archäologische Epoche der Funde aus der Kupferzeit Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als schnurkeramische Kultur (seltener Schnurbandkeramik, fachsprachlich kurz Schnurkeramik oder SK; besser Kultur mit Schnurkeramik, veraltet auch Streitaxt-Kultur) bezeichnet man zusammenfassend einen Kulturkreis der Kupfersteinzeit am Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. Die Schnurkeramik ist nach der charakteristischen Gefäßverzierung benannt, bei der mit einer Schnur umlaufende Rillenmuster in den Ton eingedrückt wurden. Weitere Merkmale sind die Bestattungssitten und die Streitäxte. Datierungen für Mitteleuropa reichen von ca. 3000 bis 2200v.Chr.[1] Kulturen mit Schnurkeramik waren sehr weit verbreitet, von den Niederlanden im Westen, über Böhmen und Mähren, Teilen Polens und die baltischen Staaten bis ins westliche Russland (Fatjanowo-Kultur) im Osten, von Südschweden im Norden bis zur Schweiz und Österreich im Süden. Im nordmitteleuropäischen Flachland und Jütland wird sie forschungsgeschichtlich bedingt auch Einzelgrabkultur[2] genannt, in Südschweden und bedingt auch in Finnland wird der Terminus Bootaxtkultur verwendet.[3][4]
Amphoren und Becher mit Schnurverzierung, facettierte Äxte
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Die Schnurkeramik (SK) wurde von Friedrich Klopfleisch als eigenständige Gruppe gegenüber der älteren Bandkeramik aufgestellt (1883/84) und nach der typischen Verzierung benannt. Alfred Götze definierte bereits 1891 eine ältere und eine jüngere Stufe. Götze rechnete allerdings auch noch die Rössener Keramik zur Schnurkeramik, die er an das Ende dieser Kultur setzte. In Böhmen hielt Píč (1899) die SK für gleichzeitig mit der Bandkeramik. Insgesamt hielt er die SK für älter als die Bandkeramik. Damit stand er im Gegensatz zu Otto Tischler in Königsberg, der die SK bereits 1883 an das Ende des Neolithikums gesetzt hatte. 1898 konnte Karl Schumacher anhand der Stratigraphie süddeutscher Pfahlbausiedlungen zeigen, dass die Schnurkeramik an das Ende des Neolithikums und den Übergang zur Bronzezeit zu stellen war.
Die Chronologie der Schnurkeramik wird seit langem heftig diskutiert, sowohl für das schnurkeramische Phänomen als Ganzes als auch und besonders für die verschiedenen Regionalgruppen.[5] Ausgehend vom mitteldeutschen Material hat beispielsweise Manfred Hein eine dreistufige Chronologie entwickelt (Schnurkeramik Ia und Ib, Schnurkeramik II und III).[6][7]
Das Verbreitungsgebiet der Schnurkeramik erstreckte sich zeitweilig von der Schweiz und Mitteleuropa über Südskandinavien bis nach Zentralrussland. Die skandinavische Gruppe, die axtförmige Artefakte von unbekanntem Verwendungszweck hinterließ, wird Bootaxtkultur genannt. Ein Ausläufer zwischen dem Baltikum und der oberen Wolga ist die Fatjanowokultur. In Dänemark weist die Ausbreitung des ältesten Typs der Streitaxt auf eine Konzentration in Mitteljütland, von wo aus später die dänischen Inseln erreicht wurden.
Grablegung
Typisch sind Einzelbestattungen in Hocklage unter Grabhügeln; d.h. die Toten wurden mit angezogenen Beinen auf der Seite liegend bestattet. Kennzeichnend für die Schnurkeramik ist eine konsequent „bipolare Bestattungsweise“. Das bedeutet, dass für Männer und Frauen entgegengesetzte Grablegungen üblich waren. Die Toten der mitteleuropäischen Schnurkeramik liegen meist in der Ost-West-Achse, dabei die Frauen linksseitig mit dem Kopf nach Osten, die Männer rechtsseitig mit dem Kopf nach Westen. Die sogenannte „Blickrichtung“ ist dabei Süden. Im östlichen Mitteleuropa (Kleinpolen) und Osteuropa (Ukraine) ist die dominierende Totenlage dagegen die Nord-Süd-Achse, die „Blickrichtung“ ist Osten. Auch hier gilt jedoch das Prinzip, dass Frauen stets linksseitig und Männer rechtsseitig in Hocklage bestattet wurden.
Abweichungen der geschlechtsdifferenzierten Grabsitte wurden selten beschrieben und können auf fehlerhafter Geschlechtsbestimmung beruhen.[8] Die traditionelle Bestimmung anhand anatomischer Merkmale an Schädel und Skelett ist wegen der Überlappung geschlechtsspezifischer Merkmale relativ unzuverlässig, wenngleich bis heute Standard in der Archäologie.[8] Im Jahre 2011 lag diese einem medienwirksam interpretierten Grab der SK aus Prag zugrunde, wo der Leichnam bei vermeintlich männlichem Geschlecht mit dem Kopf im Osten bestattet war.[9] Sofern noch genügend aDNA erhalten ist, bietet nur die Geschlechtsdiagnostik der DNA ein zuverlässiges Instrument der Bestimmung.
Grabbeigaben
Die unterschiedlich aufwendige Ausstattung der Grabbeigaben deutet auf eine soziale Differenzierung hin, die bereits im Jungneolithikum begonnen hat.[10] Typisch für Männergräber ist die Beigabe der Streitaxt, eines Bechers und/oder einer Amphore. Die Kanonisierung der Grabbeigaben ist in der frühen Phase der Schnurkeramik am größten, weshalb diese früher als „Einheitshorizont“ oder „A-Horizont“ bezeichnet wurde. Frauengräber enthalten statt der Streitaxt meist Schmuckgegenstände. Hier kommen als Gefäßformen neben Becher und Amphore auch Tassen oder Schüsseln vor. Insbesondere in Gräbern der späteren Schnurkeramiker werden auch Schmuckstücke oder Dolche aus Kupfer gefunden.
Das anfängliche Fehlen an Siedlungsfunden ließ die Forschung zunächst auf eine nomadische Lebens- und Wirtschaftsweise der Träger der Schnurkeramischen Kultur schließen. Bis heute sind Siedlungen gegenüber Gräberfeldern unterrepräsentiert, obwohl inzwischen klar ist, dass sich die Wirtschaftsweise der Schnurkeramiker nicht von anderen spät- und endneolithischen Kulturen unterscheidet.[11] Seit einigen Jahren belegen vermehrte Siedlungsfunde (u.a. Hausgrundrisse, Brunnenfunde) und Hinweise auf die Wirtschaftsweise (Getreidekörner, Abdrücke von Nutzpflanzen in Keramikgefäßen, Knochenfunde, Pflüge, Rindergespanne, Scheibenräder etc.), dass die Träger der Schnurkeramik sesshaft waren und Ackerbau und Viehzucht betrieben.
Bereits im 20. Jahrhundert gelangte Marija Gimbutas aufgrund von archäologischen Befunden zu der Überzeugung, dass die Schnurkeramiker zu den frühesten Vertretern der Indogermanen in Mitteleuropa gehörten und dass deren Urheimat im nördlichen Schwarzmeerraum im Bereich der Kurgankultur liegen müsse.[12]
Angetrieben durch Fortschritte in biochemischen Verfahren (v.a. Strontiumisotopenanalysen) und der Analyse alter DNA (aDNA) sind diese alten Erklärungsmuster in den Diskurs gelangt.[13] Mit der sogenannten Jamnaja-Kultur war ein guter Kandidat für den Ursprung der Schnurkeramik gefunden. In Kontexten der Jamnaja-Kultur findet sich ebenfalls ein geschlechtsspezifisches Bestattungsritual und männliche Individuen wurden gelegentlich mit kriegerischen Attributen ausgestattet. Streitaxt und schnurverzierter Becher sind hier ebenfalls belegt. Tatsächlich belegen neuere aDNA-Studien, dass neue genoide Haplotypen im dritten Jahrtausend v. Chr. in Mitteleuropa anzutreffen sind, die aus früheren Kontexten Mitteleuropas bisher unbekannt waren, hingegen für Osteuropa nachgewiesen sind.[14] Die frühere These, die Schnurkeramik aus der Jamnaja-Kultur herzuleiten, wurde in der aktuellen Forschung wieder verstärkt aufgegriffen und archäologische Befunde damit in Verbindung gebracht.[15][16][17]
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Allerdings bleiben Zweifel an einer zu vereinfachten Darstellungsweise. So ist der spätneolithische Bestattungsbefund lückenhaft. In den Kollektivgräbern des nördlichen Mitteleuropa sind nur sehr wenige Knochen erhalten. Im südlichen Mitteleuropa, beispielsweise in Kontexten der Chamer Kultur, sind so gut wie keine Bestattungen bekannt. Somit ist nicht gänzlich geklärt, ob die neuen Genvarianten nicht bereits vorher eindrangen (wobei anzumerken ist, dass die aktuelle Quellenlage eine Absenz impliziert).[18][19]
Wichtig ist die Beobachtung, dass die spezifischen Genotypen in Bestattungen, die mit der materiellen Kultur Schnurkeramik assoziiert (R1a-Variante der Y-Chromosomen) werden, nicht den Genotypen entsprechen, die in Gräbern der Jamnaja-Kultur zu finden sind (R1b-Variante der Y-Chromosomen). Weiterhin ist anzumerken, dass in Bestattungen der frühen Schnurkeramik sowohl in Polen (Złota-Gruppe) als auch in Böhmen die schnurkeramische Bestattungspraktik nicht mit den spezifischen Genotypen korreliert.[19][20] Das zeigt, dass der Prozess des Eindringens neuer Gensignale und der Adaption der neuen Bestattungsweise und materiellen Kultur womöglich zwei getrennte Prozesse darstellen. Diese stehen mit Sicherheit in Verbindung, doch sind sie nicht so fest verschmolzen, wie die unkritischen Studien suggerieren. Die Variante R1a ist aus Fundkontexten der Narva-Kultur im Ostbaltikum belegt sowie aus mesolithischen Kontexten im Eisernen Tor.[19]
Es wurden verschiedene Szenarien vorgeschlagen, wie ein migrierendes Volk in so kurzer Zeit zum dominanten Volk werden konnte. Eine Idee war, dass aus dem Osten Krankheiten eingeschleppt wurden, gegen welche die einheimische Bevölkerung keine Resistenzen aufwies – ähnlich wie es für die Ankunft der Europäer auf dem amerikanischen Kontinent angenommen wird. Vor allem der Pesterreger (Yersinia pestis)[21] der auch die mittelalterliche Katastrophe bedingte, wurde in Teilen Osteuropas, aber auch Südskandinaviens für das ausgehende vierte Jahrtausend nachgewiesen.[22] Diese Annahme muss jedoch wegen neuen Forschungsergebnissen hinterfragt werden. So waren die frühen Pestausbrüche nicht epi- oder gar pandemisch und sie gingen nicht mit einer extremen Mortalität einher.[18]
Der aktuelle Konsens ist, dass Migrationen durchaus einen wichtigen Faktor für urgeschichtliche Prozesse darstellten. Jedoch mehren sich die Anzeichen einer hohen Mobilität im 4. und 3. Jahrtausend, angetrieben durch ein stark aufgelockertes Siedlungs- und Wirtschaftssystem (Wanderweidewirtschaft). In diesem System haben sich sowohl neue Ideen (hiervon zeugen z. B. die schnelle Verbreitung von Rad und Wagen) als auch genetische Merkmale schnell verbreiten können.[13]
Archäologie
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