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Behörde in Wiesbaden Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen (LfV HE) ist die Verfassungsschutzbehörde des Landes Hessen. Als obere Landesbehörde ist es dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport direkt nachgeordnet und hat seinen Sitz in Wiesbaden. Die zum 19. Juli 1951 errichtete Behörde mit 375 Mitarbeitern gliedert sich in sechs Abteilungen mit zweiundzwanzig Dezernatenen.[1] Im Sachhaushalt Hessens sind dem Amt 39,1 Millionen Euro für das Jahr 2023 zugewiesen.[2]
Grundlage für die Arbeit des Hessischen Verfassungsschutzes bildet das Hessische Verfassungsschutzgesetz in der Neufassung von 2023, das am 12. Juli 2023 in Kraft trat.[3]
Es wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 17. Juli 2024 für in Teilen verfassungswidrig erklärt. Mehrere dort geregelte Datenerhebungs- und Übermittlungsbefugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz sind demnach mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil sie gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Schutz der informationellen Selbstbestimmung verstoßen.[4]
Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV-Gesetz) vom 19. Dezember 1990 (GVBl. I S. 753), geändert am 6. September 2007 (GVBl. I S. 542–545) sowie zuletzt durch § 32 des Hessischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vom 28. September 2007 (GVBl. I S. 623) hat das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen die Aufgabe, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen. Dies betrifft grundsätzlich alle Aktivitäten, die
Dieser Auftrag wird umgesetzt durch
Für das geplante neue Verfassungsschutzgesetz und für die geplante Novellierung des hessischen Polizeigesetzes erhielt die CDU-Fraktion gemeinsam der Grünen-Fraktion im Hessischen Landtag 2018 den Negativpreis BigBrotherAward in der Kategorie Politik. Laudator Rolf Gössner beschrieb die Gesetzesinitiative als „gefährliche Ansammlung gravierender Überwachungsermächtigungen, die tief in Grundrechte eingreifen und den demokratischen Rechtsstaat bedrohen.“[5]
Auf nachrichtendienstlichem Weg gewonnene Informationen können im Allgemeinen nicht öffentlich verwendet werden. Sie ermöglichen aber eine sachgerechte und qualifizierte Bewertung der öffentlich zugänglichen Informationen. Sie sind daher für die Beurteilung verfassungsfeindlicher Bestrebungen notwendig und unverzichtbar. Das Landesamt für Verfassungsschutz informiert regelmäßig die Parlamentarische Kontrollkommission Verfassungsschutz und die obersten Landesbehörden über seine Erkenntnisse. Im Einzelfall dürfen auch andere Behörden, z. B. die der Strafverfolgung, zur Erfüllung ihres Auftrages durch das Landesamt für Verfassungsschutz über einschlägige Erkenntnisse unterrichtet werden.
2022 waren 42,5 Prozent der Beschäftigten weiblich.[6]
Das LfV unterliegt einer vielschichtigen rechtsstaatlichen Kontrolle. Neben der Rechts- und Fachaufsicht durch das Hessische Innenministerium sorgen externe Kontrollen durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz dafür, dass der gesetzlich vorgegebene Rahmen nicht überschritten wird. Die parlamentarische Kontrolle wird durch die Parlamentarische Kontrollkommission Verfassungsschutz wahrgenommen. Post- und Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach dem Artikel 10-Gesetz unterliegen der Kontrolle der G 10-Kommission des Hessischen Landtages. Der Etat unterliegt der strengen Kontrolle des Hessischen Rechnungshofs. Nicht zuletzt wird der Verfassungsschutz durch die öffentliche Medienberichterstattung von der Öffentlichkeit kontrolliert.
Die Amtsvorsteher des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen wurden zunächst als Direktor (so noch Lutz Irrgang bis zum Jahr 2006) bezeichnet, später und bis heute dann als Präsident.
Zeitraum | Name | Bemerkung |
---|---|---|
Juli 1951 – Februar 1952 | Paul Schmidt | |
März 1952 – Mai 1954 | Arno Maneck (kommissarisch) | |
Juni 1954 – März 1955 | Karl Pforr | |
April 1955 – Juni 1957 | Wilhelm Leyerer | |
Juni 1957 – November 1967 | Kurt Wolf | |
Dezember 1967 – April 1976 | Werner Heede | |
Mai 1976 – August 1980 | Roderich Fabian | |
August 1980 – Oktober 1991 | Günther Scheicher | |
1991–1993 | Heinz Fromm | Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz von 2000 bis 2012 |
November 1993 – Juli 1999 | Hartmut Ferse | |
Juli 1999 – Oktober 2006 | Lutz Irrgang | |
November 2006 – Mai 2010 | Alexander Eisvogel | Wechselte danach in das Bundesamt für Verfassungsschutz als Vizepräsident |
Juni 2010 – Februar 2015 | Roland Desch | Im Februar durch den hessischen Minister des Innern und für Sport Peter Beuth mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand versetzt[7] |
Februar 2015 – Dezember 2022 | Robert Schäfer | bis zu diesem Zeitpunkt Präsident des Polizeipräsidium Westhessen und wurde im November 2022 zum Hessischen Landespolizeipräsident ernannt. |
seit Februar 2023 | Bernd Neumann | bis 2015 Polizeibeamter beim LPP Hessen, seit 2018 Vizepräsident des LfV[8] |
Zur Tatzeit des Mordes am 6. April 2006 an Halit Yozgat, dem neunten und letzten Todesopfer der NSU-Mordserie, hielt sich der Verfassungsschützer Andreas Temme in dem Internetcafé auf, in dem der Mord stattfand. Die Computerdaten zeigen, dass Temme noch um 17:01 Uhr im Internet surfte. Zu diesem Zeitpunkt war das Opfer bereits tot. Der Verfassungsschützer will von dem Mord nichts bemerkt haben. Am Tag der Tat hat Temme mit einem Rechtsradikalen zweimal telefoniert; um 13:00 Uhr und um 16:11 Uhr.[9] Nach der Aussage eines ehemaligen Nachbarn soll Temme in seinem Wohnort als Jugendlicher den Spitznamen „Klein Adolf“ getragen haben[10]. Für sechs weitere Tatzeiten der rechtsextremen Morde des NSU an Migranten hat Temme ebenfalls kein Alibi. Auf dem Dachboden des Verfassungsschützers fand die Polizei Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“, die mit der Schreibmaschine abgetippt wurden.[11]
Die Onlineausgabe der Wochenzeitung Die Zeit berichtete am 24. Februar 2015:
„Abgehörte Telefonate des ehemaligen Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme, der damals am Tatort war, nähren aus Sicht der Anwälte […] den Verdacht, dass dieser im Vorfeld "konkrete Kenntnisse von der geplanten Tat, der Tatzeit, dem Tatopfer und den Tätern hatte" […]“[12]
Im abgehörten Telefonat von Andreas Temme mit dem Geheimschutzbeauftragten des LfV hat dieser gesagt:
Bei einer Vernehmung am 22. April 2006 gab Andreas Temme an, dass er einen Hells Angel gut kenne, bei dem es sich laut dem ermittelnden Kriminalbeamten mutmaßlich um den Hells-Angels-Anführer Michael S. handelt, bei dem vertrauliche Dokumente ("VS – Nur für den Dienstgebrauch") des sächsischen Landeskriminalamts gefunden wurde. Der betreffende Verrat von Dienstgeheimnissen wurde bis heute nicht aufgeklärt.[15]
Der Verfassungsschutz hat im Oktober 2012 eine Werbeanzeige des in der JVA Hünfeld inhaftierten Rechtsextremisten Bernd T. zum Aufbau einer rechtsextremistischen Organisation mit dem Namen AD Jail Crew in der Motorradzeitschrift "Biker News" übersehen, obwohl der Verfassungsschutz diese Zeitschrift abonniert hat.[16]
Der Amtmann im Landesamt Richard Kind wurde 1980, über Verwandte seiner Frau, von der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR als Doppelagent geworben, nachdem er in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Er erhielt den Decknamen Bodva (XV 2760/81) und lieferte insgesamt 546 Quellenmeldungen, darunter über Verdachtsfälle der Spionageabwehr, das System der Verbleibskontrolle von Übersiedlern sowie über Codewörter für Abfragen bei Einwohnermeldeämtern und beim Kraftfahrtbundesamt. Pro Treff mit seinem Führungsoffizier soll er 300 bis 500 DM erhalten haben.[17][18]
„Hessens Verfassungsschutz tauscht sich regelmäßig mit dem in Wiesbaden stationierten militärischen Nachrichtendienst der US-Army aus“[19]
Das Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen, dem unter anderem der erste Bundestags-NSU-Untersuchungsausschuss ein verheerendes Zeugnis ausstellte, wurde in den 1990er Jahren mit Hilfe von hessischen Verfassungsschützern aufgebaut.[12]
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