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liechtensteinischer Molekularbiologe und Wissenschaftshistoriker Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Hans-Jörg Rheinberger (* 12. Januar 1946 in Grabs, Kanton St. Gallen, Schweiz) ist ein Liechtensteiner Wissenschaftshistoriker. Er war von 1997 bis 2014 Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Innerhalb der Wissenschaftsgeschichte sind seine Arbeitsschwerpunkte die Geschichte und Epistemologie des Experiments sowie die Geschichte der Molekularbiologie und der Proteinbiosynthese. Daneben publiziert er auch Essays und Gedichte.[1]
Hans-Jörg Rheinberger, ein Urgroßneffe des Komponisten Josef Gabriel Rheinberger und Enkel des Künstlers und Architekten Egon Rheinberger, studierte Philosophie, Linguistik und Biologie an der Universität Tübingen, der Freien Universität Berlin und der Technischen Universität Berlin. Nach Abschluss seines Magisters in Philosophie (1973) und eines Diploms in Biologie (1979) promovierte er 1982 zum Dr. rer.nat mit einer Dissertation zur Proteinbiosynthese und habilitierte sich 1987 in Molekularbiologie an der FU Berlin. Von 1982 bis 1990 arbeitete Hans-Jörg Rheinberger als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin-Dahlem. Ab 1987 nahm er Gastprofessuren an den Universitäten Innsbruck und Salzburg wahr. Nach einem Sabbatical an der Stanford University (1989/90 innerhalb des Programms „History of Science“), war er von 1990 bis 1994 als Hochschuldozent am Institut für Medizin- und Wissenschaftsgeschichte der Universität Lübeck tätig. 1993/1994 war er zudem Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Von 1994 bis 1996 war er als Außerordentlicher Professor für Molekularbiologie und Wissenschaftsgeschichte am Institut für Genetik und Allgemeine Biologie der Universität Salzburg tätig.[2]
Seit 1996 ist Rheinberger wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft. Als Honorarprofessur der Technischen Universität Berlin war er von 1997 bis 2014 Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin. Seitdem ist er emeritiertes wissenschaftliches Mitglied des Instituts. Im Jahr 2000 lehrte Rheinberger als Gastwissenschaftler am Collegium Helveticum der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, 2006 an der Johns Hopkins University in Baltimore und 2016 an der Northwestern University in Evanston. Er ist Honorarprofessor an der TU Berlin sowie Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina[3] und im P.E.N.-Club Liechtenstein.
Rheinberger primäres Betätigungsfeld in der Wissenschaftsgeschichte ist die epistemologische Erforschung des Experiments und der naturwissenschaftlichen Forschungspraxis mit Fokus auf die Biologie des 19. und 20. Jahrhunderts. In seinen Studien beschreibt er „Experimentalsysteme“ als treibende Momente der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften.[4] Seine theoretische Begrifflichkeit entwickelt er in Anlehnung an die Philosophie von Jacques Derrida und bezieht zahlreiche Inspirationen aus dem Werk Gaston Bachelards.
Sein Hauptaugenmerk richtet sich auf die „Strukturen des Experiments“, die er durch genaue rekonstruktive Analysen der biowissenschaftlichen Laborarbeit zu entschlüsseln sucht. Im Gegensatz zum üblichen Selbstverständnis der forschenden Wissenschaften zeigt Rheinberger auf, dass weniger Planung und Kontrolle, sondern mehr Improvisation und Zufall den Forschungsalltag prägen. Für Rheinberger zeichnen sich erfolgversprechende „Experimentalsysteme“ dadurch aus, dass sie den „epistemischen Dingen“ genügend Spielraum zur Entfaltung geben. Dies ist nach Rheinberger für einen „produktiven Umgang mit Nichtwissen“ unerlässlich.
Rheinberger untersuchte unter anderem die Labornotizen von Carl Correns, einem der drei Wiederentdecker der Mendelschen Gesetze um 1900.
Das „epistemische Ding“ ist im Forschungsprozess der Untersuchungsgegenstand, der sich im Verlauf der Untersuchung zu einem „technischen Objekt“ entwickeln kann, also zu etwas, das sich in der Erforschung weiterer „epistemischer Dinge“ als Instrument einsetzen lässt. Diese Grenze ist allerdings nicht statisch und die Identifizierung als entweder „epistemisches Ding“ oder „technisches Objekt“ nicht zwangsläufig dauerhaft. Erkenntnis ist also weder zwangsläufig noch vollständig. Rheinbergers Erfahrung als Molekularbiologe hat die „Materialität der Naturwissenschaften“ in den Fokus der Wissenschaftsgeschichte gerückt.
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