ehemaliges Institut in Deutschland Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Zentralstelle für maschinelle Dokumentation (ZMD) war ein Institut, in dem neben Grundlagen- und angewandter Forschung auch Entwicklungs- und Dienstleistungsarbeiten auf dem Gebiet der Information und Dokumentation unter Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung betrieben wurden. Die ZMD hatte ihren Sitz in Frankfurt am Main und bestand von 1964 bis 1977.
Die Zentralstelle war ein Ableger des Instituts für Dokumentationswesen (IDW).[2] Sie wurde 1964 gegründet[3] und hatte ihren ersten Sitz in Frankfurt am Main am Holzhausenpark in angemieteten Büroräumen. 1969 zog die ZMD gemeinsam mit dem Institut für Dokumentationswesen (IDW) in ein neu errichtetes, eigenes Gebäude in die Bürostadt Niederrad.[4] 1977 wurde das Institut in die Sektion für Technik der im gleichen Jahr neu entstandenen Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) überführt.[5] Die ZMD lag im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Forschung und Technik (BMFT) – heute Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) –, wurde aus Mitteln des Bundes und der Länder finanziert und von der Minerva GmbH, einer Tochter der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), betreut.[6] – Direktor der ZMD war Klaus Schneider.
Die Aufgabe des Instituts war es im Bereich der Information und Dokumentation Entwicklungs- und Forschungsarbeiten unter Einsatz der nichtnumerischen elektronischen Datenverarbeitung (EDV) durchzuführen und den Aufbau von Datenbanken zu realisieren. Außerdem wurden Programme für den Computersatz[7] entwickelt und an der Ausbildung von Dokumentaren und Informationswissenschaftlern mitgewirkt.[8] – Hilfestellungen, Gutachtertätigkeiten und Mitarbeit in Beratergremien etwa im Zusammenhang mit Automatisierungsprojekten vor allem für neugegründete Bibliotheken; siehe Lit. G. Pflug
Realisierte Projekte (Auszug)
Gedruckte Dienste
Eines der ersten Projekte, das in enger Zusammenarbeit mit Bibliothekaren der Deutschen Bibliothek realisiert werden konnte, war die Herstellung der Deutschen Bibliographie mittels in der ZMD entwickelter Computerprogramme. Die Deutsche Bibliographie war 1966 die erste Nationalbibliographie der Welt, die komplett im laufenden Betrieb mittels elektronischer Datenverarbeitung (EDV) hergestellt wurde.[9][10] Siehe auch Meyers Lexikon. 9. Auflage. Band 6, S. 494.
„The South African Nationalbibliography“ (SANB) war ein internationales Projekt, bei dem eine Vierjahresausgabe erstmals mit Programmen der ZMD, per Computer erstellt wurde. 1968 war die SANB damit weltweit die zweite Nationalbibliographie, die auf diese Art produziert werden konnte.[11] Das Know-how wurde später zur Staatsbibliothek nach Pretoria transferiert; siehe Lit. Chr. Hitzeroht, die SANB erstellt mittels Computer
Das internationale Lebensmittel-Referateorgan: „Food Science and Technologie Abstracts“ (FSTA)[12][13] war ein weiteres Projekt, bei dem in der ZMD entwickelte Programme bei der Computer-Verarbeitung eingesetzt wurden; siehe Lit. U. Schützsack, Titel. FSTA.
Verarbeitung, Registererstellung usw. der J.G. Fichte-Bibliographie mittels DV und in der ZMD angepasster Programme.[14]
Verarbeitung der Jahresbände der Documentatio Geographica,[15] (Hrsg.): Institut für Landeskunde, Bad Godesberg, mittels DV und in der ZMD neu entwickelter und angepasster Programme; siehe Lit. E. Meynen, Titel, Die Documentatio Geographica.
Datenbank-Dienste
1963 – Martin Cremer, der Direktor des Instituts für Dokumentationswesen (IDW) in Frankfurt (Main), siehe oben Geschichte, war einer der Mitbegründer des Instituts für Psychologische Information und Dokumentation, heute Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) an der Universität Trier. – 1975 wird die Datenbank Psychological Abstracts auf dem Rechner der ZMD implementiert und 1977 eine Wählleitung (später Standleitung) zwischen der ZPID und der ZMD eingerichtet und damit ein Online-Zugriff auf die Daten von Psychological Abstracts ermöglicht.[16]
Nachdem 1967 die DGD die Gründung des Frankfurter Lehrinstituts für Dokumentation (LID) beschlossen hatte, beteiligten sich Mitarbeiter der ZMD als Dozenten an der Ausbildung wissenschaftlicher und diplomierter Dokumentare sowie der Dokumentationsassistenten.[18] Regelmäßige Lehrgänge wurden sowohl im eigenen Haus als auch in den Räumlichkeiten der LID abgehalten.
Die Zentralstelle wurde häufig von interessierten Fachleuten aus dem In- und Ausland besucht.– Nebenstehendes Foto zeigt Wissenschaftler der Nationaluniversität Taiwan, in Taipeh, Taiwan, die sich im Institutsrechenzentrum über per Computer aufbereitete Fotosatzprodukte informieren.
Das Gebäude der ZMD wurde mit Hilfe der Volkswagenstiftung finanziert und bei der Beschaffung einer IBM 1460 Computeranlage eine Mitfinanzierung geleistet; siehe Lit. Schneider, die ZMD in Frankfurt am Main., S. 17.
Die oberen beiden Etagen des Hauses waren vom Institut für Dokumentationswesen (IDW) belegt.
Später war im ehemaligen Gebäude der ZMD die Deutsche Bahn AG, DB ProjektBau untergebracht. Der Flachbau des Rechenzentrums wurde abgerissen und zu einem Parkplatz gemacht. – Heute steht das Haus in der Herriotstraße 5 leer und wird im Rahmen des zurzeit laufenden Wohnprojekts: „Wandel der Bürostadt Niederrad hin zu einem gemischt genutzten Büro- und Wohnquartier“ einer neuen Nutzung zugeführt.[1] – Lt. aktuellen Beiträgen im Deutschen Architektur-Forum wird das Haus in der Herriotstraße 5 in der Liste der denkmalgeschützten Gebäude geführt.[19]
Klaus Schneider (Hrsg.): Die ZMD in Frankfurt am Main. Beuth-Vertrieb, Berlin/ Köln/ Frankfurt am Main 1969, S. 207.
Rüdiger Bernhard: Computer-Einsatz bei der Herstellung der Deutschen Bibliographie. Nachrichten für Dokumentation (die NfD, das offizielle Mitteilungsblatt der DGD), Ausg. 17, 1966, S. 23–30.
Kurt Köster: The use of computers in compiling national bibliographies. Illustrate by the example of the Deutsche Bibliographie. In: Libri. 16, 1966, S. 269–281.
Rudolf Blum: Composizione tipografica per mezzo di un elaboratore elettronico di dati. La Deutsche Bibliographie. In: Accademie Biblioteche d'Italia. 34, 1966, S. 295–301.
Dietrich Müller: Maschinelle Datenverarbeitung im Bibliothekswesen, Literaturzusammenstellung. (= Schriftreihe der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation. A 3 III). Frankfurt am Main 1966, OCLC312041302, S. 52.
Karl-Heinz Koch: Maschinengerechte Titelaufnahme dargestellt am Beispiel der Richtlinien für die Datenerfassung zur „Documentatio Geographica“. (= Schriftreihe der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation A). Frankfurt am Main 1967[20]
Karl-Heinz Koch: Maschinengerechte Erfassung von Titelaufnahmen mit Lochstreifenschreibmaschinen. Beuth-Vertrieb, Berlin/ Köln/ Frankfurt am Main 1968.
Walter Lingenberg: Maschinelle Datenverarbeitung in Bibliotheken mit Hilfe von Rechenanlagen. Computerwissen Online, Springer-Verlag, 1968, ISBN 3-211-80877-9.
Günther Pflug: Die ZMD aus bibliothekarischer Sicht. Beuth-Vertrieb, Berlin/ Köln/ Frankfurt am Main 1969, S. 52–55.
Christiane Hitzeroth: Die Südafrikanische Nationalbibliographie – hergestellt mit Hilfe des Computers. In: NfD. Ausg. 20, 1969, S. 93.
Christiane Hitzeroth: Ausbildung von Dokumentaren. Beuth-Vertrieb, Berlin/ Köln/ Frankfurt am Main 1969, S. 184–185.
Udo Schützsack: Organisation, Arbeitsteilung und Computereinsatz beim Referateorgan Food Science and Technology Abstracts (FSTA). In: NfD. Ausg. 20, 1969, S. 108–115.
Emil Meynen: Die Documentatio Geographica – Berichterstattung über geographische Zeitschriften- und Serienliteratur. Beuth-Vertrieb, Berlin/ Köln/ Frankfurt am Main 1969, S. 71–77.
Gerhard Lustig: Ist die automatische Indexierung bereits anwendbar? In: Nachrichten für Dokumentation. (NfD), Ausg. 20, 1969, S. 190–193.
Ernst Lutterbeck:[21]Dokumentation und Information – Informationswissenschaften und Informatik. Umschau Verlag, Frankfurt am Main 1971, S. 322 und S. 35–42.
Rolf G. Henzler: Quantitative Beziehungen zwischen Textlänge und Wortschatz. (= Schriftreihe der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation A 28). Beuth-Vertrieb, Berlin/ Köln/ Frankfurt am Main, S. 60, 1974[22]
Gerhard Lustig: Probleme der Wörterbuchentwicklung für das automatische Indexing und Retrieval. In: Nachrichten für Dokumentation. (NfD), Ausg. 25, 1974, S. 50–54.
Gertraute Brühl, Werner Meder: Funktionenkatalog: Benutzungsseitige Anforderungen an Information-Retrieval-Systeme. (= Schriftreihe der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation A 30). Beuth-Vertrieb, Berlin/ Köln/ Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-410-44030-5, S. 217.
Bauer, H.: Klaus Schneider. In: Information: Wissenschaft und Praxis. 53(2002)53, ISSN1434-4653.
Kurt Nowak: Computereinsatz bei der Herstellung einer Nationalbibliographie: Deutsche Bibliographie. Verlag Walter de Gruyter, online[23] in englischer Sprache, ersch. im Oktober 2009.