Der Territoriale Grundschlüssel (TGS) war in der DDR ein Instrument der elektronischen Rechentechnik „bei der einheitlichen Erfassung, Dokumentation und Aktualisierung territorialer Daten über Wohnbezirke, Straßen und Häuser/Grundstücke“.[1] Der TGS wurde mit der Anordnung über die Anwendung des Territorialen Grundschlüssels [2] zum 1. Januar 1969 eingeführt.
Nachdem die westeuropäischen Länder in den 1950er Jahren mit dem Aufbau rechnergestützter Bevölkerungsregister begannen und einige Länder Ende der 1960er Jahre numerische oder alphanumerische Identifikationsmerkmale (Personenkennzeichen) für ihre Bürger einführten, schloss sich die DDR dieser Entwicklung an. Mit nicht veröffentlichten Ministerratsbeschlüssen begann man den Aufbau einer zentralen Personendatenbank (PDB) der DDR in Berlin-Biesdorf,[3] deren verkürzte personenbezogene Datensätze auch die örtlichen Staatsorgane zur weiteren Nutzung für ihre Projekte erhielten, sowie mit der Schaffung von Einwohnerdatenspeichern.[4] Bestandteile der zentralen Personendatenbank waren der 1969 eingeführte TGS[2] sowie die am 1. Januar 1970 eingeführte Personenkennzahl (PKZ).[5] Die Datenbank sowie deren Ausbau und Koordinierung war in den folgenden Jahren Gegenstand etlicher weiterer Ministerratsbeschlüsse.[6][7][8][9][10][11][12]
Die örtlichen Räte hatten sicherzustellen, dass der 1969 eingeführte TGS für alle Stadtkreise, kreisangehörigen Städte, Stadtbezirke und Gemeinden zum 1. Januar 1978 dokumentiert vorlag und danach mindestens einmal jährlich aktualisiert wurde.[1]
Der Aufbau des TGS war erstmals in der Anlage zur Anordnung über die Anwendung des Territorialen Grundschlüssels vom 5. Dezember 1968 beschrieben.[2] Nach § 2 Absatz 2 dieser Anordnung schloss der TGS „an die Numerierung der Bezirke, Kreise und Gemeinden des Verzeichnisses der Gemeinden und Ortsteile der DDR [13] an“. Die 1976 an Stelle der Anordnung von 1968 getretene Anordnung über den Territorialen Grundschlüssel [1] schrieb in § 2 Absatz 1 eine Ergänzung des TGS um eine einstellige Prüfziffer unter Einbeziehung der Gemeindenummer fest. Gemeindenummer, TGS und Prüfziffer sind somit als eine Einheit anzusehen. Deshalb wird umgangssprachlich auch diese Ziffernkombination als Territorialer Grundschlüssel bezeichnet,[14] obwohl im engeren Sinne die Gemeindenummer nicht zum TGS gehört.
Die Gemeindenummer bestand aus insgesamt sechs Ziffern, die sich wie folgt zusammensetzten:
- Die ersten beiden Ziffern bezeichneten den Bezirk (siehe untenstehende Tabelle).
- Die dritte und vierte Stelle identifizierten den Landkreis, dem die Gemeinde angehörte, bzw. den Stadtkreis. Dabei standen die Ziffern 0X bis 30 für die Landkreise und die Ziffern 31 bis 35 für Stadtkreise.
- Die letzten beiden Ziffern schließlich unterschieden die Gemeinden innerhalb eines Landkreises. Bei den Stadtkreisen standen an dieser Stelle zwei Nullen bzw. zwei Ziffern für den Stadtbezirk.[15]
- Eine Ausnahme bildete die Stadt Ost-Berlin, diese wurde wie ein Bezirk behandelt (Bezirksnummer 15). Die dritte und vierte Stelle identifizierten einen von bis zu elf Ost-Berliner Stadtbezirken, wobei nur die Ziffern 01, 04, 05, 09, 10, 11, 15, 16, 17, 18, 19 belegt waren.
Der eigentliche TGS bestand seit 1976 aus zehn Ziffern:
- Drei Ziffern standen für den Wohnbezirk.
- Die folgenden zwei Ziffern bezeichneten die Straße bzw. den Straßenabschnitt im Wohnbezirk.
- Danach folgten drei Ziffern für die Haus-/Grundstücksnummer und eine Ziffer für die alphabetische Unterteilung der Haus-/Grundstücksnummer (so stand z. B. 004 2 für die Hausnummer 4 b).
- Als letzte Ziffer folgte eine Modulo-9-Prüfziffer über die gesamten 15 Stellen von Gemeindenummer und TGS.
Entsprechend territorialen Erfordernissen konnte der TGS im Anschluss an die Prüfziffer ergänzt werden. Eine solche Ergänzung stellte die „Verschlüsselung der Wohnungen und Gewerberäume (Wohnungsnummern)“[16] dar (siehe untenstehende Tabelle).
Die Gemeindenummer entsprach im Wesentlichen dem heute verwendeten Amtlichen Gemeindeschlüssel (AGS). Bei Einführung des AGS in den östlichen Bundesländern wurde dieser möglichst identisch zu den alten Gemeindenummern gebildet, die Analogie zu den Blockseitennummern der Kleinräumigen Gliederung bilden die Wohnbezirke des TGS.
Beispiele
- 13 08 39 009 04 021 0 4 = Bezirk Leipzig, Landkreis Leipzig, Gemeinde Panitzsch, Wohnbezirk 9, Straße 4, Haus-Nr. 21
- 13 31 00 021 10 036 3 6 = Bezirk Leipzig, Stadtkreis Leipzig, Wohnbezirk 21, Straße 10, Haus-Nr. 36 c
- 15 04 00 003 08 004 2 0 = Berlin, Stadtbezirk Prenzlauer Berg, Wohnbezirk 3, Straße 8, Haus-Nr. 4 b
- 15 19 09 002 03 003 0 6 = Berlin, Stadtbezirk Pankow, Ortsteil Wilhelmsruh, Wohnbezirk 2, Straße 3, Haus-Nr. 3
Bezirksnummern für die ehemalige Bezirke der DDR und Berlin
Aufbau der Wohnungsnummern
- 01 = 1. Geschoss (Erdgeschoss)
- 02 = 2. Geschoss
- 03 = 3. Geschoss
- […]
- 76 = 1. Kellergeschoss
- 77 = 2. Kellergeschoss
- 78 = 3. Kellergeschoss
- 79 = 1. Dachgeschoss
- 80 = 2. Dachgeschoss
An die zweistellige Geschossnummer schloss eine zweistellige Nummer für die Wohnung im Geschoss an. Dabei wurden Wohnungen bzw. Gewerberäume in Bezug auf ihre Haupteingangstür mit 01 beginnend fortlaufend im Uhrzeigersinn nummeriert.
- Ingrid Oertel: Die Einwohnerdatenspeicher der örtlichen Staatsorgane (EDS) und ihre Nutzung im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR. In: Historical Social Research / Historische Sozialforschung, 32, 2007 Heft 1, S. 271–304, urn:nbn:de:0168-ssoar-62562.
- Verwaltungs-Karte. Maßstab 1:200.000. 14 Blätter 96 cm × 65 cm (Bezirk Rostock; Bezirk Schwerin; Bezirk Neubrandenburg; Bezirk Potsdam; Berlin und Bezirk Frankfurt; Bezirk Cottbus; Bezirk Magdeburg; Bezirk Halle; Bezirk Erfurt; Bezirk Gera; Bezirk Suhl; Bezirk Dresden; Bezirk Leipzig; Bezirk Karl-Marx-Stadt). Tourist-Verlag, Berlin / Leipzig 1981–1984.
- Verwaltungs-Karte der Deutschen Demokratischen Republik. Maßstab 1:600.000. Tourist-Verlag, Berlin / Leipzig 1980.
Anordnung über die Anwendung des Territorialen Grundschlüssels bei der Untergliederung der Territorien der Stadtkreise, der kreisangehörigen Städte, Stadtbezirke und Gemeinden vom 5. Dezember 1968, GBl. III Nr. 12, S. 86. 6. Regierung der DDR, 36. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 11. Oktober 1972: Beschluß über den Aufbau und Führung der Personendatenbank der DDR, Bundesarchiv, DC 20-I/4/2739.
6. Regierung der DDR, 113. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 19. September 1974: Beschluß über den Aufbau von Einwohnerdatenspeichern der örtlichen Staatsorgane, Bundesarchiv, DC 20-I/4/3160.
1. Durchführungsbestimmung zum Personenstandsgesetz vom 4. Dezember 1981, GBl. I Nr. 36 S. 425.
6. Regierung der DDR, 172. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 5. Februar 1976: Beschluß über Maßnahmen zur Koordinierung des Aufbaues von Personendatenspeicher, Bundesarchiv, DC 20-I/4/3500.
6. Regierung der DDR, 190. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 24. Juni 1976: Vorlage zum Beschluß über Maßnahmen zur Koordinierung des Aufbaus von Personendatenspeichern, Bundesarchiv, DC 20-I/4/3589.
6. Regierung der DDR, 202. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 13. Oktober 1976: Beschluß über Maßnahmen zur Koordinierung des Aufbaus von Personendatenspeichern, Bundesarchiv, DC 20-I/4/3649.
7. Regierung der DDR, 100. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 30. November 1978: Beschluß über den weiteren Aufbau von Einwohnerdatenspeichern der örtlichen Staatsorgane, Bundesarchiv, DC 20-I/4/4226.
8. Regierung der DDR, 1. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 8. Juli 1981: Beschluß zur koordinierten Weiterführung der Arbeit beim Aufbau von Personendatenspeichern, Bundesarchiv, DC 20-I/4/4792
8. Regierung der DDR, 89. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 5. Mai 1983: Beschluß über den Einführungsplan der Einwohnerdatenspeicher der örtlichen Staatsorgane in den Jahren 1984 und 1985, Bundesarchiv, DC 20-I/4/5177.
8. Regierung der DDR, 181. Sitzung des Präsidiums des Ministerrats vom 6. Juni 1985: Beschluß über die Ergebnisse der Nutzung der Einwohnerdatenspeicher der örtlichen Staatsorgane und die Weiterführung der Arbeit ab 1986, Bundesarchiv, DC 20-I/4/5614.
Verzeichnis der Gemeinden und Ortsteile der Deutschen Demokratischen Republik. Bearbeitet in der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik, Stand: 1. Jan. 1968, Staatsverlag der DDR, Berlin 1968.
Die 1981–1984 in 14 Blättern erschienene Verwaltungs-Karte der DDR bezeichnet allein die sechsstellige Gemeindenummer als TGS (Territorialer Grundschlüssel).
Verzeichnis der Gemeinden der Deutschen Demokratischen Republik. 1975, 1983