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Schwyzerörgeli

in der Schweizer Volksmusik verwendete Variante des diatonischen Akkordeons Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Schwyzerörgeli
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Das Schwyzerörgeli (schweizerdeutsch für «kleine Schweizer Orgel» oder «kleine Schwyzer Orgel», vgl. Abschnitt Geschichte), auch Handörgeli, ist eine vorwiegend in der Schweizer Volksmusik verwendete Variante des diatonischen Akkordeons. Der Bass ist gleichtönig und stellt den Vorläufertyp des Stradella-Basses dar. Moderne Instrumente sind meist mit drei Tastenreihen im Diskant ausgestattet. Obwohl der Diskant grundsätzlich wechseltönig ist und im Wesentlichen einer diatonischen Anordnung folgt, unterscheidet sich die Spielweise wesentlich von anderen diatonischen Handzuginstrumenten. Auch die Konstruktion weicht stark von einfachen diatonischen Instrumenten ab. Heute sind kompakte Bauweise mit Cassotto und ein Balg mit Ledereckschoner typische Merkmale dieses Instrumentes, und es gibt ein-, zwei- oder dreichörige mit oder ohne Tremolo.

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Jugendlicher Schwyzerörgeli-Spieler
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Geschichte

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Typisches Langnauerörgeli (Hermann Langnau)
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Übergangsmodell zwischen Langnauerörgeli und Stöpselbass-Örgeli (Ulrich Zürcher Kröschenbrunnen)

Die Vorläufer des Schwyzerörgelis waren die sogenannten Langnauerörgeli, die ab 1836 durch die Familie Hermann in Langnau im Emmental hergestellt wurden. Langnauerörgeli wurden zuerst nur mit einer Melodiereihe gebaut, später auch mit zwei, drei oder vier diatonisch angeordneten Melodiereihen. Die Hersteller nannten sich zuerst Harpfenmacher («Harpfe» altdeutsch für Harfe), später Harfenmacher und erst recht spät entstand der Begriff Harmonikafabrikant.

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Typisches Stöpselbass-Örgeli

Das Langnauerli wurde kurz vor 1900 zum Stöpselbass-Örgeli weiterentwickelt, bevor dann die ersten Schwyzerörgeli in der heutigen Form gebaut wurden. Langnauerörgeli wie auch Stöpselbass-Örgeli hatten wechseltönige Bässe. Die heutige Form des Schwyzerörgelis hat 18 gleichtönende Bässe. Als einer der ersten Schwyzerörgelibauer galt Robert Iten (1859–1918) aus Pfäffikon im Kanton Schwyz. Ob das Schwyzerörgeli daher seinen Namen vom Kanton Schwyz oder aber doch von der mundartlichen Form von Schweiz (schweizerdeutsch: Schwyz) hat, ist letztlich nicht entscheidbar.

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Hersteller

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Typisches Schwyzerörgeli aus dem Emmental (Reist-Örgeli)
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Schwyzerörgeli-Herstellung in Bülach 1983

Zu den bekanntesten Schwyzerörgeli gehören jene von Josef Nussbaumer und alte Exemplare von Alois Eichhorn. Josef Nussbaumer wurde 1882 in Schwyz geboren und wird mitunter als «Stradivari des Schwyzerörgelibaues» bezeichnet. Er gehörte zusammen mit Alois Eichhorn und Ernst Salvisberg zu den Schwyzerörgeliherstellern der ersten Stunde. Seine Örgeli heben sich vor allem klanglich von anderen Instrumenten ab. Josef Nussbaumer stellte nicht nur Schwyzerörgeli her, sondern auch Akkordeon und acht-bässige Club-Modelle. Auch Spezialausführungen mit vier Melodiereihen wurden hergestellt. Die Geschichte der Firma Nussbaumer ist sehr bewegt, sie wechselte ein paarmal den Namen, den Standort und den Besitzer. Die Zeit von 1920 bis 1929 in Bachenbülach[1] gilt als Höhepunkt, was die Qualität der erstellten Instrumente betrifft. Die «Nussbaumer» sind daher bis heute begehrt.

Von den drei genannten Herstellern der ersten Stunde überlebte lediglich der Betrieb von Alois Eichhorn bis ins 21. Jahrhundert. In den 1960er Jahren entstanden neue Werkstätten wie etwa die von Joseph Gwerder, Rudolf Reist und Rudolf Stalder. Auch aus Italien wurden Schwyzerörgeli importiert. Auch zahlreiche kleinere Betriebe produzierten Schwyzerörgeli, so beispielsweise Hermann Häusler, Paul Mauron, Ernst Wüthrich, Hansruedi Wittwer und Silvio Zanin.

Heute gibt es eine Reihe von bekannten Schwyzerörgeli-Herstellern. Ott-Örgeli, Reist-Örgeli und Aemmitaler-Oergeli gehören zu den grössten Werkstätten. Egli-Örgeli, Zürcher-Örgeli, Spörri-Örgeli, Jeker-Örgeli und Theiler-Örgeli werden in Einmannbetrieben hergestellt, und nur wenige Instrumente verlassen jährlich die Werkstatt. Harry Pauli baute die Bülacher. Beat Kollegger in Graubünden baut das spezielle Stradivarius-Örgeli.[2]

Andreas Tauscher aus Oberstdorf ist der einzige Schwyzerörgelibauer im benachbarten Deutschland.

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Aufbau Schwyzerörgeli

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Das Schwyzerörgeli ist ein diatonisches, wechseltöniges Akkordeon im Diskant mit gleichtöniger Anordunung im Bass. Der Diskant besteht meist aus 31 Knöpfen angeordnet in zwei Reihen für zwei Tonarten und einer dritten Reihe mit Ergänzungstönen, den sogenannten Kreuztönen. Im Unterschied zum Stöpselbassörgeli ist die Bassseite gleichtönig aufgebaut und umfasst typischerweise neun in Quinten angeordnete Grundtöne mit dem jeweiligen Dur-Akkord.

Die Instrumente sind zwei- bis dreichörig ohne Register. Das heisst, pro Knopf werden zwei oder drei Töne gespielt, meist der Grundton und die Oktave darüber (gedoppelt). Die Chöre werden ohne Tremolo (Bernerton) oder leicht tremoliert (Innerschweizerton) gestimmt. Häufigste Tonarten der Instrumente sind B/Es, C/F und A/D.

Als Besonderheit der Stöpselbass- und Schwyzerögeli sind die Stimmplatten nicht in Stimmstöcken angeordnet. Stattdessen wird mit einem Resonanzkasten genügend Platz für die Stimmen geschaffen und über eine komplexe Mechanik mit der Klaviatur verbunden. Im Unterschied zu anderen Akkordeontypen befindet sich die Klaviatur direkt über, und nicht hinter den Stimmen. Dies führt dazu das die verschiedenen Knopfreihen unterschiedliche Klangfarben erhalten.

Besondere Bauformen

Die Diskantseite wird bei einigen Modellen mit einer vierten Knopfreihe um eine Tonart ergänzt.

Bei den Schwyzerögeli mit Wiener- und Halbwienerton (zwei- und dreichörig) werden die Stimmplatten auf Stimmstöcken verbaut und mit Tremolo gestimmt.

Die Bassseite kann mit Reihen für Terzbässe, Sept- und Mollakkorden ergänzt werden oder ganz nach dem Stradella-Bass-System aufgebaut sein.

Festivals und Feste

Das Eidgenössisches Volksmusikfest wird alle vier Jahre vom Verband Schweizer Volksmusik (VSV) organisiert. Neben den traditionellen Musikgruppen mit Schwyzerörgeli gibt es seit den 1960er Jahren sogenannte Grossformationen mit zehn oder mehr Schwyzerörgeli und einem Kontrabass. Seit 1997 veranstalten diese alle vier Jahre das Eidgenössische Ländler-Grossformationen-Fest (ELGF).

Bekannte Schwyzerörgelispieler

Bekannte Schwyzerörgelispieler waren oder sind u. a. Dominik Marty, Rees Gwerder, Josias Jenny, Ernst Jakober, Hitsch Jenny, Peter Zinsli, Hausi Straub, Res Schmid, Willi Valotti, Josef Stump, Balz Schmidig, Franz Schmidig sen., Arno Jehli, Paul Lüönd, Alois Lüönd, Daniel Lüönd, Kristina Brunner, Werner Gasser, Res Schmid, Hansruedi Kappeler, Daniel Thürler, Markus Flückiger, Martin Schütz, Peter Grossen, Werner Aeschbacher, Thomas Aeschbacher, Marcel Oetiker, Simon Dettwiler und Robin Mark. Unter den zahlreichen Ländlerkapellen werden viele als Schwyzerörgeliduett, -trio oder -quartett bezeichnet.

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Das Schwyzerörgeli bei den Jenischen

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Jenischer Handörgeler um 1900

Die Jenischen in der Schweiz bevorzugen ebenfalls das Schwyzerörgeli für ihre Musik, in welcher sie ihre eigenen traditionellen Rhythmen und Melodien mit Schweizer Volksmusik bunt vermischen.

Fränzli Waser (1858–1895) war einer der ersten, der im Bündnerland auch Handorgeln bzw. Schwyzerörgeli in die Bündner Volksmusik einführte.

In der Westschweiz mischen Jenische heute auf ihren Schwyzerörgeli gerne auch Ländlermusik mit einer Stilrichtung französischen Ursprungs: der Musette. Bekannte Vertreter dieser Stilrichtung sind die Musiker aus den Familien Werro und Mülhauser. Joseph Mülhauser, bekannt auch unter dem Künstlernamen Counousse, stellt in seiner Musik Verbindungen her zwischen dem Ländler und der Musik der Roma und Sinti, insbesondere auch dem Zigeunerjazz.

Der Film unerhört jenisch (2017, Regie Karoline Arn, Martina Rieder) thematisiert den Einfluss der Jenischen auf die Ländlermusik, insbesondere in Graubünden. Neben und zusammen mit Stephan Eicher treten im Film die Bündner Spitzbueba (Patrick Waser und Peter Gehring Schwyzerörgeli, Martin Waser Kontrabass) auf. Weitere Protagonisten sind die Formationen Moser Buaba, Vazer Buaba, Obervazer Töbelifäzer, das Älplerchörli Obervaz und AlpTon.[3][4]

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Literatur

  • Ernst Roth: Schwyzerörgeli. Eine Instrumentenkunde und Wegleitung für Volksmusikliebhaber. AT-Verlag, Aarau 1993, ISBN 978-3-85502-104-8.
  • Ernst Roth: Schwyzerörgeli. Eine Kulturgeschichte und Instrumentenkunde. AT-Verlag, Aarau 1983, ISBN 978-3-85502-454-4.
Commons: Schwyzerörgeli – Sammlung von Bildern
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Einzelnachweise

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