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Gedichtsammlung in 9 Bänden von Barthold Heinrich Brockes Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten ist eine Gedichtsammlung von Barthold Heinrich Brockes (1680–1747). Sie erschien zwischen 1721 und 1748 in neun Bänden mit insgesamt mehr als 5500 Seiten.
Neben den Gedichten, die Barthold Heinrich Brockes selbst verfasste, nahm er auch Übersetzungen in das Irdische Vergnügen in Gott auf. So finden sich im ersten Band elf Fabeln von Antoine Houdar de la Motte (1672–1731), im zweiten moralisierende Prosastücke aus dem Englischen und Französischen, im dritten die Übersetzung von Grund-Sätzen der Weltweisheit des Herrn Abts Genest, im siebten Übersetzungen der Night Thoughts von Edward Young und im achten eine kurze Robinsonade. Der neunte Band enthält im Anhang einige Aphorismen.
In nahezu allen Texten findet sich durchgehend das Motiv der betrachteten Schöpfung, die in ihrer analytischen Erfassung durch den Menschen ihre Wertschätzung erhält. Nicht die Gesamtschau ist hierbei tragend, sondern die Einzelbetrachtung, die die Schönheit in der Nützlichkeit findet und in der Nützlichkeit für den Menschen wiederum die rechte Ordnung der Schöpfung als einer Schöpfung Gottes bestätigt sieht.
Der reziprok rückverweisliche Zusammenhang zwischen der Gabe des Menschen, die Schöpfung sinnlich zu erfassen, und der Wohlordnung der Dinge kulminiert dann in jener Bestätigung des Schöpfers, die man teleologischen Gottesbeweis nannte, worin, wie später kaum noch, naive Frömmigkeit und aufgeklärte Geste in eins aufzugehen scheinen. Herangezogen zu diesem Beleg werden dabei vornehmlich die kleineren, alltäglichen, unscheinbaren oder als selbstverständlich erachteten Lebewesen und Landschaften, Dinge und Begebenheiten, wie es sich beispielsweise in Gras, Wasser oder Die kleine Fliege findet.
Die Betrachtung gerät dabei oft zu einer in Verse gekleideten Meditation, die nicht auf einen Höhepunkt, Effekt oder thematischen Zusammenhang Wert legt, insbesondere dort nicht, wo dieser Leitlinie halber der kleinste Teil sinnlicher Erfahrung oder rationaler Reflexion aufgegeben werden müsste. Gerade die teleologischen Betrachtungen geraten so oft zu vom Kleinen auf das Kleinere sich hinbewegenden Überlegungen, die den Späteren oft genauso unverständlich erschienen wie die nahezu mikroskopische Einzelbetrachtung Brockes’scher Gedichte. Auch hierbei jedoch ist die Schau weniger um ihrer selbst willen unternommen – hierin wäre sie dann zudem auch unnützlich, dem Anspruch des delectare et prodesse also nicht genügend – als vielmehr um die revelatio naturalis zu erweisen.
Das ›neue Sehen‹ wird so letztlich wieder zum Gebet: »Der subjektiv-sinnlichen Empfindung und der objektiv-empirischen Gegenstandsbeschreibung folgt die Reflexion auf den Nutzen dieses Gegenstandes für die Menschen, und daraus leitet sich folgerichtig der Lobpreis Gottes ab, mit dem jedes Gedicht schließt« (Grimm 1995, 491). Dieses Erleben zugänglich zu machen, ist manches Gedicht so nahezu Gebrauchsanweisung:
Eine ›Gebrauchsanweisung‹, die sowohl dem empirischen Diktum der Wiederholbarkeit wie dem aufklärerischen Anspruch der Menschenbildung genügt. Schon zu Beginn des genannten Gedichtes wird darauf hingewiesen, dass »recht genau« (V. 3) zu betrachten sei – auch wenn, so erscheint es, den Autor selbst einige Zweifel an seinem Unterfangen beschleichen. So heißt es schon einleitend: »[...] sogar die dürre Heide« (V. 1), was durch diminuierende Negationen hier und da noch einmal aufgegriffen scheint, wenn von der »nicht geringen Freude« (V. 2) die Rede ist, die Heide als »nicht minder schön« (V. 8) zu erkennen, worin »nicht weniger als sonst« (V. 16) der Schöpfer anzubeten sei.
Hierzu begibt sich der Betrachter in medias res, will eben nicht von »obenhin besehn« (V. 5), was dann doch nur »traurig, schwarz, verdorrt und schlecht« (V. 6) wirke, sondern sich »auf das Feld« (V. 14) begeben, um »der Farben Pracht, der Bildung Zier« (V. 10) zu sehen, und vollzieht so, genau genommen, eine zweifache Verschiebung der Perspektive: Das Von Oben wird durch das Auf Augenhöhe ersetzt und die Gesamtschau durch die Einzelbetrachtung.
Die empirische Analyse kann sich nun auf dieses und jenes richten, was die Heide zu bieten hat, einem Überblick aber verborgen bliebe. Und hier nun erst kommt die Empirie zum Zuge: Da wird die Brennbarkeit des Holzmaterials geprüft (vgl. V. 31), ein Strauß zur besseren Betrachtbarkeit ausgerauft (vgl. V. 17) und – dies schon vorweg – konstatiert: »Ich habe dieses wahr befunden« (V. 11). Doch nicht aufgeklärte Hybris decouvriert sich hier. In der Nützlichkeit vielmehr bestätigt sich die »Wunder-Macht« (V. 4; vgl. V. 23) Gottes. Eines Gottes, der dann dem der Zeit gemäß zu erwartenden Deismus, die Physikotheologie, doch nicht in Gänze zu entsprechen scheint, ist Pracht und Zier doch nur »fast unverbesserlich verbunden« (V. 11), so wie das Wunder nicht von zurückliegender Uhrmacher-Geschicklichkeit, sondern gegenwärtiger Macht zeugt. Eines Gottes, der aber doch, so scheint es, Irdisches Vergnügen bereitet.
Georg Friedrich Händel vertonte neun Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen als Neun Deutsche Arien (HWV 202–210).
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