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Erweiterung der mathematischen Logik Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Polykontexturalitätstheorie erweitert die klassische mathematische Logik, so dass Kontextabhängigkeit/Subjektivität und Paradoxien formal beschrieben werden können.
Die Polykontexturalitätstheorie oder die Theorie der Polykontexturalität wurde von dem Philosophen und Logiker Gotthard Günther in den 1970er-Jahren in die Wissenschaft eingeführt. Diese Theorie ist eine unmittelbare Weiterentwicklung der Günther'schen Stellenwertlogik, die aus seinen Versuchen hervorgegangen ist, ein mehrwertiges ontologisches Ortswertlogik-System zu entwickeln. Die Theorie der Polykontexturalität umfasst sowohl die polykontexturale Logik, die Morpho- und die Kenogrammatik als auch die von Günther zuerst entwickelte semi-klassische Stellenwertlogik, die er 1974 als „ontologisches Ortswert-System“ bezeichnet[1], um den von ihm 1958 erstmals eingeführten Begriff der Stellenwertlogik[2] von der Verwendung in nicht-logischen Zusammenhängen (wie beispielsweise bei den Soziologen der Frankfurter Schule) deutlich abzugrenzen. Eine ausführliche Darstellung der historischen Entwicklung der Günther'schen Arbeiten sowie deren inhaltliche und begriffliche Ausdifferenzierung findet sich im Aufsatz Einübung in eine andere Lektüre von Rudolf Kaehr und Joseph Ditterich[3].
Wenn man den Aussagenkalkül mit Hilfe der beiden Werte 1 und 0 beschreibt, die wie üblich mit den Begriffen „wahr (T)“ – „falsch (F)“ oder „designiert“ – „nicht-designiert“ für 1 resp. 0 interpretiert werden können, dann liegen die von Łukasiewicz zusätzlich eingeführten Werte zwischen 0 und 1, also innerhalb der betrachteten logischen Domäne und man spricht von einer mehrwertigen Logik. Das ist in Abb. 1b skizziert, Abb. 1a stellt den einfachen Fall einer logischen Domäne mit nur 2 Werten (null und eins) dar. Man gelangt von diesen Ansätzen zu den probabilistischen Logik-Konzeptionen sowie zu der sehr populär gewordenen Fuzzy-Logik. Prinzipiell lassen sich beliebig viele Werte zwischen 0 und 1 einführen.
Abb. 1a | Abb. 1b |
1-------------0 | 1-----1/2-----0 |
Im Gegensatz dazu geht Günthers Polykontexturalitätstheorie zwar von zweiwertiger Logik aus (was aber auch erweiterbar wäre auf mehrwertige Logiken), verknüpft jedoch mehrere solcher – räumlich verteilter – Logiksysteme an bestimmten Stellen. Dadurch wird es bei Günther möglich, Kontextabhängigkeit/Subjektivität formal zu beschreiben. Auch Paradoxien (z. B. Darstellung von Selbstreferenz) lassen sich hiermit formal beschreiben, da man nicht mehr an einen einzigen Kontext gebunden ist; Selbstreferenz/Paradoxien müssen daher nicht in logischen Zirkeln enden (serialisiert / verzeitlicht werden), sondern werden sozusagen „von oben herab“ / „auf einen Blick“ / „bildhaft“ / „parallel“ statt nur serialisiert darstellbar.
Günther hat nie den Begriff „mehrdimensional“ verwendet; stattdessen bezeichnete er die bisherigen mehrwertigen Logiken (wie z. B. von Łukasiewicz oder auch Gödel) als „Pseudo-Logiken“[4], weil ihre Erfinder zwar zwischen den absoluten Werten 'wahr' und 'falsch' immer wieder weitere, neue Werte einfügen, aber diese Logiken insgesamt weiterhin eindimensional blieben und ihre Dimension sich damit prinzipiell nur auf die aristotelischen Grundmotive des Denkens, „Sein oder Nichtsein“ und seiner klassischen Logik beziehen.
Die Dimension einer Logik bezeichnet Günther als „Thema“ oder „Kontext“. Wenn eine Betrachtung durch eine klassische Logik, die nur die Wertbesetzung 'wahr' oder 'falsch' zulässt, mit diesen Werten nicht beantwortet werden kann, so muss die Antwort in einer neuen Perspektive, einem neuen Thema als Kontext liegen, die quasi orthogonal auf der bisherigen Logik steht, so als spanne man damit einen Vektorraum auf.
Unter 'Vermittlung' versteht Günther, dass mehrere klassische, aristotelische Logiken durch ihre Berührungspunkte ('Ortswerte' genannt) miteinander vermittelt werden können. Das Aufspannen von Kontexten erscheint in geometrischen Begriffen wie das Zeichnen von zweidimensionalen Polygonnetzen in denen man in einem Polygon alle Eckpunkte, welche die Ortswerte der Logiken darstellen, miteinander verbindet und jede einzelne Linie zwischen zwei Ortswerten einer vollständigen klassischen aristotelischen Logik entspricht. So braucht es mindestens drei klassische Logiken, um eine Vermittlung herstellen zu können, was einem Dreieck entspricht. Vier Ortswerte ergäben sechs Logiken (Quadrat mit Kreuz), fünf Ortswerte ergäben zehn Logiken (Pentagramm in einem Pentagon) usw.
p | q | 1-2 | 2-3 | 1-3 |
---|---|---|---|---|
1 | 1 | x | x | |
1 | 2 | x | ||
1 | 3 | x | ||
2 | 1 | x | ||
2 | 2 | x | x | |
2 | 3 | x | ||
3 | 1 | x | ||
3 | 2 | x | ||
3 | 3 | x | x |
Die obige Tabelle zeigt, an welchen Punkten zwei klassische Logiken (eine zwischen 1 und 2, die zweite zwischen 2 und 3) in einer dritten (zwischen 1 und 3) vermittelt werden können. Ihre Vermittlungspunkte liegen in der ersten, der fünften und der neunten Zeile. Es ist wichtig zu verstehen, das p und q in ihrem Kontext weiterhin nur 'wahr' oder 'falsch' sein können, dass eine solche Wertbesetzung aber eben nicht global über alle Kontexte gültig ist.
Günther hat untersucht, durch welche Relationen diese Wertbesetzungen an ihren Ortswerten miteinander vermittelt werden können. Diese Relationen bezeichnet er als Ordnungsrelation, Umtauschrelation und Kongruenzrelation:
Da sich eine Logik niemals selbst „betrachten“ kann (weil ), ist es notwendig, dass jeder zu vermittelnde Kontext einen eigenen Negationsoperatoren besitzt[6], der ihm eine eigene Perspektive verleiht. Dabei sind für drei Kontexte zwei verschiedene Negationen N1 und N2 ausreichend, da sich die Negation des dritten Kontextes, welcher die ersten beiden miteinander vermittelt, aus einer Kombination der beiden Negationen N1 und N2 herbeigeführt werden kann.
p | N1 | N2 | N1(N2 p) | N2(N1 p) | N1(N2(N1 p))
oder N2(N1(N2 p)) |
---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 1 | 2 | 3 | 3 |
2 | 1 | 3 | 3 | 1 | 2 |
3 | 3 | 2 | 1 | 2 | 1 |
Die Kaskaden von Negationen p ≡ N₁ N₂ N₁ N₂ N₁ N₂ p und p ≡ N₂ N₁ N₂ N₁ N₂ N₁ p, mit denen man zum Ursprungswert p zurückkehrt, entsprechen dabei Hamiltonkreisen[7].
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