Loading AI tools
Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
In einer Demokratie werden politische Ämter und Mandate nur auf Zeit vergeben. Hierdurch kommt es nach dem Ende der Amtszeit regelmäßig zu einem Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft. Stehen die neuen Tätigkeiten dabei im Zusammenhang mit den früheren politischen Zielen, sind Interessenkonflikte denkbar. Der rasche Berufswechsel zwischen Politik und Wirtschaft wird von kritischen Stimmen, welche die Verflechtung von Politik und Wirtschaft betrachten, als Drehtür-Effekt (Englisch Revolving Door) bezeichnet. In Deutschland erfolgt der Wechsel meist von der Politik in die Wirtschaft; der umgekehrte Weg ist deutlich seltener.[1]
Unternehmen, die ehemaligen hochrangigen Politikern bzw. Beamten Posten zum Beispiel als Berater, im Aufsichtsrat oder im Vorstand anbieten, erhoffen sich von ihren neuen Mitarbeitern neben der Qualifikation oftmals, dass diese ihre politischen Kontakte für das Unternehmen gewinnbringend einsetzen. Diejenigen, die in die Wirtschaft wechseln, rechtfertigen sich häufig damit, dass ihnen die Ziele des Unternehmens auch schon länger bei der Arbeit als Politiker bzw. Beamter am Herzen gelegen hätten.
Ein Vorteil für die Unternehmen ist oftmals auch das interne Wissen über politische Abläufe, welches die neuen Mitarbeiter mitbringen. Insbesondere dann, wenn die Ziele des Unternehmens den Zielen der (ehemaligen) Partei entgegenstehen.
Wer schon in der Zeit als Politiker bzw. Beamter einen Posten in der Wirtschaft anstrebt, läuft Gefahr, seine Entscheidungen zu Gunsten des neuen Arbeitgebers zu fällen. Nach Ansicht der Initiative Lobbycontrol schädigt allein schon der Verdacht auf unternehmensfreundlichere Entscheidungen das Vertrauen in die Demokratie. Die Initiative kritisiert auch, dass diese Form der Vorteilsbeschaffung, die ja auch tatsächlich praktiziert werde, nicht als Korruption gewertet wird. Des Weiteren merkt Lobbycontrol in der „Drehtür-Studie“ an, dass dieser besondere Zugang zur Politik zum großen Teil nur den finanzstarken Unternehmen möglich ist, was bestehende Machtstrukturen verstärke. Auch würden sich die ehemaligen Politiker häufig sehr intransparent zeigen und darauf verweisen, dass sie nun als Privatmann tätig und niemandem Rechenschaft schuldig seien.
Die Argumente der Politik sind häufig ähnliche wie bei den externen Mitarbeitern in deutschen Bundesministerien: Man wolle von dem Sachverstand ausgewiesener Experten in einem bestimmten Bereich profitieren.
Wird der Wechsel auf diesem Wege beschritten, können sich die Unternehmen erhoffen, dass sich der Betreffende bei seinen Entscheidungen an seinen alten Arbeitgeber erinnert. Andererseits kann es natürlich auch passieren, dass die Politik sich verspricht, den Einfluss nutzen zu können, den der Neue vielleicht noch im Unternehmen hat, um es so zum Beispiel zu einer Arbeitsplatzgarantie zu bewegen. Des Weiteren können sich Parteien mit den Kontakten des Neueinsteigers vielleicht eine Parteispende erhoffen.
Das Beispiel Zitzelsberger zeigt, wie ein Unternehmen mit dem Wechsel eines Mitarbeiters versucht hat, bei den Aktionären zu punkten.
Für Mitglieder der Bundesregierung und für Beamte gilt nach § 6 des Bundesministergesetzes bzw. § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes eine Verschwiegenheitspflicht über im Amt bekannt gewordene Angelegenheiten.
Für Beamte gilt nach § 41 BeamtenStG für bis zu fünf Jahre nach Ausscheiden aus dem Amt die Pflicht zur Angabe einer neuen Lobbytätigkeit bei der obersten Dienstbehörde, wenn diese neue Tätigkeit im Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit steht. Die Dienstbehörde kann dann die neue Tätigkeit untersagen. Wer sich über dieses Verbot hinwegsetzt, verliert seine Versorgungsansprüche.
Es steht außerdem die Frage im Raum, inwieweit die Wechsel in die Wirtschaft den Tatbestand der strafbaren Vorteilsannahme erfüllen, dieser könne gegeben sein, wenn ein Amtsträger im Hinblick auf sein Amt Vorteile erhalte, sagte der Staatsrechtler Helmut Siekmann in einem Interview mit dem Manager-Magazin am 12. Dezember 2005[2].
Nach etwa 15 Jahren Diskussion und Kritik von Seiten einiger Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Lobbycontrol und Transparency International beschloss der Deutsche Bundestag am 2. Juli 2015 die Einführung einer Karenzzeit für Regierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekretäre.[3] Ein unmittelbarer Seitenwechsel wird damit erschwert. Damit soll verhindert werden, dass Politiker ihr im Amt erworbenes Insiderwissen und die Kontakte für Lobbytätigkeiten nutzen.[4] Ein Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft ist demnach in bestimmten Fällen erst nach einer Abkühl- bzw. Abklingphase von 12 bis 18 Monaten möglich. Ist ein solcher Wechsel geplant, muss dieser bei einer Ethikkommission angezeigt werden, die über eine eventuelle Karenzzeit und die Dauer berät und eine Empfehlung ausspricht. Die Prüfberichte werden nicht veröffentlicht. Die Mitglieder der Ethikkommission werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt.[5]
Welche Bedeutung das Thema hat, zeigt folgende Statistik: „Laut einer Analyse des Spiegels wechselten zwischen 1969 und 1982 nur drei Regierungsmitglieder innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt in die Wirtschaft. Zwischen 2000 und 2012 waren es schon elf. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und ZEIT ONLINE zeigten zwischen 2015 und 2021 – innerhalb von nur sechs Jahren – bereits 13 Wechselwillige ihre neuen Lobbytätigkeiten bei der Regierung an.“[6]
Viele ehemalige Mitarbeiter der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs haben auch Karriere in der Politik gemacht, siehe Abschnitt Laufbahn ehemaliger Mitarbeiter, so z. B.:
Weitere:
Reding selbst bezeichnete 2014 ihre Nebenbeschäftigungen als unproblematisch;[26] seitens der Europäischen Kommission wurden sie genehmigt.[25]
Auf europäischer Ebene gibt es Regelungen, durch welche der schnelle Wechsel in die Wirtschaft transparent werden soll. So müssen Mitglieder der Europäischen Kommission 18 Monate lang nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt jede berufliche Tätigkeit, die aufgenommen werden soll, der Kommission melden. Weiterhin unterliegen die Kommissare einer Konkurrenzklausel: Sofern es dabei zu Interessenskonflikten mit dem ehemaligen Aufgabenbereich kommen könnte, entscheidet eine Ethikkommission über die Vereinbarkeit. Der Europäischen Kommission gegenüber ist jegliche Art von Lobbyarbeit in Bereichen, in denen sie während ihrer Amtszeit tätig waren, während dieser 18 Monate grundsätzlich untersagt.[31]
In Frankreich ist die enge personelle Verflechtung von Politik und Wirtschaft traditionell gefördert worden. Es wird von der sogenannten Pantouflage gesprochen.[32]
Das auch in den USA weitverbreitete Phänomen wird dort als Revolving Door (Drehtür) bezeichnet.[33]
In Japan wird der blumige Begriff Amakudari („vom Himmel herabsteigen“) verwendet.[34]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.