Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Durch die Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Richtlinie (EU) 2016/943, engl.: Trade Secrets Directive)[1] sollen vertrauliches Know-how und vertrauliche Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor unrechtmäßigem Erwerb geschützt werden.
Richtlinie (EU) 2016/943 | |
---|---|
Titel: | Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung |
Bezeichnung: (nicht amtlich) | Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen |
Geltungsbereich: | EWR |
Rechtsmaterie: | Wirtschaftsrecht |
Grundlage: | AEUV, insbesondere Artikel 114 |
Verfahrensübersicht: | Europäische Kommission Europäisches Parlament IPEX Wiki |
In nationales Recht umzusetzen bis: |
9. Juni 2018 |
Umgesetzt durch: | Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Deutschland) UWG-Novelle 2018 (Österreich) |
Fundstelle: | ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1–18 |
Volltext | Konsolidierte Fassung (nicht amtlich) Grundfassung |
Regelung muss in nationales Recht umgesetzt worden sein. | |
Hinweis zur geltenden Fassung von Rechtsakten der Europäischen Union |
Bereits mit der Richtlinie 2004/48/EG wurde der Schutz des geistigen Eigentums unionsrechtlich geregelt. Diese Richtlinie 2004/48/EG geht der Richtlinie (EU) 2016/943 als lex specialis vor.[2]
Die Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ergänzt somit den Schutz aus der RL 2004/48/EG.
Hauptziel und Zweck der Richtlinie (EU) 2016/943 ist es, einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt für Forschung und Innovation zu erreichen, indem Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geschaffen werden, um insbesondere vor dem rechtswidrigen Erwerb und der rechtswidrigen Nutzung und Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses abschrecken.[3]
Dies ist erforderlich, weil die Investitionen von Unternehmen und nicht kommerzielle Forschungseinrichtungen in den Erwerb, die Entwicklung und die Anwendung von Know-how und Informationen einen Wettbewerbsvorteil bedeuten und diese Investition in die Schaffung und Anwendung intellektuellen Kapitals ein bestimmender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit ist und den Markterfolg der Unternehmen durch Innovation und damit ihre Rendite, die letztlich die Motivation für ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten darstellt. In verschiedenen Konstellationen ist es jedoch diesen Unternehmen nicht möglich, den erforderlichen Schutz z. B. durch Patente, Markenschutz etc. zu gewährleisten, sondern muss durch den Schutz der Geschäftsgeheimnisse bereits vorgesorgt werden können.[4]
Die Richtlinie (EU) 2016/943 darf nicht dazu genutzt werden, nicht legitime, mit den Zielen dieser Richtlinie unvereinbare Absichten zu verfolgen. Gerichte müssen daher gemäß der Richtlinie die Befugnis haben, angemessene Maßnahmen gegenüber Antragstellern zu treffen, die missbräuchlich oder unredlich handeln und offensichtlich unbegründete Anträge stellen, beispielsweise zu dem Zweck, den Marktzugang des Antragsgegners in unbilliger Weise zu verzögern oder zu beschränken oder ihn auf andere Weise einzuschüchtern oder ihm Schwierigkeiten zu bereiten.[5]
Die Richtlinie (EU) 2016/943 darf nicht dazu dienen, die Grundrechte und Grundfreiheiten oder das Gemeinwohl, etwa die öffentliche Sicherheit, den Verbraucherschutz, die öffentliche Gesundheit und den Umweltschutz, zu gefährden oder zu untergraben und darf auch die Mobilität der Arbeitnehmer (Arbeitnehmerfreizügigkeit) nicht beeinträchtigen[3][6] oder das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und den Schutz der personenbezogenen Daten aller Personen.[7] Ebenso ist der Geheimhaltungsschutz zu verweigern, wenn höherrangige Interessen, z. B. die Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Pressefreiheit etc. dies erfordern oder durch die Aufdeckung des Geschäftsgeheimnisses z. B. eine illegale Tätigkeit (z. B. durch Whistleblowing) aufgedeckt wird.[8]
Die Richtlinie kann nicht von Unternehmen dazu verwendet werden, gegenüber der Öffentlichkeit oder staatlichen Stellen Informationen zurückzuhalten, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zu veröffentlichen oder bereitzustellen sind.[9]
Die Richtlinie (EU) 2016/943 kann auch nicht dazu genutzt werden, Exklusivrechte an als Geschäftsgeheimnis geschütztem Know-how oder als solchem geschützten Informationen begründen. Unabhängige Entdeckung desselben Know-hows oder derselben Informationen sollen weiterhin möglich bleiben. Das Reverse Engineering bei einem rechtmäßig erworbenen Produkt ist weiterhin ein rechtlich zulässiges Mittel zum Erwerb von Informationen, wenn nicht vertraglich etwas anderes vereinbart wurde.[10]
Die Richtlinie (EU) 2016/943 lässt auch die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften, insbesondere der Artikel 101[11] und Artikel 102[12] AEUV unberührt und dürfen auch die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe (…) nicht dazu verwendet werden, den Wettbewerb entgegen den Vorschriften des AEUV in unzulässiger Weise einzuschränken.[13]
Die Richtlinie wurde erforderlich, weil der in den Mitgliedstaaten vorgesehene rechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen nicht überall in der Union gleichermaßen geschützt war, was eine Fragmentierung des Binnenmarkts in diesem Bereich und eine Schwächung des allgemeinen Abschreckungseffekts der einschlägigen Vorschriften zur Folge hatte.
Die Regelungen der Richtlinie (EU) 2016/943 hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, einen weitergehenden Schutz vor rechtswidrigem Erwerb oder vor rechtswidriger Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen vorzuschreiben, sofern die in dieser Richtlinie ausdrücklich festgelegten Regelungen zum Schutz der Interessen anderer Parteien eingehalten werden.[14]
Der Geltungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen erstreckt sich auf die Unionsmitgliedstaaten und die anderen Mitgliedstaaten des EWR.[15]
Die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen erstreckt sich auf alle Personen, unabhängig von deren Herkunft oder Sitz.
Verpönt ist, da es sich zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen um ein relatives Recht handelt (kein absolutes wie z. B. beim Recht auf geistiges Eigentum), lediglich die unlautere bzw. unredliche Aneignung oder Verwertung von Geschäftsgeheimnissen. Die Richtlinie (EU) 2016/943 unterscheidet deswegen in Artikel 3 und 4 im Hinblick auf den Erwerb, die Nutzung und die Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen, ob diese rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt bzw. erlangt wird.
Nach Artikel 2 der Richtlinie (EU) 2016/943 ist ein „Geschäftsgeheimnis“:
Es sind zur Qualifizierung als Geschäftsgeheimnis alle oben genannten Kriterien zu erfüllen.
Die Richtlinie (EU) 2016/943 enthält einen recht umfangreichen Katalog an Rechtsschutzmaßnahmen, welcher von den Unionsmitgliedstaaten gewährleistet werden muss. Grundsätzlich ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen durch einfache aber wirksame und abschreckende zivilrechtliche Maßnahmen zu garantieren (Artikel 6 Richtlinie (EU) 2016/943).
Durch die Rechtsschutzmaßnahmen muss die Verhältnismäßigkeit gewährleistet und dürfen missbräuchliche Klagen nicht gefördert werden. Die Errichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel im Binnenmarkt muss vermieden werden (Artikel 7 Richtlinie (EU) 2016/943).
Die Verjährungsfristen dürfen höchstens sechs Jahre betragen (Artikel 8 Richtlinie (EU) 2016/943).
Im Gerichtsverfahren muss die Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren und auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens durch alle daran beteiligte Personen gewahrt bleiben (Artikel 9 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2016/943). Hierzu kann z. B. (Artikel 9 Abs. 2 Richtlinie (EU) 2016/943)
In jedem Fall ist jedoch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren zu gewährleisten (Artikel 9 Abs. 3 Richtlinie (EU) 2016/943).
Eine siegreiche Partei kann zum Schutz ihres Geschäftsgeheimnisses vom Gericht verlangen, dass es folgende gerichtliche Anordnungen und Abhilfemaßnahmen trifft (Artikel 12 Richtlinie (EU) 2016/943):
Diese Maßnahmen ergehen unbeschadet des etwaigen Schadensersatzes, der dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses möglicherweise aufgrund des rechtswidrigen Erwerbs oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses zu zahlen ist (Artikel 12 Abs. 4 iVm Artikel 14 Richtlinie (EU) 2016/943). Ein Rechtsverletzer muss für einen rechtswidrigen Erwerb oder eine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses Schadensersatz leisten, der dem infolge des rechtswidrigen Erwerbs oder der rechtswidrigen Offenlegung oder Nutzung tatsächlich erlittenen Schaden angemessen ist (Artikel 14 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2016/943).
Der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses kann eine Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen verlangen (Artikel 15 Richtlinie (EU) 2016/943).
Der Erlass der Richtlinie (EU) 2016/943 wurde insbesondere auf Artikel 114 AEUV[16] gestützt (Maßnahmen zur Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Unionsmitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben).
Die Richtlinie wurde vom Rat und dem Europäischen Parlament im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erlassen.
Die Richtlinie (EU) 2016/943 hat folgenden Aufbau:
Die Richtlinie war gemäß Artikel 19 der Richtlinie (EU) 2016/943 bis zum 9. Juni 2018 in nationales Recht umzusetzen.
In Deutschland war der Geheimnisschutz in den §§ 17–19 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geregelt. Da die Richtlinie nicht bis zum 9. Juni 2018 umgesetzt worden war, galt sie seitdem in Deutschland unmittelbar.[17] Am 26. April 2019 trat dann das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft.[18]
In Österreich wurden die Vorgaben der Richtlinie insbesondere in das bereits seit 1984 bestehende Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb integriert.[19][20][21] Der Rechtsschutz in Österreich in Bezug auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird als lückenhaft bezeichnet.[22]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.