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römisches Spruchgericht Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Centumviri (Zentumvirn, übersetzt: Hundertmänner), bekannt auch unter Centumviralgericht, waren im antiken Rom ein gerichtlicher Spruchkörper (centumvirale iudicium), der Recht in zivilrechtlichen Angelegenheiten (zu Eigentums- und Besitzverhältnissen) sprach, vornehmlich in erbrechtlichen Streitigkeiten.
Als einziges Gericht seiner Art, tagte es in Rom auf dem Forum Romanum (in der Kaiserzeit in den Hallen der Basilica Iulia).[1] Mutmaßlich hat es der sagenhafte König Servius Tullius eingerichtet. Dazu wird angeführt, dass Zivilprozesse unter seiner Ägide Prozesswetten unter Hingabe eines Sakraments waren, insbesondere aber noch die ehrwürdige Lanze (hasta) aufgepflanzt wurde.[2] Diese zeitliche Verortung wird andererseits aber für abwegig gehalten und als frühestes Erscheinen des Centumviralgerichts das Jahr 241 v. Chr. diskutiert.[3][4] Mit dem Ende der Standeskämpfe vermochten sich Plebejer gegenüber Patriziern erfolgreicher zur Wehr zu setzen, was dem Spruchkörper eine plebejische Konnotation einbrachte. Jedenfalls ab 241 v. Chr., dem Zeitpunkt des Aufstiegs Roms zur Vormacht in Italien (Sieg über Karthago), bis zur Reichsteilung 395 n. Chr. (in der Spätantike), soll der Gerichtshof bestanden haben. Mit der Reichsteilung ging der Gerichtshof spätestens unter, möglicherweise bereits in der Zeit der großen Krise nach Severus Alexanders Tod (235 n. Chr.). Bis dahin erlangte das Gericht fortwährenden Bedeutungszuwachs.[5] Die iustinianische Gesetzessammlung erwähnt das Centumviralgericht nicht mehr.
Die längste Zeit der Republik über führten reine Spruchrichter (privati iudices) die Prozesse. Sie standen unter staatlicher Aufsicht[6] und agierten vergleichbar Geschworenen, also ohne magistratische Kompetenzen. Weder waren sie Beamte im Sinne der Ämterlaufbahn, noch waren sie vom Volk legitimiert. Ihre Beauftragung erfolgte allein durch Prätoren, gewesene Quästoren. Als Gerichtsvorstände klärten die Prätoren Vorfragen zum Prozessinhalt und sie beobachteten danach den ordnungsgemäßen Prozessablauf. Die Zuständigkeit lag zunächst bei den Urbanprätoren (praetores urbani),[7] später in der frühen Kaiserzeit bei den Peregrinenprätoren (praetores peregrini).[8] Vorangestellt war dem Centumviralprozess das Verfahren in iure, das den einleitenden Verfahrensabschnitt bildete. Die Spruchrichter wurden alsbald von Decemvirn abgelöst, die ihrerseits hatten Magistratenstatus inne.[9] Die vier Consilien (Senate) des Centumviralgerichts wurden gelegentlich zu tribunalen Gremien erweitert, wobei wegen des Bedeutungsaufschwungs berücksichtigt werden muss, dass die einst einflussreichen Volksgerichtshöfe der republikanischen Zeit vollständiger Bedeutungslosigkeit anheimgefallen waren. Bisweilen wird in der Forschung gemutmaßt, dass das Centumviralgericht ein den Volksversammlungen nachlaufender Spruchkörper war, später sogar ausgestattet mit der Kompetenz eines Volks- oder Staatsgerichts.[10]
Administrativ unterlagen die Prozesse lange dem hergebrachten rituellen Legisaktionenverfahren, konkret war die legis actio sacramento aufgerufen. Soweit von der Forschung zeitlich überhaupt eingeräumt, gehen Vermutungen dahin, dass Centumviralprozesse XII-Tafelzeit kollegial und unmittelbar, also ohne Einschaltung des Prätors und anschließend des iudex, geführt und entschieden wurden.[11] Die Richter waren für die Beweisaufnahme und Klärung von Rechtsfragen zuständig; das galt auch noch in späteren Zeiten.[12] Appellationen (Berufungen oder vergleichbare Rechtsbehelfe) an übergeordnete Gerichte waren nicht vorgesehen. Der Verfahrenstyp des Legisaktionenverfahrens wurde auch noch beibehalten, als für andere Zivilprozesse – ausgelöst durch die Wandlungsstruktur der lex Aebutia – der prätorische Formularprozess eingeführt worden war.[13] Die Anzahl der centumviri schwankte im Gremium zwischen anfänglich 105 (drei Vertreter aus 35 tribūs) und 180 decemviri stlitibus iudicandis unter Augustus.[14]
Einen bedeutenden Erbschaftsprozess (Thema: Ersatzerbschaft) vor dem Centumviralgericht führte der Jurist Scaevola im Jahr 92 v. Chr. Bekannt ist der Prozess als causa Curiana. Scaevola verlor den Prozess gegen seinen einstigen Amtskollegen, den begnadeten Rhetor Lucius Licinius Crassus, der das Gericht davon zu überzeugen vermochte, einen jurisdiktorischen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Dieser beruhte darauf, dass Crassus – im Gegensatz zu Scaevola – nicht mit der stets üblichen formalen Strenge am Wortlaut einer testamentarischen Verfügung hing, sondern für eine freie Auslegung (unter Berücksichtigung des wahren Willens des Testamentsverfassers) plädierte, auf das Auslegungsziel hin seine Argumente aufbaute und damit der Methode der Willensinterpretation überhaupt zu einem ersten Erfolg verhalf.[15] Im Detail ging es in dem Fall um die Frage, ob ein Nacherbe auch als Ersatzerbe berufen ist. Konkret streitig war, ob die Anordnung einer Pupillarsubstitution, also die Einsetzung eines Nacherbens für den Fall, dass der Erbe zum Erbanfall noch unmündig verstirbt (mit Mündigkeit erbt er), zugleich eine Vulgarsubstitution umfassen kann, mithin die Nennung eines Ersatzerbens, wenn der Haupterbe schon tot ist oder die Erbschaft ausschlägt.[16] Der Urteilsspruch wirkt als legislatorische Zweifelsregelung im heutigen § 2102 BGB und in den Rechtsordnungen Österreichs (§ 608 ABGB) und der Schweiz (Art. 492 Abs. 3 ZGB) u. a. fort. Es gilt nämlich der Satz, dass die Einsetzung eines Nacherben zugleich diejenige eines Ersatzerben beinhaltet.[17][18]
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