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Gleichstellung der deutschen und italienischen Sprache in Trentino-Südtirol Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die rechtliche Stellung der deutschen Sprache in Südtirol wird durch das Zweite Autonomiestatut geregelt. Die deutsche Sprache ist seit dessen Verabschiedung in der gesamten Region Trentino-Südtirol und somit auch in der Provinz Bozen bzw. Südtirol der italienischen Sprache gleichgestellt. Der Artikel 99 des Statuts (Dekret des Präsidenten der Republik vom 31. August 1972, Nr. 670) lautet:
Die deutsche Sprache ist in der Region der italienischen Sprache, die die amtliche Staatssprache ist, gleichgestellt. In den Akten mit Gesetzeskraft und immer dann, wenn dieses Statut eine zweisprachige Fassung vorsieht, ist der italienische Wortlaut maßgebend.[1]
Damit ist Deutsch regionale amtliche Staatssprache Italiens. De facto wird Deutsch aber nur in Südtirol als Amtssprache verwendet, da die Durchführungsbestimmungen zum Sprachengebrauch nur für das Gebiet der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol gelten. Auf lokaler Ebene werden Deutsch und Italienisch in manchen Gemeinden durch Ladinisch als dritte Amtssprache ergänzt.
In Südtirol ist der deutschen Sprachgruppe muttersprachlicher Unterricht in den Kindergärten und Schulen garantiert. Das deutschsprachige Schulsystem besteht parallel neben den Schulen für die italienische Sprachgruppe und jenen für die ladinische Sprachgruppe. In Grundschulen, Mittelschulen und weiterführenden Schulen für die deutsche Sprachgruppe findet der Fachunterricht auf Deutsch statt. Auch die Staatliche Abschlussprüfung kann in deutscher Sprache abgelegt werden.
Die deutschsprachigen Bürger haben das Recht, im Verkehr mit allen öffentlichen Organen und Ämtern, die ihren Sitz in Südtirol haben oder regionale Zuständigkeit besitzen (letztere also auch, wenn sie im Trentino ihren Sitz haben) sowie mit den Konzessionsunternehmen, die in Südtirol öffentliche Dienste versehen, ihre Sprache zu gebrauchen. Mit anderen Worten können sich Südtiroler auf Deutsch an alle Gemeinden und Bezirksgemeinschaften, an die Autonome Provinz Bozen – Südtirol und die Autonome Region Trentino-Südtirol, an in Südtirol angesiedelte staatliche Stellen (etwa Gerichte, Steuerbehörde), sowie Dienstleister von zentraler Bedeutung (etwa Poste Italiane, Trenitalia) wenden.
Die Ämter, die Organe und Konzessionsunternehmen verwenden im schriftlichen und im mündlichen Verkehr die Sprache dessen, der sich an sie wendet, und antworten in der Sprache, in der der Vorgang von einem anderen Organ oder Amt eingeleitet worden ist; wird der Schriftverkehr von Amts wegen eröffnet, so wird er in der mutmaßlichen Sprache des Bürgers geführt, an den er gerichtet ist. Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die Möglichkeit, die deutsche Sprache vor den Südtiroler Zivilgerichten zu gebrauchen, nicht allein den in dieser Region wohnhaften italienischen Bürgern vorbehalten werden darf; diese Möglichkeit muss vielmehr jeder Unionsbürger haben.[2]
In den Sitzungen der Kollegialorgane der Region, der Provinz Bozen und der örtlichen Körperschaften kann die italienische oder die deutsche Sprache benutzt werden. In den anderen Fällen wird der getrennte Gebrauch der italienischen oder der deutschen Sprache anerkannt.
Unberührt bleibt der alleinige Gebrauch der italienischen Sprache innerhalb der Einrichtungen des Militärs.
Die Durchführungsbestimmungen über den Sprachgebrauch, enthalten im Dekret des Präsidenten der Republik vom 15. Juli 1988, Nr. 574, sehen die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts vor, wenn dieser nicht in der Muttersprache des Betroffenen verfasst ist.
Der Bürger kann innerhalb von zehn Tagen den Einwand der Nichtigkeit geltend machen. Es reicht ein Brief, in dem die betroffene Person erklärt, nicht in ihrer Muttersprache behandelt worden zu sein, oder auch nur eine mündliche Beschwerde. Eingebracht wird der Einwand entweder bei der für den Akt zuständigen Behörde oder beim Gemeindeamt am Wohnsitz des Betroffenen. Der Einwand hat eine zeitweilige Unwirksamkeit des Verwaltungsakts zur Folge.
Die Behörde hat ihrerseits zehn Tage Zeit, um zu reagieren. Wenn sie den Einwand für begründet hält, erneuert sie den Akt in der jeweils anderen Sprache. Weist die Behörde den Rekurs ab, muss sie dies dem Betroffenen innerhalb von zehn Tagen mitteilen. Der Bürger kann dann das regionale Verwaltungsgericht anrufen. Lässt die Behörde die Zehntagesfrist ungenützt verstreichen, ist der vom Bürger beanstandete Verwaltungsakt endgültig unwirksam.
Zudem wurde im Jahr 2020 vom Südtiroler Landtag das Amt für Landessprachen und Bürgerrechte eingerichtet. Bei Verletzungen von Rechten zum Gebrauch der Muttersprache können sich Bürger und Bürgerinnen dort melden.[3]
Die Anwärter für den öffentlichen Dienst müssen Kenntnisse in Deutsch und Italienisch nachweisen. Dies gilt auch bei Versetzungen aus rein italienischen Sprachgebieten.
Um eine Anstellung im öffentlichen Dienst zu erhalten, muss ein Zweisprachigkeitsnachweis vorgelegt werden. Dafür werden von einer eigenen amtlichen Dienststelle gemäß Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 752/1976 Zweisprachigkeitsprüfungen angeboten. Seit 2010 bestehen aber auch andere behördlich anerkannte Möglichkeiten zum Nachweis sprachlicher Qualifikationen: Man kann ein äquivalentes Zertifikat international anerkannter Körperschaften vorlegen oder Sprachkenntnisse durch die persönliche Bildungsbiographie nachweisen. Je nach angestrebter Laufbahn innerhalb des öffentlichen Dienstes gibt es vier verschiedene Prüfungniveaus: C1 (für die höhere Laufbahn), B2 (für die gehobene), B1 (für die mittlere) und A2 (für die einfache Laufbahn). Ein erworbener Zweisprachigkeitsnachweis hat unbegrenzte Gültigkeit.
Eine Ausnahme von dieser Regel gilt für Anwärter auf den Lehrberuf. Da die Schulen nach Muttersprachen getrennt geführt werden, müssen Lehrer z. B. deutscher Muttersprache in deutschen Schulen nicht notwendig über einen Zweisprachigkeitsnachweis verfügen. Verfügen sie über den Nachweis, kommt ihnen eine Gehaltssteigerung in Form einer Zweisprachigkeitszulage zugute.
Um festzustellen, in welchem Größenverhältnis die drei anerkannten Sprachgruppen Südtirols (deutsch, italienisch, ladinisch) zueinander stehen, werden alle Bürger bei der alle 10 Jahre stattfindenden Volkszählung aufgerufen, ihre Sprachgruppenzugehörigkeit bzw. Sprachgruppenzuordnung zu erklären. Dies ist rechtlich relevant, weil in demselben Verhältnis öffentliche Stellen vergeben werden sowie Sozialwohnungen und andere fördernde Maßnahmen. Für eine Bewerbung oder Inanspruchnahme derartiger öffentlicher Mittel durch den Bürger ist dann eine persönliche Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung bzw. Sprachgruppenzuordnungserklärung gesetzlich vorgeschrieben.
In Südtirol gilt bei den Ortsnamen offiziell flächendeckende deutsch-italienische Zweisprachigkeit und regionale (Gröden, Gadertal) ladinisch-deutsch-italienische Dreisprachigkeit.[4] Sämtliche öffentlichen Verwaltungen müssen daher gegenüber den deutschsprachigen Bürgern auch die deutschen Ortsnamen verwenden, wenn ein Landesgesetz ihr Vorhandensein festgestellt und die Bezeichnung genehmigt hat. So sieht es das Autonomiestatut vor. Tatsächlich ist ein solches Gesetz noch nicht verabschiedet worden.
Vor diesem Hintergrund stellt die Südtiroler Ortsnamensgebung immer wieder einen ethnopolitischen Streitpunkt dar.[4] Amtlich gültig sind nur die von Ettore Tolomei geschaffenen italienischen Orts- und Flurnamen, die 1923 unter Mussolinis faschistischem Regime für alle Südtiroler Ortschaften verbindlich wurden. In Ermangelung eines Toponomastikgesetzes finden die ursprünglichen deutschen (und ladinischen) Bezeichnungen zwar überall Verwendung, werden aber lediglich geduldet.
Sämtliche Ortstafeln und Verkehrsschilder sind demnach zweisprachig (in ladinischsprachigen Landesteilen sogar dreisprachig). Auf Autobahnen, Staatsstraßen und an fast allen Bahnhöfen steht der italienische Name an erster Stelle. Die Beschilderung der Landesstraßen weist den deutschen Namen als ersten (oder oben) aus.
Es gibt verschiedene Lösungsvorschläge für eine Überarbeitung der Südtiroler Ortsnamenpraxis:
Die Bestimmungen zur Autonomie Südtirols, die Verfassungsrang haben, sehen diesbezüglich vor, dass das Land die Gesetzgebungsbefugnis in Bezug auf die Ortsnamengebung hat, mit der Verpflichtung zur Zweisprachigkeit im Gebiet der Provinz Bozen (Art. 8 I Z 2 Sonderstatut).[1] Einige Beobachter heben hervor, dass Zweisprachigkeit aber nicht mit der Verpflichtung zur Zweinamigkeit gleichzusetzen sei.
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