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Philippstaler (Hessen)

mittelalterliche Münze Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Philippstaler (Hessen)
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Der Philippstaler, auch Spruchtaler genannt, ist ein Schautaler aus der Landgrafschaft Hessen mit der Jahreszahl 1552, dem Jahr der Entlassung Philipps I. des Großmütigen (1504–1567) aus fünfjähriger kaiserlicher Haft. Die Vorderseite zeigt sein Hüftbild. Auf der Rückseite befinden sich fünf Wappenschilde und der Spruch BESS(er) LAND V(nd) LVD V(er)LORN ALS EN FALSCH(en) AID GESCHWORN (Besser Land und Leut verloren als einen falschen Eid geschworen). Es wird angezweifelt, dass Landgraf Philipp den Taler hat prägen lassen.[1]

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Philippstaler, Spruchtaler von 1552 (Silber; 45 mm; 29,54 g), Teylers Museum, inv. TMNK 00130

Von dem sehr seltenen Schautaler sind im 17. Jahrhundert oder eventuell etwas später kleinere Nachbildungen in Silberguss hergestellt worden.[2]

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Münzgeschichtliche Zusammenhänge

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Schmalkaldischer Krieg und Haft Philipps

Landgraf Philipps politische Macht wurde stark beeinträchtigt, als seine Doppelehe, die mit Einwilligung seiner Frau Christina von Sachsen und nach Einholung theologischer Gutachten bei Martin Luther und Philipp Melanchthon geschlossen wurde, an die Öffentlichkeit gelangte. Auf Bigamie stand gemäß Constitutio Criminalis Carolina die Todesstrafe. Um den Kaiser gnädig zu stimmen, machte der Landgraf ihm Zugeständnisse. Der Schmalkaldische Krieg beendete die Verständigung zwischen Karl V. und Philipp.[3]

Der Schmalkaldische Bund unter Führung der Bundeshauptleute Landgraf Philipp von Hessen und Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen von Sachsen (1532–1547–1554) verlor am 24. April 1547 die Schlacht bei Mühlberg. Philipp unterwarf sich am 19. Juni 1547 in Halle dem Kaiser, der daraufhin Reichsacht und Todesurteil aufhob, aber ihn in Haft nehmen ließ. Erst 1552 wurde Philipp nach langjähriger Haft in Süddeutschland und den Spanischen Niederlanden entlassen und konnte in die Landgrafschaft zurückkehren.

Der Spruch „Besser Land und Leut verloren, als einen falschen Eid geschworen“ auf der Rückseite des Talers bezieht sich auf seine Entlassung aus der Gefangenschaft Karls V., ohne dass er der evangelischen Konfession abgeschworen hatte.[4] Der tatsächlich als gebrochener Mann aus der Haft zurückgekehrte Landgraf wird durch die Münze als unbeugsamer Verfechter der evangelischen Sache und Kämpfer gegen den Kaiserabsolutismus verherrlicht.

Einordnung durch Numismatiker

Schon Johann David Köhler bezeichnete 1729 in seiner Historischen Münzbelustigung (Nr. 30, 27. Juli 1729, S. 233–240) den Schautaler als „Landgraf Philipps von Hessen fälschlich geprägter Thaler“ und begründete das sehr ausführlich in seiner Historischen Erklärung (S. 234 ff.). Beweise sei weiters, dass der „Geheime Staats- und Kriegs-Secretarius“ Johann Balthasar Klaute dem sächsischen Rat und Historiograph Tentzel versichert habe, dass weder im fürstlichen Archiv noch in der Münze zu Kassel solche Talerstempel vorhanden seien, dass „kein solcher Taler in ganz Hessenland jemals gefunden“ worden sei und dass sich keine Abbildungen des Talers in alten Münzbüchern fänden. Stattdessen sei der Taler erst in jüngerer Zeit geprägt worden, nachdem eine Nachfrage infolge von Gerüchten über seine Existenz aufgekommen sei.[5] Köhlers Erklärungen mögen dann wohl als Grundlage oder Vorlage für alle weiteren Nachforschungen und Veröffentlichungen gedient haben.

Die Philippstaler gehören nach Jacob Hoffmeister zu den merkwürdigsten hessischen Münzen, weil sie einerseits sehr gesucht sind und andererseits ihre Echtheit bestritten wird. In den Münzwerken werden sie, so Hoffmeister, „gewöhnlich die berufenen oder verrufenen oder auch falschen Philippsthaler“ genannt. Die Prägung der Talermünze wurde nach seinen Erkenntnissen nicht vom Landgraf, sondern von dessen Anhängern veranlasst.[6] Das wird damit begründet, dass Landgraf Philipp „bei seiner Befreiung aus der fünfjährigen Gefangenschaft im Jahre 1552 dem Kaiser habe geloben müssen, sich nicht zu rächen […]“. Im Widerspruch dazu steht jedoch, so Hoffmeister, „dass man aber das Ausprägen von Thalern mit der Aufschrift: ‚Besser Land und Leut verloren, als einen falschen Eid geschworen‘ jedenfalls als eine Rache gegen den Kaiser ansehen müsse […].“ Von Landgraf Philipp darf erwartet werden, „dass er sein gegebenes fürstliches Wort nicht sobald würde gebrochen haben und wäre es auch nur in dem Gepräge einer Münze gewesen“.[7]

Die gleiche Schlussfolgerung findet man auch in der Allgemeinen Encyklopädie der Wissenschaften und Künste … (1847). Die fraglichen „berufenen Philippsthaler“ habe der Landgraf gar nicht prägen lassen, heißt es dort. Die „allgemeinste Sage“ für den Anlass der Prägung dieser Taler mit dem Spruch in der Umschrift ist,

„daß Landgraf Philipp dem Kaiser Karl V. damit habe öffentlich vorwerfen wollen, daß er ihn, dem ihm gegebenen Worte entgegen, fünf Jahre hindurch gefangen gehalten habe […].“[8]

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J. D. Köhler bezeichnete bereits 1729 den Schautaler als „fälschlich geprägt“.

Unter „fälschlich geprägter Taler“ ist laut Hoffmeister allerdings nicht Münzfälschung im herkömmlichen Sinn zu verstehen, sondern dass Philipp die Schautaler nicht selbst in Auftrag gegeben habe. Der Zusatz „FIER(i) FE(cit) = hat (die Münze) gemacht“ in der Umschrift des Talers sollte Philipp als Auftraggeber der Münze nennen. Auf sämtlichen Talern Philipps erscheint jedoch niemals dieser Hinweis.

Auch in jüngerer Zeit ist die Frage um den Anlass der Prägung des Philippstalers Gegenstand der historischen Forschung geblieben. Das von Heinz Fengler und anderen 1976 in der DDR herausgebrachte numismatische Standardwerk Lexikon der Numismatik führt eine untertitelte Abbildung des Philippstalers ohne jedwede Anmerkung zur Entstehungs- bzw. Fälschungsgeschichte als (einziges) Beispiel für eine Spruchmünze auf (S. 386–269). Keine Zweifel am Charakter des Talers lässt hingegen Klüßendorf in seinem Werk über die Geldgeschichte Hessens:

„Als gelehrte Spielerei und keineswegs als Produkt der Münzstätte Kassel erwies sich ein ‚Spruchtaler‘ Philipps mit der Devise ‚Besser Land und Leut verloren, als einen falschen Eid geschworen‘, der mit dem Prägejahr 1552 auf die Entlassung Philipps aus der mehrjährigen Gefangenschaft nach seiner Niederlage gegen die [sic!] Kaiser in der Schlacht bei Mühlberg (1547) anspielt. Solche Phantasieprodukte gehören in den Bereich der sogenannten ‚erdichteten Münzen‘, die geprägt wurden, um sie an Interessierte zu vertreiben.“[9]

Niklot Klüßendorf (2012)

Nachbildung

Das enorme Interesse der Sammler an dem mysteriösen Schautaler hatte bereits im 17. Jahrhundert einen verkleinerten Silbernachguss zur Folge. Die Bezeichnung der Nachbildung als Taler, die jedoch den Medaillen zugeordnet werden kann, war nichts Außergewöhnliches. Talerförmige Medaillen erhielten nicht selten einen Talernamen, obwohl sie nicht umlauffähig waren. Beispiele dafür sind unter anderem die Medaillen Hustaler und Locumtenenstaler mit hohem Relief.

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Münzbeschreibung

Zusammenfassung
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Philippstaler, datiert mit 1552, Nachbildung etwa 17. Jahrhundert, Silberguss (Durchmesser 40 mm, Gewicht 27,6 g)

Das oben abgebildete Original ist ein sehr seltener vollwertiger silberner Schautaler (breiter Taler) ohne Münzmeisterzeichen. Der Durchmesser beträgt 45 Millimeter, das Gewicht 28,95 Gramm. Hier nebenstehend abgebildet ist ein alter bildgleicher silberner Nachguss im Durchmesser von 40 Millimeter und einem Gewicht 27,6 Gramm.

Vorderseite

Die Vorderseite zeigt das geharnischte Hüftbild des Landgrafen, in der Rechten den Kommandostab, die linke Hand am Schwertgriff.

  • Umschrift: PHILIP(pus) ∙ D(ei) ∙ G(ratia) ∙ LANDG(ravius) ∙ HASSIE ∙ C(omes) ∙ K(atimeliboci) ∙ D(iezae) ∙ Z(iegenhainae) ∙ N(iddae) ∙ A(nno) 1552 ∙ FIER(i) ∙ FE(cit)[10]
    • Übersetzung: Phillipp von Gottes Gnaden, Landgraf von Hessen, Graf von Katzenelnbogen, Diez, Ziegenhain und Nidda ließ im Jahr 1552 (die Münze) herstellen.
    • Die Angabe FIER. FE. sollte als Nachweis für eine Prägung des Landgrafen dienen, um so die Echtheit der Schautaler vorzutäuschen.[11] Die geheimnisvollen Stücke weckten derartig die Nachfrage bei Sammlern, dass ab dem 17. Jahrhundert auch Nachgüsse in Silber mit kleinerem Durchmesser hergestellt wurden.

Rückseite

Der hessische Löwenschild ist umgeben von den oberen Wappenschildern der Grafschaften Katzenelnbogen und Nidda und den unteren der Grafschaften Ziegenhain und Diez. Dazwischen befinden sich die Buchstaben P(arcere) – S(ubiectis) E(t) – D(ebellare) – S(uperbos) = Unterworfene schonen und Hochmütige niederkämpfen,[12] oder auch mild gegen die Unterworfenen und niederbeugen die Hochfahrenden. Das ist ein Wahlspruch Philipps, den bereits der erste Schmalkaldische Bundestaler von 1542 trägt.

  • Umschrift: BESS(er) ∙ LAND ∙ V(nd) ∙ LVD ∙ V(er) ∙ LORN ∙ ALS ∙ EN ∙ FALSCH(en) ∙ AID ∙ GESCHWORN ∙
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Anmerkung

Als Philippstaler wird auch eine spanische Silbermünze in Talergröße bezeichnet, die unter König Philipp II. von Spanien (1555–1598) für die spanische Niederlande geprägt wurde.[13]

Siehe auch

  • Münzgeschichte des Herzogtums Sachsen (1547–1572) – das Ergebnis des verlorenen Schmalkaldischen Kriegs
  • Schmalkaldischer Bundestaler der Hauptleute des Schmalkaldischen Bundes, des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrichs des Großmütigen und des Landgrafen Philipps von Hessen mit einer sächsischen und einer hessischen Seite
  • Taler auf die Einnahme von Gotha (1567): Der Taler bezeugt den letzten Landfriedensbruch. – Der älteste Sohn Johann Friedrichs des Großmütigen konnte sich nicht damit abfinden, dass durch die Niederlage des Schmalkaldischen Bundes die Kurwürde verloren war.
  • Weidenbaumtaler der Landgrafen Wilhelm V. und Wilhelm VI. von Hessen-Kassel
  • Blutdollar, eine Talermünze Friedrichs II. von Hessen-Kassel
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Literatur

  • Emil Grössel: Der umstrittene hessische Spruchtaler des Jahres 1552 (= Beiträge zur Münzkunde in Hessen-Kassel 13), Kassel 1985.
  • Jacob Christoph Carl Hoffmeister: Historisch-kritische Beschreibung aller bis jetzt bekannt gewordenen hessischen Münzen, Medaillen und Marken in genealogisch-chronologischer Folge, Band 1, T. O. Weigel, Leipzig 1862, S. 106–108. Digital: coingallerry.
  • Niklot Klüßendorf: Kleine Münz- und Geldgeschichte von Hessen in Mittelalter und Neuzeit (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 18,2), Marburg 2012, S. 63.
  • Johann David Köhler: Landgraf Philipps von Hessen fälschlich geprägter Thaler. Mit dem bekannten Reim: Besser Land und Leut verlohrn, als ein falschen Eid geschworn. In: Die wöchentlichen Historischen Münzbelustigung, Nr. 30, 27. Juli 1729, S. 233–240.
  • Heinz Fengler, Gerd Gierow, Willy Unger: Lexikon der Numismatik, Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1976, S. 368–369.
  • Helmut Kahnt: Das große Münzlexikon von A bis Z, Regenstauf 2005.
  • M. H. E. Meier, Hrsg.: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste …, Leipzig 1847
  • Wilhelm Ernst Tentzel: Der in Teutschland bißher eyfrigst- doch vergebens-gesuchte Thaler Land-Graff Philipsens von Hessen/ Mit der Umschrifft: Besser Land und Leut verlohren Als ein falschen Eid geschworen : Bey Sr. Hoch-Fürstl. Durchl. Des Herrn Land-Grafens zu Hessen-Cassel/ Höchst-erfreulichen Gegenwart Zu Gotha / Mit eilfertiger Feder kürtzlich entworffen Von Wilhelm Ernst Tentzeln/ Fürstl. Sächß. gesam[m]ten Historiographo, Verlag Jacob Mevius, Gotha 1699.
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Einzelnachweise

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