Cahal Pech
archäologischer Fundplatz in Belize Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
archäologischer Fundplatz in Belize Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Cahal Pech ist eine Ruinenstätte der Maya-Kultur am südlichen Stadtrand von San Ignacio in Belize. Sie ist für eine Mayasiedlung von mittlerer Größe und umfasst über 30 Bauten an sieben Plätzen, darunter öffentliche, zeremonielle und Wohngebäude, die bisher nur teilweise freigelegt wurden. Cahal Pech war über rund 1800 Jahre bewohnt, von ca. 900 v. u. Z. bis ca. 850, darunter mehrere Jahrhunderte lang als Wohnsitz einer königlichen Familie. Um die Ruinenstätte breitete sich über mehrere Quadratkilometer eine Siedlung aus, die bisher kaum erforscht wurde.
Der Name entstammt der modernen yukatekischen Mayasprache und bedeutet so viel wie „Ort der Zecke“, der ursprüngliche Name der Stadt ist nicht bekannt.[1]
Cahal Pech liegt im Süden der Stadt San Ignacio auf der Spitze eines Kalksteinhügels in einer Höhenlage zwischen 160 und 180 Metern, rund einen Kilometer westlich des Macal River.[2] Lange lag die Anlage am Stadtrand, durch das Wachstum der Stadt wird sie jedoch zunehmend von ihr eingeschlossen, zur Abfederung der räumlichen Nähe ist sie von einem Grüngürtel umgeben.[1]
Die heute als Cahal Pech bezeichnete Stätte umfasst ausschließlich den Kern der Siedlung. Er wird definiert als der Ort, der a) die stärkste Dichte großer Wälle und Plätze aufweist, b) höher gelegen ist als das umgebende Areal und c) von Strukturen umgeben wird, die das Areal als Akropolis bzw. zentralen Bereich abgrenzen.[2]
Die dazugehörige Siedlung breitete sich über mehrere Kilometer, hauptsächlich im Süden, Westen und Osten der Akropolis, an beiden Ufern des Macal River, aus. Der nördliche Raum war kaum besiedelt, dies wird angesichts der fruchtbaren Böden und regelmäßiger Überflutungen auf agrarische Nutzung zurückgeführt. Archäologisch sind die Siedlungsräume um die Akropolis bisher kaum erschlossen.[2]
Cahal Pech war nie ein politisches oder administratives Zentrum für einen größeren Raum. Der Ort selbst war dem lokalen Zentrum in Buenavista del Cayo unterstellt, seine administrative Bedeutung reichte auch zu seiner Blütezeit und als Wohnsitz einer königlichen Familie nicht über die Siedlung selbst hinaus.[1]
Die Geschichtsschreibung unterteilt die einzelnen Epochen grob entlang der Epochen der Maya-Kultur, die Ortsgeschichte wird jedoch feiner anhand spezifischer keramischer Phasen unterteilt.[3]
Die Zeit der Genese des Ortes und seiner Kultur fällt in die präklassische Epoche der Maya-Kultur und wird im Hinblick auf Cahal Pech als „Formative Periode“ bezeichnet.
Die frühesten Funde weisen darauf hin, dass der Ort bereits um 1200 v. u. Z. durch Angehörige keramischer Kulturen genutzt wurde,[4] damit ist Cahal Pech der älteste Fundort von Keramiken im westlichen Belize. Seit ca. 1000 v. u. Z., dem Ende der frühen Präklassik, lässt sich in Cahal Pech ein kleines Dorf nachweisen. Mit diesem Nachweis beginnt die älteste Phase der Geschichte Cahal Pechs, die Cunil-Phase. In ihr lebten die Siedler in einer Mischung aus Subsistenzlandwirtschaft, ergänzt um Jagen, Fischen und Sammeln. Sie produzierten Keramik und Steinwerkzeuge und trieben Handel mit exotischen Waren, deren Ursprung bis zum guatemaltekischen Hochland und der Karibikküste reichte.[5]
Zu dieser Zeit war die Architektur des Ortes noch recht einfach, das Dorf bestand aus Hütten mit grob verputztem Flechtwerk, die Oberflächen aus gestampftem Mergel. Nachweise größerer Bauten oder Bauten zu zeremoniellen oder gemeinschaftlichen Zwecken fehlen, wahrscheinlich haben alle Gebäude nur als Wohnräume, Küchen und Lagerstätten gedient. Alle Funde weisen darauf hin, dass es zu dieser Zeit wenn überhaupt nur wenige hierarchisch höhergestellte Instanzen in diesen Dörfern gegeben hat und die soziale Struktur die einer egalitären Gesellschaft war. Vermutlich haben in der Folge Gastgeber bei Gemeinschaftsritualen eine zunehmende Verpflichtung zur Reziprozität etabliert, die nach und nach zu Ungleichheiten in den sozialen Beziehungen führte.[6] Eine ausgeprägte soziale Hierarchie scheint bereits vor dem Ende der Cunil-Phase entstanden zu sein.[5]
Das Ende der Cunil- und der Beginn der Kanluk-Phase ist durch bedeutende Veränderungen gekennzeichnet. Die Bevölkerung nahm zu,[5] besondere Keramikfunde wie Schokoladengefäße oder Steigbügelgefäße treten erstmals auf und belegen, welcher Wert auf die Zurschaustellung und den demonstrativen Verzehr besonders begehrenswerter Speisen durch den Einzelnen gelegt wurde.[6] Dies macht ebenso wie die differenziertere Verteilung von Statuetten und exotischen Handelswaren in der Bevölkerung deutlich, dass mit der späten Kanluk-Phase ab 650 v. u. Z. die Gemeinschaft von Cahal Pech ein recht hohes Niveau sozialer Komplexität erreicht hatte.[5]
Spätestens seit 850 v. u. Z. finden sich Siedlungsreste von Bauernhöfen. Für die frühe Kanluk-Phase zwischen ca. 800 und 650 v. u. Z. zu Anfang der mittleren Präklassik werden komplexe Familienschreine als erste spezielle Funktionsbauten und zeremonielle Architektur angenommen. Seit 400 v. u. Z. entstanden die ersten Monumentalbauten.[1]
In seiner letzten formativen Epoche, der Xakal-Phase, wurde Cahal Pech ein regionales Zentrum des Belize-Tals. Fortgeschrittene Monumentalarchitektur kennzeichnen die Phase neben der Einführung polychromer Töpfereien und einem weitreichenden und komplexen Tauschsystem.[5] Durch die sozialen Veränderungen dieser Zeit bildete sich zum Ende der Xakal-Phase ein Königtum heraus und die Akropolis wurde zum Wohnsitz der königlichen Familie, was sie bis zum Ende des Ortes um 900 bleiben sollte.[1]
Die klassische Periode beginnt um ca. 250. In der Hermitage-Phase wuchs die Bevölkerung und die Bauaktivitäten im Ort nahmen zu, so wurde Plaza A umgebaut, die Plazas C, D, F und G durch neue Bauten erweitert und der östliche Ballspielplatz angelegt. Königliche Begräbnisse fielen ausgesprochen aufwendig aus und Funde mexikanischen Obsidians lassen deutlich erkennen, das Cahal Pech in weitreichende Handelsnetzwerke eingebunden war.[3]
Anhand der Architektur lässt sich sagen, das Cahal Pech in der Spätklassik seine größte Ausdehnung erreichte. Die Bauten der östlichen Plazas wurden erweitert und die westlichen Plazas waren nur noch dem königlichen Haushalt zugänglich und wurden entsprechend umgebaut. Um den Kern des Ortes, die heutige Ruinenstätte, lassen sich für diese Zeit über 140 Bauten und Hausgruppen nachweisen, teils differenziert in Bauten mit öffentlicher und ritueller Funktion neben einfacheren Wohnbauten.[3]
In einem Text auf einem Jadeschmuckstück aus dem Jahr 650 wird erwähnt, das die Mutter des damaligen Herrschers der Siedlung Nim Li Punit im äußersten Süden Belizes, Janaab' Ohl K'inich, aus Cahal Pech stammte. Forscher sehen diesen Fund als Beleg dafür, dass die Stadtstaaten der Maya weitreichend dynastisch verschränkt waren.[7]
Am Ende der Besiedlung von Cahal Pech steht die Phase der Terminalen Klassik. Sie kann zeitlich als um 800 (± 25–30 Jahre) beginnend bestimmt werden. Ihrer Definition nach markiert sie im Belize Valley die Endphase der Späten Klassik, ist von dieser jedoch anhand ihrer architektonisch und handwerklich deutlich geringeren Standards nach Gordon Willey als Kennzeichen „des Verfalls, Zusammenbruchs oder Beendigung der hierarchischen Aktivitäten der Maya“ unterschieden. In der Praxis wurde dies erkennbar an niedrigen Bauten aus meist unbehauenem Stein und fehlenden Decken.[8] Die aufwendigen Begräbnisse hochstehender Persönlichkeiten lassen sich ebenso kaum mehr nachweisen wie andere aufwendige rituelle Aktivitäten, die Bautätigkeit geht deutlich zurück.[3]
Die Stätte ist annähernd rechteckig und etwas über 10.000 Quadratmeter groß. Entlang ihrer West-Ost-Achse erstreckt sie sich über rund 250 Meter, entlang ihrer Nord-Süd-Achse über rund 160 Meter. Sie umfasst mindestens 34 sogenannte Strukturen, die in 7 sogenannten Plazas (span.: Platz) angeordnet sind. Die Strukturen funktionierten als öffentliche, als zeremonielle und als Wohngebäude, die höchste ist 25 Meter hoch. Neben den Strukturen umfasst das Gelände noch einen Ballspielplatz, neun Stelen, einen Altar und ein Schwitzbad. Die gesamte Anlage ist von Wällen eingefasst und nur am östlichen Ende offen. Außerhalb der Anlage, jedoch noch zu ihr gehörig, liegt im Westen ein Ballspielplatz, im Südwesten eine eingefasste Quelle sowie im Norden eine Tränke. In ihrer gesamten Konzeption gilt die Anlage als in vielen Punkten typisch für eine Siedlung der Tiefland-Maya.[9]
Die Plazas werden durch die lateinischen Buchstaben A bis H gekennzeichnet; die Strukturen durch eine Kombination aus dem Buchstaben der Plaza, der sie zugeordnet werden und einer laufenden Nummer. Die Stelen und der Altar tragen keine speziellen Bezeichner, die Stelen sind jedoch laufend nummeriert.[2]
Die beiden Eingänge zu den Plazas lagen im Süd- bzw. Nordosten des Geländes, der nördliche Eingang bereits innerhalb der Akropolis. Seit dem 6. bis 7. Jahrhundert wurden die Plazas auch entlang ihrer Funktion stärker voneinander getrennt. Die östlichen Plazas B, C, F, G und H waren halböffentlich, die westlichen A, D, und E hingegen nur begrenzt zugänglich. In diesen baulichen Gegebenheiten bildete sich die zunehmende Stratifikation der Gesellschaft von Cahal Pech ab. Es wird angenommen, dass auf den östlichen Plazas weniger bedeutende Personen lebten und wichtige öffentliche Ereignisse wie Zeremonien, Feste oder auch Märkte stattfanden, die westlichen Bereiche hingegen die privaten Wohnbereiche der königlichen Familie und anderer höhergestellter Persönlichkeiten darstellten.[2]
Die Plaza H ist im äußersten Nordosten der Akropolis gelegen, unmittelbar am nördlichen Tor. Gemeinsam mit der im Süden angrenzende Plaza C bildet sie das östliche Ende des Burgbergs. Sie ist die späteste freigelegte Plaza der gesamten Anlage, erste Grabungen fanden hier erst 2006 statt, weitere 2012 bis 2013.[8] Auf älteren Plänen in der Literatur ist sie daher nicht verzeichnet, manche unter ihnen (so auch die Tafeln vor Ort) weisen stattdessen die Strukturen des westlichen Ballspielplatzes als „H1“ und „H2“ aus.
Die Plaza selbst war terrassiert. Auf ihr sind drei Strukturen, H1 bis H3, als Plattformen freigelegt worden, ihre Umrisse wurden bis 2015 jedoch nur ungefähr zur Hälfte gesichert. Diese Strukturen entstammen der Terminalen Klassik unmittelbar vor dem Ende von Cahal Pech als bewohnter Siedlung. Teile der Ausgrabungen auf der Plaza führen zwar zurück bis in die Späte Klassik, deren Strukturen wurden aber im Rahmen späterer Bautätigkeit demontiert und überbaut. Als charakteristische Bauten der Terminalen Klassik sind H1, H2 und H3 von architektonisch und handwerklich deutlich geringerer Qualität, so sind die Bauten niedrig und aus meist unbehauenem Stein.[8] Funde alltäglicher Aktivitäten auf der Plaza machen deutlich, dass die Plaza ursprünglich ein „normaler“ Wohnbereich mit strohgedeckten Wohnbauten war. Erst mit der Errichtung eines Königsgrabes in H1 wurde die Plaza radikal umgebaut und funktionell umgewidmet. Dies wird als Zeichen dafür gedeutet, dass die hierarchische Trennung zwischen der Führungselite und dem gemeinen Volk zu dieser Zeit verfiel. Mit dieser Grablegung endete wohl auch die Geschichte von Cahal Pech als größerer bewohnter Ort, nur ein einzelner Herd auf der Plaza H ist noch ein Zeichen von Aktivität nach der Grablegung.[8]
Die Struktur H1 liegt in der äußersten nordöstlichen Ecke der Plaza. Sie ist mit einer Grundfläche von rund 50 m² die größte und aufgrund ihrer Funktion als letztes Herrschergrab des Ortes auch die einzige erforschte der derzeit drei bekannten Strukturen. Sie ist grob L-förmig und weist Kennzeichen zweier Phasen von Bautätigkeit auf. In der ursprünglicheren wurde die Plattform für eine bisher unbekannte Struktur angelegt, die Umrisse der Plattform wurden dazu durch eine Reihe von Felsbrocken markiert, Höhe im Inneren gewann man, indem längliche Steine aufrecht platziert wurden.[8]
In einer zweiten Bauphase wurde die bestehende Struktur niedergelegt und die Plattform aufwendig umgebaut (unter anderem durch Verwendung behauener Steine) um ein Grab zu errichten. Der Umbau wurde mit deutlich höherem Aufwand durchgeführt als der ursprüngliche Bau. Das unterirdisch über mehrere Stufen zu erreichende Grab enthielt zahlreiche kostbare Grabbeigaben und war daher höchstwahrscheinlich für den letzten Herrscher von Cahal Pech bestimmt.[8]
Wann genau Cahal Pech im wissenschaftlichen Sinne entdeckt wurde, ist unbekannt. 1939 wurde die Stätte erstmals in Eric Thompsons „Index of Mayan Sites In British Honduras“ erwähnt, erstmals beschrieben wurde der Ort 1950 durch Linton Satterthwaite, der in Cahal Pech während der 1950er Jahre archäologische Pionierarbeit leistete und auf den auch der heutige Name zurückgeht. Satterthwaite kartierte das Gelände und unternahm erste Grabungen im Zentrum der Stätte, legte den Ballspielplatz frei und barg einige Stelen.[10]
1968 wurde der deutsche Archäologe Peter Schmidt zum Archäologischen Beauftragten Belizes ernannt. Nach schweren Plünderungen unternahm er bis 1971 Grabungen auf Plaza B und auf der Struktur B1. Die Grabungen brachten wichtige Funde ans Tageslicht, darunter einige Gräber. Da Schmidt seine Ergebnisse jedoch kaum publizierte, mussten spätere Forscher auf seine Notizen und Zeichnungen zurückgreifen.[10]
Während der 1970er Jahre wurde Cahal Pech Opfer schwerer Plünderungen, bis 1986 gab es keine weiteren wissenschaftlichen Aktivitäten. In diesem Jahr begann Joseph Ball, finanziert vom belizischen Tourismusministerium, mit Ausgrabungen, er entwickelte die Theorie, das Cahal Pech kein eigenständiger Staat war, sondern mächtigeren Stadtstaaten untergeordnet war. Trotz der Grabungen gab es weiter Plünderungen, die umfangreichen Schaden anrichteten.[10]
Auf Initiative des Stadtrates von San Ignacio und des belizischen Tourismusministeriums, die die Stätte als touristisches Ziel entwickeln wollten, begann im Sommer 1988 der belizische Archäologe Jaime Awe mit Grabungen und Forschungen in Cahal Pech. Die Arbeiten wurden 2001 durch Awe in die Hände des Belize Valley Archeological Reconnaissance Project (BVAR) überführt, seit 2006 gemeinsam mit der Organisation American Foreign Academic Research (AFAR).[10]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.