Sammlung von 100 Novellen geschrieben von Giovanni Boccaccio Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Dekameron (italienischIl Decamerone, von griechischδέκαdéka „zehn“ und ἡμέραhēméra „Tag“) ist eine Sammlung von 100Novellen von Giovanni Boccaccio. Die Abfassung erfolgte aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 1349 und 1353. Der Titel Decamerone bedeutet– in Anlehnung an das Griechische– „Zehn-Tage-Werk“. Es handelt sich um ein stilbildendes Werk der Renaissance, das zum Vorbild fast aller weiteren abendländischen Novellensammlungen wurde.
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Decamerone (Begriffsklärung) aufgeführt.
Die Rahmenhandlung verlegt Boccaccio in ein Landhaus in den Hügeln von Florenz (im Vorort Fiesole), drei Kilometer vom damaligen Stadtkern von Florenz entfernt.[1] In dieses Landhaus sind sieben Frauen und drei junge Männer vor der Pest (Schwarzer Tod) geflüchtet, die im Frühjahr und Sommer des Jahres 1348 Florenz heimsuchte. Im Landhaus versuchen sich die Flüchtlinge gegenseitig zu unterhalten. Daher wird jeden Tag eine Königin oder ein König bestimmt, welcher einen Themenkreis vorgibt. Zu diesem Themenkreis hat sich nun jeder der Anwesenden eine Geschichte auszudenken und zum Besten zu geben. Jeder Tag wird mit dem Singen einer Kanzone beendet. Nach zehn Tagen und zehn mal zehn Novellen kehrt die Gruppe wieder nach Florenz zurück.
Der zyklische Aufbau des Werkes bezieht sich auf die Bedeutung der alten heiligen Zahl Zehn, die Bonaventura als numerus perfectissimus bezeichnet hatte, wobei vor allem DantesGöttliche Komödie, die in hundert Gesänge gegliedert ist, als Vorbild diente.
Die Schilderung der Pest in Florenz ist realistisch und detailreich. Sie dient bis heute als historische Quelle über diese Epidemie.
Das Werk von Boccaccio galt bis in das 20. Jahrhundert hinein immer wieder als anstößig. So entfernte etwa die amerikanische Zollbehörde obszöne Szenen der Novellensammlung, und erst ab 1931 hatten die einzelnen Bundesstaaten die Möglichkeit, über ein Verbot des Buchs selbst zu entscheiden.[2]
Da Boccaccio selbst angibt, die Geschichten seien nicht von ihm erfunden, wurde intensiv nach den Quellen der einzelnen Erzählungen geforscht. Sie lassen sich auf die unterschiedlichsten Ursprünge und Überlieferungen zurückführen, wie auf antike Quellen, mittelalterliche, besonders französische Legenden- und Schwankliteratur oder ältere italienische Erzähltradition. Boccaccio erzählt aber nicht einfach nach, sondern er gestaltet seine Vorbilder vielfach um.
Das Landhaus, in dem Boccaccios Handlung angesiedelt ist, ist noch erhalten und befindet sich auf halbem Weg zwischen Florenz und Fiesole an der Via Boccaccio. Heute befindet sich dort ein Department des European University Institute.
Der Decameron des Boccaz. Aus dem Italiänischen neu übersezt. [Der Übersetzer August Gottlieb Meißner wird nicht genannt, sondern ist Adressat (!) einer mit „Ihr wärmster Freund U.“ unterzeichneten Widmungsvorrede.] 4Bde., St.Petersburg 1782–84[9][10]
Giovanni Boccaccio’s Dekameron. Aus dem Italienischen von D. W. Soltau. Auswahl [25 Novellen ohne Rahmenhandlung]. München o.J. (archive.org)
Boccaccio’s Dekameron. Zum ersten Mal vollständig übersetzt von Dr. W. Röder.[12] (= Italienische Classiker. Boccaccio’s sämmtliche Romane und Novellen). Stuttgart 1840 (Bde. 1 u. 2) und 1842 (Bde. 3 u. 4).
Das Dekameron. Aus dem Italienischen übersetzt von Ruth Macchi. Nachdichtung der Verse der ersten drei Tage von August Wilhelm Schlegel, der Verse der folgenden Tage von Karl Witte. Hamburg 1958; Augsburg 1999
Das Decameron. Nach der Übertragung von August Gottlieb Meißner bearbeitet von Johannes von Guenther. München 1924; Neubearbeitung, mit 50 Holzschnitten von Fritz Richter: Bertelsmann, Gütersloh 1966
Das Dekameron des Giovanni Boccaccio. Übersetzung von Ruth Macchi nach der von Charles S. Singleton besorgten kritischen Ausgabe. Illustrationen von Werner Kann. Leipzig 1989
Aktuelle Ausgaben
Giovanni Boccaccio: Das Dekameron, mit Werkbeitrag aus Kindlers Literatur-Lexikon (Originaltitel: Il Decamerone, übersetzt von Karl Witte). Ungekürzte Ausgabe (= Fischer TB. 90006). Fischer, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-90006-0.
Giovanni Boccaccio: Dekameron. Ausgewählt, übersetzt und bearbeitet von Klabund, Anaconda, Köln 2010, ISBN 978-3-86647-549-6.
Giovanni Boccaccio: Das Dekameron. Originaltitel: Il Decamerone, übersetzt von Karl Witte, durchgesehen von Helmut Bode. Mit einem Nachwort und einer Zeittafel von Winfried Wehle (= Winkler Weltliteratur. Blaue Reihe). Artemis & Winkler, Düsseldorf/Zürich 2005, ISBN 978-3-538-06998-5.
Giovanni Boccaccio: Das Dekameron (Originaltitel: Il Decamerone, übersetzt von Christian Kraus). Dörfler, Utting 2007, ISBN 978-3-89555-490-2.
Giovanni Boccaccio: Decameron. Zwanzig ausgewählte Novellen, italienisch/deutsch, übersetzt und herausgegeben von Peter Brockmeier, mit Bibliographie und Literaturverzeichnis (= RUB Reclams Universal-Bibliothek Band 8449). Reclam, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-15-008449-6
Giovanni Boccaccio: Das Decameron. Mit den Holzschnitten der venezianischen Ausgabe von 1492. Aus dem Italienischen übersetzt, mit Kommentar und Nachwort von Peter Brockmeier. Reclam, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-010853-6.
Schon zu Stummfilmzeiten ein beliebter Stoff, erlebten Filme mit Decamerone im Titel nach dem Erfolg von Pasolinis Meisterwerk einen ungeahnten Boom. Innerhalb weniger Monate wurden zahlreiche Filme in die meist italienischen Kinos gebracht.
2024: The Decameron, Netflix-Serie von Kathleen Jordan
Monographien
Elisabeth Arend: Lachen und Komik in Giovanni Boccaccios Decameron (= Analecta romanica. 68). Klostermann, Frankfurt am Main 2004, ISBN 978-3-465-03229-8.
Diemut M. Billen: Boccaccios Decameron und die didaktische Literatur des Hochmittelalters. Transformationen des Diskurses an einer Epochenschwelle. Hänsel-Hohenhausen, Egelsbach 1992, ISBN 3-89349-503-7 (zugl. Dissertation, Universität Wuppertal 1992).
Francesco De Sanctis: Geschichte der italienischen Literatur („Storia della letteratura italiana“). Kröner, Stuttgart 1941/43 (2 Bde.; hier speziell Bd. 1).
Kurt Flasch: Poesie nach der Pest. Der Anfang des „Decameron“ neu übersetzt und erklärt (= Excerpta classica. 10). Dietrich, Mainz 1992, ISBN 3-87162-027-0.
Victoria Kirkham: The sign of reason in Boccaccio's fiction (= Biblioteca di „Lettere italiane“. 43). Olschki, Florenz 1993, ISBN 88-222-4111-8.
Otto Löhmann: Die Rahmenerzählung des Decameron. Ihre Quellen und Nachwirkungen; ein Beitrag zur Geschichte der Rahmenerzählung (= Romanistische Arbeiten. 22). Niemeyer, Halle/Saale 1935.
Lucia Marino: The Decameron „Cornice“. Allusion, allegory, and iconology. Longo Editore, Ravenna 1979 (zugl. Dissertation, Los Angeles 1977).
Giuseppe Mazzotta: The world at play in Boccaccio's Decameron. Princeton University Press, Princeton, N.J. 1986, ISBN 0-691-06677-9.
Jan Söffner: Das Decameron und seine Rahmen des Unlesbaren. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2005, ISBN 3-8253-1632-7 (zugl. Dissertation, Universität Köln 2002).
Artikel und Aufsätze
Werner Fuld: Die Entdeckung der Welt. In: Eine Geschichte des sinnlichen Schreibens (1. Kapitel). Galiani, Berlin 2014, ISBN 978-3-86971-098-3, S.19–34.
Joachim Heinzle: Schule des Lebens, Schule der Liebe. Erotik und Didaxe in der europäischen Novellistik zwischen Mittelalter und Neuzeit. In: Horst A. Glaser (Hrsg.): Annäherungsversuche. Zur Geschichte und Ästhetik des Erotischen in der Literatur (= Facetten in der Literatur. 4). Haupt, Bern 1993, ISBN 3-258-04731-6.
Barbara Sichtermann: Glockenschlag der Renaissance. Die lustvolle Utopie des Giovanni Boccaccio. (Online bei deutschlandfunk.de, abgerufen am 16.März 2020).
Winfried Wehle: Der Tod, das Leben und die Kunst. Boccaccios Decameron oder der Triumph der Sprache. In: Arno Borst u.a. (Hrsg.): Der Tod im Mittelalter. 2. Auflage. Universitätsverlag, Konstanz 1995, ISBN 3-87940-437-2, S.221–260 (PDF).
Winfried Wehle: „Venus magistra vitae“: Sull’ antropologia iconografica del ‚Decameron‘. In: Michelangelo Picone (Hrsg.): Autori e lettori di Boccaccio. Atti del convegno internazionale di Certaldo (20 – 22 settembre 2001). Cesati, Firenze 2002, S. 343–361 (PDF).
Winfried Wehle: Im Purgatorium des Lebens. Boccaccios Projekt einer narrativen Anthropologie. In: Achim Aurnhammer, Rainer Stillers (Hrsg.): Giovanni Boccaccio in Europa. Studien zu seiner Rezeption in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Harrassowitz, Wiesbaden 2014, S.19–45. (PDF).
Deutsche Übersetzung im Projekt Gutenberg-DE (unvollständig und ohne Rahmenhandlung; laut Quellenangabe übersetzt von Klabund, laut 1. Seite „Übersetzung von Karl Witte“)
J. V. Widmann: Ein greiser Paris. Dramatische Plauderei in einem Akt (nach der Zehnten Geschichte des Ersten Tages), UA in Meiningen am 12.Dezember 1895. In: Jung und Alt. Drei Dichtungen, Leipzig 1897, S.109–141. – Das Hauptmotiv der Achten Geschichte des Zehnten Tages arbeitete Widmann in sein Schauspiel Die Königin des Ostens (1880) ein.
Gotthold Lessing an Elise Reimarus, Brief vom 6. September 1778; in: Ephraim Lessing: Gesammelte Werke, Band 9: Briefe. 2. Auflage. Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1968, S.798 f.
Werner Pleister: Giovanni Boccaccio. In Die Grossen Leben und Leistung der sechshundert bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Welt. Band IV/1. Kindler Verlag AG, Zürich 1995, S. 43.
Britta Hannemann: Weltliteratur für Bürgertöchter. Die Übersetzerin Sophie Mereau-Brentano. Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-896-5, S.231 (eingeschränkte Vorschauin der Google-Buchsuche; Untersuchung der gedruckten Erzählungen aus dem ‚Decamerone‘) und S.291 (eingeschränkte Vorschauin der Google-Buchsuche; Quellen).