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Das buffonsche Nadelproblem fragt nach der Wahrscheinlichkeit, dass eine willkürlich geworfene Nadel ein Gitter paralleler Linien schneidet. Es erlaubt unter anderem, die Kreiszahl experimentell zu bestimmen. Das Problem gehört zum Bereich der Integralgeometrie und war eines der ersten auf diesem Gebiet.[1] Georges-Louis Leclerc de Buffon behandelte es erstmals 1733 vor der Pariser Akademie der Wissenschaften[2] und nochmals ausführlicher im Supplement zu seiner Histoire Naturelle 1777.[3][4]
Benötigt werden möglichst viele identische Stäbchen. Auf einer ebenen Unterlage werden parallele Hilfslinien im Abstand konstruiert.
Alle vorhandenen Stäbchen werden zufällig auf der Unterlage verstreut. Abschließend zählt man, wie viele Stäbchen eine der Linien kreuzen.
Falls der Abstand der Linien gleich der Länge der Stäbchen ist, so erhält man eine Näherung für , indem man die Anzahl aller genutzten Stäbchen mit 2 multipliziert und durch die Anzahl der Stäbchen, die eine Linie kreuzen, teilt.
Auf dem Bild rechts kreuzen 11 von 17 Stäbchen eine Linie; es ergibt sich also die Näherung
Gilt (Fall kurzer Stäbchen), so ist (wie im Folgeabschnitt abgeleitet) die Formel für die Trefferwahrscheinlichkeit . Nach umgestellt, und unter Benutzung der relativen Häufigkeiten als Schätzer für folgt der Schätzer
wobei die Anzahl aller Stäbchen der Länge bezeichnet. ist die Anzahl aller Stäbe, die eine der Linien kreuzen und ist der Abstand zweier benachbarter Linien.
Nach dem Gesetz der großen Zahlen nähert sich die relative Häufigkeit für eine große Anzahl an Stäbchen der angegebenen Wahrscheinlichkeit an:
Für den Fall (Fall langer Stäbchen) ist der Zusammenhang etwas komplizierter.[5]
Der Winkel , unter dem die Nadel auf die Linien trifft, ist eine gleichverteilte Zufallsvariable. Eine Realisierung dieser Zufallsvariablen wird durch ein kleines notiert. Ob eine Nadel eine Linie berührt (1) oder nicht (0), ist eine Bernoulli-verteilte Zufallszahl . Der Erwartungswert wird im Experiment geschätzt: , wobei die Zahl der Würfe ist.
Für den Fall (kurze Nadel) betrachte man nur einen waagerechten Streifen der Breite , siehe Abbildung rechts für den Fall . Eine Nadel der Länge berührt den Rand, falls der auf der senkrechten gestrichelten Linie liegende Endpunkt der Nadel innerhalb eines Streifens der Breite von einem der beiden Ränder liegt. Die Zufallsvariablen und besitzen eine gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung, da sie sich auf dasselbe Zufallsexperiment beziehen.[6] Da die Zufallsvariablen und reellwertig sind, existiert eine reguläre bedingte Wahrscheinlichkeit von , gegeben .[7] Daher gilt insbesondere
Mit der Wahrscheinlichkeit für die Existenz eines Schnittpunktes[9]
im Fall und mit der Dichtefunktion
der Zufallsvariablen ergibt sich
Somit ist bzw. .
Daher ist ein Schätzer für , mit . Asymptotisch für große Stichprobenumfänge ist normalverteilt um den Mittelwert , wobei die Varianz des Schätzers[10] ist.
Im Fall (lange Nadel) muss man die Möglichkeit der mehrfachen Berührung von Linien berücksichtigen, so dass die Formeln komplizierter werden:[11]
Man kann statt des Arkussekans in der letzten Formel auch benutzen. Im Fall ergeben beide Formeln . Im Fall der langen Nadel wächst streng monoton mit der Nadellänge und geht für gegen 1.
Barbier gab 1860[12][13] für den Fall kleiner Nadeln einen Beweis, der ohne Integration auskommt. Zunächst wird gezeigt, dass der gesuchte Erwartungswert für die Anzahl der Treffer eine lineare Funktion der Länge der Nadel ist ( mit der Länge ), was auch für beliebige Kurven gilt, da man sie durch einen Streckenzug approximieren kann. Zu bestimmen ist die Proportionalitätskonstante . Dazu wird der Fall von Kreisen mit Durchmesser betrachtet, die immer genau 2 Treffer auf den Parallellinien im Abstand haben. Man nähert den Kreis durch ein- und umgeschriebene Vielecke (mit dem Umfang bzw. ) und erhält
sowie beim Grenzübergang der Seitenanzahl der Vielecke gegen Unendlich
also und somit das gewünschte Ergebnis .
Wegen seiner Eleganz wurde der Beweis von Barbier von Aigner und Ziegler in Das Buch der Beweise aufgenommen.
Man kann nach anderen Figuren als Strecken fragen, die zufällig auf eine Ebene geworfen werden, beispielsweise Polygonzüge. Aus der Formel für das Buffonproblem folgt für Polygone mit einem Durchmesser kleiner und dem Umfang die Trefferwahrscheinlichkeit
Nähert man eine geschlossene Kurve durch einen solchen Polygonzug,[14] ergibt sich auch in diesem Fall die Trefferwahrscheinlichkeit, wenn man den Umfang des Polygonzugs durch die Länge der Kurve ersetzt (auch hier muss der Durchmesser kleiner sein). Das sind die Ausgangspunkte zu Methoden der Integralgeometrie, aus geeigneten Trefferwahrscheinlichkeiten Formeln zum Beispiel für die Bogenlänge von Kurven zu erhalten.
Im sogenannten Buffon-Laplace-Nadelproblem fragt man nach der Trefferwahrscheinlichkeit für ein Rechteck-Gitter mit Seitenlängen und . Für kleine Nadeln ( und ) ergibt sich[15]
Das Problem lässt sich auch auf den Wurf anderer Körper ausdehnen, wie in dem auch von Buffon 1733 angesprochenen Franc-Carreau-Problem:[16] Man werfe eine Münze (Kreisscheibe, Durchmesser ) auf ein Quadratgitter (Seitenlänge ), wobei sei. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Münze auf dem Rand zu liegen kommt? Da die Münze den Rand nur berühren kann, falls ihr Mittelpunkt im Abstand vom Rand ist, lässt sich durch einfache geometrische Überlegungen die Trefferwahrscheinlichkeit als Flächenverhältnis angeben:
Für ein faires Spiel muss sein.
Über das Nadelproblem und ähnliche Probleme berichtete Buffon 1733 vor der Französischen Akademie der Wissenschaften, wie Fontenelle[17] berichtet. Von Interesse war es in Zusammenhang mit einem damals bei Adligen beliebten Spiel: Man werfe eine Münze auf ein Kachelmuster und wette auf die Lage der Münze, ob sie eine der Ritzen berührt oder nicht (Franc-Carreau-Problem). Buffon ging darauf ausführlicher 1777 ein, wobei er im Fall des Nadelproblems auch schon die korrekte Antwort vermutete. Insbesondere leitete er aus der Formel für kurze Nadeln ab, dass für ein faires Wetten (d. h. für Wetten mit 50-prozentiger Gewinnwahrscheinlichkeit) beim Nadelproblem das Verhältnis sein muss. Für den Wurf auf ein quadratisches Gitter gab er allerdings eine falsche Formel an. Die korrekte Formel (auch im Fall eines Rechteck-Gitters) gab erst Pierre Simon de Laplace 1812 an,[18] ohne Buffon zu erwähnen. Er zitierte das als Beispiel für die Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie auf die Bestimmung von Kurvenlängen und Flächeninhalten. Das wurde dann unter anderem von Isaac Todhunter 1865 ausgeführt. Aus der Beschäftigung mit dem buffonschen Nadelproblem ergab sich auch Croftons Formel (siehe Morgan Crofton) für die Bogenlänge einer Kurve in der Integralgeometrie (1868).
Der Italiener Mario Lazzarini soll 1901 den umfangreichsten experimentellen Test der Formel durchgeführt haben (mit einer eigens gebauten Maschine), mit 3408 Würfen von Nadeln mit einem Längenverhältnis . Sein Ergebnis war 1808 Treffer, so dass sich ein Wert für von ergab, auf sechs Stellen hinter dem Komma genau. Die von ihm angegebenen Zahlen sind jedoch verdächtig (andere Autoren interpretierten das als Glückstreffer[19][20]) und scheinen auf die bekannte Näherung für zugeschnitten zu sein.[21][22] Der Astronom Rudolf Wolf[23] führte das Experiment 1850 aus mit und erhielt bei 5000 Würfen 2532 Treffer, entsprechend einer Abschätzung für von .[24] Weitere Experimente führte Ambrose Smith 1855[25] mit 3204 Würfen () bei 1218 Treffern aus,[26] was für einen Wert von ergibt. Hans-J. Bentz führte das Experiment mit 2000 Würfen aus und erhielt für .[27][28]
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