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Aspekt der Geschichte Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Vorgeschichte der Stadt Tübingen kann aufgrund von Funden materieller menschlicher Hinterlassenschaften in der Region Tübingen ab dem Ende der Altsteinzeit fassbar gemacht werden. Seit dieser Zeit finden Spuren menschlicher Anwesenheit, bzw. Besiedlung, mit mehr oder weniger lange andauernden Unterbrechungen, durch nahezu alle prähistorischen Zeitabschnitte hindurch ihren Niederschlag. Eine größere Bedeutung kommt hierbei dem Kirchberg bei Reusten zu.
Die Anwesenheit altsteinzeitlicher Jäger und Sammler im heutigen Landkreis Tübingen ist mit lediglich einer gesicherten Fundstelle im Katzenbachtal in der Nähe von Rottenburg belegt, von wo unter einem Felsüberhang (Abri) Funde aus dem Magdalénien, dem jüngsten Zeitabschnitt des Jungpaläolithikums, überliefert sind. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Artefakte aus Knochen (Spitze mit einfachem Strichornament am Rand), zwei durchlochte Gagatperlen, eine aus dem Mittelmeerraum stammende, durchlochte Muschel sowie Werkzeuge aus Silex, wie etwa Klingen oder Bohrer. Auf dem eigentlichen heutigen Stadtgebiet Tübingens wurden Reste diluvialer Großsäuger, welche zu den Hauptjagdtieren eiszeitlicher Jäger zählten, gefunden, z. B. Säugetierreste aus dem Käsenbachtal oder ein Mammutzahn aus der Mühlstraße.[1]
Das darauf folgende Mesolithikum, das mit dem Beginn des Holozäns einherging, brachte eine völlig neuartige Flora in Form einer umfangreichen Wiederbewaldung Mitteleuropas mit sich, in der vor allem Kiefer und Birke dominierten, und später dann mit Hasel und anderen Laubbäumen durchsetzt wurden. Den Herden eiszeitlicher Kaltsteppentiere, wie zum Beispiel Wildpferd, Rentier oder Mammut, wurde aufgrund des neuen Klimas das Habitat entzogen, was eine gänzliche Verdrängung dieser Arten zur Folge hatte. An ihre Stelle traten nun immer mehr Waldtiere wie Rothirsch, Reh und Wildschwein. Die Subsistenz jener nacheiszeitlichen Menschen basierte nach wie vor auf Jagen und Sammeln, doch wurde wohl auch dem zumindest saisonal betriebenen Fischfang größere Bedeutung zugemessen.[2] Archäologisch betrachtet gilt dieser Zeitabschnitt als die Blütezeit so genannter Mikrolithen, kleiner, knapp 1 cm breiter und bis zu 3 cm langer Abschläge aus Feuerstein oder Quarz. Beispiele solcher Artefakte sind vom Spitzberg, westlich von Tübingen, oder auch vom Hof Einsiedel bei Pfrondorf, bekannt.[1]
Das kennzeichnende Merkmal neolithischer Kulturen ist der Wandel von den umherziehenden jägerischen Kulturen hin zu sesshaften Bauern, welcher sich, ausgehend vom Vorderen Orient, in Süddeutschland ab 5500 v. Chr. bemerkbar macht. Einhergehend mit der bäuerlichen Wirtschaftsform finden sich nun die ersten gebrannten Tongefäße und erstmals auch geschliffene Steingeräte. Im Tübinger Kreisgebiet treten vor allem Siedlungsreste, welche sich auf die Lösslehmflächen im Westen des Landkreises konzentrieren, in den Vordergrund, doch existieren auch Gräber, wie eine der typischen Hockerbestattungen bei Reusten. Auf Tübinger Stadtgebiet kamen westlich der Stadt neolithische Werkzeuge (z. B. ein rechteckiges Steinbeil oder auch ein Breitschaber aus rotem Radiolarit) zum Vorschein. Des Weiteren wurden bei Bahnarbeiten in den 1930er Jahren bandkeramische Siedlungsgruben angeschnitten. Im Folgenden lässt sich durch nahezu alle neolithischen Zeitstufen hindurch die Anwesenheit von Menschen in Form von Werkzeugfunden, Bestattungen, Hausgrundrissen oder Siedlungsresten, z. B. die der Rössener, der Schnurkeramischen oder auch der Großgartacher Kultur, nachweisen.[1] Die Verwendung des neuen Rohstoffes Kupfer – in Mitteleuropa ab ca. 4000 v. Chr. belegt – dient gleichsam als Indikator der nun einsetzenden Kupferzeit, eine Epoche, welche dem Neolithikum und der darauf folgenden Bronzezeit zwischengeschaltet ist. Im Tübinger Kreisgebiet scheint auf dem Kirchberg bei Reusten eine Siedlung jener „Übergangszeit“ bestanden zu haben.[1]
Das Zeitalter der Bronzezeit verdankt seinen Namen einer Legierung aus Kupfer und beispielsweise Zinn im Verhältnis 9 zu 1. Dieser kostbare Werkstoff bot ein bis dahin ungeahntes Spektrum an neuen Möglichkeiten, Schmuck oder Waffen herzustellen, was jedoch keineswegs ein Ende der Steingerätindustrie zur Folge hatte. Einhergehend mit der Bronze treten in Süddeutschland erste Belege für die Verarbeitung von Gold auf, welches in Form von Grabbeigaben auch im Landkreis Tübingen Niederschlag findet. Dennoch scheint mit dem Beginn der Bronzezeit die Siedlungsaktivität im Tübinger Umfeld abzunehmen, was im Kontrast zu einer wohl dichteren Besiedlung der Schwäbischen Alb steht.[1]
Im Jahre 1985 wurde im Zuge von Kanalisationsarbeiten im Stadtteil Weilheim der so genannte Menhir von Weilheim gefunden, ein etwa 4,5 m hoher, beidseitig verzierter Pfeiler aus Stubensandstein. Auf der ursprünglich nach Westen hin ausgerichteten Seite sind unter anderem fünf übereinander angeordnete Stabdolche in Form eines flachen Reliefs abgebildet. Aufgrund dieser Waffendarstellungen ist es möglich, die Stele in ein fortgeschrittenes Stadium der Frühen Bronzezeit zu datieren[3], was durch die Funde eines alpinen Vollgriffdolchs aus Reutlingen[4] und vor allem einer Dolchklinge vom Typ Rottenburg aus dem frühbronzezeitlichen Depotfund von Rottenburg am Neckar, unterstrichen wird.[5] Die nächsten Parallelen hierzu finden sich vornehmlich im Gebiet der Südwestschweiz und können in diesem Falle als ein Indiz für den Kontakt zwischen dem Tübinger und dem Südtiroler Raum betrachtet werden.
Der mittlere Abschnitt der Bronzezeit wird auch Hügelgräberbronzezeit genannt und ist im Kreisgebiet mit zwei bisher bekannten Fundplätzen in Form von Grabhügeln, und einem Fundort in Form einer Höhensiedlung auf dem Kirchberg bei Reusten, fassbar. Vom Stadtgebiet selbst sind zwei Einzelfunde – ein Randleistenbeil unterhalb des Tübinger Stauwehrs sowie ein Trachtbestandteil – überliefert.[1]
Im jüngsten Abschnitt der Bronzezeit, der in Süddeutschland so genannten Urnenfelderzeit, ist eine Veränderung des Bestattungsmodus, hin zur Totenverbrennung mit anschließender Beisetzung des Leichenbrandes in Urnen zu verzeichnen. Funde kamen bislang im Kreisgebiet sowohl aus Siedlungen, wie z. B. von der Gemarkung Hailfingen, als auch aus Gräbern, z. B. aus der eigentlich eisenzeitlichen Nekropole im „Geigerle“ in Tübingen zutage. Den Hauptanteil des Fundmaterials stellt hierbei Tonware (Keramik) dar, aber auch Einzelfunde in Form von Metall, wie etwa ein Auvernier-Schwert aus einer Kiesgrube in Kirchentellinsfurt sind belegt[6].
Der Übergang zur älteren Eisenzeit, der Hallstattzeit ist sehr fließend und stellt womöglich keinen unmittelbar spürbaren kulturellen Einschnitt dar. Die bereits zum Ende Bronzezeit einsetzende Verwendung von Eisen tritt allmählich in den Vordergrund doch lässt sich auch hier eine Weiterverwendung konventioneller Rohstoffe, wie etwa der Bronze verzeichnen. Gräber stellen im Allgemeinen die wichtigsten Quellen zur Interpretation des gefundenen Materials dar. In der Auswahl der Bestattungsplätze wird sich oft an Standorten von urnenfelderzeitlichen Nekropolen orientiert, wie u. a. am Beispiel des bereits erwähnten Hallstatt C-zeitlichen Tübinger Fundortes im „Geigerle“ zu sehen ist.[1] Auch die Grabform erfährt nur eine stufenweise Veränderung und so dominiert nach wie vor für diese Zeit vor allem die Brandbestattung unter teilweise mächtigen Grabhügeln. Im „Geigerle“ wurden Steinringe mit 6 bis 9 m Durchmesser gefunden, die um die Grabhügel angelegt worden waren.[7]
Der in den 1960er Jahren vollständig untersuchte Grabhügel von Tübingen-Kilchberg weist sowohl Brand-, als auch Körperbestattungen – in Form von Nachbestattungen – auf. Erstere lag im Zentrum des Hügels und konnte anhand der Keramik in die Stufe Ha C/D1 datiert werden, während die Nachbestattung die Stufe Ha D2 repräsentiert. Interessant sind in diesem Zusammenhang anthropomorphe Steinstelen, welche mit den Grablegungen in Verbindung gebracht werden[8]. Geradezu charakteristisch für Beisetzungen einer sozialen Oberschicht des Hallstatt C ist die Wiederaufnahme der Beigabensitte in Form von Schwert, bzw. Pferdegeschirr und Wagen.
Das Vorhandensein von Wagenbestandteilen ist in zwei Grabhügeln der ehemaligen Nekropole auf der Waldhäuser Höhe belegt.[1] Dort sind an der Straße mit dem irreführenden Namen Bei den Römergräbern noch 2 Grabhügel erhalten, und es wird angenommen, dass es dort früher etwa 45 Gräber gab. Es wurden bei Grabungen 45 goldene Ohrringe und metallische Radnabenbüchsen gefunden, die von als Grabbeigaben mitbestatteten vierrädrigen Wagen stammen. Auf einem der Hügel soll früher ein roher Steinpfeiler gestanden haben. Weitere Gruppen von hallstattzeitlichen Grabhügeln wurden im Gewann Salzgarten und im Gewann Schindhau gefunden, die mit einer Wallanlage im Burgholz in Verbindung gebracht werden. Bei Lustnau gibt es Grabhügel aus der Hallstattzeit im Gewann Neubruch in Hägach und am südöstlichen Rand des Kirnbergs sowie am Buß bei Hirschau. Einzelfunde sind aus der Hölderlinstraße, der Nähe des Ammerhofes bekannt.[7]
Ansiedlungen einer hallstattzeitlichen Bevölkerung lassen sich im Landkreis Tübingen oft nur indirekt, anhand der Begräbnisstätten nachweisen. Spuren der eigentlichen Niederlassungen liegen in vergleichsweise geringer Anzahl vor. Bei Entringen wurde der Grundriss eines zweiräumigen Wohnhauses freigelegt.[1] [9][10] Außerdem finden sich in den Übergang von Späthallstatt- und Frühlatènezeit datierte Siedlungsspuren auf der Gemarkung Wurmlingen u. a. vom Wurmlinger Kapellenberg,[8] einem markanten topographischen Punkt. Siedlungsfunde vom Stadtgebiet sind u. a. vom Spitzberg und den Randbereichen des Rammerts bekannt[11].
Die Besiedlungsgebiete des Landkreises blieben auch während der Latènezeit weitestgehend die gleichen. Die bereits während der Hallstattzeit einsetzende Sitte, die Toten in Form von Körperbestattungen unter Grabhügeln beizusetzen, findet auch während der frühen Latènezeit ihre Fortführung, wie z. B. zwei Grabhügel mit Perlen, Eisenschwert und Bronzeringen der Frühlatènezeit aus Dußlingen oder etwa einem Körpergrab der Frühphase der Latènezeit aus Derendingen beziehungsweise mehrere, bis in die mittlere Latènezeit hineinreichende Beisetzungen aus Pfäffingen.[1] Aus dem Bereich der Siedlungen kommt vor allem der großflächig untersuchten späthallstatt-/frühlatènezeitlichen Siedlung von Rottenburg „Siebenlinden“ eine größere Bedeutung zu. Die noch während der Späthallstattzeit (Ha D2/3) gegründete Niederlassung bestand wohl über eine Dauer von etwa 150 Jahren und endete frühestens im Verlauf der Stufe LT B1.[8] In dieselbe Zeit fallen mehrere Lesefunde vom weiter oben erwähnten Spitzberg, westlich von Tübingen. Der für Süddeutschland allgemeinen Tendenz folgend, treten offene Flachlandsiedlungen der Mittel- bis Spätlatènezeit im Landkreis Tübingen stark in den Hintergrund. Aus der unmittelbaren Umgebung der Kreisstadt sind Siedlungsfunde in Form von Keramik der Stufe LT D1 aus Tübingen-Kilchberg nachgewiesen. Die zeitliche Einordnung ist jedoch nicht absolut gesichert, da gewisse Stilelemente noch auf Keramikfragmenten aus frührömischen Militärlagern und Siedlungen des 1. Jahrhunderts n. Chr. vorkommt. Dasselbe gilt auch für ein vergleichbares Gefäßbruchstück aus Tübingen-Unterjesingen[8]
Als weiteren Siedlungsnachweis der jüngeren Latènezeit sind die Wall-Graben-Anlagen sogenannter spätkeltischer Viereckschanzen anzusprechen, welche ihren zeitlichen Schwerpunkt in der ausgehenden Mittellatènezeit (LT C2) bis zur Spätlatènezeit (LT D) haben. Neuere Untersuchungen an etlichen Viereckschanzen innerhalb Süddeutschlands lassen die Interpretation solcher Anlagen als Kultplätze als nicht mehr haltbar erscheinen und schlagen stattdessen eine Funktion als „Zentren des ländlichen Siedlungsgefüges“ vor[12]. Eine spätkeltische Viereckschanze ist in der Nähe vom Hof Einsiedel, etwa 8 km östlich von Tübingen verortet. Die rechteckige Anlage (Flächeninhalt von 1,205 ha) besitzt im Südwesten eine kleine Erweiterung (Annex) und wurde in den Jahren 1911/12 untersucht. Hervorzuheben sind zwei Ringperlen aus Glas, sowie Keramikfragmente der Spätlatènezeit; aber auch römische Keramik des 2. nachchristlichen Jahrhunderts.[12] Abschließend sind noch die Funde von insgesamt vier keltischen Goldmünzen, sogenannter Regenbogenschüsselchen aus dem Landkreis Tübingen zu erwähnen, wovon eine im Jahre 1853 auf dem Tübinger Stadtgebiet, der genaue Ort ist jedoch unbekannt, entdeckt wurde. Sie spiegeln den Beginn einer Geldwirtschaft nördlich der Alpen wider.[1]
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