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Verordnung der Europäischen Union zur Verarbeitung personenbezogener Daten Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO oder DS-GVO, englisch General Data Protection Regulation, GDPR) bezeichnet die Verordnung der Europäischen Union 2016/679, mit der die Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch die meisten Verantwortlichen, sowohl private wie öffentliche, EU-weit vereinheitlicht werden. Dadurch soll einerseits der Schutz personenbezogener Daten innerhalb der Europäischen Union sichergestellt, und auch andererseits der freie Datenverkehr innerhalb des Europäischen Binnenmarktes gewährleistet werden.
Verordnung (EU) 2016/679 | |
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Titel: | Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG |
Kurztitel: | Datenschutz-Grundverordnung |
Bezeichnung: (nicht amtlich) | DSGVO, DS-GVO |
Geltungsbereich: | EWR |
Rechtsmaterie: | Datenschutzrecht |
Grundlage: | AEUV, insbesondere Art. 16 und Charta der Grundrechte der Europäischen Union', insbesondere Art. 8 |
Verfahrensübersicht: | Europäische Kommission Europäisches Parlament IPEX Wiki |
Anzuwenden ab: | 25. Mai 2018 |
Fundstelle: | ABl. L 119, 4. Mai 2016, S. 1–88 |
Volltext | Konsolidierte Fassung (nicht amtlich) Grundfassung |
Regelung ist in Kraft getreten und anwendbar. | |
Hinweis zur geltenden Fassung von Rechtsakten der Europäischen Union |
Die Verordnung ersetzt die aus dem Jahr 1995 stammende Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr.
Zusammen mit der Richtlinie (EU) 2016/680 für den Datenschutz in den Bereichen Polizei und Justiz[1] bildet die DSGVO seit 2018 den gemeinsamen Datenschutzrahmen in der Europäischen Union.[2] Sie ist darüber hinaus seit 2018 auch in den Nicht-EU-Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) Island, Liechtenstein und Norwegen geltendes Recht.[3] Zu diesem Datenschutzrahmen trat im November 2018 die auch für die Organe und Stellen der Europäischen Union verbindliche Verordnung (EU) 2018/1725 in Kraft.
Die DSGVO ist ein Beispiel für den Brüssel-Effekt, indem sie als Vorbild für Datenschutzgesetze auf der ganzen Welt diente.[4]
Im Gegensatz zur Richtlinie 95/46/EG, die von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden musste, gilt die Datenschutz-Grundverordnung seit dem 25. Mai 2018 unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten bringen jedoch durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang (Art. 85 und Art. 86 der Verordnung). Für diese und andere Rechtsvorschriften ist die Datenschutz-Grundverordnung bereits seit deren Inkrafttreten am 24. Mai 2016 maßgeblich. Den Mitgliedstaaten ist es sonst grundsätzlich nicht erlaubt, den von der Verordnung festgeschriebenen Datenschutz durch nationale Regelungen abzuschwächen oder zu verstärken. Allerdings enthält die Verordnung verschiedene Öffnungsklauseln, die es den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglichen, bestimmte Aspekte des Datenschutzes auch im nationalen Alleingang zu regeln. Daher wird die Datenschutz-Grundverordnung auch als „Hybrid“ zwischen Richtlinie und Verordnung bezeichnet.[5]
Regelungsbedarf gibt es damit sowohl im Hinblick auf die Öffnungsklauseln der Datenschutz-Grundverordnung als auch wegen des Bedarfs der Bereinigung nationalen Datenschutzrechts. Diese Ziele sollen in Deutschland auf Bundesebene mit der Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes und der Änderung weiterer Gesetze erreicht werden.[6] Das Gesetz vom 30. Juni 2017[6] hebt nationales Datenschutzrecht auf oder überführt die bei Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung unwirksamen Regelungen des bisherigen Bundesdatenschutzgesetzes in andere Gesetzesbereiche, es passt Regelungen an und schafft teils neue Vorschriften für den Datenschutz. Bereits bei der Diskussion um die diversen Referentenentwürfe des Bundesinnenministeriums, das bei der Gesetzgebung federführend war, haben Datenschützer die unzureichende Berücksichtigung der Erfahrungen der letzten Jahre bemängelt.[7] Juristen bezweifeln die Vereinbarkeit des angepassten Bundesdatenschutzgesetzes mit europäischem Recht.[8]
Die Datenschutz-Grundverordnung ist Teil der EU-Datenschutzreform, welche die Europäische Kommission am 25. Januar 2012 vorgestellt hat.[9][10]
Die DSGVO besteht aus 99 Artikeln in elf Kapiteln:
Vor den 99 Artikeln sind 173 Erwägungsgründe (ErwG) angeführt, die zur Auslegung der Artikel mit herangezogen werden.[11][12]
Viele Bereiche des Datenschutzes werden durch die DSGVO nicht neu geregelt. Insbesondere bleibt der Begriff der „personenbezogenen Daten“ in Art. 4 weiterhin weit gefasst:
Weiterhin gilt ebenfalls, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nur aufgrund eines Erlaubnistatbestands zulässig ist. Diese sind in Art. 6 aufgeführt, wovon mindestens einer erfüllt sein muss:
Im letzten Fall ist eine Interessenabwägung gegenüber den Interessen der betroffenen Person erforderlich.
Zusammenfassend gilt:
Zu folgenden Themenbereichen liefert die DSGVO Neuregelungen oder grundsätzliche Präzisierungen:
Die DSGVO führt in Art. 5 explizit folgende sechs Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten auf:
Der Verantwortliche muss die Einhaltung all dieser Grundsätze nachweisen. Die Nichteinhaltung dieser Grundsätze und der Rechenschaftspflicht kann mit einem angemessenen Bußgeld in Höhe von bis zu 20 Millionen EUR oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes geahndet werden (Art. 83 Abs. 5 lit. a).
Diese Grundsätze stellen die Programmatik der Verordnung dar.[14] Die Regelung war fast wortlautgleich Teil der Datenschutzrichtlinie (Art. 6 Richtlinie 95/46/EG) und als diese bis 1998 in nationale Gesetzgebung umzusetzen.[15] Sie sind mehr als symbolische Wiederholungen der Art. 16 AEUV, Art. 8 GRCh oder „Transmissionsriemen“ zwischen diesen Bestimmungen und der Verordnung – dies belegt insbesondere die hohe Bußgeldbewehrung der Nichteinhaltung der Bestimmung.[16]
Da viele Bestimmungen der DSGVO darauf abstellen, wer Verantwortlicher der Datenverarbeitung ist, kommt es oft darauf an, wer das ist. Art. 4 Nr. 7 DSGVO sieht folgende Definition vor: „Verantwortlicher“ ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.
Der Dreiklang Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz bedingt einander.[17]
Der Rechtmäßigkeits-Grundsatz lässt sich weit und eng auslegen. Eine enge Auslegung bezieht sich auf die Zulässigkeit der Verarbeitung (Frage nach den „Ob?“), eine weitere Auslegung[18] stellt die Frage nach dem „Wie?“. Die herrschende Meinung[19][20][21] legt die Vorschrift eng aus, stellt jedoch fest, dass der ErwG 40 in dieser Hinsicht nicht eindeutig ist.
Es ist festzustellen, dass insbesondere der Grundsatz der Verarbeitung nach Treu und Glauben noch weiter zu fassen ist, als in der deutschen Rechtsprechung üblich, so sprechen die anderen Sprachversionen beispielsweise von „fairness“ (englisch, nicht etwa von „good faith“), „loyauté“ (französisch, Anständigkeit, nicht etwa „bonne foi“), „correttezza“ (italienisch, Richtigkeit, nicht etwa „buona fede“) und „behoorlijkheid“ (niederländisch, Angemessenheit, nicht etwa „goede trouw“).[22]
Transparenz stellt hier die Umsetzung der beiden vorgenannten Grundsätze dar: Es muss einerseits retrospektiv nachvollziehbar sein, der Datenverarbeitung Schritt für Schritt zu folgen. Dies hatte bereits 1983 das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil festgestellt.[23] Der Transparenzgedanke der Verordnung geht jedoch über diese reine Rückschau hinaus. Es muss vielmehr vorausblickend möglich sein, nicht nur den Prozess der Verarbeitung zu überblicken und verstehen, sondern auch den Zusammenhang und damit auch bspw. den Grund der Verarbeitung und den Zeitpunkt und Grund der Übermittlung an Dritte. (ErwG 39)
Zweckgebundene Daten und das Konzept ihrer konformen Verwendung tragen zu Transparenz, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei, die Grundsätze zielen darauf ab, die Betroffenen zu schützen, indem sie Beschränkungen für die Verwendung ihrer Daten durch die dafür Verantwortlichen festlegen und die Angemessenheit der Verarbeitung stärken.[24] Der Grundsatz orientiert sich wie die anderen Grundsätze der Verordnung an höherrangigem Recht. Art. 8 EMRK zielt auf den Schutz des Privatlebens ab und verlangt eine Rechtfertigung für jeden Eingriff in die Privatsphäre. Entsprechend entwickelte der EGMR den „Test zur Bemessung der Erwartung an die Privatheit“.[25][26] Das Gericht weitete diesen Schutz und Test, einschließlich des Schutzes personenbezogener Daten, schrittweise von Fällen der Sammlung und Archivierung personenbezogener Daten durch Geheimdienste[27][28] auf die jüngsten Fälle aus, in denen das Gericht diese Garantien auf das Arbeitsumfeld[29] und auf öffentliche Räume[30] noch vor dem Inkrafttreten der Verordnung aus der EMRK ableitete und anwandte. Entsprechend weitreichend ist der Grundsatz der Zweckbindung.
Damit die Zweckbindung überhaupt realisiert werden kann, muss der Zweck festgelegt, eindeutig und legitim sein (Art. 5 Abs. 1 lit. b). Entsprechend muss der Zweck bereits zum Zeitpunkt der Erhebung feststehen (ErwG 39), eine allgemeine Angabe wie „geschäftsmäßige Verarbeitung“ oder „Bankgeschäfte“ reichen der herrschenden Meinung nach nicht aus.[31][32][33] Vielmehr muss der Zweck „so klar zum Ausdruck gebracht werden, dass Zweifel daran, ob und in welchem Sinne der Verantwortliche der Verarbeitung den Zweck festgelegt hat, ausgeschlossen sind“.[33]
Der Austausch personenbezogener Daten in der EU darf nicht (mehr) mit dem Argument abgelehnt werden, dass der Datenschutz innerhalb der EU verschieden gehandhabt wird. Art. 1 Abs. 3 formuliert:
„Der freie Verkehr personenbezogener Daten in der Union darf aus Gründen des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten weder eingeschränkt noch verboten werden.“
Die DSGVO unterscheidet (im Gegensatz etwa zum deutschen Bundesdatenschutzgesetz a. F.) nicht zwischen der Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen – für alle Verantwortlichen gilt dasselbe Recht. Trotzdem fallen bestimmte Arten der Verarbeitung personenbezogener Daten laut Art. 2 nicht unter die Verordnung. Die Erwägungsgründe 16 und 18 erläutern dies näher:
Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DSGVO enthält noch die Ausnahme, dass die DSGVO nicht im Strafprozess und bei der Verhinderung von Straftaten gilt.[34] Für diesen Bereich gilt die Richtlinie (EU) 2016/680.
Das europäische Datenschutzrecht gilt auch für außereuropäische Unternehmen oder Organisationen, soweit diese ihre Waren oder Dienstleistungen im europäischen Markt anbieten. Dies bedeutet, dass die DSGVO nicht nur Anwendung findet, wenn die Datenverarbeitung im Gebiet der Union oder durch einen im Gebiet der Union ansässigen Anbieter stattfindet, sondern nach Art. 3 der Verordnung auch, wenn die Datenverarbeitung mit einem Angebot in Zusammenhang steht, das sich an Personen im Unionsgebiet richtet. Die genaue Bestimmung, wann ein solches Ausrichten vorliegt, ist bisher im Datenschutzrecht nicht eindeutig geklärt.
Prinzipiell sind die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung gegenüber dem deutschen Bundesdatenschutzgesetz a. F. reduziert: Die Schriftform ist nicht mehr die Regel, auch eine stillschweigende Einwilligungserklärung ist nach Erwägungsgrund (32) zulässig, wenn sie eindeutig ist. Da aber andererseits dies vom Verantwortlichen nachzuweisen ist, wird die Schriftform doch gängig bleiben. Für besondere personenbezogene Daten ist sie weiterhin vorgeschrieben. In der Praxis werden beispielsweise Consent-Banner verwendet.
Die etwa im deutschen Bundesdatenschutzgesetz a. F. festgeschriebene Datensparsamkeit wird durch den Grundsatz der (zweckbezogenen) Datenminimierung ersetzt.
Der Erwägungsgrund 39 hebt den Grundsatz der Transparenz jeglicher Datenverarbeitung für die betroffenen Personen hervor. Mehrere Artikel verlangen entsprechende Maßnahmen:
Die Effektivität all dieser Rechte ist allerdings von der unausgesprochenen Voraussetzung abhängig, dass betroffene Personen selbst verpflichtet sind, sich aktiv darum zu kümmern, von wem und wie ihre Daten verarbeitet werden, und ihre Rechte einzufordern. Dies wird von Kritikern als nicht realistisch angesehen.[36]
Darüber hinaus soll die DSGVO laut Erwägungsgrund 13 auch Transparenz und Rechtssicherheit für die verarbeitenden Unternehmen bewirken, „einschließlich Kleinstunternehmen sowie kleiner und mittlerer Unternehmen“.
Das Recht auf Vergessenwerden, das in der Überschrift des Art. 17 ausdrücklich so genannt wird, ist eines der zentralen Rechte der DSGVO. Es umfasst einerseits, dass eine betroffene Person das Recht hat, das Löschen aller sie betreffenden Daten zu fordern, wenn die Gründe für die Datenspeicherung entfallen.
Es ist aber zu beachten, dass der Verantwortliche andererseits Daten von sich aus schon löschen muss, wenn die Rechtsgrundlage für die weitere Verarbeitung entfallen ist. Dem können gesetzliche Aufbewahrungspflichten (z. B. für Buchungsbelege gemäß § 147 Abgabenordnung) entgegenstehen.
Als eine eher marktsteuernde Regelung verlangt Art. 20, dass eine betroffene Person das Recht hat, die Daten, die sie betreffen und die sie selbst dem Verantwortlichen übergeben hat, in einem „strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten“, auch und insbesondere für den Zweck, sie anderen „ohne Behinderung durch den Verantwortlichen“ zu übermitteln.
Bei einem Verstoß gegen die Regelungen des DSGVO kann die betroffene Person nach Art. 82 DSGVO Schadensersatz verlangen. Anspruchsgegner ist der Verantwortliche der rechtswidrigen Datenverarbeitung oder der Auftragsverarbeiter. Kann der Anspruchsgegner nachweisen, dass er für den Datenschutzverstoß nicht verantwortlich ist, dann haftet er auch nicht. Die Verordnung vermutet aber grundsätzlich eine bestehende Verantwortlichkeit.
Es kann ein kausaler materieller und immaterieller Schaden geltend gemacht werden. Ob überhaupt ein solcher Schaden vorliegt, ist nach Art. 82 DSGVO zu bestimmen. Die Bestimmung der Schadenshöhe ist in Art. 82 DSGVO aber nicht geregelt und richtet sich nach den Normen der einzelnen Mitgliedstaaten. Dabei sind die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten.[37] Ein bloßer Datenschutzverstoß begründet noch keinen Schaden. Der Europäische Gerichtshof hat deshalb betont, dass für einen Anspruch drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen: Verstoß gegen die DSGVO, Schaden und Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß.[38]
Hinsichtlich eines immateriellen Schadens gilt, dass keine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten werden muss.[39] Deshalb können auch nur sehr geringe Geldbeträge in Betracht kommen. Der Grad des Verschuldens ist bei der Bemessung der Höhe des immateriellen Schadens nicht zu berücksichtigen, weil es dabei lediglich um den Ausgleich des Schadens und nicht um eine bestrafende Funktion geht.[40] Eine Begründung für einen immateriellen Schaden kann nach dem Europäischen Gerichtshof sein, dass man Angst hat, dass die personenbezogenen Daten durch Dritte missbräuchlich verwendet werden könnten.[41] Bestehen aber keine konkreten Anhaltspunkte für einen möglichen Missbrauch, dann kann auch kein Schaden vorliegen.[42]
Für die effektive Durchsetzung des Datenschutzrechts sind nun weitaus höhere Bußgelder als bisher möglich. Zudem können die Datenschutzaufsichtsbehörden künftig durchsetzbare Anordnungen und Bußgelder nicht nur gegen private Verantwortliche, sondern auch gegenüber Behörden erlassen, wenn das im nationalen Recht vorgesehen ist.
Die Höhe der Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten ist nun in bestimmten Fällen nach Art. 83 Abs. 5 auf bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes festgelegt (im Vergleich dazu sah das deutsche Bundesdatenschutzgesetz a. F. bisher ein Bußgeld von bis zu 300.000 Euro vor).
Am 14. Oktober 2019 legte die DSK, die Konferenz der staatlichen Datenschutzbeauftragten, ein Konzept zur Bußgeldbemessung bei Verstößen nach der DSGVO vor[43]. Dieses Konzept soll für Unternehmen (nicht aber für Vereine oder natürliche Personen) den Kriterienkatalog nach Art. 83 Abs. 2 DSGVO konkretisieren. Erreicht werden soll eine Harmonisierung für rein deutsche Sachverhalte (nicht aber für grenzüberschreitende Fälle). Das Werk soll nur bis zur Verabschiedung von entsprechenden Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschuss gelten. Das Konzept ist kein Bußgeldkatalog, der die Gerichte bindet. Zur Darstellung (mit kritischen Anmerkungen) siehe BRAK-Magazin Heft 6 aus 2020, S. 14 und 15[44].
Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus weitere Sanktionsmöglichkeiten vorsehen. Zum Beispiel kann laut Erwägungsgrund 149 vorgesehen werden, Gewinne aufgrund des Verstoßes gegen die DSGVO einzuziehen.
Nach den Grundsätzen Datenschutz durch Technikgestaltung („privacy by design“, „data protection by design“) und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen („privacy by default“, „data protection by default“) muss die betroffene Person darauf vertrauen können, dass die grundsätzlichen Datenschutzanforderungen von der ersten Nutzung an gewahrt bleiben, und zwar auch dann, wenn die vorgegebenen Voreinstellungen zunächst nicht geändert werden.[45] Die Konzepte gehören zu den Kernelementen der Verordnung.[46]
Durch den Grundsatz privacy by design wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Sicherstellung des Datenschutzes nicht allein durch die Einhaltung von Vorschriften gewährleistet werden kann; die Grundsätze des Datenschutzes müssen bereits vor Beginn der technischen Planung in die Konzeptionierung von Verarbeitungsvorgängen integriert werden.[47][48] Daher ergeben sich drei Handlungsfelder für „Datenschutz durch Technikgestaltung“[49][50]:
Beim Grundsatz privacy by default handelt es sich um eine Spezialisierung des Grundsatzes „privacy by design“.[54][55] Er fußt insbesondere auf dem „Privacy Paradox“,[56][57][58] wonach Benutzer erklären, dass sie sich um ihre Daten und den Datenschutz sorgen, jedoch so handeln, als ob dies nicht der Fall wäre. Die Gründe hierfür sind Gegenstand der Forschung; angenommen werden Faulheit, Unkenntnis oder eine intuitive, irrationale Abwägung der Vor- und Nachteile.[59] Ziel ist, dass Verantwortliche Systeme bereitstellen, deren Voreinstellungen bereits möglichst datenschutzfreundlich sind.[60] Benutzer eines Systems sollen hierbei jedoch explizit nicht davor geschützt werden, freiwillig und informiert datenschutzunfreundlichere Einstellungen vorzunehmen, vielmehr sollen betroffene Personen befähigt werden, die Verarbeitung personenbezogener Daten zu überwachen (ErwG 78).
Die Umsetzung der Grundsätze erfolgt durch „geeignete technische und organisatorische Maßnahmen“ (Art. 25 Abs. 1). Unter technischen Maßnahmen sind alle Schutzversuche zu verstehen, die im weitesten Sinne physisch umsetzbar sind oder die in Soft- und Hardware umgesetzt werden, unter organisatorischen Maßnahmen solche Schutzversuche, die durch Handlungsanweisung, Verfahrens- und Vorgehensweisen umgesetzt werden.[61] Hierzu können beispielsweise das physikalische Löschen von Daten[62], die kryptographische Verschlüsselung oder interne IT- und Datenschutz-Regelungen gehören.[63][64]
Die DSGVO sieht nun europaweit die Bestellung von Datenschutzbeauftragten vor, zumindest bei allen öffentlichen Stellen und solchen privaten Unternehmen, bei denen besonders risikoreiche Datenverarbeitungen erfolgen. Damit wird ein Mindeststandard für die Einrichtung dieser Stellen erreicht.
Kleinunternehmer und kleine Unternehmen müssen keinen Datenschutzbeauftragten stellen, es sei denn, einer der nachfolgenden Punkte trifft zu.[65]
Der Begriff der „umfangreichen Verarbeitung“ und die Voraussetzungen für eine Datenschutz-Folgenabschätzung werden im Erwägungsgrund 91 etwas genauer beschrieben, damit bestimmte freie Berufe wie Rechtsanwälte und Ärzte, aber etwa auch Apotheker (als „Angehörige eines Gesundheitsberufes“) in der Regel keinen Datenschutzbeauftragten stellen müssen.
Nicht in der Europäischen Union ansässige Verantwortliche, auf die die Datenschutz-Grundverordnung Anwendung findet, müssen zudem einen Vertreter in der Europäischen Union bestellen.
Die DSGVO sieht vor, dass durch nationales Recht an vielen Stellen eine Erweiterung oder detaillierte Festlegung des Datenschutzrechtes erfolgt. Dies erfolgt über so genannte „Öffnungsklauseln“, von denen die DSGVO – je nach Zählweise – 50 bis 60 enthält. Einige verlangen eine Rechtshandlung der Mitgliedstaaten, die Mehrzahl erlaubt jedoch die Ausnutzung von Spielräumen durch nationale Vorschriften. Die Bestimmungen lassen sich in verschiedener Hinsicht systematisieren.[66][67][68] Der Handlungsspielraum ist grundsätzlich insofern begrenzt, als die Harmonisierung des Datenschutzes durch die DSGVO nicht unterlaufen werden darf. Die Hintergründe dieser vielen „Öffnungsklauseln“ werden – gerade von seinerzeitigen Vertretern der EU – meist auf politischer Ebene verortet, indem sie als Kompromisse im Rahmen eines Konsensfindungsprozesses gewertet werden. Seitens der Wissenschaft gibt indessen auch alternative Erklärungsansätze, die mitunter Auslegungshilfen für die Rechtsanwendung bereit halten.[67][68]
Ein Beispiel für eine Öffnungsklausel findet sich etwa im Datenschutz von Beschäftigten, also dem Beschäftigtendatenschutz
: Art. 88 Abs. 1 sieht eine Öffnungsklausel vor, nach der die Mitgliedstaaten „spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext“ vorsehen können. Es ist umstritten, ob diese Formulierung ein Abweichen vom Schutzniveau der allgemeinen Vorschriften zulässt.[69]
Weitere Öffnungsklauseln finden sich u. a.
Seit dem Vorschlag des Gesetzgebungsentwurfs der Europäischen Kommission hatte es umfassende Debatten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gegeben. Insbesondere das Europäische Parlament hatte durch zahlreiche öffentliche Anhörungen viele der geäußerten Kritikpunkte aufgegriffen und im Rahmen des von Jan Philipp Albrecht als Berichterstatter verhandelten Kompromisses einfließen lassen. Auch im Ministerrat waren unterschiedlichste Standpunkte eingeflossen. Aus beiden Vorlagen wurde im Rahmen der Trilogverhandlungen am 15. Dezember 2015 ein finaler Verordnungstext erarbeitet, der am Ende nahezu einstimmig vom Plenum des Europäischen Parlaments sowie den Innen- und Justizministern der EU-Mitgliedstaaten angenommen wurde und zum 24. Mai 2016 formal in Kraft trat. Die während der mehr als vier Jahre dauernden Verhandlungen aufgeworfenen Kritikpunkte unterschiedlicher Seiten der Debatte werden nachstehend ausschnittsweise zusammengefasst:
Zwischenzeitliche Entwürfe sahen vor, dass ein interner Datenschutzbeauftragter und interne Dokumentationspflichten nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern verpflichtend sind. Dies – so Kritiker – hätte den Datenschutz in Deutschland und Österreich geschwächt.[70] Die endgültige Fassung sieht eine verpflichtende Benennung des internen Datenschutzbeauftragten bei Behörden und bei Verantwortlichen vor, deren Kerntätigkeit in der Durchführung von Verarbeitungsvorgängen oder in der umfangreichen Verarbeitung sensibler Daten besteht (Art. 37 Abs. 1). Die Mitgliedstaaten sind aber befugt, strengere Regelungen zu erlassen (Art. 37 Abs. 4). Die internen Dokumentationspflichten gelten nicht für Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern, sofern die Datenverarbeitung kein Risiko für die Betroffenen birgt, nur gelegentlich erfolgt und nicht die Verarbeitung sensibler Daten einschließt (Art. 30 Abs. 5).
Der Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) erwartet, dass die Abschaffung des internen Datenschutzbeauftragten zu Kostensteigerungen aufgrund wachsender Bürokratie führe. Unternehmen müssten intern eine Stelle für die Behördenkommunikation einrichten und bei der Einführung neuer Software mit Verzögerungen rechnen, weil die Landesämter für Datenschutz personell nicht gut genug ausgestattet seien. 66 unabhängige Verbraucher- und Datenschutzorganisationen forderten Jean-Claude Juncker im April 2015 auf, den „Goldstandard des europäischen Datenschutzes“ zu erhalten.[71]
Der BvD bemängelte ferner fehlende klare Regeln für den Datentransfer aus der EU in Drittstaaten (z. B. USA) und forderte eine EU-weite Bestellung betrieblicher Datenschutzbeauftragter.[72]
Andererseits wird die Weitergabe von Verbraucherdaten an Konkurrenten (Datenportabilität) nicht nur Anbieter wie Facebook betreffen, sondern auch für kleinere Unternehmen gelten.[70]
Der deutsche Bundesrat erhob am 30. März 2012 Subsidiaritätsrüge gegen den Verordnungsvorschlag. Die Länderkammer war der Auffassung, dass der Vorschlag mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht im Einklang stehe und deshalb gegen Art. 5 Abs. 3 EUV verstoße.[73] Nach dieser Vorschrift darf die Europäische Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf EU-Ebene besser zu implementieren sind.
Von vielen Seiten wurde die oft vage und unklare Formulierung des Entwurfs kritisiert. Danach sollten auch viele elementare Regelungen erst gar nicht in die Grundverordnung eingefügt, sondern diesen erst durch gesonderte Rechtsakte der EU-Kommission Geltung verschafft werden.
Im Verhandlungsbeschluss des Europäischen Parlaments waren die Kritikpunkte bereits weitgehend ausgeräumt.[74] Nachdem aber die ursprünglich angenommenen Datenschutzaspekte der Verordnung nach einem Pressebericht vom März 2015 von der zuständigen Arbeitsgruppe der EU in großen Teilen aufgeweicht wurden, kam es zu erneuter Kritik. So wird in einem Positionspapier der Arbeitsgruppe der Industrie das Sammeln von personenbezogenen Daten ohne festgelegte Zwecke erlaubt, ebenso wie die Weitergabe dieser Daten an Dritte.[75]
Auch nach Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung wird grundlegende Kritik, insbesondere von Seiten der Rechtswissenschaft geübt:
So bezeichnete der Leiter des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster, Thomas Hoeren, die Datenschutz-Grundverordnung als „eines der schlechtesten Gesetze des 21. Jahrhunderts“.[76]
Der Leiter des Fachgebiets Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Recht der Technik der Universität Kassel, Alexander Roßnagel, meinte, die Datenschutz-Grundverordnung ignoriere „alle modernen Herausforderungen für den Datenschutz wie Soziale Netzwerke, Big Data (Datenflut und deren Beherrschung), Suchmaschinen, Cloud Computing, Ubiquitous computing (Durchdringung des Alltags und von Dingen durch Computer) und andere Technikanwendungen“.[77] In einer Studie wird der deutsche Gesetzgeber aufgefordert, die unübersichtliche Gemengelage[78] aus neuen europäischen Regelungen und fortgeltendem deutschen Recht aufzulösen.[79]
Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) sieht bei der DSGVO insoweit Änderungsbedarf, als der nationale Gesetzgeber zum Schutz der berufsspezifischen Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte (z. B.: Unabhängigkeit vor staatlichen Einflüssen, Anwaltsgeheimnis, absolute Treuepflicht des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten) in der Verordnung ermöglichte Öffnungsklauseln nutzen muss, um all dies überhaupt weiter gewährleisten zu können.[80] Der DAV zog das Fazit einer „Ausdünnung des deutschen Datenschutzrechts“.[81]
Die Forderung des DAV an den nationalen Gesetzgeber geht in drei Richtungen:
Rund um die Verhandlungen der Datenschutz-Grundverordnung kritisierten EU-Abgeordnete massives Lobbying von Seiten der US-Regierung und von US-amerikanischen IT-Unternehmen. Technologie-Unternehmen aus den USA fürchten demnach den negativen Einfluss der Verordnung auf ihre Niederlassungen in Europa und übten entsprechenden Druck auf die Regierung von US-Präsident Obama aus. So forderte der amerikanische EU-Botschafter William E. Kennard in einer Rede in Brüssel am 4. Dezember 2012, dass die zentralen Forderungen der Verordnung gestrichen werden müssen: das Löschen sämtlicher Daten einer Person aus den Unternehmensdatenbanken auf Wunsch und die ausdrückliche Einverständniserklärung einer Person, bevor ihre Daten überhaupt gesammelt werden dürfen.[85]
Von amerikanischen Unternehmen wird ein California-Effekt durch die EU-Gesetzgebung befürchtet. Ähnlich wie strengere Umweltgesetze in Kalifornien den Mindeststandard in den USA schleichend anheben, wird erwartet, dass die höheren Standards in der EU das Datenschutzniveau für alle weltweit operierenden Unternehmen anheben würden. Während bisher in den USA lediglich Finanz- und Gesundheitsdaten einem gewissen Datenschutz unterliegen,[85] ist die Erfassung und das Zusammenführen sämtlicher anderer gesammelter Daten und deren unbegrenzte Aufbewahrung durch Privatunternehmen erlaubt. Amerikanische Bürgerrechtsorganisationen erhofften sich andererseits eine Steigerung des Datenschutzstandards in den USA und unterstützten daher die Pläne in der EU.
Die Plattform LobbyPlag.eu zeigt, dass viele Abänderungsanträge von Abgeordneten im EU-Parlament wortgleich aus Lobbypapieren von Unternehmen wie Amazon, eBay, der Lobbygruppe „Digitaleurope“[85] mit den Mitgliedern Apple, Microsoft, Cisco, Intel, IBM, Oracle, Texas Instruments und Dell oder von der US-amerikanischen Handelskammer übernommen wurden. Für die Abänderungen traten unter anderen die Abgeordneten Malcolm Harbour (ECR), Andreas Schwab (CDU/EPP), Klaus-Heiner Lehne (EPP) oder Marielle Gallo (EPP) ein. Andererseits weist die Plattform auch auf wortgleiche Übernahmen aus den Unterlagen von Datenschutzorganisationen wie Bits of Freedom und EDRi durch Abgeordnete wie Amelia Andersdotter (PPEU/Piraten) oder Eva Lichtenberger (EFA/Die Grünen) hin.[86]
Im zuständigen LIBE-Ausschuss des EU-Parlaments wurden schlussendlich über 3.100 Abänderungsanträge gegenüber dem Entwurf der EU-Kommission eingebracht. Generell setzten sich die meisten sozialdemokratischen und grünen Abgeordneten für eine Verstärkung oder Präzisierung des Entwurfs ein, während sich die meisten konservativen und liberalen Abgeordneten für eine Lockerung im Sinne der IT-Wirtschaft starkmachten.
LobbyPlag erarbeitete eine Liste der Abgeordneten, die, gemessen an den von ihnen eingebrachten Änderungsanträgen, am nachdrücklichsten für weniger bzw. für mehr Datenschutz eintraten. Bis Anfang Juni 2013 brachte sich für die Aufweichung des Datenschutzes demnach Axel Voss (EPP/CDU) am stärksten ein, bei der Stärkung des Datenschutzes sah man Jan Philipp Albrecht (EFA/Die Grünen) an erster Stelle. Beide hatten in der Summe je 147 Änderungsanträge zugunsten der Abschwächung beziehungsweise Stärkung des Datenschutzes eingebracht.[87]
Unter Druck durch Teile der deutschen Wirtschaft, die fürchtete, im globalen Wettbewerb Nachteile durch die Grundverordnung zu erleiden, argumentierten auch Vertreter des Deutschen Innenministeriums, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einem harmonisierten Wettbewerb entgegenstünde.[88]
Nach langen Verhandlungen scheiterte ein Entwurf der irischen Ratspräsidentschaft im Juni 2013 im EU-Ministerrat. Unter anderem meldeten die Vertreter Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs zahlreiche Bedenken an. Die anvisierte Positionierung vor der Sommerpause konnten damit sowohl Rat als auch Parlament nicht leisten. Am 21. Oktober 2013 nahm das Europäische Parlament im Innen- und Justizausschuss seine durch den Grünen-Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht als EP-Berichterstatter ausgearbeitete Verhandlungsposition mit überwältigender Mehrheit an[89] und bestätigte sie am 12. März 2014 durch das Plenum.[90]
Nachdem im Rat entscheidende Teile der Verordnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Gunsten eines schwächeren Datenschutzes verändert worden waren, sollten am 12. und 13. März 2015 die Justizminister der Mitgliedstaaten eine Einigung zum zweiten Kapitel der Verordnung erzielen, bevor die übrigen Kapitel verhandelt wurden.[75] Erst im Juni 2015 einigten sich die EU-Justizminister auf einen Entwurf der Datenschutz-Grundverordnung.[91]
Am 24. Juni begannen die Abstimmungsverhandlungen zwischen Rat, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission (sogenannter Trilog). Eine am 15. Dezember 2015 zwischen Parlament und Rat informell erzielte Einigung[92] wurde am 17. Dezember vom Innen- und Rechtsausschuss des Parlaments mit großer Mehrheit angenommen. Am 8. April 2016 beschloss der EU-Ministerrat die vorliegende Fassung[93][94] das EU-Parlament nahm die Regelungen am 14. April ebenfalls an.[95]
Die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgte am 4. Mai 2016,[96] weshalb sie gemäß Art. 99 Abs. 1 DSGVO am 24. Mai 2016 in Kraft trat und gemäß Art. 99 Abs. 2 ab dem 25. Mai 2018 anzuwenden ist. Mehrere Corrigenda (d. h. Berichtigungen inhaltlicher Fehler) ergingen seit Inkrafttreten[97] – z. T. beschränkt auf einige Sprachfassungen der DSGVO (DE, ET, IT, HU) – am 27. Oktober 2016.[98]
Unterlagen aus den Geheimverhandlungen zum Trade in Services Agreement (TiSA), die im November 2016 Greenpeace zugespielt wurden, belegen nach Aussage von Greenpeace, dass Lobbyisten versuchen, neben Netzneutralität und Bankenregulierung auch den Datenschutz nachhaltig zu schwächen und die Datenschutz-Grundverordnung faktisch unwirksam zu machen. Unternehmen sollen Kunden- und Nutzerdaten ins außereuropäische Ausland transferieren und dort ohne Zweckbindung weiterverarbeiten können.[99]
Mit dem Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU vom 30. Juni 2017 wurde unter anderem das Bundesdatenschutzgesetz neu gefasst.[6] Mit dem Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU wurden weitere weitreichende Anpassungen verabschiedet, unter anderem wurde die Zahl, ab der ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen ist, von 10 auf 20 Personen angehoben, die ständig mit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten befasst sein müssen.[100] Seit Oktober 2021 liegt der Evaluierungsbericht des Bundesinnenministeriums zur Anpassung des deutschen Datenschutzrechts an die DSGVO vor.[101]
Zuständige Behörden sind der bzw. die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, die 16 Landesbeauftragten für den Datenschutz sowie das bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht. Für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten handeln deren Rundfunkdatenschutzbeauftragte als Aufsichtsbehörden nach Art. 51 DSGVO.
Mit dem Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 hat Österreich das Bundesgesetz zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz, DSG) geändert und an die DSGVO angepasst.[102][103] Im April 2018 wurde im Nationalrat eine Abänderung der Novelle beschlossen. Demnach solle die Behörde den Strafkatalog der DSGVO „so zur Anwendung bringen, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird“.[104][105] Zuständige Behörde in Österreich ist die Datenschutzbehörde mit Sitz in Wien.[106] Leiterin der Behörde ist Andrea Jelinek.
Die Umsetzung der umfassenden Änderungen durch die Datenschutz-Grundverordnung bedeutete einen aufwändigen Prozess.[107][108][109] Gemäß Art. 97 DSGVO ist von der EU-Kommission alle vier Jahre, beginnend mit einer Evaluierung im Jahr 2020[110][111], ein entsprechender Bericht vorzulegen (Art. 97 Abs. 1 DSGVO).[112]
Einige große US-Medienverlage wie die der Chicago Tribune oder die Los Angeles Times, so wurde bekannt, haben ihre Internetpräsenzen teilweise für viele europäische Nutzer gesperrt.[113][114]
In Österreich hat die Immobilienverwaltung der Stadt Wien, Stadt Wien – Wiener Wohnen, angekündigt, rund 200.000 Namensschilder an Klingeln zu entfernen, da sie befürchtet, gegen die DSGVO zu verstoßen.[115] Diese Ankündigung wurde im November 2018 wieder zurückgezogen.
In Deutschland wurden bis Ende 2018 in 41 Fällen Bußgeldbescheide aufgrund von Datenschutzverstößen erlassen, davon alleine 33 in Nordrhein-Westfalen. Die Bußgelder bewegen sich in niedriger Höhe, in Nordrhein-Westfalen waren es insgesamt 15.000 Euro, in Baden-Württemberg allerdings bei einer Einzelstrafe 80.000 Euro.[116] Neben den Bußgeldverfahren haben mittlerweile aber auch mehrere Oberlandesgerichte in Deutschland wettbewerbsrechtliche Ansprüche bei Verstößen gegen die DSGVO bejaht (OLG Hamburg[117]; KG Berlin[118]; OLG Naumburg[119]; OLG Stuttgart[120]).
Die französische Datenschutzbehörde CNIL verhängte im Januar 2019 nach Beschwerden der Nichtregierungsorganisationen La Quadrature du Net aus Frankreich und NOYB aus Österreich ein Bußgeld über 50 Millionen Euro gegen Google LLC wegen mangelnder Transparenz bei den Informationen zur Verwendung der erhobenen Daten[121] und zum Speicherzeitraum[122] und weil die von Google eingeholte Einwilligung zur Anzeige personalisierter Werbung ungültig sei.[123]
Nachdem im Jahr 2020 rund 160 Millionen Euro an DSGVO-Strafzahlungen verhängt wurden[124], so waren es 2021 bereits über eine Milliarde Euro.[125]
Kritiker beklagen Verzögerungen oder Fehlen oder Vermeidung von Strafverfolgung durch das One-Stop-Shop-System, bei dem viele wichtige Ermittlungen von den Behörden in Irland oder Luxemburg durchgeführt werden müssen, da sich die meisten großen US-Technologieunternehmen in diesen Ländern niedergelassen haben.[126] Im Rahmen der von der Kommission von der Leyen I propagierten „digitalen Souveränität“ beabsichtigen europäische Datenschutzbeauftragte, den Strafverfolgungsmechanismus zu verbessern.[127]
Seit dem Inkrafttreten der DSGVO wurden auch in zahlreichen Staaten außerhalb des EWR Datenschutzgesetze angepasst. Beispielsweise ist in den USA am 1. Januar 2020 der California Consumer Privacy Act (CCPA) in Kraft getreten.[128] In China trat im Jahr 2021 ein neues Gesetz zum Schutz Persönlicher Daten (PIPL) in Kraft.[129] Von EU-Funktionären wird die DSGVO bisweilen als ein weltweites Vorbild im Bereich des Datenschutzes angepriesen.[130][131]
Die DSGVO hatte immense Folgen für den Online-Werbemarkt, da sie das Sammeln und Nutzen von personenbezogenen Daten für personalisierte Werbung und Inhalte der verschiedenen Akteure erschwerte.[132]
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