisch European Trade Union Confederation, ETUC) ist der europäische Dachverband der Gewerkschaften mit Sitz in Brüssel (Belgien). Er vertritt 90 nationale (sektorübergreifende) Gewerkschaftsbünde aus 39 Ländern und 10 europäische (sektorale) Gewerkschaftsverbände mit insgesamt 45 Millionen Mitgliedern.[1]

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Logo des Europäischen Gewerkschaftsbunds

Er ist nicht auf die Europäische Union beschränkt.

Geschichte

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Heinz Oskar Vetter, Vorsitzender von 1974 bis 1979
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Georges Debunne, Vorsitzender von 1982 bis 1985

Die sektor- und nationenübergreifende Organisation wurde am 9. Februar 1973 von 17 Gewerkschaftsbünden aus 15 Staaten gegründet und vertrat rund 29 Millionen gewerkschaftlich organisierte Mitglieder. Es ist eine Nachfolgeorganisation des Europäischen Bundes freier Gewerkschaften in der EWG und des "Gewerkschaftskongresses" der EFTA-Staaten.

Der erste Präsident des EGB war Victor Feather (Großbritannien), der von drei Vizepräsidenten unterstützt wurde, darunter Heinz Oskar Vetter vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Der erste Generalsekretär des EGB war Theo Rasschaert (Belgien).

1974 wurden erste christliche Gewerkschaften und die erste früher kommunistische Gewerkschaft Mitglied. 1991 werden die Europäischen Gewerkschaftsverbände zu Vollmitgliedern; der EGB führt den Beobachterstatus ein, den zehn Bünde aus Ostmittel- und Osteuropa erhalten. 1995 werden erstmals Bünde aus Ostmittel- und Osteuropa als Vollmitglieder aufgenommen.[2]

Seit der Gründung fanden die folgenden Kongresse statt:

Satzungsregelungen

In der Präambel der Satzung des EGB[12] werden

  • die Ziele des EGB beschrieben,
  • als Adressaten der Aktivitäten insbesondere die Europäische Union, aber auch der Europarat, die EFTA sowie "andere europäische Institutionen und europäische Arbeitgeberorganisationen genannt,
  • die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund und seinen regionalen Organisationen sowie weiteren Organisationen festgeschrieben.

Struktur

Kongress (Artikel 8–11 der Satzung)

Der Kongress ist das oberste Gremium des EGB. Er wird alle vier Jahre einberufen. Das letzte Treffen war im Jahr 2019 in Wien. Der Kongress wählt neben den Mitgliedern des Exekutivausschusses auch den Präsidenten bzw. die Präsidentin. Des Weiteren bestimmt er den Generalsekretär und dessen zwei Stellvertreter.

Exekutivausschuss (Artikel 12–19 der Satzung)

Der Ausschuss trifft sich viermal im Jahr und besteht aus Vertretern der Mitgliedsorganisationen. Er entscheidet über Mandat und Zusammensetzung der Delegationen für den Europäischen Sozialdialog.

Lenkungsausschuss (Artikel 20–23 der Satzung)

Der Lenkungsausschuss ist dafür verantwortlich, dass die Entscheidungen des Exekutivausschusses umgesetzt werden. Dieses kleinste der EGB-Gremien trifft sich acht Mal pro Jahr.

Aktuelle Situation

Dem EGB gehören (Stand: August 2016) 90 nationale Gewerkschaftsbünde aus 39 europäischen Staaten und 10 europäische Branchenverbände mit insgesamt 45 Millionen Mitgliedern an, drei Gewerkschaftsbünde haben Beobachterstatus (s. u.)

Präsident des EGB ist seit 2019 der Franzose Laurent Berger. Generalsekretär des EGB ist seit Oktober 2015 der Italiener Luca Visentini. Stellvertretende Generalsekretäre sind Esther Lynch und Claes-Mikael Stahl.[13]

Der EGB arbeitet mit gewerkschaftlichen Akteuren aus den mit der EU assoziierten Ländern und Regionen zusammen und kooperiert auch mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund. Der EGB ist im Rahmen des Paneuropäischen Regionalrats (PERR) auch im IGB vertreten. Der PERR wurde einem Beschluss des im November 2006 in Wien abgehaltenen IGB-Gründungskongresses folgend anlässlich der Gründungsversammlung vom 19. März 2007 in Rom offiziell aus der Taufe gehoben.[14]

11. Kongress (2007, Sevilla)

Der 11. EGB-Kongress (21. bis 24. Mai 2007 in Sevilla) nahm u. a. das „Sevilla-Manifest“[15] an. Danach plant der EGB, „in fünf zentralen Bereichen in die Offensive zu gehen“:

  • Für einen europäischen Arbeitsmarkt
  • Für den sozialen Dialog, Tarifverhandlungen und Arbeitnehmerbeteiligung
  • Für eine effektivere wirtschaftliche, soziale und ökologische Governance in Europa
  • Für eine stärkere EU
  • Für stärkere Gewerkschaften und einen stärkeren EGB

12. Kongress (2011, Athen)

Unter dem Motto „Mobilising for social Europe“ fand der 12. EGB-Kongress vom 16. bis 19. Mai in Athen statt. Vier Tage debattierten 500 Delegierte aus 36 Mitgliedsländern über die Ausrichtung der europäischen Gewerkschaftspolitik für die nächsten vier Jahre. Die DGB-Delegation war mit 27 Vertretern vor Ort.

Im „Athener Manifest“[16] sind die wichtigsten Prioritäten zusammengefasst, mit denen sich die Gewerkschaften gegen die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise, gegen rigide Sparkonzepte und Beschäftigungsabbau stemmen.

So werden sich die europäischen Arbeitnehmerverbände aktiv für qualitatives Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und ein belastungsfähiges europäisches Sozialmodell einsetzen. Sie fordern die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die Harmonisierung der Besteuerungsgrundlagen und obligatorische Mindeststeuersätze für Unternehmen sowie die Auflage von EURO-Anleihen.

Der EGB fordert durchgreifende Regeln zur Kontrolle der Finanzmärkte und der privaten Ratingagenturen, die Schließung von Steuerparadiesen und die Unterbindung von überzogenen Managergehältern, zu Unrecht gewährten Bonuszahlungen und Abfindungen.[17]

13. Kongress (2015, Paris)

Ergebnisse:

  • Das "Manifest von Paris"[18] mit dem
    Motto "Solidarisch für hochwertige Arbeitsplätze, Arbeitnehmerrechte und eine gerechte Gesellschaft in Europe einstehen" und
    den "Prioritäten":
  • A. Eine starke Wirtschaft, die den Menschen dient
  • B. Stärkere Gewerkschaften für demokratische Werte und Demokratie bei der Arbeit
  • C. Ein Kern ehrgeiziger Sozialstandards
  • Das "EGB Aktionsprogramm 2015-2019"[19], das die Aussagen des "Manifests" konkretisiert.

Außerdem verabschiedete der Kongress Dringlichkeitsanträge zu den Themen:

  • Flüchtlingskrise in Europa
  • Grundrechten in Spanien
  • Nordirland
  • Solidarität mit den griechischen Arbeitnehmern
  • Tisa
  • Neuverhandlungsstrategie für das EU-Referendum im VK
  • Betrieblicher Gesundheits- und Gefahrenschutz
  • Solidarität mit den türkischen und kurdischen Journalisten, die Opfer der Repression sind

Nationale Gewerkschaftsbünde und europäische Gewerkschaftsverbände im EGB

Nationale Gewerkschaftsbünde

Dem EGB gehören die folgenden Gewerkschaftsbünde an:[20]

(* Beobachter)

Europäische Gewerkschaftsverbände

Dem EGB gehören die folgenden europäischen Gewerkschaftsverbände an:[21]

Der EGB ist Mitglied in der Europäischen Bewegung International.

Vorsitzende und Generalsekretäre

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Ehemaliger Vorsitzender des Europäischen Gewerkschaftsbunds von 2015 bis 2019 Rudy De Leeuw
Weitere Informationen Vorsitzender, Amtszeit ...
Vorsitzender[22][23]AmtszeitMitgliedLand
Victor Feather1973–1974TUCVereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Heinz Oskar Vetter1974–1979DGBDeutschland Deutschland
Wim Kok1979–1982FNVNiederlande Niederlande
Georges Debunne1982–1985ABVVBelgien Belgien
Ernst Breit1985–1991DGBDeutschland Deutschland
Norman Willis1991–1993TUCVereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Fritz Verzetnitsch1993–2003ÖGBOsterreich Österreich
Cándido Méndez Rodríguez2003–2007UGTSpanien Spanien
Wanja Lundby-Wedin2007–2011LOSchweden Schweden
Ignacio Fernández Toxo2011–2015CC.OOSpanien Spanien
Rudy De Leeuw2015–2019ABVVBelgien Belgien
Laurent Berger2019–2023CFDTFrankreich Frankreich
Wolfgang Katzian[24]2023–ÖGBOsterreich Österreich
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Weitere Informationen Generalsekretär, Amtszeit ...
Generalsekretär[22][23]AmtszeitMitgliedLand
Théo Rasschaert1973–1975ABVVBelgien Belgien
Peer Carlsen1975–1976LODanemark Dänemark
Mathias Hinterscheid1976–1991LAVLuxemburg Luxemburg
Emilio Gabaglio1991–2003CISLItalien Italien
John Monks2003–2011TUCVereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Bernadette Ségol2011–2015CGTFrankreich Frankreich
Luca Visentini2015 –UILItalien Italien
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Siehe auch

Literatur

  • Willy Buschak, Der Europäische Gewerkschaftsbund und die Europäischen Gewerkschaftsverbände (PDF; 262 kB) in: "Europäische Gewerkschaftsorganisationen – Bestände im Archiv der sozialen Demokratie und in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung", hrsg. für die Friedrich-Ebert-Stiftung von U. Optenhögel, M. Schneider, R. Zimmermann, Bonn, 2003, S. 9–19
  • Andrea Ciampani, Pierre Tilly: National trade unions and the ETUC: A history of unity and diversity. Brüssel (ETUI) 2017 (Seite des ETUI zum Buch)
  • Christophe Degryse, Pierre Tilly: 1973-2013 : 40 years of history of the European Trade Union Confederation, Brüssel (ETUI) 2017 (Seite des ETUI zum Buch)
  • Jon Erik Dølvik: Die Spitze des Eisbergs? Der EGB und die Entwicklung eines Euro-Korporatismus. Westfälisches Dampfboot, Münster 1999, ISBN 3-89691-447-2.
  • Bernhard Pfitzner (2018): Materialien zum Thema "Europäische Gewerkschaftsarbeit" (32 S., PDF)
Commons: European Trade Union Confederation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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