Die arterielle Hypotonie (von altgriechisch ἀρτηρία artería „Schlagader“, „Pulsader“, ὑπό hypó „unter“ und τόνος tónos „Spannung“), auch Hypotonie oder Hypotension[1], ist ein für die Aufrechterhaltung normaler Körperfunktionen zu niedriger Blutdruck und gemäß der ICD-10-Klassifizierung eine Krankheit des Kreislaufsystems.[2][3]
Klassifikation nach ICD-10 | |
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I95.0 | Idiopathische Hypotonie |
I95.1 | Orthostatische Hypotonie |
I95.2 | Hypotonie durch Arzneimittel |
I95.8 | Sonstige Hypotonie |
I95.9 | Hypotonie, nicht näher bezeichnet |
O26.5 | Hypotonie-Syndrom der Mutter |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
In Bezug auf das Gefäßsystem von Tieren und Menschen beschreibt Hypotonie einen Blutdruck, der in Ruhe dauerhaft unterhalb einer definierten Normgrenze liegt. In Deutschland bezieht sich die arterielle Hypotonie üblicherweise auf einen systolischen Blutdruck kleiner als 100 (bei Männern auch kleiner 110) mmHg, das National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI in USA) gibt 90/60 mmHg als Grenzwert an.[4][5] Man spricht vom Blutunterdruck im Gegensatz zum Bluthochdruck.
Pathophysiologie
Ursächlich für eine arterielle Hypotonie ist ein Missverhältnis von Gefäßvolumen und zirkulierendem Blutvolumen. Dieses Missverhältnis kann durch einen verminderten Gefäßwiderstand, zu geringes absolutes Blutvolumen, zu geringen Blutrückstrom zum Herzen oder durch reduzierte Pumpfunktion des Herzens entstehen:[4][6]
Pathophysiologie | Ursache (Beispiele) |
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verringerter Gefäßwiderstand | Anaphylaktischer oder spinaler Schock |
reduziertes absolutes Blutvolumen | geringe Trinkmenge, Blutverlust, Diarrhoe oder Erbrechen, Nebennierenrindeninsuffizienz |
verminderter Blutrückstrom zum Herzen | Krampfadern, Medikamenteneinnahme, z. B. Nitroglycerin, Vena-cava-Kompressionssyndrom, Lungenembolie |
reduzierte Pumpfunktion des Herzens | Herzinsuffizienz, (hochgradige) Aortenstenose, Perikarderguss |
Formen der Hypotonie
In Abhängigkeit von der Ursache unterscheidet man drei Formen der arteriellen Hypotonie.
Idiopathische Hypotonie
Die häufigste Form der Hypotonie ist die idiopathische Hypotonie (I95.0), d. h., ihre Ursache ist unklar. Sie liegt vermehrt bei jungen, schlanken Frauen vor.[4]
Symptomatische Hypotonie
Als symptomatische Hypotonie bezeichnet man einen niedrigen Blutdruck, der auf eine klar definierbare Ursache, z. B. eine Erkrankung oder Medikamenteneinnahme, zurückzuführen ist.[4][6]
Einen insbesondere bei älteren Menschen vorkommenden Blutdruckabfall nach dem Essen bezeichnet man als postprandiale Hypotonie.
Orthostatische Hypotonie
Die orthostatische Hypotonie (I95.1) (von (griech.) Orthostase = aufrechter Stand) wird auch als orthostatische Dysregulation[3] oder Orthostase-Syndrom bezeichnet.
Bei der orthostatischen Hypotonie liegt eine Fehlfunktion der Orthostase-Reaktion vor. Diese Orthostase-Reaktion sorgt bei Gesunden dafür, dass das Herz-Kreislaufsystem auch in aufrechter Stellung einwandfrei arbeitet. Durch die Fehlfunktion bei der orthostatischen Hypotonie treten in aufrechter Stellung Zeichen wie Vertigo (Schwindel), Herzrasen, Übelkeit und Schwäche auf, die zum Hinsetzen oder -legen zwingen, worunter die Beschwerden rasch nachlassen. Bei manchen Erkrankten treten kreislaufbedingte Synkope (kurzandauernde Bewusstlosigkeit) auf.[7][8]
Der Ruheblutdruck im Liegen oder Sitzen kann unabhängig von der orthostatischen Dysregulation erniedrigt, normal oder erhöht sein.[7]
Symptome
- Blässe, kalte Hände und Füße
- Zittern
- rasche Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Tachykardie
- Kollapsneigung, Synkopen
Von größter Relevanz ist das Auftreten von kurzen Ohnmachtsanfällen (Synkopen). Durch den – im Vergleich zum Idealwert (120/80 mmHg) – niedrigen Blutdruck kommt es zu einer Minderversorgung des Gehirns mit sauerstoffreichem Blut und dadurch zur Bewusstlosigkeit. Diese führt häufig zu Stürzen und damit verbundenen Verletzungen.
Arterielle Hypotonie tritt häufig bei schlanken oder untergewichtigen Menschen im Teenager-Alter auf.
Diagnostik
Eine länger bestehende Hypotonie sollte ärztlich abgeklärt werden. Wichtigstes Ziel der Diagnostik ist es, eine symptomatische Hypotonie zu identifizieren bzw. auszuschließen, da sie Ausdruck einer unter Umständen lebensbedrohlichen Erkrankung sein kann. Dazu sind neben Anamnese und klinischer Untersuchung apparative Verfahren wie die Echokardiographie oder eine Langzeitblutdruckmessung und eine Blutuntersuchung von Bedeutung. In der Diagnostik der orthostatischen Hypotonie spielen Schellong-Test und Kipptischuntersuchung eine entscheidende Rolle.
Therapie
Langfristig ist eine arterielle Hypotonie gegenüber einer Hypertonie bezüglich des kardiovaskulären Risikos als günstiger anzusehen. Liegt keine identifizierbare Erkrankung zu Grunde, ist eine Therapie daher nur bei Beschwerden indiziert und erfolgt durch physikalische Maßnahmen wie Sport, Gymnastik und Wechselduschen und eine Umstellung der Ernährung (kochsalzreiche Mahlzeiten mit vermehrter Flüssigkeitszufuhr).[9][10] Nur selten ist eine medikamentöse Therapie mit einem Antihypotonikum (Plural: Antihypotonika) wie etwa Sympathomimetika, Dihydroergotamin oder Mineralokortikoiden angezeigt.[11][12] Diese erhöhen den Blutdruck.[13]
Kontrollierte Hypotension
Die kontrollierte Hypotension ist eine Methode, bei der man den Blutdruck eines Patienten während der Operation bewusst senkt, um den Blutverlust zu verringern. Sie wird insbesondere bei orthopädischen Eingriffen wirkungsvoll eingesetzt, kann aber auch bei anderen Arten von Operationen angewandt werden.
Siehe auch
Weblinks
- Watte im Kopf, Katja Ebbecke (Süddeutsche Zeitung, 23. Februar 2006)
- Low blood pressure, Mayo Klinik (englisch, abgerufen am 15. Januar 2011)
Einzelnachweise
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