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nichtinvasives Verfahren zur Ermittlung der Sauerstoffsättigung arteriellen Blutes Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Pulsoxymetrie oder Pulsoximetrie ist ein Verfahren zur nichtinvasiven Ermittlung der arteriellen Sauerstoffsättigung über die Messung der Lichtabsorption bzw. der Lichtremission bei Durchleuchtung der Haut (perkutan). Das Pulsoxymeter oder Pulsoximeter stellt ein speziell auf diese Anwendung optimiertes Spektralphotometer dar. Nebenbei dienen die verwendeten Geräte auch zur gleichzeitigen Pulsfrequenzkontrolle.
Das optische Messprinzip der Sauerstoffsättigung des Blutes wurde erstmals 1935 von Karl Matthes in Leipzig am menschlichen Ohrläppchen beschrieben.[1] Es folgten in den 1940er Jahren Arbeiten von Glenn Allan Millikan, der das erste optische Oxymeter entwickelte.[2] Zur damaligen Zeit waren die technischen Voraussetzungen für eine praktische Umsetzung aber noch nicht gegeben, als optische Empfänger standen beispielsweise nur vergleichsweise voluminöse Photozellen zur Verfügung, weshalb eine praktische Weiterentwicklung zur einfachen klinischen Anwendbarkeit zunächst nicht stattfand. Erst 1972 baute der Ingenieur Takuo Aoyagi von Nihon Kohden ein praktikables, nicht-invasives Modell, das am Ohrläppchen befestigt wurde und 1975 in die klinische Erprobung kam. Minolta stellte 1977 ein Modell vor, welches am Finger befestigt wurde. In einer parallelen Eigenentwicklung fand dieses Verfahren in Deutschland unter der Bezeichnung Photoplethysmographie erstmals 1976 Anwendung in der psychophysiologischen Forschung in einem Migräne-Forschungsprojekt, konstruiert und angewandt von Christian-Peter Bernhardt, veröffentlicht im Juni 1978 an der Universität Hamburg. Der nächste Schritt kam 1980 durch die US-amerikanische Firma Biox, welche LED als Leuchtmittel benutzte. Von der Pionierarbeit durch Aoyagi erfuhr die Welt allerdings erst 1987 durch John Severinghaus, welcher dessen Messverfahren in Englisch veröffentlichte.[3]
Ende der 1990er Jahre wurde die Klinik für Anästhesiologie der Medizinischen Universität zu Lübeck das europaweit führende Referenzzentrum für die Entwicklung und Validierung von Pulsoximetriegeräten.[4]
Das optische Messprinzip basiert auf dem Umstand, dass mit O2 beladenes Hämoglobin, sogenanntes oxygeniertes Hämoglobin (HbO2), bei optischen Wellenlängen einen deutlich anderen Absorptionsverlauf als desoxygeniertes Hämoglobin (Hb) – also Hämoglobin, dessen Transportplätze für O2 noch frei sind – aufweist. Bei Betrachtung des Verlaufs in nebenstehender Abbildung der Absorption über die Wellenlänge für beide Varianten ist erkennbar, dass desoxygeniertes Hämoglobin bei einer Wellenlänge von ca. 680 nm – dies entspricht sichtbarem roten Licht – eine deutlich höhere Absorption aufweist als oxygeniertes Hämoglobin. Bei größeren Wellenlängen von ca. 800 nm aufwärts dreht sich dieses Verhältnis um: Bei ca. 900 nm ist die Absorption von HbO2 höher und die von Hb geringer.[5] Wellenlängen oberhalb von 780 nm sind für den Menschen nicht sichtbar und werden als (nahe) Infrarotstrahlung bezeichnet.
Einfache, handelsübliche Pulsoxymeter messen die wellenlängenabhängige Absorption bei zwei verschiedenen und unveränderlichen Wellenlängen: Zur Lichterzeugung werden im Messgerät zwei monochromatische Leuchtdioden (LED) mit unterschiedlicher Wellenlänge eingesetzt. Eine rote Leuchtdiode bei 660 nm und eine Infrarot-LED mit 905 nm bis 920 nm, welche alternierend in Betrieb sind. Als Empfänger dient eine Fotodiode, deren Empfindlichkeit den kompletten Wellenlängenbereich überstreicht.[5] Alternativ können statt der beiden Leuchtdioden auch zwei Laserdioden, welche im Gegensatz zu den Leuchtdioden in der optischen Bandbreite schmaler sind, verwendet werden. Bei Laserdioden liegen die beiden verwendeten Wellenlängen aus fertigungstechnischen Gründen der Laserdioden und bei sonst identischem Messprinzip bei 750 nm und 850 nm.[6]
Da die optische Messung durch Fremdlicht wie Kunstlicht oder Tageslicht gestört werden kann, befindet sich die optische Einheit in einem Clip, welcher Fremdlicht weitgehend abschirmt. Dieser Clip wird an einem leicht zugänglichen Körperteil, vorzugsweise an einem Finger, an einem Zeh, an einem Ohrläppchen oder bei frühgeborenen Säuglingen auch an einem Fußballen oder an einem Handgelenk, angebracht. Der Sensor durchstrahlt dabei den betreffenden Körperteil: Auf einer Seite befinden sich die beiden Leuchtdioden als Lichtquelle, auf der gegenüberliegenden Seite die Photodiode als optischer Empfänger. Zur verbesserten Störunterdrückung wird das emittierte Licht der Leuchtdioden niederfrequent moduliert.
Da auf die optische Absorption verschiedene Faktoren einwirken, beispielsweise haben verschiedene Gewebearten wie die Haut auch einen Einfluss, ist eine Absolutwertmessung nicht praktikabel. Es erfolgt eine Relativwertmessung der Absorptionsraten, welche über den pulsatilen Blutfluss im Messgerät eingestellt wird. Dieser Umstand ermöglicht als Nebeneffekt auch die Anzeige der Pulsfrequenz. Durch den Herzschlag pulsieren die arteriellen Blutgefäße und damit ändern sich auch der Weg des Lichts durch das arterielle Blut und somit die absoluten Absorptionsraten bei einer bestimmten Wellenlänge. Es lässt sich dann bei jedem Herzschlag für jede Wellenlänge das Verhältnis vom maximalen Wert der Lichtintensität zum minimalen Wert bilden. Setzt man nun diese Werte in Bezug zueinander, dann ist das Ergebnis unabhängig von der Lichtabsorption des umliegenden Gewebes und wird nur bestimmt durch das Verhältnis von oxygeniertem zu desoxygeniertem Hämoglobin im arteriellen Blut.
Die so ermittelte Sauerstoffsättigung wird als funktionelle bzw. partielle Sauerstoffsättigung und mit SpO2 bezeichnet. Um den Messwert dieser nichtinvasiven, photometrischen Bestimmung eindeutig von der an einer entnommenen Blutprobe mittels Blutgasanalyse ermittelten arteriellen Sauerstoffsättigung zu unterscheiden, deutet das p in dieser Bezeichnung auf das pulsoxymetrische Messverfahren hin. Es gilt folgender Zusammenhang:
mit HbO2 für die Konzentration des oxygeniertes Hämoglobin und Hb für desoxygeniertes Hämoglobin.
Anhand eines Vergleichs des Messergebnisses mit einer Referenztabelle ermittelt die Auswerteelektronik im Pulsoxymeter, welcher prozentuale Anteil an oxygeniertem Hämoglobin vorliegt. Übliche Werte der arteriellen Sauerstoffsättigung liegen beim Gesunden zwischen 96 und 100 %. Zusätzlich wird auch die ermittelte Pulsfrequenz angezeigt. Je nach Gerät ergänzt um verschiedene Zusatzfunktionen, wie beispielsweise Speicherfunktionen für gemessene Werte.
Da neben Sauerstoff an Hämoglobin auch andere Moleküle wie das giftige Kohlenmonoxid (CO) gebunden sein können, kann es bei einfachen Pulsoxymetern, welche nur mit zwei Wellenlängen arbeiten, zu Fehlmessungen kommen und eine Kohlenmonoxidvergiftung nicht von einer ausreichenden Sauerstoffsättigung unterschieden werden. Erweiterte Pulsoxymeter, auch als CO-Oxymeter bezeichnet, können auch die Bindung mit Kohlenmonoxid von der Bindung mit Sauerstoff optisch unterscheiden. Dabei werden, bei identischem Messprinzip, mehrere Absorptionswerte bei vier bis sieben unterschiedlichen Wellenlängen bestimmt und zueinander in Bezug gesetzt.[7]
Die mit CO-Oxymetern ermittelte erweiterte fraktionelle Sauerstoffsättigung ist:[5]
mit dem prozentualen Anteil des im Blut mit Kohlenmonoxid belegten Hämoglobin COHb und MetHb für Methämoglobin, eine funktionsgestörte Form des Hämoglobins, welche zwar noch Sauerstoff in der Lunge aufnehmen, aber im Gewebe nicht mehr abgeben kann.
Im Rettungsdienst und auf Intensivstationen sowie in der Anästhesie ist die Pulsoxymetrie Teil des Standardmonitorings des Patienten. Bei Frühgeburten wird zur weiteren häuslichen Überwachung oft ein Überwachungsmonitor eingesetzt, der die Atemfrequenz, die Sauerstoffsättigung und den Puls anzeigt.
Bei allen Neugeborenen in Deutschland ist seit dem 28. Januar 2017 ein Pulsoxymetrie-Screening auf kritische angeborene Herzfehler vorgeschrieben. Dabei wird im Alter von 24 bis 48 Stunden nach der Geburt ein Wert an einem Fuß des Neugeborenen gemessen und bei auffälligen Werten eine weitere Abklärung veranlasst.[8]
Bei der Überwachung von Frühgeborenen in der neonatalen Intensivmedizin kommt häufig auch die duale Pulsoxymetrie (rechts/links) zum Einsatz, um bei diagnostiziertem persistierenden Ductus arteriosus den Unterschied zwischen präduktaler und postduktaler Sauerstoffsättigung im zeitlichen Verlauf zu erfassen.
In der Schlafmedizin ist die Pulsoxymetrie ein wichtiges Messverfahren zur Erkennung von Schlafapnoe.
Die Pulsoxymetrie wird in der Sportfliegerei bei Flügen in große Höhen eingesetzt, um so durch Selbstkontrolle einer Hypoxie vorbeugen zu können.
Beim Höhenbergsteigen werden immer öfter Pulsoxymeter verwendet, um frühzeitig Hinweise auf eine drohende Höhenkrankheit zu erhalten.
Auch im privaten Bereich werden häufiger im Rahmen der Quantified-Self-Bewegung Pulsoxymeter oder Wearables mit integrierten Pulsoxymetern verwendet.
Im Zuge der COVID-19-Pandemie empfahl der Notfallmediziner Richard Levitan in der New York Times die Verwendung von Pulsoxymetern zur Überwachung von Infizierten in ihren Häusern und Wohnungen, um rechtzeitig feststellen zu können, wann eine stationäre Behandlung angezeigt ist. Als Begründung führte Levitan aus, dass die Lungen der Patienten auch bei schwerem Krankheitsverlauf trotz sinkendem Sauerstoffgehalt noch eine Zeit lang Kohlendioxid abführten, so dass die Patienten noch keine Atemnot verspürten, obwohl eine Behandlung im Krankenhaus bereits nötig sei.[9]
Spezielle Geräte sind in der Lage, die Sauerstoffsättigung nicht nur durch die Haut, sondern auch durch den Schädelknochen hindurch zu messen. Bei der sog. zerebralen Oxymetrie können Lichtsender und Lichtempfänger nicht in einer Linie hintereinander angebracht werden. Der Sender und die Empfänger sind wenige Zentimeter voneinander entfernt an der Stirn befestigt. Geringe Mengen des Infrarotlichts gelangen durch den Knochenschädel und das Gehirn und werden dort in einer Tiefe von bis zu 2,5 cm gestreut. Durch die Streuung wird das Licht in alle Richtungen verteilt und gelangt somit auch zu den Empfängern auf der Haut. Die beiden Empfänger messen die Sättigung in einer bestimmten Entfernung voneinander. Auf diese Weise kann durch die beiden leicht unterschiedlichen Messwerte bei bekanntem Streuungswinkel die Sauerstoffsättigung des Blutes im schädelnahen Gehirn abgeschätzt werden. Bei jungen gesunden Patienten, die normale Luft atmen, beträgt die Sättigung in diesem kapillarähnlichen Bereich ca. 60–70 %. Bei älteren oder kranken Patienten kann dieser Ausgangswert auch niedriger sein. Kommt es zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn, z. B. durch eine Unterversorgung mit Blut, fällt dieser Wert ab. Nach Schätzungen sind 50 % als der absolute untere Grenzwert anzusehen, bei dem Hirnschäden entstehen können.
Zur Anwendung kommt die zerebrale Oxymetrie bei Operationen an den hirnversorgenden Gefäßen, z. B. der Arteria carotis. Bei diesen Operationen muss teilweise die Blutversorgung des Gehirns auf einer Seite kontrolliert unterbrochen werden. Durch Messung der zerebralen Sauerstoffsättigung kann abgeschätzt werden, wie lange das Gehirn mit der eingeschränkten Blutversorgung auskommen kann. Kommt es zum Abfall der Sättigung, kann es notwendig werden, die Operation an der Arterie zu unterbrechen und zum Beispiel einen provisorischen Shunt einzulegen, der die Blutversorgung wieder herstellt.[10]
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