Passivradar ist eine Ortungstechnik, die im Gegensatz zum herkömmlichen Radar keine elektromagnetische Energie aussendet, um deren Reflexionen zu analysieren. Stattdessen werden Reflexionen und der Dopplereffekt von Ausstrahlungen bekannter Rundfunk-, Mobilfunk- oder ähnlicher konstant strahlender Sender ausgewertet. Passive Radargeräte können zu den Bistatischen Radargeräten gezählt werden, deren Sender nicht kooperativ sind.

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Beispiel: Vera-NG (Modell: Fahrzeug mit Teleskopradar)
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Beispiel: Vera-NG (die eigentliche Radarkapsel)

Dabei sind dem rechnergestützten Auswertesystem die näher gelegenen Sender, deren genaue Frequenzen, Modulationsarten und die geographische Lage bekannt. Bewegt sich ein reflexionsfähiges Objekt, zum Beispiel ein Flugkörper, im Strahlungsfeld des Senders, so können aus den Frequenz-, Amplituden-, Phasen- und Laufzeitänderungen am Standort des Passivradars Rückschlüsse auf die Flugbahn und die Art und Größe des Objekts gezogen werden. Das Verfahren benötigt wegen der komplizierten und aufwändigen Berechnungen bei der Signalauswertung eine sehr hohe Rechenleistung. Die Empfänger des passiven Radars können gleichzeitig zur Aufklärung genutzt werden. Umgekehrt sind reine Aufklärungs- und Warnempfänger keine passiven Radargeräte, da mit diesen höchstens eine Peilung, aber keine Laufzeitmessung und somit keine direkte Entfernungsmessung stattfinden kann. Aus diesem Grund werden teilweise drei örtlich voneinander getrennte Empfangsanlagen für die Auswertung zusammengeschaltet, beispielsweise beim System Goldhaube in Österreich.

Ein Passivradar kann nur schwer geortet werden, da es keine eigene Strahlung abgibt. Diese Tatsache gilt als ein entscheidender militärischer Vorteil. Ein weiterer diskutierter Vorzug ist die Möglichkeit, Stealthflugzeuge (Tarnkappenbomber B-2 und die F-117 Nighthawk der United States Air Force) aufzuspüren, was mit aktiver Radartechnik in den üblichen Frequenzbändern nur sehr begrenzt möglich ist. Seit 2012 ist die Technik in Praxistests erfolgreich umgesetzt worden.[1]

Nicht nur metallische Objekte, sondern auch Lebewesen beeinflussen die Ausstrahlung von elektromagnetischen Wellen. Eine Verfolgung von Tieren und Menschen ist also prinzipiell möglich. Bei der Celldar-Technik vermutet man eine Ortungsgenauigkeit, die mit Hilfe von Laufzeitmessungen an einem mitgeführten Mobiltelefon sogar den Standort einzelner Personen „auf militärisch nutzbare Entfernungen“ bestimmen kann.

Aktuelle Systeme

Bekannte Systeme sind beispielsweise Celldar (cellphone radar) (Nutzung von Mobilfunk-Signalen) oder das System Silent Sentry (Nutzung von Rundfunk-Signalen). Das Letztere ist beispielsweise in der Lage, den gesamten Luftverkehr über einem Ballungsraum zu überwachen. Bei den Systemen Tamara und Vera-NG liegt die Reichweite beispielsweise bei etwa 450 Kilometern. Das Radar-Überwachungssystem Koltschuga ist kein passives Radar, da es nur peilen kann und keine Laufzeitmessung vornimmt. Das System TwInvis der Firma Hensoldt war 2018 angeblich in der Lage, zwei F-35-Kampfflugzeuge im deutschen Luftraum zu erkennen. Diese Behauptung wird von Lockheed kritisch beurteilt, da die F-35 auf dem Rückweg von der ILA in Berlin mit Radarreflektoren versehen waren und mit eingeschalteten Transpondern flogen.[2]

Historische Systeme

Die vom britischen Küstenschutz-Radar Chain Home ausgesendete Strahlung wurde im Zweiten Weltkrieg ab 1942 von deutschen Radargeräten mittels Klein-Heidelberg-Radaranlagen angezapft. Insgesamt sechs Standorte wurden an der besetzten Kanalküste in Frankreich, Belgien und Holland aufgebaut. Da sie keine eigene Strahlung aussendeten, wurde ihre Existenz den Briten nur durch abgefangenen Funkverkehr bekannt.[3] Befragungen von gefangenen Radarsoldaten nach der Landung ergaben eine durchschnittliche Reichweite des Systems von 450 km. Dies dürfte das erste operative bistatische Radarsystem der Welt gewesen sein.[4]

Im selben Jahr wurden in den USA erstmals Gleitbomben getestet, welche mittels passiver Radarsuche gelenkt wurden.[5] Diese Bomben vom Typ Pelican wurden nicht eingeführt, stattdessen wurde ein aktives Radar verwendet und im Typ Bat ab 1944 eingesetzt.

Mögliche Sender (Targets of Opportunity)

Weitere Informationen Art von Sender, Frequenz ...
Art von Sender Frequenz Modulation/Leistung Vorteile Nachteile
FM Radio 88–108 MHz FM Bandbreite zirka 50 kHz, bis zu 250 Kilowatt Große Feldstärken, In vielen Ländern in Benutzung Schwierig bei tief fliegenden Zielen, schlechte Synchronisation
DAB 174–230 MHz OFDM, 220 kHz Bandbreite, bis zu 10 Kilowatt Gute Synchronisation Störungen durch überlappende Sender
DVB-T 474–786 MHz COFDM, 6 MHz Bandbreite, bis zu 10 Kilowatt Gute Synchronisation Störungen durch überlappende Sender
LTE 2 GHz, 3,9 GHz CDMA, 5 MHz Bandbreite, bis zu 100 Watt Gute Synchronisation Funktioniert nur bei tieffliegenden Zielen
GNSS 1,2 GHz 1,5 GHz BPSK, Bandbreite 15 MHz Bandbreite, bis zu 100 Watt Weltweit verfügbar, mehrere Anbieter gleichzeitig Mehrere Quellen, da ein spezifischer Satellit nicht immer verfügbar.
ATC Radar 1,3 GHz NLFM, 1 MHz Bandbreite, bis zu 60 Kilowatt Gute und zuverlässige Verfügbarkeit Problematisch bei tieffliegenden Objekten wie Drohnen
DVB Satelliten 10, 14 GHz PSK, 4 GHz Bandbreite, 500 Watt Weltweiter Empfang Komplizierte Software
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Quelle:[6]

Einzelnachweise

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