Der Ausdruck Trumeau oder Trumeaupfeiler („Mittelpfosten“) bezeichnet den mittleren Steinpfeiler eines Portals oder Fensters. Der kunsthistorische Begriff findet insbesondere Verwendung bei romanischen und gotischen Kirchenportalen.
Funktion
Portaltrumeau
Trumeaupfeiler waren in der Entwicklung der europäischen Architektur notwendig geworden, weil die Eingangsportale der großen Klosterkirchen und Kathedralen immer aufwändiger und breiter wurden, so dass sie eine Mittelunterstützung von Sturz und Tympanon erforderten.
Fenstertrumeau
Dieselbe baustatische Funktion erfüllen auch Trumeaus als mittlere Steinpfeiler in breiten Fenstern.[1] Johann Friedrich Penther nannte den Fenstertrumeau Mitte des 18. Jahrhunderts auch Jambe.[2] Vgl. auch Kreuzstockfenster.
Trumeaufigur
Häufig ist der Trumeaupfeiler eines Kirchenportals durch eine vorgesetzte Figur („Trumeaufigur“) geschmückt – oft ist der Schutzpatron der Kirche dargestellt, seit Beginn des 13. Jahrhunderts auch eine Christus- oder Madonnenfigur. In einigen wenigen Fällen (Moissac, Souillac) ist der Trumeaupfeiler als „Bestienpfeiler“ gestaltet. Manche Trumeaupfeiler wurden später entfernt, weil sie den in Prozessionen der Barockzeit mitgeführten Baldachinen im Wege waren, andere wurden in der französischen Revolution zerstört und zum Teil durch Nachahmungen im 19. Jahrhundert ersetzt.
Beispiele
- Romanischer „Bestienpfeiler“ der Abtei Saint-Pierre in Moissac, um 1120–30
- „Sklaven“ als Träger des Türsturzes an der Abteikirche St-Pierre (Beaulieu-sur-Dordogne), um 1130–40
- 4-Säulen-Trumeaupfeiler der Abtei Saint-Pierre in Carennac, um 1150
- Hl. Stephanus am mittleren Westportal der Kathedrale von Sens (Burgund), um 1200
- Hl. Anna am Mittelportal des Nordquerhauses der Kathedrale von Chartres, um 1205–10
- Christus am Mittelportal des Südquerhauses der Kathedrale von Chartres, um 1210–15
- „Beau Dieu“ am Nordquerhaus der Kathedrale von Reims, um 1230
- „Beau Dieu“ (Christus) am Westportal der Kathedrale von Amiens, um 1225–35
- Madonna am Nordquerhaus der Kathedrale Notre-Dame de Paris, um 1250
- „Vierge dorée“ (Goldene Madonna) am südlichen Querhaus der Kathedrale von Amiens, 1259–1269
- Madonna am Hauptportal des Freiburger Münsters, um 1300
- Madonna am Portal der Chartreuse de Champmol bei Dijon, um 1390. Auf die Trumeau-Madonna beziehen sich jetzt nicht nur Heilige, sondern auch die profanen Stifterfiguren an den Gewänden.
- Der Trumeaupfeiler des mittleren Nordquerhausportals der Kathedrale von Chartres im Zusammenhang seines reichen Skulpturenprogramms, um 1205–1210
- Hl. Anna am Mittelportal des Nordquerhauses der Kathedrale von Chartres, um 1205–10
- „Sklaven“ als Träger des Türsturzes an der Abteikirche St-Pierre (Beaulieu-sur-Dordogne), um 1130–40
- Hl. Stephanus am mittleren Westportal der Kathedrale in Sens, um 1200
- Madonna am Westportal des Freiburger Münsters, um 1300
- Portal der Chartreuse de Champmol, um 1390
- Christusstatue (Beau Dieu) am Trumeaupfeiler des Südquerhauses der Kathedrale von Chartres
Literatur
- Günther Binding: Architektonische Formenlehre. Darmstadt / Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1980, Abb. 145, 281, 283, 284 a, 285, 394, 577.
- Dieter Kimpel, Robert Suckale: Die Skulpturenwerkstatt der Vierge dorée am Honoratusportal der Kathedrale von Amiens, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 36. Bd., 1973, H. 4, S. 217–265.
- Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 3. März 2024), S. 484: Trumeau.
- Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 4: Q bis Z. Leipzig 1884, S. 377: Trumeau. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 3. März 2024)
- Ise Schüssler: Die Reimser Visitatio-Maria als erste Trumeau-Madonna, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 18. Bd. (1969), S. 119–142.
- Eugène Viollet-le-Duc: Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle, Band 9, „Trumeau“, Wikisource.
Weblinks
Einzelnachweise
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