Loading AI tools
Rechtsbegriff Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Bei Beweisverboten handelt es sich um rechtsstaatliche Schranken, die der Gewinnung und der Verwertung von Beweisen gesetzt sind. Solche Verbote existieren in zahlreichen Verfahrensordnungen. Sie dienen in erster Linie dem Schutz der Verfahrensrechte der Parteien. Im Grundsatz sind Gerichte dazu angehalten, die ihnen angebotenen Beweismittel vollständig auszuwerten, um dem zu beweisenden Sachverhalt zu rekonstruieren. So bestimmt § 244 Abs. 2 StPO für das deutsche Strafprozessrecht, dass das Gericht von Amts wegen eine Beweiserhebung über den Sachverhalt durchzuführen hat. Hierzu nimmt es gemäß § 261 StPO eine umfassende Beweiswürdigung vor, was die Auswertung sämtlicher Beweismittel erfordert. Allerdings kann das Ziel der Wahrheitsfindung in Konflikt mit den Rechten eines Verfahrensbeteiligten geraten, etwa dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder der Unverletzlichkeit der Wohnung. So verhält es sich etwa, wenn der Beweis mithilfe illegal angefertigter Bild- oder Tonaufnahmen geführt werden soll. Um die Rechte des Betroffenen vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen, wurden Beweisverbote entwickelt, über die unter bestimmten Voraussetzungen untersagt wird, Beweise zu erheben oder zumindest im Prozess zu verwerten.
Auch wenn über die Notwendigkeit von Beweisverboten in zahlreichen Rechtsordnungen Einigkeit besteht, besteht großer Streit darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Beweisverbot besteht. Hierzu trägt bei, dass die Gesetzgeber vieler Staaten Beweisverbote lediglich in geringem Maß kodifiziert haben. In der Konsequenz werden Beweisverbote in weiten Teilen seitens der Rechtspraxis durch Rechtsfortbildung gewonnen.
Beweisverboten kommen mehrere Funktionen zu. Primär dienen sie dem Schutz der subjektiven Rechte der Verfahrensbeteiligten. Nach allgemeiner Auffassung sollen sie verhindern, dass Beweise durch Verletzung von Grundrechten oder anderen rechtlich geschützten Interessen gewonnen werden.[1] Ferner sichern Beweisverbote die rechtsstaatliche Integrität des Verfahrens.[2]
Nach verbreiteter Auffassung sollen Beweisverbote zusätzlich die Wahrheitsfindung schützen, indem sie verhindern, dass Beweismittel mit fragwürdiger Aussagekraft in das Verfahren eingeführt werden.[3] So ist etwa der Wahrheitsgehalt einer Aussage unter Folter ungewiss und hat keinen Beweiswert.
Umstritten ist, inwiefern Beweisverwertungsverbote dazu bestimmt sind, Strafverfolgungsbehörden von Rechtsverletzungen abzuhalten, indem sie verhindern, dass aus Rechtsverstößen Vorteile gezogen werden. Im anglo-amerikanischen Rechtskreis bildet diese Überlegung die primäre Rechtfertigung von Beweisverboten.[4] Der Supreme Court bezeichnete den Disziplinierungszweck sogar in einer frühen Entscheidung als einzige Funktion der Beweisverbote.[5] In Deutschland begegnet man dem Disziplinierungszweck überwiegend kritisch. Einige Autoren schreiben Beweisverboten einen solchen Zweck zu.[6] Nach vorherrschender Auffassung handelt es sich bei der Disziplinierung von Beamten hingegen allenfalls um einen Nebeneffekt von Beweisverboten, da Rechtsverstöße von Ermittlungsbeamten vorrangig durch das deutsche Beamtenrecht sanktioniert würden.[7]
Die Beweisfunktion im Strafprozess zeichnete sich bereits im römischen Recht ab und war erstmals schriftlich fixiert im Zwölftafelgesetz.[8] Ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. entwickelte sich ein systematisches Strafverfahrensrecht. Der öffentliche römische Strafprozess diente der geordneten Aufklärung des Tatgeschehens mittels Beweiserhebung. Bestandteil des Prozessrechts waren Beweisregeln. So verbot Kaiser Trajan in der Kaiserzeit das Stellen von Suggestivfragen im Strafprozess. Ein Schwerpunkt des römischen Beweisrechts lag auf der Zulässigkeit von Folter. Bereits zur Zeit der Republik verbot das römische Prozessrecht die Beweisgewinnung durch Folter.[9] Kaiser Augustus erließ ein Edikt, wonach es unzulässig war, den Nachweis einer Straftat durch Begehung einer solchen zu gewinnen; auch von Folter sollte zu diesem Zweck allenfalls geringer Gebrauch gemacht werden. Bei dieser Regelung handelt es sich um das früheste bekannte geschriebene Beweisverbot.[10] Unter späteren Kaisern wurde dieses Verbot aufgeweicht und die Folter phasenweise und in unterschiedlichem Umfang zugelassen.[11] Ein erneutes Beweisverwertungsverbot entstand unter der Herrschaft von Septimius Severus. Dieser ordnete an, dass durch Folter erwirkte Aussagen nicht als Beweismittel verwertet werden durften.[12]
Im Frühmittelalter veränderte sich das Prozessrecht erheblich. Das fränkische Recht fasste Zivil- und Strafverfahren zusammen, methodisch ein Rückkehrprozess zum Standard des altzivilen Recht Roms,[13] und rückte statt der Aufklärung des Tatgeschehens die persönliche Integrität der Parteien in den Mittelpunkt des Prozesses. Es oblag den Parteien, möglichst viele Leumundszeugen zu benennen, die jeweils die Integrität ihrer Partei bestätigen sollten. Es obsiegte die Partei, die eine größere Anzahl solcher Zeugen aufbieten konnte. Ergänzt wurde das Prozessrecht durch religiöse Rituale, darunter die Feuerprobe, die Wasserprobe und die Bahrprobe. Diese kamen allerdings nur selten zur Anwendung. Aufgrund der spezifischen Ausrichtung des fränkischen Prozessrechts besaß die Frage der Zulässigkeit von Beweismitteln dort nur eine untergeordnete Rolle.[14]
Im 12. Jahrhundert begann die katholische Kirche, Zivil- und Strafverfahren wieder voneinander zu trennen. Zudem rückte sie das Ziel der Tataufklärung in den Mittelpunkt des Prozesses. Da die Rechtspraxis strenge Anforderungen an den Tatnachweis anlegte, entwickelte sich das Geständnis des Täters zum wichtigsten Beweismittel. Zu dessen Gewinnung wurde Folter zunehmend als legitimes Mittel anerkannt. Durch Folter erwirkte Beweise gewannen so in der Praxis erhebliche Bedeutung. Angesichts der weitreichenden Befugnisse zur Beweisgewinnung besaßen Beweisverbote auch in dieser Epoche keine große Bedeutung.
Mit der zunehmenden Rezeption des römischen Rechts wurde eine gegenläufige Entwicklung eingeleitet. Diese führte zu einer starken Rückbesinnung auf das römische Recht, darunter auch das Prozessrecht. Zu den durch die Rezeption beeinflussten Gesetzeswerken zählte die Constitutio Criminalis Carolina (CCC) von 1532. Diese beschränkte die Folter, indem sie sie lediglich bei Vorliegen entsprechender Tatindizien gestattete.[15] Art. 20 CCC sicherte diese Beschränkung durch Beweisverbote ab. Hiernach durften Geständnisse nicht verwertet werden, die durch Folter erwirkt wurden, welche trotz Fehlens von Tatindizien angeordnet worden war.[16] Ein weiteres Beweisverbot bestand für rechtswidrig erlangte Zeugenaussagen.
In der Phase der Aufklärung stieß die Folter zunehmend auf Ablehnung. Damit einher ging ein zunehmender Bedeutungsverlust des Geständnisses. Zunehmend konnten Verurteilungen auch auf andere Beweismittel als das Geständnis gestützt werden. Zum entscheidenden Beweismaßstab entwickelte sich die richterliche Überzeugung von der persönlichen Schuld. Dies spiegelte sich etwa in der 1877 in Kraft getretenen deutschen StPO wider, deren § 261 die freie richterliche Beweiswürdigung anordnete, die mithilfe unterschiedlicher Beweismittel und Indizien gewonnen werden konnte.
Die Flexibilisierung des Beweisrechts weckte Bedarf nach der Anerkennung neuer Beweisverbote. In Deutschland fanden solche bereits in den Anfangsbestand der StPO Einzug, so etwa das Recht Angehöriger zur Verweigerung der Zeugenaussage, über das der Zeuge zu Beginn seiner Vernehmung belehrt werden musste. Diese Vorschriften wurden jedoch unabhängig voneinander konzipiert, ohne dass ihnen ein gemeinsames dogmatisches Konzept zugrunde lag. Auch waren sie unvollständig, da sie regelmäßig keine Aussage darüber trafen, welche Folgen eine rechtswidrige Beweiserhebung nach sich zog. Daher oblag es zunächst Rechtsprechung und Lehre, diese Lücke zu schließen. In Bezug auf das oben angesprochene Zeugnisverweigerungsrecht entschied das Reichsgericht, dass eine Zeugenaussage nicht als Beweismittel verwertet werden durfte, wenn die vorgeschriebene Belehrung nicht erfolgt ist.[17]
Daraufhin unternahm die Strafrechtswissenschaft den Versuch, die punktuellen Beweisbestimmungen der StPO miteinander zu verknüpfen und zu abstrahieren. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Strafrechtler Ernst Beling, der 1902 erstmals eine Lehre vom Beweisverbot formulierte. Er arbeitete heraus, dass die Hauptfunktion des Strafprozesses – die Wahrheitsfindung – durch gegenläufige Interessen der Verfahrensbeteiligten begrenzt wird. Als solche nannte Beling insbesondere die Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit.[18] Beide Interessen wurden später durch die Weimarer Reichsverfassung und das Grundgesetz als Grundrechte anerkannt und besitzen mittlerweile eine zentrale Bedeutung für das Beweisrecht. Zum Schutz dieser Rechte sei es – so Beling – notwendig, die Befugnis zur Beweisgewinnung bzw. -verwertung im Strafprozess einzuschränken. Eine solche Beschränkung forderte Beling insbesondere für rechtswidrig gewonnene Beweise. Diese dürften generell nicht verwertet werden.[19] Auch wenn das Reichsgericht derart generalisierende Aussagen vermied, bewegte sich Beling mit seiner These in den von der Rechtsprechung vorgezeichneten Bahnen, die jedenfalls für die Zeugenvernehmung rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht anerkannten.
In der Folgezeit beließ es der Gesetzgeber bei der fragmentarischen Regelung von Beweisverboten. Zwar ergänzte er zwischenzeitlich vor allem im Bereich der Datenverarbeitung punktuelle Verbote, jedoch verzichtete er auch weiterhin darauf, einen strukturierenden dogmatischen Unterbau für diese zu entwickeln. Aus diesem Grund oblag es im Wesentlichen der Lehre und der Gerichtspraxis, das Recht der Beweisverbote weiterzuentwickeln. Der praktische Bedarf hiernach war groß, da die Verwertbarkeit von Beweismitteln im Strafprozess regelmäßig einen zentralen Streitpunkt darstellt. In Lehre und Praxis bestand Einigkeit darüber, dass die Wahrheit im Strafprozess nicht um jeden Preis ermittelt werden darf. Der Bundesgerichtshof hielt als Nachfolger des Reichsgerichts ausdrücklich fest, dass der Beschuldigte einen Anspruch auf ein rechtmäßiges Strafverfahren habe, weshalb die Wahrheit lediglich mit verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln und in verfahrensrechtlich zulässiger Weise erforscht werden dürfe.[20] Uneinigkeit bestand jedoch darüber, wie weit dieses Prinzip reicht. Belings Standpunkt, wonach rechtswidrig erlangte Beweismittel generell nicht verwertbar sind, stieß zunächst auf verbreitete Zustimmung.[21] Bestärkt durch einen Beschluss des Großen Senats des BGH[22] setzte sich jedoch allmählich die Auffassung durch, dass es eines differenzierteren Ansatzes bedurfte, der Beweisverbote als begründungsbedürftige Ausnahme vom Grundsatz der umfassenden Sachverhaltsaufklärung begreift und daher lediglich unter besonderen Umständen anerkennt.[23] Rechtsprechung und Lehre entwickelten daraufhin im Wege der Rechtsfortbildung zahlreiche unterschiedliche Konzepte, um die Legitimation und die Anforderungen von Beweisverboten zu ermitteln. Da der Gesetzgeber bislang auf entsprechende Regelungen weitgehend verzichtet hat, bestimmen diese in Deutschland bis in die Gegenwart hinein maßgeblich die Grenzen der Beweisverwertung.[24]
Ähnlich verlief die Entwicklung im deutschen Zivilprozessrecht. Dort wurde die Frage nach den Grenzen der Beweisverwertung ab dem 1950er Jahren erörtert. Da die Paralleldiskussion im Strafrecht zu dieser Zeit bereits weit vorangeschritten war, diente sie der zivilrechtlichen Literatur als Orientierungshilfe.[25] Da der Gesetzgeber auch im Zivilrecht weitgehend auf eine Kodifizierung von Beweisverboten verzichtete, ist dieses Thema auch dort in hohem Maß durch Rechtsfortbildung geprägt.
Auch andere Staaten entwickelten Beweisverbotslehren. Für das US-amerikanische Prozessrecht, das im Einklang mit der anglo-amerikanischen Rechtstradition in besonders hohem Maß durch die Rechtsprechung geprägt ist, hat der Supreme Court Ende des 19. Jahrhunderts die exclusionary rule anerkannt.[26] Diese verbietet die Verwertung von Beweisen, die eine Anklagebehörde unter Missachtung von Beschuldigtenrechten gewonnen hat. Hierzu zählen insbesondere die durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechte.[27]
Ein anderes Regelungsmodell findet sich in der italienischen Strafprozessordnung, die über ein klareres Beweisrecht verfügt. Gemäß deren Art. 191 dürfen rechtswidrig gewonnene Beweismittel im Strafverfahren nicht verwertet werden.
Da die Entwicklung der Beweisverbote in Deutschland vornehmlich durch das Strafrecht geprägt wurde, hat sich dort eine besonders umfangreiche Dogmatik entwickelt, an der sich die anderen Fachbereiche teilweise orientieren. Nach verbreiteter Sichtweise ist zwischen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten zu unterscheiden.[28] Erstere richten sich gegen die Erhebung von Beweismitteln, letztere gegen deren Würdigung im Prozess.[29] Beweiserhebungsverbote unterteilen sich nach verbreiteter Sichtweise in Beweisthemaverbote, Beweismittelverbote, Beweismethodenverbote und in relative Beweisverbote. Diese Systematisierung dient primär dazu, unterschiedliche Ansatzpunkte zur Begründung eines Beweisverbots zu verdeutlichen; prozessuale Unterschiede ergeben sich hieraus nicht.
Beweisthemaverbote verbieten es, bestimmte Tatsachen zum Gegenstand der Beweiserhebung zu machen.[30] Sie rechtfertigen sich primär durch die Schutzwürdigkeit der betroffenen Informationen. Häufig drückt sich diese in einer Geheimhaltungspflicht aus. So besteht ein Beweisthemaverbot etwa für Tatsachen, die dem richterlichen Beratungsgeheimnis (§ 43 DRiG), der Amtsverschwiegenheit (§ 54 StPO) oder der geheimen Wahlentscheidung (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) unterliegen. Darüber hinaus können Beweisthemaverbote daraus folgen, dass eine Information keine prozessuale Verwendung mehr finden soll. Dies trifft etwa auf Tatsachen zu, die bereits getilgte Vorstrafen (§ 51 BZRG) oder gerichtliche Entscheidungen im Fahreignungsregister (§ 29 StVG) betreffen.[31] Ein weiteres Beweisthemaverbot folgt aus § 100d Abs. 2 Satz 1 StPO, der den Ermittlungsbehörden verbietet, durch akustische Wohnraumüberwachung Informationen zu erlangen, die zum Kernbereich privater Lebensgestaltung zählen. Auch das Schweigerecht eines Beschuldigten begründet einem Beweisthemaverbot: Die Verweigerung der Aussage darf weder zum Beweisthema werden, noch als Beweis oder Indiz für eine Annahme genutzt werden.[32]
Ein Beweisthemaverbot besteht ferner für Tatsachen, die kraft Gesetzes festgelegt sind. So entschied der österreichische Oberste Gerichtshof: „Der Bundesverfassungsgesetzgeber (…) hat ex lege klargestellt, daß der nationalsozialistische Völkermord und die anderen nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Strafverfahren keiner weiteren beweismäßigen Erörterung bedürfen, woraus folgt, daß dieses Beweisthema einer Beweisführung entrückt ist. (…) eine Beweisaufnahme über diese Tatsachen kommt mithin nicht in Betracht.“[33] Somit ist es unmöglich, Holocaustleugnung dadurch zu rechtfertigen, dass es den Holocaust nicht gegeben habe, und in dieser Absicht entsprechende Gutachten einzubringen.[34] Ebenso verbietet die im Grundgesetz festgeschriebene Menschenwürde, eine verhetzende Behauptung über eine Minderwertigkeit eines Volkes mit einer „Expertise“ zu untermauern. Diese Methodik prägt die Rechtsprechung bereits seit dem frühen Mittelalter, wenngleich mit wechselnden, teilweise sogar völlig gegensätzlichen Themeninhalten.
Von einem Beweismittelverbot spricht man, wenn eines der im Strafprozess grundsätzlich zulässigen Beweismittel (Urkunde, Zeuge, Sachverständigengutachten, Augenschein) aufgrund besonderer Sachverhaltsumstände nicht verwendet werden darf. So verhält es sich etwa, wenn sich ein Zeuge in seiner Vernehmung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft.[35] Macht ein Zeuge von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, darf er nicht zu einer Aussage gezwungen werden. Die StPO enthält mehrere Zeugnisverweigerungsrechte: § 52 StPO billigt Zeugen ein solches zu, die Angehörige des Beschuldigten sind. Er soll verhindern, dass sich Angehörige untereinander belasten müssen.[36] Gemäß § 53 StPO dürfen ferner Berufsgeheimnisträger das Zeugnis über Tatsachen verweigern, die ihrer beruflichen Schweigepflicht unterliegen. Diese Vorschrift schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsträgern und deren Vertragspartnern.[37] Um die Effektivität der Zeugnisverweigerungsrechte zu stärken, bestimmt § 252 StPO, dass Aussagen, die der Zeuge getätigt hat, bevor er sich auf sein Verweigerungsrecht beruft, nicht mithilfe anderer Beweismittel in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen, etwa durch Verlesung eines Vernehmungsprotokolls oder durch Vernehmung des Vernehmungsbeamten.[38] Dies soll gewährleisten, dass Aussagen des Zeugen nicht gegen dessen Willen zur Belastung des Beschuldigten genutzt werden.[39] Entsprechende Anwendung findet § 252 StPO für Aussagen, die der Zeuge gegenüber seinem Anwalt tätigt.[40]
Ein weiteres Beweisverbot folgt aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, wonach zwecks möglichst zuverlässiger Beweisgewinnung[41] die entscheidungsrelevanten Tatsachen möglichst unmittelbar in die Urteile der Gerichte einfließen sollen. Zum Ausdruck kommt dies insbesondere in § 250 S. 2 StPO, wonach die Vernehmung nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls ersetzt werden darf.[42]
Ein weiteres Beweismittelverbot folgt aus § 96 StPO, wonach eine oberste Dienstbehörde durch Abgabe einer Sperrerklärung verhindern darf, dass ein Schriftstück, das sind in amtlicher Verwahrung befindet, als Beweismittel genutzt wird.
Das Beweismethodenverbot untersagt bestimmte Methoden der Beweisgewinnung. Eine solche Regelung findet sich etwa in § 136a StPO.[43] Die Norm verbietet im Interesse eines rechtsstaatlichen Verfahrensablaufs,[44] Beweismittel durch Methoden zu gewinnen, welche die grundrechtlich gewährleiste Entschließungsfreiheit des Beschuldigten verletzen, etwa Misshandlung, Folter, Hypnose und Ermüdung.[45] Ferner verbietet § 136a StPO Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Vernommenen beeinträchtigen. Die Vorschrift findet unmittelbar auf Beschuldigtenvernehmungen Anwendung und gilt gemäß § 72, § 69 Abs. 3 StPO entsprechend für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen.
Relative Beweiserhebungsverbote beschränken schließlich die Befugnis, einen bestimmten Beweis zu erheben, auf spezifische Personen. Ein Beispiel hierfür stellt die körperliche Untersuchung des Beschuldigten dar, die gemäß § 81a Abs. 2 S. 1 StPO im Grundsatz ausschließlich Richter anordnen dürfen.[46]
Die StPO normiert in unterschiedlichen Kontexten mehrere punktuelle Beweisverwertungsverbote. Um eine besonders prominente Regelung handelt es sich bei § 136a Abs. 3 S. 2 StPO. Dieser knüpft zum Schutz der Menschenwürde des Beschuldigten an die bereits angesprochenen verbotenen Vernehmungsmethoden an und untersagt die Verwertung der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse, unabhängig davon, ob der Vernommene der Verwertung zustimmt.[47] Einen starken Grundrechtsbezug weist ferner § 100d Abs. 2 StPO auf. Hiernach dürfen Funde nicht verwertet werden, die im Rahmen einer Telekommunikationsüberwachung (§ 100a StPO), einer Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) oder eines großen Lauschangriffs (§ 100c StPO) gewonnen werden und die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen. Dieser Kernbereich ist von Verfassungs wegen unantastbar, weshalb er nicht zu strafprozessualen Zwecken ausgeforscht werden darf.[48]
Einige weitere Beweisverwertungsverbote flankieren Zeugnisverweigerungsrechte. So darf gemäß § 252 StPO die Aussage eines Zeugen, der sich später auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, nicht mittelbar mithilfe eines anderen Beweismittels in den Prozess eingeführt werden, etwa durch Vernehmung der Person, welche die Aussage entgegengenommen hat.[49] Eine Ausnahme hiervon macht die Rechtsprechung indes für Vernehmungen, die nach § 162 StPO von einem Richter durchgeführt worden sind, da die StPO richterlichen Vernehmungen ein besonderes Vertrauen entgegenbringe, was sich etwa an § 251 Abs. 2 StPO und an § 254 StPO zeige.[50] § 160a Abs. 1 StPO verbietet, Aussagen zu verwerten, die durch Ermittlungsmaßnahmen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern gewonnen werden. Auch dies schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger und dessen Vertragspartnern außerhalb von Vernehmungssituationen.[51] § 108 Abs. 2 StPO ergänzt das Zeugnisverweigerungsrecht von Ärzten (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO), indem er bestimmt, dass Zufallsfunde, die durch eine Durchsuchung bei einem Arzt gewonnen werden, nicht in Strafverfahren wegen Schwangerschaftsabbruchs verwertet werden dürfen. Dies soll das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin schützen.[52] Ebenfalls auf Zufallsfunde beziehen sich § 479 Abs. 2 S. 1, § 161 Abs. 3 StPO. Hiernach dürfen personenbezogene Daten, die aufgrund von Maßnahmen erlangt werden, die nur bei Verdacht auf bestimmte Katalogtaten angeordnet werden dürfen, ohne Einwilligung des Betroffenen nur in solchen Verfahren als Beweismittel genutzt werden, die eine Katalogtat zum Gegenstand haben. So können etwa Informationen aus einer Telekommunikationsüberwachung (§ 100a StPO), die zur Aufklärung eines Raubs angeordnet wurde, nicht genutzt werden, um eine Trunkenheitsfahrt aufzuklären. Diese Regelung schützt die informationelle Selbstbestimmung des von der Maßnahme Betroffenen.
§ 257c Abs. 4 S. 3 StPO enthält ein weiteres Beweisverwertungsverbot, das in engem Zusammenhang zur Verständigung steht. Hiernach dürfen Geständnisse des Beschuldigten, die dieser im Vertrauen auf die Verbindlichkeit einer Verständigung abgegeben hat, nicht verwendet werden, wenn die Verständigung nachträglich ihre Rechtswirkung verliert.[53]
Auch außerhalb der StPO finden sich vereinzelte Beweisverwertungsverbote. So bestimmt § 51 BZRG, dass eine im Bundeszentralregister getilgte oder zu tilgende Eintragung über eine Verurteilung nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden darf. Damit darf sie insbesondere nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren genutzt werden. Gemäß § 393 Abs. 2 AO dürfen Beweismittel, die aus Steuerakten stammen, lediglich zur Verfolgung von Steuerstraftaten verwendet werden. § 97 Abs. 1 S. 3 InsO bestimmt schließlich, dass Auskünfte, die der Schuldner dem Insolvenzverwalter in einem Insolvenzverfahren erteilt, nur mit dessen Zustimmung in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren verwendet werden dürfen.[54]
Die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote bieten den Beschuldigtenrechten aufgrund ihres punktuellen Zuschnitts lediglich lückenhaften Schutz. Daher hat die Rechtswissenschaft im Wege der Rechtsfortbildung zahlreiche ungeschriebene Beweisverwertungsverbote entwickelt. In der Praxis hat sich etabliert, insoweit zwischen unselbstständigen und selbstständigen Verwertungsverboten zu unterscheiden. Erstere knüpfen daran an, dass eine Beweiserhebung in rechtswidriger Weise erfolgt ist. Selbstständige Verbote sind demgegenüber von der Beweiserhebung unabhängig und stützen sich auf grundrechtliche Wertungen.[55] Diese Unterscheidung besitzt primär eine systematische Funktion, da sie unterschiedliche Argumentationsansätze zur Begründung eines Beweisverbots zum Ausdruck bringt.
Den Ausgangspunkt der Feststellung eines unselbstständigen Beweisverwertungsverbots bildet die Auslegung der verletzten Verfahrensnorm. Wie bereits angesprochen, begründen Fehler bei der Beweiserhebung nach mittlerweile gefestigter Auffassung nur ausnahmsweise ein Beweisverwertungsverbot. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verwertung des betroffenen Beweises aus rechtsstaatlicher Sicht nicht tragbar wäre. Unter welchen Voraussetzungen dies im Einzelfall gegeben ist, ist seit langem umstritten. Die Anforderungen an unselbstständige Beweisverbote stellen ein zentrales, noch nicht abschließend geklärtes Problem der Lehre von den Beweisverboten dar.[56]
Der BGH vertrat ursprünglich die Rechtskreistheorie, wonach das Bestehen eines Beweisverwertungsverbots davon abhing, ob die verletzte Norm den Rechtskreis des Angeklagten in wesentlicher Weise berührte.[57] Dies verneinte der BGH beispielsweise in Bezug auf Verstöße gegen die Belehrungspflicht des § 55 Abs. 2 StPO. Hiernach ist ein Zeuge darüber zu belehren, dass er keine Aussage machen muss, die ihn belastet. Unterbleibt die Belehrung, begründet dies nach Auffassung des BGH kein Beweisverbot im Verfahren gegen den Beschuldigten, da § 55 Abs. 2 StPO nicht diesen schützen solle, sondern den Zeugen. Unverwertbar sei die Aussage daher lediglich in einem späteren Strafverfahren gegen den Zeugen.[58] Demgegenüber bestehe ein Beweisverwertungsverbot in Fällen, in denen ein Angehöriger des Beschuldigten entgegen § 52 Abs. 3 StPO nicht über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden sei, da dieses auch den Beschuldigten schütze.[59]
Die Rechtskreistheorie erfuhr im Schrifttum starke Kritik. Sie sei methodisch unsauber, da es regelmäßig nicht möglich sei, eine Norm einem bestimmten Rechtskreis zuzuordnen, da viele Bestimmungen der StPO mehrere Schutzzwecke aufweisen.[60] Ihr wurde ferner vorgeworfen, Beschuldigtenrechte zu lückenhaft zu schützen.[61] Die Rechtsprechung reagierte auf diese Einwände, indem es die Rechtskreistheorie zu einer Einzelfallabwägung weiterentwickelte.[62] Hiernach ergibt sich das Vorliegen eines Beweisverbots aus einer Abwägung, für die insbesondere der Schutzzweck der verletzten Verfahrensnorm, die Schwere der Rechtsverletzung sowie das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs von Bedeutung sind.[63] Regelmäßig unverwertbar sind hiernach etwa Beweise, die unter Missachtung eines Beschlagnahmeverbots (§ 97 Abs. 1 StPO)[64] oder der Pflicht zur Belehrung des Beschuldigten über das Schweigerecht (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO)[65] gewonnen werden, da diese Vorschriften wesentliche Beschuldigtenrechte schützen. Auch Verstöße gegen die Pflicht zur Belehrung angehöriger Zeugen begründen wie schon unter Geltung der Rechtskreistheorie ein Beweisverwertungsverbot. Ausgeschlossen ist eine Beweisverwertung ferner regelmäßig bei bewusster oder grob fahrlässiger Missachtung eines Richtervorbehalts durch die Ermittlungsbehörden, beispielsweise nach § 105 StPO oder § 81a Abs. 2 StPO.[66] Verwertbar sind demgegenüber etwa Erkenntnisse, die aus körperlichen Eingriffen, etwa Blutentnahmen, gewonnen werden, auch wenn sie entgegen § 81a Abs. 1 S. 2 StPO nicht von einem Arzt vorgenommen werden. Dies beruht darauf, dass diese Vorgabe lediglich die körperliche Integrität des Beschuldigten schützen soll, nicht hingegen seine prozessuale Rechtsstellung.[67]
Auch die Abwägungslehre des BGH sieht sich der Kritik ausgesetzt. Rechtswissenschaftler werfen ihr vor, zu unscharfe Kriterien zu verwenden, die zu beliebigen Resultaten führen würden. So entstehe eine schwer zu überschauende Kasuistik.[68] Aus diesem Grund hat das Schrifttum einige alternative Konzepte entwickelt. Teilweise bemühen sich diese – mit Unterschieden im Detail – darum, aus dem Zweck der verletzten Verfahrensnorm eine Aussage über das Bestehen eines Beweisverbots zu gewinnen.[69] Andere Ansätze unterziehen die Beweisverwertung einer Verhältnismäßigkeitskontrolle, in deren Rahmen sie berücksichtigen, ob die Beweiserhebung illegal war.[70] Trotz ihrer unterschiedlichen Konzeptionierungen gelangen die einzelnen Ansätze regelmäßig zu vergleichbaren Ergebnissen, da sie im Wesentlichen darin übereinstimmen, welche Verfahrensrechte eine so große Bedeutung aufweisen, dass ihre Missachtung die Unverwertbarkeit von Beweisen rechtfertigt.
Bei der Widerspruchslösung handelt es sich um eine Figur, die vor allem bei Belehrungsfehlern zur Anwendung kommt. Verstöße gegen § 136 Abs. 1 S. 2 StPO führen wie beschrieben grundsätzlich zu einem Beweisverwertungsverbot. Ausnahmsweise ist die Aussage des Beschuldigten indes verwertbar, sofern dieser sein Schweigerecht kennt[71] oder dessen Verteidiger der Beweisverwertung in der Hauptverhandlung bis zum in § 257 StPO genannten Zeitpunkt, dem Abschluss der jeweiligen Beweiserhebung, nicht widerspricht.[72] Hat der Angeklagte keinen Verteidiger, führt das Unterbleiben eines Widerspruchs zur Verwertbarkeit eines Beweismittels, wenn er zuvor über die Notwendigkeit eines Widerspruchs belehrt worden ist. Bei absoluten Beweisverwertungsverboten, die aus Verstößen gegen § 136a und § 252 StPO folgen, besteht nach der Rechtsprechung ausnahmsweise ein solches Widerspruchserfordernis nicht.[73] Im juristischen Schrifttum wird die Widerspruchslösung weitgehend abgelehnt, da sie dem Verteidiger oder dem belehrten Beschuldigten umfangreiche Kontrollpflichten auferlegt, die das Gericht tragen sollte. Zudem lässt sie zu, dass Beweise, die im Rahmen schwerer Verfahrensverstöße gewonnen wurden, gegen den Beschuldigten verwertet werden können.[74]
Die Widerspruchslösung findet ferner auf die Missachtung der Anordnungvoraussetzungen einer Maßnahme nach § 100a StPO Anwendung,[75] nicht hingegen auf Beschlagnahmeverbote.[76]
Ein selbständiges Beweisverwertungsverbot besteht, wenn das staatliche Interesse an der Aufklärung eines Sachverhalts im Einzelfall hinter kollidierende verfassungsrechtliche Gewährleistungen zurücktritt. Hierzu kann es insbesondere kommen, wenn die Ermittlungsbehörden in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten eingreifen, das durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistet wird.[77]
Um eine für den Strafprozess besonders bedeutende Ausprägung des Persönlichkeitsrechts handelt es sich beim Prinzip nemo tenetur se ipsum accusare. Hiernach darf der Beschuldigte nicht dazu verpflichtet oder gedrängt werden, sich selbst zu belasten. Ebenfalls verbietet dieses Prinzip, Beweise zu verwerten, die durch Umgehung des nach § 136 StPO bestehenden Schweigerechts des Beschuldigten erhoben worden sind. Dies kann etwa durch Ansetzen eines verdeckten Ermittlers auf den Beschuldigten geschehen, der diesen zur Tat ausfragt.
Das Nemo-tenetur-Prinzip ist in der StPO explizit in § 55 Abs. 1 für den Zeugen und in § 136 Abs. 1 Satz 2 für den Beschuldigten festgehalten.
Ein Problembereich ist die zwangsweise Verabreichung eines Abführ- oder Brechmittels, um Beweisstücke aus dem Magen-Darm-Trakt eines Beschuldigten zu fördern (sog. Exkorporation). Beweisziele sind dabei vornehmlich verschluckte Drogenpäckchen. Maßgeblich für die Beurteilung ist einerseits die Form der Beweissuche: Nicht verboten ist, den Beschuldigten zu zwingen etwas an sich passiv zu dulden (Blutentnahme, Röntgen, Tomografie, Ultraschall). Verboten ist jedoch, ihn zum aktiven Werkzeug einer Selbstbelastung zu machen. („Nemo-tenetur“-Grundsatz, s. o.).
Andererseits wird eine Exkorporation als ein kritikwürdiges und inhumanes Abschreckungsmittel bewertet. Als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG ist es unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit im Ansatz kaum rechtfertigbar, da Drogencontainer leicht beschädigt werden können, was dann eine akute Intoxikation zur Folge hat, die schließlich zum Tode des Beschuldigten führen kann. Die Beweissicherung über eine überschaubare zu erwartende Menge versteckter Drogen, korrelierend mit einer regelmäßig relativ geringen Strafe, steht daher zu einem potentiellen Todesfall durch die Beweissicherung, außer Verhältnis. Ein verhältnismäßiges Beweissicherungsverfahren ist zudem durch zulässige passive Zwangsmittel erreichbar, indem der Delinquent in einer Zelle mit WC ohne Abwassernetzanschluss untergebracht wird. Die juristische Problematik ist letztlich aber noch nicht abschließend geklärt. Im Einzelfall kann der Einsatz eines Brechmittels zum unmittelbaren Schutz von Leib und Leben der Person geboten sein, wenn es Anzeichen für einen lecken Behälter gibt oder auf Grund eines ärztlichen Befundes (z. B. Röntgenbilder, Ultraschallbild) ein solcher unmittelbar droht und ein Abgang der Drogencontainer auf natürlichem Wege als zu risikobehaftet angesehen wird.
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellte im Juli 2006 fest, dass der zwangsweise Brechmitteleinsatz in der Bundesrepublik Deutschland sowohl gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung des Art. 3 als auch gegen das Recht auf ein faires Verfahren des Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt.[78]
Der Schutz der Persönlichkeit umfasst die Gewährleistung eines Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Die Rechtsprechung differenziert bei Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht nach der betroffenen Persönlichkeitssphäre: Beweise aus der Geschäftssphäre oder dem Bereich der sozialen Kommunikation, unterliegen keinem Verwertungsverbot, sodass sie verwertbar sind. Auch durch Ermittlungseingriffe in die Individualsphäre erlangte Beweise sind grundsätzlich voll verwertbar. Ob im Einzelfall ein Verwertungsverbot vorliegt, richtet sich nach einer Abwägung des Persönlichkeitsschutzes mit den Belangen einer funktionsfähigen Strafrechtspflege. Im Bereich der Intimsphäre sind demgegenüber staatliche Eingriffe generell unzulässig, sodass eine Verwertung von Erkenntnissen aus diesem Bereich unzulässig ist.[79][80]
Aufzeichnungen in einem Tagebuch können zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehören und sind dann unverwertbar. Führt jedoch jemand Aufzeichnungen über äußere Geschehensabläufe, z. B. über den Hergang der von ihm verübten Straftat, können diese Aufzeichnungen verwertet werden, wenn die Interessen der Strafrechtspflege an der Aufklärung dieser Straftat die schutzwürdigen Interessen des Tagebuchführers überwiegen (Abwägungslehre). Das ist nur bei schwerwiegenden Straftaten der Fall.[81][82][83] Mit Beschluss vom 26. Juni 2008 hat das Bundesverfassungsgericht jedoch entschieden, dass eine Verwertung von Tagebüchern auch bei Vergehenstatbeständen und einer Freiheitsstrafe von lediglich zwei Jahren und drei Monaten zulässig ist.[84]
Wenn jemand, sich allein wähnend, Selbstgespräche führt, gehört dies nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Intimsphäre, und Beweisgewinnung wie -verwertung sind unzulässig. Dies hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2005 ausdrücklich festgestellt. Er bezog sich dabei auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff.[85]
Der Kernbereich privater Lebensgestaltung hat auch einen medialen Aspekt (Abhören der Telekommunikation) und einen Standort-Aspekt (Abhören in einer Wohnung). Im ersten Fall sind staatliche Eingriffe limitiert, aber dennoch zulässig (G-10-Gesetz), da Kommunikation per se auf Verbreitung angelegt ist. Bei einem Ermittlungseingriff in die Wohnung des Beschuldigten hat ein Abhören, anders als die Durchsuchung, die Permanenz, die ihm die letzte persönliche Zufluchts- und Rückzugsmöglichkeit wegnimmt. Dies verletzt die Menschenwürde, denn jeder Mensch – auch der Verfolgte – braucht diese letzte Rückzugsmöglichkeit. Beweise können allenfalls gewonnen werden, wenn die Vermutung des persönlichen Rückzugs substantiiert und konkret widerlegt werden kann, etwa wenn durch Hilfsbeweise sichergestellt ist, dass in einer Einzelsituation der Beschuldigte sich zu anderen, namentlich kriminellen Zwecken zurückzieht.[85][86]
Die Vorbereitung der Verteidigung mittels Besprechungen, Aufzeichnungen und Nachforschungen ist von einer Beweiserhebung ausgeschlossen. Einerseits ergibt sich dies aus § 148 StPO in Verbindung mit dem Aspekt des fairen Verfahrens aus Art. 6 EMRK und dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG sowie der Rollenverteilung im Strafprozess, andererseits als situative Anwendung der Grundsätze zum Kernbereich privater Lebensgestaltung – der Kontakt zum Verteidiger ist das professionelle Pendant in der Strafverfolgungssituation zum geschützten Kontakt zu nahen Angehörigen.
Durch Einsatz technischer Mittel, beispielsweise zur Telekommunikationsüberwachung oder Online-Durchsuchung, erlangte Zufallsfunde, die in keiner Beziehung zur Anlasstat stehen, aber auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten, sind im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nur nach den Regeln über den hypothetischen Ersatzeingriff verwertbar (§ 161 Abs. 3 StPO).[87]
Die StPO enthält keine Regelungen zur Beweisgewinnung durch Privatpersonen; deren Beweisrecht richtet sich primär an die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen, nicht jedoch an Private.[88] Daher ist umstritten, welche Grenzen für die Verwertung von Beweismitteln Privater bestehen.[89]
Um einen vieldiskutierten Grenzfall handelt es sich bei der Hörfalle. Hierbei führt eine Privatperson auf Veranlassung der Ermittlungsbehörde ein (Telefon-)Gespräch mit einem Beschuldigten. In dessen Rahmen bemüht sich die Privatperson, das Gespräch auf die jeweilige Tat zu lenken, um den Beschuldigten zu Einlassungen zu veranlassen. Die Ermittlungsbehörden hören dieses Gespräch ab, was dem Beschuldigten verborgen bleibt. Diese Methode stieß zunächst auf Kritik. Auch der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hielt sie im Hinblick auf § 136 StPO für unzulässig. Zwar liege keine Vernehmung im Sinne der Norm vor, jedoch komme die Hörfalle einer Vernehmung derart nahe, dass es geboten sei, den Beschuldigten über sein Schweigerecht zu belehren, da dieses andernfalls ausgehöhlt würde.
Der Große Senat des Bundesgerichtshofs folgte dem jedoch nicht, da der Hörfalle durch das Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten und das Rechtsstaatsprinzip ausreichende Grenzen, gesetzt seien. Im Einklang mit seinem auch im Übrigen verfolgten Abwägungskonzept beurteilte der Große Senat die Zulässigkeit der Hörfalle anhand einer Abwägung zwischen den Beschuldigteninteressen und dem staatlichen Aufklärungsinteresse. Hiernach dürfen mittels einer Hörfalle gewonnene Erkenntnisse verwertet werden, sofern es um die Aufklärung einer schweren Straftat geht und die Erforschung des Sachverhaltes unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert ist.[90]
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht angenommen werden kann, wenn es an einer stillschweigenden Einwilligung fehlt, Dritten ohne Zustimmung sämtlicher Gesprächspartner das heimliche Zuhören des Gesprächs zu ermöglichen, sofern nicht vorsorglich von allen widersprochen wird.[91] Danach wird die stillschweigende Einwilligung verneint, wenn folgende Voraussetzung vorliegt: „Wäre ihm etwa bewusst, dass ein Dritter zuhört, so dass bei einer anschließenden rechtlichen Auseinandersetzung ein Beweismittel zur Verfügung steht,[92] könnte der Sprecher vor dem Hintergrund einer andernfalls bestehenden eigenen Beweislosigkeit entscheiden, jedwede Äußerung von rechtlicher Relevanz zu unterlassen. Er könnte sich auch um einen behutsameren Gebrauch solcher Formulierungen bemühen, die unter Umständen beweiserheblich werden. Oder er könnte seinerseits dafür sorgen, über ein eigenes Beweismittel zu verfügen. Solche Möglichkeiten, sich am jeweiligen Kommunikationspartner auszurichten und sich im Hinblick auf die eigenen Kommunikationsinteressen situationsangemessen zu verhalten, werden ihm genommen, wenn nicht in seiner Entscheidung steht, wer die Kommunikationsinhalte unmittelbar wahrnehmen kann.“
Inwiefern sich die strafprozessuale Systematik der Beweisverbote auf das Zivilrecht übertragen lässt, ist umstritten. Überwiegend wird dies angesichts der unterschiedlichen Strukturen von Straf- und Zivilverfahren abgelehnt.[93] So unterliege etwa die Beweisgewinnung anders als im Strafprozess in Ermangelung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens keinen prozessualen Regeln. Auch finden die Grundrechte auf die Beweisgewinnung im Zivilverfahren keine unmittelbare Anwendung, da diese nicht von einer Behörde betrieben wird, sondern von Privaten.[94]
Strittig ist in der Rechtswissenschaft, wie weit die Folgen eines Beweisverwertungsverbots reichen. Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn aufgrund eines nicht verwertbaren Beweises weitere Beweismittel entdeckt werden, die keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen und damit grundsätzlich in den Prozess eingeführt werden können.
Für das US-amerikanische Strafverfahrensrecht hat der Supreme Court 1920 die Auffassung eingenommen, wonach Beweise, die mittelbar infolge eines Verfahrensverstoßes erlangt werden, grundsätzlich einem Verwertungsverbot unterliegen. Andernfalls drohe die Gefahr, dass der Zweck der Beweiserhebungsverbote unterlaufen wird.[95]
Im deutschen Recht ist umstritten, ob Beweisverbote eine Fernwirkung entfalten. Die Rechtsprechung lehnt eine Fernwirkung von Beweisverboten grundsätzlich ab.[96] Lediglich bei Verstößen im Rahmen der Post- und Telekommunikationsüberwachung erkennt sie eine Fernwirkung an, da diese Vorschriften die Grenze zwischen öffentlichem Verfolgungsinteresse und dem Kernbereich privater Lebensgestaltung ziehen und ihre Restriktionen auf staatliche Nichtkenntnis angelegt seien.[97] Die grundsätzliche Ablehnung der Fernwirkung stützt sich auf die Annahme, dass eine solche im deutschen Recht nicht erforderlich sei. Die Fernwirkungsdoktrin sei eng mit der Disziplinierungsfunktion der Beweisverbote verbunden, weshalb für sie in Deutschland kein Bedarf bestehe. So werde der Sachverhalt anders als in den USA durch das Gericht umfassend aufgeklärt. Ferner sei die Staatsanwaltschaft verpflichtet, auch die zur Entlastung des Angeklagten dienenden Umstände zu ermitteln, wodurch sie eine deutlich objektivere Verfahrensrolle einnimmt als ihr US-amerikanisches Pendant. Einige Stimmen des Schrifttums erkennen demgegenüber eine Fernwirkung von Beweisverboten an, da eine solche notwendig sei, um ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten.[98]
Entfaltet ein Beweisverbot Fernwirkung, kann der betroffene Beweis ausnahmsweise verwertet werden, wenn der Beweis zumindest auch mithilfe einer rechtmäßigen Beweiserhebung gewonnen wurde[99] oder hätte gewonnen werden können.[100] Diese Auffassung fußt auf der in der USA entwickelten Clean-Path-Theory und wurde von der deutschen Rechtsprechung adaptiert. Gegebenenfalls sind aber Beweiserhebungsfehler bei einer Verurteilung zugunsten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.[101]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.