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Stilmittel des epischen Theaters Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Verfremdungseffekt (V-Effekt) ist ein literarisches Stilmittel und Hauptbestandteil des epischen Theaters nach Bertolt Brecht. Eine Handlung wird durch Kommentare oder Lieder so unterbrochen, dass beim Zuschauer jegliche Illusionen zerstört werden, sodass er der Theorie zufolge eine kritische Distanz zum Dargestellten einnehmen kann.
Der Verfremdungseffekt besteht im Kern darin, dem Betrachter vertraute Dinge in einem neuen Licht erscheinen zu lassen und so Widersprüche in der Realität sichtbar zu machen und eine kritischere und bewusstere Wahrnehmung des Gezeigten zu ermöglichen.
Brecht wandte sich gegen eine damals geläufige Interpretation des aristotelischen Dramenbegriffs. Seine Vorstellungen vom Aristotelischen waren stark von Lehrmeinungen des späten 19. Jahrhunderts beeinflusst, etwa von einer Deutung der Katharsis im Sinne der Einfühlungstheorie oder von der Autorität des Bühnennaturalismus, gegen die er sich auflehnte.
Im Gegensatz zur Identifikation in einem „aristotelischen Theater“, das auf Katharsis im Sinne einer Einfühlung von Darstellern und Zuschauern spekuliert, wird beim Epischen Theater auf die Wirkung des Verfremdungseffekts gesetzt. Statt der Einfühlung in die dargestellten Figuren soll Verfremdung zu einer Auseinandersetzung des Darstellers und des Zuschauers mit den Figuren führen. Durch Verfremdung wird eine Distanz zwischen den Zuschauern, Darstellern und gespielten Figuren geschaffen. Bühnenbild und Ausstattung dienen ebenso wie die Spielweise diesem Ziel. Die Aufmerksamkeit des Betrachters soll auf den Sinn des Spiels gelenkt werden, zum Zweck einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Stück (Interpretation statt Identifikation).
Brecht erhoffte sich, durch das Aufzeigen von alternativen Lösungen politische und kulturelle Veränderungen hervorrufen zu können.
Er verwendete in seinen Werken selten klassische Helden als Hauptfiguren, sondern meistens Figuren, die dem Zuschauer zwiespältig erscheinen (z. B. Shen Te, eine gutmütige Prostituierte, die in die Rolle eines gewissenlosen Mannes schlüpft, oder Mutter Courage, eine besorgte Mutter und zugleich opportunistische Geschäftsfrau), mit denen man sich nicht näher identifizieren und mit denen man daher auch nicht von vornherein mitfiebern kann. Diese Distanz soll die Objektivität des Zuschauers wahren.
Das Gewohnte soll im Verfremdeten erkannt werden; dazu ist eine aktive, aber distanzierte (rationale statt emotionale) Mitwirkung des Zuschauers erforderlich. Er soll sich als betroffen erkennen, um Schlussfolgerungen für sein eigenes Leben zu ziehen bzw. in die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit einzugreifen.
Bertolt Brecht formuliert seine Überlegungen zur Verfremdung als politische Theorie[2], die das Ziel verfolgt, das theatrale Kontinuum vorübergehend still zu stellen. Brecht vertritt die These, dass das klassische Schema des Dramas wie z. B. von Sophokles überholt sei, da die Art des Zuschauens nicht zum Nachdenken, sondern lediglich zum Mitfühlen und Miterleben anrege. Die eigentliche Aufgabe des Theaters sieht er jedoch in der Belehrung des Zuschauers, der Aufforderung zum Mitdenken und infolgedessen auch zum aktiven Handeln. Dabei sollte die kritisch-rationale Komponente in Brechts Konzeption nicht überbewertet werden, indem diese schlicht mit Gefühllosigkeit identifiziert wird. Brecht verstand sein Konzept weniger als Lehrmethode des Theaters, sondern wollte in erster Linie das Vergnügen und den karnevalesken, ambivalenten Spaß der Zustände in der realen Welt zugänglich machen.
In Brechts Werken werden hauptsächlich der Mensch, seine Beweggründe zum Handeln und sein Denken untersucht, ausgehend von der These, dass das „gesellschaftliche Sein“ das „Bewusstsein“ bestimme (Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx).
Dem Frankfurter Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann zufolge hat Brecht keinesfalls für eine Revolution des Theaters gesorgt, insofern als auch bei ihm die Fabel das zentrale Element aller Dramen und Inszenierungen geblieben ist und er, wie die übrigen Avantgardisten seiner Zeit, lediglich nach neuen Inszenierungsstrategien gesucht hat. Für Lehmann markiert erst die Aufgabe der Fabel, wie ein postdramatisches Theater sie vollzieht, die entscheidende Wende im Theater.
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