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26. März 2016 um 09:35 Uhr
Die Rainvilleterrasse ist eine kleine Wohnstraße in Hamburg-Ottensen. Das namensgebende Gartenrestaurant Rainville bestand im 19. Jahrhundert in Hochlage über der Elbe 250 Meter stromabwärts des Altonaer Balkons. Das heutige Gebäude Rainvilleterrasse 4 wurde Anfang der 1930er Jahre als Seefahrtschule errichtet; seit etwa 2015 beherbergt es eine Hochschule sowie eine Fachschule für Kommunikationsdesign und im Erdgeschoss ein Restaurant.
Als Voreigentümer des Geländes sind eine Reihe Politiker und Diplomaten bekannt: der Rechtsgelehrte Rutger Rulant[1] (1568–1630), 1652 der Leipziger Bürgermeister Christian Lorentz von Adlershelm (1608–1684), 1661 der spätere hannoversche Gesandte Johann Jacob von Hiebener (1623–1711) und 1677 der schwedische Resident Manuel Teixeira (1631–1705), einziger Sohn des Abraham Senior Teixeira und wie sein Vater Gesandter der abgedankten Königin Christina von Schweden. Der General Georg Ludwig von Köller-Banner, Widersacher des 1772 hingerichteten Johann Friedrich Struensee, erbte es 1776 und öffnete den Garten mit seiner schönen Aussicht „zum Vergnügen der Altonaer“. Als er 1781 nach Stettin zog, vermietete er Haus und Garten „zum öffentlichen Gasthause“. 1794 erwarb der Kaufmann (und ab 1795 Gesandte der Batavischen Republik) Balthasar Elias Abbema das Anwesen für 40.000 Mark und ließ dort noch im selben Jahr von Christian Frederik Hansen ein Landhaus errichten, welches Gottlieb Ernst Klausen,[2] Rektor und Professor des Gymnasiums Christianeum in Altona, 1799 mit folgenden Versen besang:
ragt dort von seiner[3] Hand ein Bau,
schimmernd weiß und dunkelblau,
mit freier Aussicht hoch empor,
die schöner kaum ein Wunsch erkor.
Ab 1798/99 betrieb César Claude Rainville (1767–1845), der Adjutant des Generals Dumouriez gewesen und 1794 aus Frankreich geflohen war, dort ein vornehmes Wirtshaus und machte daraus in kurzer Zeit eine weithin bekannte Attraktion.[4] „Eine Societät von ausgewanderten Franzosen“, heißt es in Friedrich Johann Lorenz Meyers „Skizzen zu einem Gemälde von Hamburg“ von 1800, „hat sich in unserer Elbegegend zu einer eigentlich monopolistischen Restaurationsgesellschaft konstituirt […] und dafür mehrere Häuser gekauft und Wirthschaften darin angelegt.“ Eines ihrer Etablissements sei „das Prachtgebäude des holländischen Gesandten, vormals Köller Banner genannt, auf Ottensens Hügel“. Es solle „nicht geleugnet werden, dass dieses Köller Banner, des französischen Gastwirths Rainville, in Ottensen, nicht eins der schönsten und besuchwürdigsten Landgasthöfe in Europa sei. Dazu eignet es seine treffliche Lage – es beherrscht die Elbe mit ihren Inseln und ihrer Schiffahrt – der Geschmack in der äussern Form des im grossen Stil gebauten Hauses, in den Zimmeranlagen und ihren Dekorationen, der Garten mit seinen wechselnden Partien, Sitzen, Pavillons und ihren herrlichen Aussichten, die promte und urbane Aufwartung an Tagen, wo das Haus nicht überfüllt ist.“[5]
Was der französische Diplomat Michel Ange Bernard de Mangourit darüber noch enthusiastischer in seinem 1805 erschienenen Buch „Voyage en Hanovre“ schrieb,[6] gab die Zeitschrift „Nordische Miszellen“ am 24. August 1805 ohne Namensnennung als „Bemerkungen eines Franzosen über Hamburg“ wie folgt wieder:
„Ich gieng nach Rainville's Garten um zu Mittag zu essen. Die Eleganz dieses Hauses, die Reinlichkeit der Bedienung, die delikaten Speisen, das Zuströmen der schönen Welt, die erfindungsreiche Benutzung des Bodens, die Abwechslung der mahlerischen Gegenden, die bescheidene Zierde der Kunst zu Gunsten einer an.sich selbst so schönen Natur, besonders die Aussicht der obern Terrasse, eine Aussicht die man als die entzückendste in der ganzen Welt angab, dies alles hatte man mir so sehr gerühmt, daß es die erste Beschäftigung meines Geistes war, der übertriebenen Vorliebe der Franzosen und dem dänischen Stolz etwas abdingen zu wollen. Ich zeichnete mir alle Vergleichungspunkte vor, die sich in Frankreich, Spanien, Amerika, in der Schweiz und unter dem schönen Himmel Italiens meinem Gedächtnisse eingeprägt hatten. Ich habe gewiß auf meinen langen Wanderungen Gegenden angetroffen, die zum Entzücken hinrissen, aber diese, ich muß es gestehn, hat einen solchen majestätischen Charakter an sich, daß sie das schönste Bild meiner Erinnerung bei weitem übertraf. Auf der Bank wo ich saß, betrachtete ich die ausgedehnten Haiden von Hannover, die reichen Ufer Hollsteins und die kühnen Krümmungen der, die Schätze zweier Welten zu meinen Füßen hinführenden, Elbe, dieses Flusses, der in seinen weiten Biegungen Sandbänke, mit reichen Ernten, mit dunkeln Gehölzen, mit lichten Gebüschen bedeckte Inseln, und Städte in sich faßt, deren entfernte Massen nur durch die hohen Spitzen ihrer stolzen Thürme gesehn werden können; ha! wenn die Götter es wollten, daß Homer und Ossian hieher kämen auf diese andachtsvolle Bank, um die erhabenen und wilden Schönheiten dieser Aussicht zu besingen, ich glaube die Götter würden Ossian den Preis zuerkennen.“
In der Ausgabe vom 7. September 1805 meldeten die „Nordischen Miszellen“ anschließend, „Bulletin de l'Europe“ habe Mangourit für sein Buch „nach Verdienst abgefertigt“ und ihn mit August von Kotzebue verglichen, was „in Frankreich die bedeutungsvollste Bezeichnung eines schlechten Reisebeschreibers“ sei.[8]
Heinrich Heine, dessen Onkel Salomon Heine in unmittelbarer Nachbarschaft 1808 einen Landsitz, den heutigen Heine-Park, kaufte, fasste sich 1833 kürzer:
„Die Ufergegenden der Elbe sind wunderlieblich. Besonders hinter Altona, bei Rainville. Unfern liegt Klopstock begraben…“
Am 14. Juni 1842, knapp sechs Wochen nach dem Hamburger Brand, berichtete „Der Schweizer Bote“ von einem glänzenden „Festdiner eigenthümlicher Art“ am 5. Juni nachmittags „in dem hinter Altona reizend an der Elbe gelegenen Gartenlokale Rainville“. Es habe „zwei Kunstheroen von europäischem Rufe in harmonischer Eintracht vereinigt. […] Liszt, ruhmgekrönt von Rußlands Hauptstadt heimkehrend, – wo er durch seine enorme Virtuosität sich 200,000 Rubel erspielt haben soll – Liszt, der Kaiser des Piano, und Ole Bull, der Geigenfürst, feierten ihr Begegnen im unsteten Künstler-Wanderleben durch ein Diner“. Die „beiden bleichen Jünglinge mit dem langen Haare, von so fremdartig originellem Aussehen […] wollen vereinigt ein großes Konzert zum Besten der Abgebrannten geben, auf das schon jetzt Aller Erwartung gespannt ist“.[10]
Mit der Industrialisierung des Elbufers verlor der Standort nun nach und nach sein romantisches Flair. Rainville starb 1845, seine Frau 1851. Baedeker vergab wie 1855 zwar auch 1862 noch einen Stern für „Rainvilles Gasthof und Garten mit einem schönen Blick auf die Elbe, an hübschen Sommer-Nachmittagen, besonders Sonntag und Donnerstag, bei Harmonie-Musik von der Hamburger feinen Welt zahlreich besucht.“[11] Aber schon 1867 wurde das Rainville-Haus abgerissen. An der nunmehr Klopstockstraße heißenden Verlängerung der Palmaille nach Westen wurden Häuser gebaut, während es am Elbhang im Zuge des Ausbaus der Verkehrsverbindung vom Altonaer Bahnhof zu den Hafenanlagen an der Elbe 1868 und 1876 zu Erdrutschen kam, die sogar einen Teil der Neumühlener Kaianlagen beschädigten. Auf einer mächtigen Stützmauer entstand schließlich die Rainvilleterrasse, an der sich 1884 das Gesellschaftshaus Neu-Rainville mit Restauration à la carte und täglichem Gr. Garten-Concert etablierte. Der Erste Weltkrieg führte dann auch den Niedergang dieses Unternehmens herbei. 1921 wurde das Haus von der Eisenbahndirektion übernommen und bis 1929 von verschiedenen Behörden genutzt.
Danach wurde es abgebrochen. An seiner Stelle errichtete die Preußische Staatshochbauverwaltung bis 1935 nach einem Entwurf des Architekten Hans Meyer die Altonaer Seefahrtschule,[12] einen langgestreckten, durch Fensterbänder in vier Geschosse gegliederten kubischen Baukörper im Stil des Neuen Bauens mit Betonung der Ostecke durch weit vorkragende Balkons.[13][14][15] Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schule mit der 1749 gegründeten Hamburger Seefahrtschule vereinigt, deren prächtiges, von Albert Erbe geplantes Gebäude Bernhard-Nocht-Straße 76 auf den Deutschen Wetterdienst überging.
2005 wurde die Seefahrtschule von der Stadt geschlossen und das Gebäude zum Verkauf gestellt. Im März 2009 billigte die Bezirksversammlung Altona einen Entwurf der Architekten Allmann Sattler Wappner für einen Neubau als Hauptverwaltung der Rickmers Reederei.[16] Nachdem sich die Reederei im Juni 2010 von diesen Plänen verabschiedet hatte, verkaufte die Stadt das Gelände an eine Investorengruppe um den Architekten Meinhard von Gerkan und die Projektentwicklung "Team Hamburg" Peter Jorzick.[17][18] Die Seefahrtschule wird erhalten, unter Denkmalschutz gestellt und nach Renovierung von der Academy for Architectural Culture (aac) der gmp-Stiftung der Architekten Gerkan, Marg und Partner[19], der Brand Academy – Hochschule für Design und Kommunikation und der Design-Factory International - College of Communication Arts and Interactive Media GmbH[20] genutzt. Auf dem früheren Parkplatz der Schule sollen nach einem Entwurf des Parisers Büros Michel Kagan & Associés 32 Eigentumswohnungen gebaut werden.[21] Im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Hamburg am 21. Dezember 2013 wurden 58 der inzwischen vollständig erneuerten Fenster eingeschlagen und Farbbeutel gegen die Fassade geworfen. Entsprechende Anschläge wurden auch auf das Büro GMP und das Wohnhaus Meinhard von Gerkans verübt.[22][23]
Die Hochschule sowie die Fachschule für Kommunikationsdesign haben ihre Arbeit aufgenommen. Im Erdgeschoss des Hauses eröffnete 2014 das Restaurant Rainvilles Elbterrassen mit Bar, privaten Dining-Rooms und Bankettsaal.[24]
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