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deutsche Organisation Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Oberreichsanwalt war der oberste Beamte der Reichsanwaltschaft beim Reichsgericht. Die Reichsanwaltschaft war eine Oberbehörde des Deutschen Reichs im Geschäftsbereich des Reichskanzleramtes; ab 1918 war sie dem Geschäftsbereich des Reichsjustizministeriums zugeordnet. Nach § 143 Abs. 1 Nr. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) alter Fassung (a. F.) war die Reichsanwaltschaft die Anklagebehörde am Reichsgericht. Dem Oberreichsanwalt waren mehrere Reichsanwälte nach § 145 GVG a. F. als seine Vertreter zugeordnet. Zudem gab es den Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof.
Die Reichsanwaltschaft wurde 1877 im Zuge der Reichsjustizgesetze beim Reichsgericht eingerichtet. Der Reichskanzler leitete und führte die Aufsicht über den Oberreichsanwalt und die Reichsanwälte gemäß § 148 Nr. 1 GVG a. F. Die Leitung und Aufsicht oblag dem Reichskanzler in Ermangelung eines Reichsjustizministeriums bis zum Ende des Kaiserreichs. Das Reichsjustizamt war eine Abteilung des Reichskanzleramts.
Nach § 150 Abs. 1 GVG a. F. wurde der Oberreichsanwalt auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser ernannt. Als politischer Beamter konnte der Oberreichsanwalt nach § 150 Abs. 2 GVG a. F. jederzeit durch Kaiserliche Verfügung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Dasselbe galt für die Reichsanwälte. Der Oberreichsanwalt und die Reichsanwälte mussten nach § 149 Abs. 2 GVG a. F. die Befähigung zum Richteramt besitzen, obwohl sie keine Richter waren (§ 149 Abs. 1 GVG a. F.). Oberreichsanwälte hatten denselben Rang und Gehalt wie der Reichsgerichtspräsident, Reichsanwälte den eines Reichsgerichtsrats.[1]
Der Oberreichsanwalt war örtlich für das gesamte Reichsgebiet, sachlich für diejenigen Bereiche zuständig, welche vor dem Reichsgericht verhandelt wurden (§ 143 Abs. 1 GVG a. F.). Anders als heute die Bundesanwaltschaft nach § 142a GVG übte der Oberreichsanwalt nicht das Amt des Staatsanwalts für die Strafsachen, für welche die Oberlandesgerichte erstinstanzlich zuständig sind (§ 120 Abs. 1 GVG), aus. Der Oberreichsanwalt konnte auch nicht, wie der Generalbundesanwalt im Rahmen des § 120 Abs. 2 GVG, durch die Übernahme der Verfolgung wegen besonderer Bedeutung die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründen und sich damit nach § 142a GVG selbst die sachliche Zuständigkeit begründen (sog. gekorene Staatsschutzdelikte). Im Vergleich zum Generalbundesanwalt war daher die Bedeutung des Oberreichsanwalts geringer.
Der Oberreichsanwalt übte die Funktion einer Anklage und Untersuchungsbehörde bei Aufgaben aus, bei welchen das Reichsgericht erstinstanzlich gemäß §§ 143 Abs. 1 Nr. 1, 136 Abs. 1 Nr. 1 GVG a. F. zuständig war. Die erstinstanzliche Zuständigkeit war nach § 136 Nr. 1 GVG a. F. nur in Fällen des Hochverrats- und Landesverrats gegeben, die gegen den Kaiser oder das Reich gerichtet waren.
Der Oberreichsanwalt hatte die Mitwirkung an Revisionssachen vor den Strafsenaten des Reichsgerichts nach §§ 143 Abs. 1 Nr. 1, 136 Abs. 1 Nr. 2 GVG a. F. inne. Das Reichsgericht war Revisionsgericht gegen Urteile
Für die Revision gegen Urteile der Strafkammern in der Berufungsinstanz waren im Übrigen nach § 123 Nr. 2 GVG a. F. die Oberlandesgerichte, und damit nach § 143 Abs. 1 GVG a. F. die Staatsanwaltschaften zuständig.
Der Oberreichsanwalt hatte als erster Beamter der Reichsanwaltschaft das Recht den Reichsanwälten dienstliche Weisungen zu erteilen. Diese aus dem Hierarchieprinzip folgende selbstverständliche Befugnis stellte § 147 Abs. 1 GVG a. F. klar. Nach § 147 Abs. 2 GVG a. F. war der Oberreichsanwalt berechtigt, allen Beamten der Staatsanwaltschaft Weisungen zu erteilen, wenn das Reichsgericht erstinstanzlich zuständig war (Hoch- und Landesverratssachen gegen Kaiser und Reich).
Die Zuständigkeit des Oberreichsanwalts beim Reichsgericht bezieht sich in diesem Artikel bis zur Änderung im Dritten Reich auf die Rechtslage des Jahres 1877. Im Dritten Reich leitete der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht außer der Reichsanwaltschaft vorübergehend auch deren Zweigstelle beim Volksgerichtshof. Dieser war am 24. April 1934 als Zweigstelle des Reichsgerichts zur Aburteilung von Hoch- und Landesverrat gegen den NS-Staat in Berlin errichtet worden. Mit der am 1. April 1936 erfolgten Umwandlung des Volksgerichtshofes zum ordentlichen Gericht ging die Anklagezuständigkeit des Oberreichsanwalts beim Reichsgericht auf die Reichsanwaltschaft beim Volksgerichtshof über. Geleitet wurde dieser zunächst von einem Reichsanwalt, ab 1937 von dem Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof. Die Terrorjustiz beim Volksgerichtshof begann erst nach dessen Trennung vom Reichsgericht.[2]
Nr. | Name | Amtsantritt | Ende der Amtszeit |
---|---|---|---|
1 | August Heinrich von Seckendorff (1807–1885) | 1879 | 1885 |
2 | Hermann Tessendorf (1831–1895) | 1886 | 1895 |
3 | Oskar Hamm (1839–1920) | 1896 | 1899 |
4 | Philipp Justus von Olshausen (1844–1924) | 1899 | 1907 |
5 | Arthur Zweigert (1850–1923) | 1907 | 1920 |
6 | Ludwig Ebermayer (1858–1933) | 1921 | 1926 |
7 | Karl August Werner (1876–1936) | 1926 | 1936 |
8 | Emil Brettle (1877–1945) | 1937 | 1945 |
Nr. | Name | Amtsantritt | Ende der Amtszeit |
---|---|---|---|
1 | Friedrich Parey (1889–1938) | 1937 | 1938 |
2 | Ernst Lautz (1887–1979) | 1939 | 1945 |
Aufgrund seiner Tätigkeit am VGH in den Jahren 1939 bis 1945 wurde der Oberreichsanwalt Ernst Lautz im Juristenprozess von 1947 wegen Kriegsverbrechen und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
Die Reichsanwaltschaft beim VGH war in fünf Abteilungen, entsprechend der Zahl der Senate des VGH, unterteilt, in denen siebzig „höhere Beamte“ beschäftigt waren. In jeder Abteilung gab es fünf Staatsanwälte und einen Reichsanwalt.[3] Der Oberreichsanwalt wurde im Prozess durch einen Reichsanwalt vertreten. Reichsanwälte und Abteilungsleiter beim VGH waren Oswald Rothaug (ab 1943) und von 1938 bis 1944 Paul Barnickel, der 1944 noch als Reichsanwalt zum Reichsgericht wechselte.
Weitere Anwälte (von ca. 120)[4]:
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