Atribacterota ist ein Phylum (Abteilung) thermophiler (wärmeliebender) Bakterien,[3][4][5] die in anoxischen (sauerstofffreien), methanreichenSedimenten häufig vorkommen.
Frühere provisorische Bezeichnungen sind
„CandidatusCaldatribacteriota“,[1][6]
„Candidatus Atribacteria“ (steht jetzt für die Typusklasse),[4]Candidate division JS1[4] und
Candidate division OP9 (Obsidian Pool 9)[4] (jeweils im weiteren Sinn verstanden).
Schnelle Fakten Systematik, Wissenschaftlicher Name ...
Dank ihrer Eigenschaften sind die Atribacterota in der Lage, katabolische und anabolische Funktionen auszuführen, die für die Reproduktion der Zellen notwendig sind, selbst wenn die Energieversorgung aufgrund des Mangels an gelöstem Sauerstoff in Meeres-, Süß- oder Grundwasser eingeschränkt ist.[10]
Nach phylogenetischen Analysen scheinen die Atribacterota mit mehreren thermophilen Phyla innerhalb der Terrabacteria[11] verwandt zu sein oder könnten basal (an der Basis) innerhalb der Gracilicutes stehen.[12]
Der nachstehenden inneren Systematik liegen folgende Quellen zugrunde (Stand 27. Juli 2022):
Die Gattung Caldatribacterium ist nach LPSN und NCBI ohne Zuordnung (incertae sedis), wird aber in der GTDB einer Familie Caldatribacteriaceae innerhalb der Ordnung Atribacterales zugeordnet, es gibt keine eigene Ordnung „Caldatribacteriales“ (d.h. eine solche ist ein Synonym von Atribacterales).
Nach der GTDB werden die Kladen OP9 und JS1 (im engeren Sinn verstanden) als die beiden Klassen innerhalb des gemeinsamen Phylums Atribacterota aufgefasst. Im weiteren Sinn sind Candidate division OP9 und JS1 identisch mit dem gesamten Phylum (Phylum alias lateinischdivisio, englischdivision, deutsch ‚Abteilung‘).
OneZoom verortet abweichend die Kladen OP9 und JS1 als Kandidatenphyla an verschiedenen Stellen des bakteriellen Stammbaums.[14][15]
Da die Bezeichnung Atribacteria früher für das ganze Phylum verwendet wurde, haben auch Stämme der GTDB-Klasse JS1 bei NCBI oft provisorische Speziesnamen mit dieser Bezeichnung, obwohl sie nicht zur Klasse Atribacteria gehören.
Vorschläge (etwa aus der Metagenomik) mit vorläufigen Bezeichnungen sind nicht komplett, sondern nur beispielsweise wiedergegeben.
PhylumAtribacterotaKatayamaetal. 2021,[2] veraltet auch
Spezies „Ca. Caldatribacterium californiense“ corrig. Dodsworthetal. 2013 (N), mit Schreibvariante „Ca. C. californiensis“, alias Caldatribacterium californiense_A mit Stamm OP9-cSCG (G)
Spezies Caldatribacterium californiense_B mit Stamm SpSt-747 (G)
Spezies „Ca. Caldatribacterium saccharofermentans“ Dodsworthetal. 2013 mit Stämmen SpSt-82, SpSt-31 und Referenzstamm OP9-77CS alias MAG-77CS (N,G)
Spezies Caldatribacterium sp014359405 mit MAG MAG-105 (G)
Klasse JS1 (G), veraltet Candidate division JS1 im Rang eines eigenständigen Phylums[15]
Spezies UBA6251 sp002441285 (G) alias Ca. Atribacteria bacterium UBA4082 (N)[26] und Ca. Atribacteria bacterium UBA6251 (N)[27] mit Stämmen UBA4082 und UBA6251
Gattung UBA9904 (G)
Familie UBA6794 (G)
Gattung JAAYOB01
Spezies JAAYOB01 sp012520575 (G) mit MAG AS21ysBPME_310[28]
Spezies UBA6794 sp002452835 (G) alias Ca. Atribacteria bacterium UBA6794 (N)[29] mit Stamm UBA6794
2 weitere Gattungs-Kandidaten
Kryo-ET-Aufnahme von A. laminatus RT761T mit den drei lipidmembranähnlichen Schichten (LMLs). Die äußere Doppelmembran (2) entspricht der gramnegativer Bakterien, die innere (3) umgibt das Nukleoid. Der weiße Pfeil zeigt die innere LML-Einstülpung an.
Einzige offizielle Spezies der Gattung Atribacter ist A. laminatus mit Referenzstamm RT761 (notiert als RT761T).
Zur Zeit seiner Entdeckung war dies der einzige bekannte Vertreter der Prokaryoten, dessen Zellen eine Kompartimentierung durch innere Membranen (insbesondere um das DNA-Genom herum) aufweisen, ein ansonsten für Eukaryoten (komplex-zelluläre Organismen: Tiere, Pilze, Pflanzen, Protisten) typisches Merkmal (inzwischen hat man zellinterne Membranen auch bei den Riesenbakterien der Gattung Thiomargarita gefunden).
Der Stamm wurde 2020 von Katayama etal.isoliert. Der Stamm ist ubiquitär, d.h. in entsprechenden Habitaten über die ganze Erde verbreitet.
Bei dem Isolat RT761 handelt es sich um ein unter der Oberfläche lebendes anaerobes Bakterium.
Wie die Kryo-ET (Kryoelektronentomographie) zeigt, besitzt es offenbar drei lipidmembranähnliche Schichten (en. lipid membrane-like layers, LMLs), was von den Autoren gedeutet wird als die klassische gramnegative Struktur mit einer zusätzlichen intrazytoplasmatische (intrazellulären) Membran, die das Nukleoid zu umgeben scheint. Die Genomanalyse zeigt auch einen für gramnegative Bakterien sehr hohen Anteil an Transmembranproteinen.[1]
Die Proben wurden aus einem Absetzbecken in Mobara (Präfektur Chiba, Japan) entnommen, das angelegt wurde, um suspendierte Sandpartikel aus dem Wasser zu entfernen, das aus gasführenden Grundwasserleitern im Tiefenbereich von 490-900m stammt. Die Wassertemperatur lag bei 24,4 °C, der pH-Wert bei 7,7.[1]
A. laminatus RT761T. Konfokalmikroskopie zeigt die Orte von DNA und RNA innerhalb der intrazytoplasmatischen Membran. DNA, RNA und Membranlipide wurden verschiedenen Methoden gefärbt, a ist Phasenkontrast-, b-dKonfokal-Bilder, e-g Bildüberlagerungen. Balken 1μm.
Zellstruktur beispielhaft bei Atribacteria (A. laminatus RT761T), Thermotogae (Thermotoga maritima) und Dictyoglomi (Dictyoglomus thermophilum). Äußere Membran (schwarz), die Zytoplasmamembran (blau), die intrazytoplasmatische Membran (lila) und Nukleoid (gelb).
Der Referenzstamm 77CS (CS = corn stover‚Maisstoppel‘) von „Ca. C. saccharofermentans“ stammt ebenfalls aus heißen Quellen des Little Hot Creek (LHC) und aus einer heißen Quelle im Großen Beckens (Great Boiling Spring,[31][32] GBS, US-Bundesstaat Nevada).[7]
Die Genomdaten dieser beiden Stämme erwiesen sich als so ähnlich, dass eine Zuordnung zu einer gemeinsamen Gattung angebracht war.[7][5] Die GTDB ordnet diese Gattung inzwischen innerhalb einer eigenen Familie Caldatribacteraceae zusammen mit Atribacter der gemeinsamen Ordnung Atribacterales zu.[5]
Der Präfix des Phylums, der Klasse Atribacteria, und der Typusgattung kommt von lateinischater‚schwarz‘, der Mittelteil ‚-bacter-‘ bezeichnet stäbchenförmige Bakterien; die jeweilige Endung verweist auf den taxonomischen Rang (Phylum, Klasse, … Gattung). Damit ist gemeint, dass diese Bakterien zur Mikrobiellen Dunkle Materie gehören.[3][33]
Das Namens-Epitheton der Typusspezies, Atribacter laminatus leitet sich ab von lat. lamina, deutsch ‚Schicht, Lage‘, englischlayer; laminatus‚geschichtet‘, was auf die mehrschichtige Zellstruktur hindeutet.[3]
Der Name der Kandidatengattung Ca. Caldatribacterium leitet sich ab von lat. caldus‚heiß‘, sowie ebenfalls von ater‚schwarz‘. Er verweist damit auf ein stäbchenförmiges Bakterium aus einer heißen Umgebung, wobei „schwarz“ oder „dunkel“ sowohl auf die Mikrobielle Dunkle Materie als auch auf die dunklen, anaeroben Umgebungen verweist, in denen diese Bakterien gefunden werden.[7]
Das Artepitheton saccharofermentans leitet sich ab von altgriechischσάκχαρονsákcharon und nachfolgend lat. saccharum‚Zucker‘ und neulat. fermentans‚gärend‘, verweist also auf die anaerobe Vergärung von Zucker; californiense ist neulateinisch und bedeutet aus oder zu Kalifornien gehörend.[7]
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Aharon Oren, George M. Garrity:Valid publication of the names of forty-two phyla of prokaryotes. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band71, Nr.10, 25.Oktober 2021, ISSN1466-5034, S.5056, doi:10.1099/ijsem.0.005056, PMID 34694987.
Masaru K. Nobu, Jeremy A. Dodsworth, Senthil K. Murugapiran, Christian Rinke, Esther A. Gies, Gordon Webster, Patrick Schwientek, Peter Kille, R. John Parkes, Henrik Sass, Bo B. Jørgensen, Andrew J. Weightman, Wen-Tso Liu, Steven J. Hallam, George Tsiamis, Tanja Woyke, Brian P. Hedlund: Phylogeny and physiology of candidate phylum ‘Atribacteria’ (OP9/JS1) inferred from cultivation-independent genomics. In: Nature: The ISME Journal, Band 10, Nr.2, Februar 2016, S.273–286; doi:10.1038/ismej.2015.97, ResearchGate, PMID 26090992, PMC4737943 (freier Volltext), Epub 19. Juni 2015.
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Aurèle Vuillemin, Sergio Vargas, Ömer K. Coskun, Robert Pockalny, Richard W. Murray, David C. Smith, Steven D'Hondt, William D. Orsi:Atribacteria Reproducing over Millions of Years in the Atlantic Abyssal Subseafloor. In: mBio. Band11, Nr.5, 27.Oktober 2020, ISSN2150-7511, S.e01937–20, doi:10.1128/mBio.01937-20, PMID 33024037, PMC7542362 (freier Volltext) – (Epub 6. Oktober 2020).
Christian Rinke, Patrick Schwientek, Alexander Sczyrba, Natalia N. Ivanova, Iain J. Anderson, Jan-Fang Cheng, Aaron Darling, Stephanie Malfatti, Brandon K. Swan, Esther A. Gies, Jeremy A. Dodsworth, Brian P. Hedlund, George Tsiamis, Stefan M. Sievert, Wen-Tso Liu, Jonathan A. Eisen, Steven J. Hallam, Nikos C. Kyrpides, Ramunas Stepanauskas, Edward M. Rubin, Philip Hugenholtz, Tanja Woyke: Insights into the phylogeny and coding potential of microbial dark matter. In: Nature. Band 499, 14. Juli 2013, S.431–437; doi:10.1038/nature12352, ResearchGate, PMID 23851394.
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