Christian Ludwig Bokelmann war Sohn eines Lehrers und Organisten aus St. Jürgen. Seine Mutter war eine Tochter von Jakob Heinrich Delius, eines evangelischen Pfarrers in Worpswede.[1] Bokelmann erlernte auf Wunsch der Eltern in Lüneburg und Hamburg-Harburg den Beruf eines Kaufmanns. Erst ab 1868, nach dem Tod seines Vaters, konnte er – seiner Neigung und dem Rat eines Hamburger Zeichenlehrers und Malers folgend – bis 1871 an der Kunstakademie Düsseldorf und seit 1871 im Privatatelier von Wilhelm Sohn Malerei studieren. 1873 stellte er auf der Wiener Weltausstellung aus, seit 1874 auf den Berliner Akademieausstellungen, 1878 auf der Weltausstellung Paris, 1881 in Brüssel. 1877 errang er auf einer Ausstellung in Gent eine Goldene Medaille.[2] In den 1880er Jahren unternahm er – getrieben von einem ethnografischen Interesse, worin er Vorbildern der Düsseldorfer Schule wie Rudolf Jordan, Benjamin Vautier und Ludwig Knaus folgte – eine ausgedehnte Studienreise durch die Marschen und Nordfriesland. 1883 besucht er erstmals Sylt. Auch die Künstlerkolonie von Katwijk suchte er auf.[3] In dieser Zeit betrieb Bokelmann verstärkt Naturstudien und Freilichtmalerei. Nach mehreren Aufenthalten in Nordfriesland und auf der Insel Föhr wandte er sich verstärkt dem traditionellen Volksleben zu.[4] Von 1892 bis 1893 wirkte Bokelmann als Professor für Genremalerei an der Kunstakademie Karlsruhe. 1893 folgte er einem Ruf an die Hochschule für bildende Künste, Berlin-Charlottenburg. Auf beiden Positionen begleitete ihn Fritz Mackensen, der Bokelmann durch Emilie Stolte kennengelernt hatte, als sein Meisterschüler und Freund.[5] Auch mit dem niederdeutschen Dichter Klaus Groth war Bokelmann befreundet. Bokelmann war Mitglied des Düsseldorfer Künstlervereins Malkasten[6] und der Preußischen Akademie der Künste, Sektion für die Bildenden Künste, Berlin (1894).[7] Er starb auf tragische Weise bei einem Sturz von einer Leiter in seinem Charlottenburger Atelier, als er einen Lorbeerkranz aufhängen wollte, den ihm dankbare Schüler zu seinem 50. Geburtstag überreicht hatten.[8] Beerdigt wurde Bokelmann auf dem alten Friedhof in Hamburg-Harburg.
Adolf Rosenberg, ein Zeitgenosse Bokelmanns, stufte ihn 1890 als Vertreter des Realismus und Naturalismus ein und befand, dass er, der „kaltblütige Meister unbestechlicher Beobachtung“, der „erste Düsseldorfer Genremaler [sei], welcher sich [der] künstlerischen Herausforderungen einer neuen Zeit gewachsen zeigte“.[9]
In Bokelmanns späterem Schaffen dominieren „ernste Bildthemen mit sozialkritischen Anklängen“; er überwand darin den Atelierton und fand hin zu einer „reich nuancierten Raummalerei“ (Wend von Kalnein).[10]
Seine Arbeit repräsentiert eine „Hinwendung zum sozialen ‚modernen Sittenbild‘, das die wirtschaftlichen Krisen der Gründerzeit spiegelt“ (Bettina Baumgärtel).[11]
Großes Album mit 58 Zeichnungen, vor allem aus der Düsseldorfer Studienzeit, 1868–1870[12]
Im Trauerhause, 1873, ausgestellt auf der Wiener Weltausstellung
Bis in den hellen Tag hinein (Die Spieler), 1874, Salford Museum and Art Gallery, Salford/Greater Manchester, erstes anekdotisch-sozialkritisches Gemälde Bokelmanns in der Tradition von David Wilkie und Ludwig Knaus[13][14]
Im Leihhause, kurz vor der Eröffnung (Vorraum eines Leihhauses), 1875/1876, sozialkritisches Gemälde, das Auswirkungen des „Gründerkrachs“ von 1873 reflektiert[15][16]
Die Volksbank kurz vor dem Krach, 1877, Milwaukee Art Museum, ausgestellt auf der Weltausstellung Paris 1878, Darstellung einer Szene vor der Volksbank in Wien am 9. Mai 1873[17][18]
Die Testamentsverfassung, 1879, schildert anekdotisch-psychologisch die Vorgänge um die Versöhnung einer Tochter mit ihrem Vater bei dessen Testamentsverfassung[20]
Spielbank in Monte Carlo, 1884, „das Motiv zu einem Spiegelbilde der nervösesten Konzentration des modernen Touristen- und Abenteurerlebens“ (Adolf Rosenberg)
Hans Wohltmann: Ludwig Bokelmann * 4. 2. 1844 – † 15. 4. 1894. In: Mitteilungen des Stader Geschichts- und Heimatvereins, Jg. 41, Heft 3 (1966), S. 2 f.
Wend von Kalnein (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9, S. 274 (Katalog-Nummern 37, 38)
Barbara Hodel: Christian Ludwig Bokelmann (1844–1894). Monographie und Werkkatalog. Europäische Hochschulschriften: Kunstgeschichte, Band 46, Verlag P. Lang, Frankfurt am Main, Bern, New York 1985, ISBN 978-3-8204-8258-4 (Inhaltsverzeichnis)
Ernst Schlee: Der Maler Christian Ludwig Bokelmann als Darsteller des nordfriesischen Volkslebens. In: Nordelbingen, Heft 55 (1986), S. 141 ff.
Rüdiger Articus, Ralf Busch: Christian Ludwig Bokelmann. Ein wiederentdeckter Volkslebenmaler des 19. Jahrhunderts. Veröffentlichungen des Hamburger Museums für Archäologie und Geschichte Harburgs, Ausgabe 68 (1994).
Bettina Baumgärtel (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819–1918. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, ISBN 978-3-86568-702-9, Band 1: S. 44, 170, 204, 209, 225, 255, 314, 369, 371, 373; Band 2: S. 316–319 (Katalog-Nr. 266, 268)
Wolfgang Cortjaens: Zwischen Institutionalisierung und individuellem Austausch. Deutsch-belgischer Kulturtransfer am Beispiel der Düsseldorfer Malerschule von 1831 bis 1865. In: Bettina Baumgärtel, Band 1, S. 170.
Julia Hümme: Gregor von Bochmann (1850–1930). Leben und Werk eines deutschbaltischen Malers in Düsseldorf. Verlag Ludwig, Kiel 2007, ISBN 978-3-937719-31-3, S. 29 (online).
Adolf Rosenberg: Christian Ludwig Bokelmann. In: Zeitschrift für bildende Kunst, Jahrgang 1890, Carl von Lützow (Hrsg.), Verlag E. A. Seemann, Leipzig, S. 3 (Digitalisat).
Nadine Müller: „Es ist ganz kurios, hier handelt alles mit Bildern“ – Einblicke in den Düsseldorfer Kunsthandel im 19. Jahrhundert an ausgewählten Beispielen. In: Bettina Baumgärtel, Band 1, S. 314 (Abbildung 2).
Sonja Grunow: Kinderbild um 1900. Dissertation Karlsruhe 2012, Karlsruher Schriften zur Kunstgeschichte, Band 9, LIT Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-643-12135-6, S. 395, Abbildung 5.86 (online).
Vgl. Lilian Landers: „… ein neues Fach des Genres“ – Das sozialkritische Genrebild der Düsseldorfer Malerschule im internationalen Vergleich. In: Bettina Baumgärtel, Band 1, S. 204.