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gefälschte Fossilien aus Kalkstein des mainfränkischen Muschelkalks Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Würzburger Lügensteine (auch Beringersche Lügensteine genannt) sind gefälschte Fossilien aus Kalkstein des mainfränkischen Muschelkalks. Sie wurden 1725 in erheblicher Anzahl von dem Würzburger Professor Johann Beringer (1667–1738) vorgefunden. Es handelt sich um eine der bekanntesten Fossilfälschungen in der Geschichte der Paläontologie.
Beringer war Doktor der Medizin und der Philosophie sowie Leibarzt von Johann Philipp II., Fürstbischof von Würzburg und dessen Nachfolger. Wie alle Mediziner dieser Zeit, die auch mit einer Tätigkeit als Naturforscher beauftragt waren, hatte er die drei Reiche der Natur (Tiere, Pflanzen, Mineralien/Steine) zum Nutzen der Menschheit zu sammeln und zu untersuchen. Die damaligen Mediziner korrespondierten miteinander und tauschten ihre Naturalien untereinander aus.
Am 31. Mai 1725 wurden ihm von drei Jugendlichen mehrere dieser neuen, sonderbaren Steine aus Kalkstein zugetragen. Die 14, 17 und 18 Jahre alten Überbringer behaupteten, die Steine an einem Weinberg bei Eibelstadt gefunden zu haben. Beringer war zunächst misstrauisch, grub bei einem Besuch des Fundorts jedoch selbst solche Steine aus und beauftragte daher die Jugendlichen, weitere Grabungen vorzunehmen. Nach Beringers eigenen Angaben wurden in den folgenden sechs Monaten ungefähr 2000 Stücke ausgegraben und von ihm für mehr als dreihundert Reichstaler erworben. Auf der Basis der einzigartigen Funde plante Beringer in Würzburg ein neues Naturalienkabinett einzurichten, das er öffentlich zugängig machen wollte.
Die Steine zeigten Unerhörtes: Pflanzen und diverse versteinerte Tiere, zum Beispiel eine Fledermaus mit Flügeln und eine Riesenmilbe, die gerade eine Fliege gefangen hat, ferner eine Spinne im Netz und eine Biene im Anflug auf eine Blüte. Andere Steine enthielten hebräische Schriftzeichen, die das Tetragramm ergaben, geschweifte Sterne und andere sonderbare, kosmologische Zeichen. Manche dieser Steine weisen aus heutiger Sicht geradezu humoristische Motive auf, wie beispielsweise kopulierende Frösche oder Fliegen. Die Frösche sind dabei nicht als Skelett gestaltet, sondern erinnern an naive Relief-Arbeiten. Viele Insekten sind zu sehen, darunter eine versteinerte Made, die genau in eine Bohrung im Gestein passt, sowie Wirbeltiere, die aus einem Loch aus dem Stein hervorschauen. Heute wirken die Fälschungen plump und lächerlich.
Da jedoch in der damaligen Zeit gerade erst die bloße Existenz von Fossilien bekannt und eine Fossilisationslehre nicht entwickelt war, erklärt sich, weshalb zunächst nicht alle Fälschungen erkannt wurden. So wurde Beringer neben versteinerten Skeletten auch die Versteinerung eines vollständig erhaltenen Körpers vorgelegt.
Beringer selbst glaubte zunächst an die Echtheit der von ihm Figurensteine genannten Funde und kündigte am 4. Oktober 1725 in den Leipziger Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen eine Veröffentlichung an. Während der Abfassung seines Werkes erkannte Beringer, dass einzelne Objekte gefälscht waren, weswegen er auf deren Abbildung und Beschreibung noch während der Abfassung seines Werkes wieder verzichtete. 1726 erschienen die von ihm erworbenen Steine in einem aufwendig gestalteten Buch, womit sich der spätere Anatomie- und Chirurgieprofessor Georg Ludwig Hüber[1] promoviert hatte, mit dem Titel Lithographiae Wirceburgensis: specimen primum. in dem er die Funde mit detailgenauen Zeichnungen auf 21 Kupferstichen katalogisierte und gemeinsam mit echten Fossilien beschrieb. Ferner beschrieb er die Fundstelle und erörterte, wie die Funde nicht entstanden sein konnten.
Da er keine Antwort auf die Frage nach ihrer Entstehung hatte, bat er in seinem Werk Fachgelehrte, sich ebenfalls der Aufklärung dieser Frage zu widmen. Beringer glaubte, die Steine würden die Theorie der vis plastica verifizieren, die der persische Gelehrte Avicenna im 11. Jahrhundert aufgestellt hatte. Danach wären alle in der Natur aufzufindenden Formen von Lebewesen als plastische Modelle in Stein präfiguriert.[2]
Beringer erkannte erst gegen Ende 1732 den Betrug, kurz vor Herausgabe seines zweiten Bandes, der daraufhin nicht mehr erschien. Er versuchte im Folgenden, die gesamte Auflage seines Werks zurückzukaufen und ließ viele in seinem Besitz befindliche Exemplare vernichten. Sein wissenschaftlicher Ruf wurde durch den Betrugsversuch jedoch nicht ruiniert und er lehrte bis zu seinem Tode im April 1738 an der medizinischen Fakultät in Würzburg weiter. Nach Beringers Tod wurde der Restbestand seines Werkes von einer Leipziger Bibliothek gekauft und mit neuem Titel 1767 herausgegeben. Bis heute sind ca. 600 Exemplare der über 2000 gesammelten Lügensteine nachweisbar bzw. erhalten. Sie befinden sich u. a. in der Universitätsbibliothek Würzburg, im Würzburger Mainfränkischen Museum, im Naturkunde-Museum Bamberg, im Naturalienkabinett Waldenburg, im Teylers Museum zu Haarlem und in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und historische Geologie in München. Auch der Dichter Eduard Mörike sowie der Erbauer der Würzburger Residenz, Balthasar Neumann, besaßen seinerzeit solche Steine. Diese Steine hatte Beringer teils selbst seinen Kollegen, mit denen er korrespondierte, zur Beurteilung geschickt, andere wurden weitergereicht.
Aus Vernehmungsprotokollen geht hervor, dass Beringer mehrere nachgemachte Artefakte („Bildsteine“) von zwei Würzburger Kollegen untergeschoben wurden: von dem ehemaligen Jesuiten Ignatz Roderique, inzwischen Professor für Geographie, Algebra und Analysis, sowie von Johann Georg von Eckhart, Geheimer Rat und Hof- und Universitätsbibliothekar. Die beiden wollten, unterstützt durch einen Christian Zänger[3] aus Eibelstadt, auf diese Weise Beringer davon überzeugen, dass die Eibelstädter Burschen diese wegen des Geldes gemacht haben könnten. Roderique hatte den Protokollen zufolge die Figuren in Eckharts Wohnung ausgemeißelt, der 17-jährige Jugendliche hatte diese anschließend mit feinem Schleifpulver geglättet.
Die Lügensteine wurden selbst zu begehrten Sammelobjekten (zum Beispiel erwarb Eduard Mörike einige), die selbst gefälscht wurden.[4]
Eduard Mörike verarbeitete den Steinkauf in seinem Gedicht Quittung.[5]
Es kursiert hartnäckig das Gerücht, Beringer hätte die Fälschung der Steine erst bemerkt, als ihm ein Stein mit seinem eigenen Namen in hebräischer Schrift gebracht wurde.[6]
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