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deutsche Berufsluftschifferin, Luftakrobatin und Erfinderin des zusammenlegbaren Fallschirms Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Käthe Paulus (* 22. Dezember 1868 als Katharina Funk in Zellhausen bei Seligenstadt; † 26. Juli 1935 in Berlin) war die erste deutsche Berufsluftschifferin, Luftakrobatin und Erfinderin des zusammenlegbaren Fallschirms. Als „Luftschiffer“ wurden damals alle Beteiligten an der Leichter-als-Luft-Technik, also auch Ballonfahrer, z. B. Feldluftschiffer bezeichnet.
Katharina „Käthchen“ Paulus war die Tochter von Anna Maria Funk (1846–1922). Die Mutter heiratete 1874 den aus Beerfelden stammenden Schmied Wilhelm Paulus (1848–1887), der das Kind adoptierte. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen. 1876 zog sie nach Oberrad, 1878 nach Frankfurt am Main, wo ihr Vater als Tagelöhner arbeitete. Von etwa 1884 bis 1889 lebte die Familie in Darmstadt, wo der Vater bis zu seinem frühen Tod eine feste Anstellung als Maschinenheizer hatte.
Paulus lernte nach dem Besuch der Volksschule den Schneiderberuf und arbeitete als Näherin in einer Werkstatt für Damenbekleidung. 1889 zog sie mit ihrer Mutter nach Frankfurt zurück. Paulus hatte schon in jungen Jahren einen Hang zur Akrobatik. So wollte sie beispielsweise auf einem über den Haushof gespannten Seil das Seiltanzen erlernen. Sie durfte als Kind jedoch nicht einmal Schlittschuhlaufen, weil ihre Mutter das für zu gefährlich hielt.[1] 1890 bis 1895 lebte sie mit ihrer Mutter in der Waldschmidtstraße im Frankfurter Ostend in der Nähe des Zoologischen Gartens.
Während eines Kuraufenthaltes in Wiesbaden lernte sie am 21. Juni 1889 den Ballonfahrer Hermann Lattemann kennen. Er begeisterte sie für die Luftschifffahrt und wurde ihr Lebenspartner. Am 7. März 1891 kam in Frankfurt am Main ihr Sohn, Willy Hermann Paulus (1891–1895), zur Welt.
Auf Paulus Wunsch hin lehrte Lattemann sie die Kunst des Ballonfahrens und des Fallschirmsprungs. Die gelernte Näherin unterstützte ihn bei der Herstellung und Reparatur von Ballonen und Fallschirmen. „Auf diese Weise wurde ich mit den technischen Hilfsmitteln, die mit der peinlichsten Vorsicht und Sorgfalt angefertigt werden müssen, vertraut.“
Am 19. Juli 1893 durfte sie in Nürnberg erstmals mit Lattemann und einem Passagier im Ballon aufsteigen. Nach Lattemanns Fallschirmabsprung musste sie Ballon und Passagier sicher zu Boden bringen. Aufgrund einer Fehlbedienung der Ventile stieg der Ballon auf 3500 m, bevor er mit hoher Geschwindigkeit sank. Bei der Landung musste sie im letzten Moment einem D-Zug ausweichen. „Ich schlug mir den Schädel blutig. Aber was tat das alles gegenüber dem stolzen Bewußtsein, daß im großen und ganzen die Sache geklappt hatte.“
Vier Tage später wagte sie bei Regen in Elberfeld (heute zu Wuppertal) ihren ersten Absprung mit dem Fallschirm. Sie gilt damit als erste deutsche Fallschirmspringerin. Lattemann und Paulus zogen im folgenden Jahr mit ihren aeronautischen Vorführungen gemeinsam von Stadt zu Stadt.
Am 17. Juni 1894 stiegen Paulus und Lattemann in Krefeld mit dem Ballon auf. Sie sollte abspringen, und Lattemann wollte anschließend den Ballon in einen Fallschirm verwandeln und damit sanft zur Erde gleiten. Nachdem Paulus abgesprungen war und sich ihr Schirm geöffnet hatte, zog Lattemann an der Leine. Der Ballon reagierte jedoch nicht wie geplant, sondern drehte sich zusammen und stürzte zur Erde. Keine zehn Meter entfernt musste Paulus hilflos am Fallschirm hängend zusehen, wie ihr Partner zu Tode stürzte. „Ich hing am Schirm, ohne helfen zu können, während er in rasender Fahrt, die Hülle wie ein umgedrehter Regenschirm nachflatternd, in die Tiefe stürzte. Alles war dumpf. Als ich landete, hatten sie ihn schon tot in einer Straße von Krefeld gefunden. Es war sehr schwer.“ Paulus erlitt einen schweren Schock sowie einen Nervenzusammenbruch.
In den folgenden Jahren baute sie sich allein eine unternehmerische Existenz als Luftakrobatin auf. Im Juli 1895 starb ihr Sohn an Diphtherie. Ausgehend von Frankfurt, wo sie bis 1912 lebte und ab 1894 regelmäßig sonntags vom Zoo aus mit dem Ballon aufstieg, vermarktete sie sich unter dem Künstlernamen Miss Polly erfolgreich europaweit. Insgesamt stieg sie 516-mal in einem Ballon auf, 147-mal stürzte sie sich mit ihrem Fallschirm in die Tiefe.[2] Ihre Aufstiege stießen auf ein enormes Publikumsinteresse: einmal verkaufte sie fast 20.000 Eintrittskarten. Viele Auftritte dienten Werbezwecken, so beispielsweise im Juni 1899 mit einem Fahrrad-Luftballon für die Adlerwerke. Bei vielen Auftritten trug sie publikumswirksam einen Matrosenanzug, Pluderhosen, dazu enge Lackgamaschen und schwarze Schnürstiefel. Ihr spektakulärstes Kunststück war der von ihr erfundene Doppelabsturz, bei dem sie sich vom Ballon löste, worauf ein erster Fallschirm aufging, von dem sie sich wiederum für einige Momente löste, bis ein zweiter Schirm aufging. Während ihrer gesamten Karriere hatte sie – bis auf einen Beinbruch – keinen ernsthaften Unfall.
Paulus stellte alle ihre Ballone und Fallschirme selbst her. Bei der Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung 1909 war sie mit einem eigenen Verkaufsstand vertreten.
Als 41-Jährige erwarb sie eine Blériot-Flugmaschine und nahm Flugstunden beim bekannten Fluglehrer Paul Engelhard. Als dieser jedoch bei einem Absturz ums Leben kam, verzichtete sie auf eine weitere Ausbildung und auf die Fluglizenz.
1912 übersiedelte Paulus mit ihrer Mutter nach Berlin, um sich im Auftrag der preußischen Heeresverwaltung auf die Produktion von Aufklärungsballons und Fallschirmen zu konzentrieren. Die aktive Ballonfahrt gab sie spätestens mit Beginn des Ersten Weltkriegs im Juli 1914 auf.
Ausgelöst durch Lattemanns Unfalltod hatte Paulus den heute gebräuchlichen Paketfallschirm entwickelt, der deutlich sicherer als die früher üblichen Wickelfallschirme war. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs galt sie als Expertin Deutschlands und beste Ratgeberin der Ballonaufklärer-Truppen. Ab 1915 produzierte sie in ihrer Werkstatt rund 1000 Ballonhüllen. Aber erst 1916 begannen sich die Behörden überhaupt für Fallschirmfragen zu interessieren.
Ab Sommer 1916 fertigte sie in ihrer Wohnung im Auftrag des Preußischen Kriegsministeriums die von ihr erfundenen Paketfallschirme und die dazugehörigen Hüllen. Später, als sich die Produktion vergrößerte, schnitt sie den Stoff zu und ließ die Schirme von Heimarbeiterinnen nähen. „So habe ich bis Kriegsende etwa 7000 Fallschirme geliefert. Welche Arbeit hierzu gehörte, geht daraus hervor, dass ich wöchentlich etwa 125 Fallschirme lieferte, je Woche etwa 20.000 Meter Stoff zuschneiden musste; denn diese Arbeit selbst auszuführen, ließ ich mir, angesichts ihrer Wichtigkeit, nicht nehmen.“
Nachdem aufgrund der kriegsbedingten Mangelwirtschaft keine Seide mehr erhältlich war, musste Paulus auf andere Materialien ausweichen. Ihre Fallschirme retteten unter anderem während der Schlacht um Verdun zwanzig Ballonaufklärern das Leben. 1917 wurde sie mit dem Verdienstkreuz für Kriegshilfe geehrt.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Friedensvertrag von Versailles kam die Luftfahrt in Deutschland zum Erliegen. Paulus führte eine bescheidene Existenz als Rentnerin in ihrer Wohnung in Reinickendorf, bis zu deren Tod 1922 zusammen mit ihrer Mutter. Ihr durch die Ballonfahrten erarbeitetes und in Kriegsanleihen investiertes Vermögen ging durch die Inflation verloren.
Als Fliegen für deutsche Staatsbürger wieder möglich wurde, nahm sie oft als Zuschauerin und Ehrengast an Flugtagen und Flugschauen teil. Sie spendete persönliche Erinnerungsstücke wie ihre Sprungkleidung, ihre Ballongondel oder ihren Doppelfallschirm der deutschen Luftfahrtsammlung, die 1932 auf dem Flugplatz Johannisthal eingerichtet wurde.
Käthe Paulus starb nach längerer Krebserkrankung am 26. Juli 1935 im Alter von 66 Jahren in Berlin. Bei ihrer Beisetzung auf dem Friedhof der evangelischen Gemeinde der Dankeskirche Wedding in Reinickendorf waren nur wenige Trauergäste anwesend, darunter jedoch die Fliegerinnen Elly Beinhorn und Hanna Reitsch, die ihre Pionierinnenarbeit für fliegende Frauen sehr zu schätzen wussten. Auf dem Grabstein wird die Kurzform ihres Vornamens Käte verwendet.
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